"Die Medien könnten die größte Friedensmacht der Welt sein, stattdessen werden sie als Kriegswaffen eingesetzt", sagt Amy Goodman. Kriegskritiker kämen in den USA praktisch nicht zu Wort, abweichende Meinungen würden ausgefiltert. Die Medienkonzerne gäben oft nur die Positionen der Konzerne und der Politiker wieder, die von Konzernen finanziert werden. So schrumpfe die von den Medien abgebildete Meinungsvielfalt in den USA zunehmend. "Ich nenne es 'die zum Schweigen gebrachte Mehrheit', denn diejenigen, die gegen Krieg, gegen Folter sind, die wegen Armut und der Kontrollmacht der Unternehmen tief besorgt sind, sind keine Randgruppe. Sie sind nicht einmal eine schweigende Mehrheit, sondern eine Mehrheit, die zum Schweigen gebracht wird. Sie wird mundtot gemacht von Medienunternehmen, und das müssen wir ändern."
(Weiterlesen)
Anmerkung: Dieser bestürzende, aber keineswegs neue Befund gilt selbstverständlich nicht nur für die USA, auch wenn dort die Medienkonzentration und propagandistischen Aktivitäten der Massenmedien noch einen Tick ausgeprägter sein könnten als beispielsweise in Deutschland. Aber auch hierzulande sind Nachrichtensendungen wie die "Tagesschau" oder "heute" weit davon entfernt, seriös und pluralistisch zu sein. Wer sich einzig aus diesen Quellen informiert, mag sich vielleicht für "gut informiert" halten, ist aber bestenfalls indoktriniert und "auf Linie gebracht".
Es ist ebenfalls keine Neuigkeit, dass dasselbe auch für die gedruckten Erzeugnisse der großen Verlagshäuser gilt - es ist heute ja nur noch ein Treppenwitz, dass beispielsweise der Spiegel einmal als "linkes", gar "investigatives Nachrichtenmagazin" galt, das u.a. einen offensiven Kampf gegen die Schmutzerzeugnisse des Springer-Konzerns geführt hat. Dieser Kampf ist gründlich fehlgeschlagen - heute ist der Spiegel nur noch ein Teil der neoliberalen Kampf- und Propagandasuppe.
Diese permanente Entwicklung in Richtung Desinformation und Propaganda geschah natürlich nicht zufällig oder versehentlich - wir dürfen getrost davon ausgehen, dass diese in ihrer Wirkung bestens erforschten Macht-Instrumente von Anfang an ganz oben auf der neoliberalen Zerstörungs-Agenda standen - und wir erleben täglich, dass der perfide Plan tatsächlich funktioniert: Die große Mehrheit schaut sich diesen PR-Kram mehr oder weniger regelmäßig an, hält ihn für "seriös" oder gar "objektiv" und hält demnach Kritik an den bestehenden Verhältnissen für "extremistische Einzelmeinungen" einer kleinen Randgruppe. Anders ist es nach meiner Sicht gar nicht mehr erklärbar, dass über einen so langen Zeitraum hinweg konsequent und massiv eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerung und zum Wohle eine sehr kleinen und sowieso schon vollkommen überprivilegierten "Elite" gemacht werden konnte, ohne dass nennenswerter Widerstand oder mehr zu beobachten war und ist.
Die Situation ist also noch viel, viel übler als Frau Goodman das im oben verlinkten Beitrag darstellt: Selbstverständlich ist es die überwältigende Mehrheit, die von diesem System ausgebeutet und verarmt wird; trotzdem aber stützt eine Mehrheit dieser Masse das System weiterhin - in der irrigen, durch stetige Propaganda und Indoktrination verursachten Annahme, das System nütze ihnen oder sei gar "alternativlos". Wer einzig falsche, unvollständige oder tendenziöse Informationen erhält, kann auch nur zu völlig falschen Schlüssen und Meinungen gelangen - diese Weisheit ist fast zu banal, als dass man sie aufschreiben müsste. Und dennoch mag sie einer großen Anzahl von Menschen heutzutage wohl als extrem exotisch, wenn nicht gar als "verschwörungstheoretisch" anmuten. Wir sind wahrlich weit gekommen.
Die wenigen medialen Inseln, die noch dagegen halten und - zumindest gelegentlich - etwas Licht ins vernebelnde Dunkel der Einheitspropaganda bringen, werden zunehmend rarer - das Verschwinden der Frankfurter Rundschau ist dafür ebenso ein Zeichen wie die massiven Beschneidungen der ehemals kritischen Politik-Magazine ("Monitor", "Kontraste", "Report aus Mainz" etc.) in der ARD. So verbleibt dem wissenshungrigen Bürger einzig das Internet als alternative Informationsquelle. Die dort tatsächlich vorhandene Vielfalt verlangt vom Leser aber eine gewisse Medienkompetenz, um Relevantes und Wahres vom großen Sumpf des Blödsinns und der verschieden gefärbten Propaganda zu trennen - eine Medienkompetenz, die viele Menschen aber niemals erlernt haben und heute erst recht nicht mehr erlernen können. So wird die Pluralität des Internets wiederum zu einem Fluch, wenn sie dazu führt, dass Menschen vermehrt auf krude Hetz-Seiten wie "PI", den KOPP-Verlag oder andere Wortkloaken klicken, um die in den Massenmedien verschwiegenen oder verfälschten Informationen zu bekommen.
Der naheliegendste Ausweg aus diesem Dilemma wäre natürlich eine kräftige Verstärkung der Vermittlung eben jener Medienkompetenz - doch wer kann oder soll das - flächendeckend - leisten? Die Schulen, die inzwischen immer mehr zu "Formungsanstalten für den kapitalistischen Konkurrenzkampf" werden? Die Familien, in denen die "Tagesschau" als "seriöse Nachrichtensendung" gilt? Das Internet, wo man neben wunderbaren, treffenden, wertvollen und relevanten Beiträgen massenhaft auch Propaganda, Hetze und Desinformation findet?
Eine Frage, auf die ich - wie so oft - keine Antwort habe. Die "zum Schweigen gebrachte Mehrheit" wird wohl auch weiterhin aufgrund falscher Informationen schweigend zustimmen, und wir können nur hoffen, dass der Ausgang diesmal nicht in einer vergleichbaren Katastrophe wie in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts endet.
---
Skandal über Skandal
Nun stürzte auch die Berliner Bank
für Handel und Grundbesitz!
Was Einen gesund macht, macht Tausende krank -:
zum Himmel wallt auf ein übler Gestank,
aber Gott sendet keinen Blitz ---
Keinen Blitz, der das ganze Gesindel erschlägt,
das sich mästet von fremdem Geld,
das die Ärmsten bestiehlt und Schlingen legt
jedem Törichten, der noch Vertrauen hegt
zu den "Großen dieser Welt" ---
Herr Katzenellenbogen ist frei:
es besteht da kein Fluchtverdacht -
der Staatsanwalt mimt ein bisschen Geschrei -
Das macht sich gut. Doch es bleibt dabei.
Mit Geld wird alles gemacht!
Doch zwei Schriftsteller kriegten vom Feme-Gericht
in Leipzig dafür ihr Teil!
Wer die Wahrheit weiß und verschweigt sie nicht,
der ist für die Herrn ein erbärmlicher Wicht -:
Das ist Deutschlands Erwachen! Heil!
Bald zeigt man uns im Jahrmarkts-Zelt
den "Letzten ehrlichen Mann".
Und ärztlicherseits wird festgestellt,
dass er nur, weil ihm Groß- wie auch Kleinhirn fehlt,
weder schwindeln noch stehlen kann ---
(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 36 vom 07.12.1931)
Anmerkung: Wer mehr über den leider und zu Unrecht völlig vergessenen Autor Reinhard Koester erfahren will, dem sei das "Reinhard-Koester-Lesebuch", herausgegeben von Dieter Sudhoff, Köln 2004, sehr ans Herz gelegt. Das Buch ist als pdf hier kostenlos erhältlich; das ausführliche Nachwort des Herausgebers enthält eine Fülle von interessanten Informationen über den Autor.
17 Kommentare:
Hier ist gleich das erste Beispiel für dümmliche Propaganda, diesmal beim WDR: "Fachkräftemangel in NRW: Programmierer dringend gesucht"
http://www1.wdr.de/themen/wirtschaft/fachkraeftemangel126.html
Ich hab selten einen dämlicheren Artikel gelesen. Während die Arbeitslosigkeit explodiert und überall zu lesen ist "Thyssen streicht 2000 Jobs" und "Deutsche Bank streicht 3000 Arbeitsstellen" usw., jeden Tag neue Hiobsbotschaften, aber der "Fachkräftemangel" wird weiter wie bescheuert beschworen. Die Kommentare unter dem Artikel sprechen Bände, das glaubt doch niemand mehr.
In meinem Bereich werden neue Kolleginnen und Kollegen nur noch befristet und zu einem Hungerlohn eigestellt, und TROTZDEM finden sich genug arme Schlucker, die gar keine andre Wahl haben, als das anzunehmen. Der "Fachkräftemangel" ist eine groß angelegte Lügenkampagne und das kann jeder auf den ersten Blick erkennen.
Ubd das ist nur ein Beispiel von sehr vielen.
Ich kann mich dem nur anschliessen. Super formuliert, bravo.
Texte wie dieser zeigen: Charlie, du solltest deine Feindschaft mit flatter begraben. Wenn ihr eure Energien stattdessen bündeln würdet, wäre das ein Segen.
Das Gedicht con Köster ist ein ausgegrabener Hammer, der unbedingt weiter verbreitet gehört, dein Kommentar ist es nicht minder. Ich hab auch das Nachwort des Lesebuchs gelesen und kann nur sagen daß es ungemein Lust auf mehr Texte von diesem Schriftsteller macht, ich werde es mit Sicherheit lesen.
Die Lage ist zu ernst für alberne Differenzen zwischen Bloggern.
Anabelle will ich auch mein volle Zustimmung zukommen lassen! Was du schreibst, kann man nicht besser kommentieren. Ich habe mir den WDR-Artikel durchgelesen und konnte nur mit Mühe die Finger stillhalten. Beklopptere Propaganda gibt´s gar nicht.
Und GENAU DAS müßen endlich viel mehr Menschen begreifen!
@ Anabelle:
Du hast zwar recht, aber leider "glaubt" die Mehrheit auch diese Mär weiterhin. Sonst würden bzw. müssten sie ja Konsequenzen ziehen, gelle. Das tun sie aber nicht.
Der Artikel ist eine Zumutung sodergleichen, keine Frage - aber dergleichen sind wir doch von den öffentlich-rechtlichen Sendern genauso gewohnt wie von der Systempresse, Das unterscheidet sich nicht mehr - von den genannten wenigen, schrumpfenden Inseln abgesehen.
Beispielsweise viele Beiträge von "Monitor" stehen ja in krassem Widerspruch zu dem, was in den nachfolgenden, per Liveschaltung auch noch regelmäßig beworbenen "Tagesthemen" berichtet wird. Die Leute, die in der Monitor-Redaktion arbeiten, merken und wissen das natürlich, können aber offensichtlich trotzdem nichts daran ändern - sie werden gezwungen, am Schluss ihrer Sendung Werbung für die "Tagesthemen" zu machen. Ich frage mich, wie die sich angesichts dessen wohl fühlen mögen ...
Wie immer gilt auch hier: Ihre Existenz hängt an diesem Job, daher regt sich kein öffentlicher Widerspruch. Wer will es diesen Leuten ankreiden? Die zu Beschuldigenden sitzen einige Etagen darüber und bekommen noch viel mehr Geld für ihr niederträchtiges Tun. Geld ist nicht nur das Maß aller Dinge in dieser perversen Welt, sondern natürlich auch das Erpressungs- und Bestechungsinstrument Nr. 1.
Liebe Grüße!
@ Lars:
Ich habe keine Ahnung, wovon Du sprichst. Ich kenne flatter nicht persönlich und hege demnach keinerlei feindschaftlichen Gefühle gegen diesen Menschen. Was seinen Blog betrifft, finde ich, dass die Texte dort in letzter Zeit an Qualität deutlich gewonnen haben - von Ausnahmen abgesehen. Aber die gibt es sicherlich fast überall. Außerdem weiß ich nicht, was das Thema hier und jetzt überhaupt soll?!?
Nochmal für Dich zum Mitschreiben: Ich finde es verdammt gut, dass es noch so einige linke und informative Blogs gibt - jeder einzelne davon ist wichtig angesichts des vollkommen übermächtigen Irrsinns, der diese Welt in den Abrund zu reißen droht. Wenn ich dennoch mal irgendeinen Text kritisiere oder Anmerkungen dazu habe, dann bedeutet das keine "Feindschaft", auch keine "Differenzen", sondern es ist nichts weiter als eine Wortmeldung im konkreten Fall. Es ist ja fast schon traurig, dass ich das erst so aufschreiben muss, bis es auch beim hoffentlich Letzten ankommt. ;-)
Im Übrigen freue ich mich, wenn mein kleiner Beitrag Deine Lust aufs Lesen des Koester-Lesebuchs gesteigert hat.
Die Lage ist nämlich ernst - Ironie, Sarkasmus, Satire und allerlei andere Humorformen reichen nicht mehr aus.
Liebe Grüße!
Ich hatte am WE eine kleine Untergaltung mit meinem Bruder. Der findet Steinbrück toll und meint, er würde wenn er gewählt wird, eine tolle Politik für die Menschen machen, eine ganz andere als die Merkel. Als ich ihn fragte, was er da konkret meint, wußte er nichts zu sagen und berief sich auf Allgemeinplätze.
Dieses Beispiel ist wohl relativ typisch für Deutschland. Die Leute plappern den Mainstreamscheiß nach und denken gar nicht darüber nach. Ob Merkel oder Steinbrück, das bleibt sich im Ergebnis doch gleich! die sagen und tun doch dasselbe!
Aber erklär das mal jemandem der nur Tagesschau glotzt und Lokalzeitung liest. Der hält dich für einen Spinner wenn du sowas sagst.
Ich halte die Mehrheit einfach für dämlich und manipuliert!
@ darkmoon
die meisten machen sich einfach nicht die mühe sich richtig zu informieren. ach, keine zeit, oder oh....das ist im moment soooo weit weg, dafür habe ich keinen nerv, weil................
tja und die vierte politische instanz, der investigative journalismus ist ja schon seit jahren am untergang. geld regiert die welt.
traurig aber wahr.
nun, wir geben dennoch nicht auf!!!!!
grüße
dani
Das fehlte noch, daß sich die wenigen sogenannten linken Blogger auch noch sinnlos zerstreiten – das eingeschränkte »links« ist keine Kritik, sondern das Wissen um die Fragwürdigkeit solcher Schubladen.
Ob das Flatter, Kritik&Kunst, Carta oder wer auch immer in diesem Dunstkreis ist: Es ist im Moment die einzige Möglichkeit, so etwas wie eine Gegenöffentlichkeit in den Medien zu etablieren. Ein interessantes Phänomen bilde ich mir ein zu beobachten: Diese »Feindbilder« stelle ich viel stärker bei den Lesern fest als bei den Bloggern. Es scheint so etwas wie die Suche nach einem Alleinvertretungsanspruch, nach der allein seligmachenden Botschaft zu geben, die es ausschließt, die existierende Pluralität wahrzunehmen und zu nutzen.
»Die Lage ist nämlich ernst - Ironie, Sarkasmus, Satire und allerlei andere Humorformen reichen nicht mehr aus.«
Sie reichen natürlich nicht aus, sind aber ungemein hilfreich und wenn ich mir die Arbeit z.B. von Martin Sonneborn ansehe, kann das – wie alles, was Satire betrifft – eine äußerst starke Waffe sein. Ein Dieter Hildebrandt oder Georg Schramm haben tiefe Spuren hinterlassen: Da hinken einige andere noch weit hinterher. Ich erwähne das unter anderem deswegen, weil ich mir seit 48 Stunden die Diskussionen bei Flatter und dem Spiegelfechter ansehe (die mal etwas zusammen gemacht haben). Die Artikel wie die Kommentare sind zum Teil sehr wichtig und auf hohem Niveau – nach einer gewissen Zeit stellt sich aber das Gefühl von »Unverdaulichkeit« ein... nur Theorie, Zitate; ich fühle mich eher unterfordert, weil nach dem 60. Kommentar immer noch keine griffige Formulierung steht, nur über rein theoretische Details gestritten wird. Hat Marx nun oder hat er nicht – na ja: So schief hat er schon nicht gelegen! Gelacht habe ich während dieser schweren Lektüre kein einziges Mal: Das kann nicht Sinn der Übung sein. Der Sozialismus hat für mich eine unbedingt lebensbejahende, fröhliche Komponente. Es sind ja eben nicht diejenigen, die mit einem Stock im Arsch anstelle eines Rückgrades herumstolpern - der Kampf muß eine anarchistische, freundliche Komponente haben – wir sind schließlich keine Stalinisten.
Das einem das Lachen des Öfteren im Halse steckenbleibt, ist unvermeidlich. Auch das gehört dazu, aber wirklich verloren haben wir erst dann, wenn wir den Spaß am Leben verlieren, am lustvollen Gespräch.
Ups – das war eventuell etwas OT, aber gerade nötig.
Liebe Grüße
das Pantoufle
kleiner Nachtrag:
Es ist richtig, wenn Politiker immer wieder behaupten:
"Der Mensch ist Mittelpunkt."
Falsch ist nur die Schreibweise. Gemeint ist:
"Der Mensch ist Mittel.-Punkt."
Dieter Hildebrandt
@ Pantoufle:
Danke für Deine Wortmeldung. Ich sehe das im Wesentlichen ganz genauso wie Du und war regelrecht erstaunt - um nicht zu sagen: irritiert -, als ich den Kommentar von Lars gelesen habe. Vielleicht kann der sich ja nochmal melden und darlegen, wie er zu seiner Annahme einer wie auch immer gearteten "Feindschaft" gekommen ist?
Ich pflichte Dir auch bei, was Sonneborn, Schramm & Co. betrifft - allerdings reicht das tatsächlich bei weitem nicht aus. Nehmen wir "Neues aus der Anstalt" als Beispiel: Diese Sendung, die ich als eine der ganz wenigen im deutschen Fernsehen sehr schätze, ist ziemlich populär und wird von vielen Menschen angesehen - bewirkt hat sie aber bislang nichts, das sich auch in Wahlergebnissen, Protestbewegungen oder dergleichen mehr messen lässt. Aufkeimender Protest kann auch, wenn man es geschickt anstellt, kanalisiert werden - ich denke, dass dies auch der Grund dafür ist, dass diese Sendung überhaupt noch im Programm ist.
Den Dialog zwischen Berger und Flatter habe ich natürlich auch gelesen, bin aber bereits mit so gut wie gar keinen Erwartungen an den Text herangegangen. Dass Berger voll und ganz auf kapitalistischer Linie liegt, ist ja nichts Neues - ich habe mich von Anfang an gefragt, was für einen Sinn ein solcher Dialog haben soll, da mit Sicherheit keiner den anderen "überzeugen" kann. Dazu sind die Gräben zu tief und die Ansichten zu unterschiedlich. Da könnte man genausogut versuchen, mit einem Rassisten über Humanismus oder mit einem Gläubigen über Atheismus zu diskutieren - das ist von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Für manche Mitlesende, deren Meinung vielleicht noch unschlüssig ist, mag das dennoch interessant
sein, sich beide Standpunkte anzuhören und zu überdenken - allerdings dürfte das auf die LeserInnen von Feynsinn kaum zutreffen. Da geht's dann eher um Bestätigung.
Nach einer Reihe von richtig guten Feynsinn-Texten ist dieser ein völliger Tiefpunkt - und das nach meiner Ansicht keineswegs nur wegen des nicht vorhandenen Humors. Aner auch hier gilt: Einjede/r soll und muss sich eine eigene Meinung bilden, und wenn ich diesen Text als überflüssig empfinde, gilt das gewiss nicht für alle anderen Menschen auch. Ich halte es da wie Reinhard Mey, der seinem Nachwuchs in dem Lied "Füchschen" mit auf den Weg gegeben hat:
"Und wenn jemand aus dem Unterholz bricht
Und die allein seligmachende Weisheit verspricht,
Füchschen, glaub ihm nicht!"
Liebe Grüße!
»Dass Berger voll und ganz auf kapitalistischer Linie liegt,[...]«
Das stört mich ehrlich gesagt wenig. Soll er – das disqualifiziert ihn nicht als Mensch oder Blogger (was Du auch nicht gesagt hast).
Es zeigt aber auf ein anderes Problem, das ich mit der Bloggerei habe: Es gibt Leute, die schlicht saugut sind. Einer meiner Lieblinge ist Michael Spreng – nicht gerade die Speerspitze der linken Bewegung, fachlich aber ganz, ganz weit vorne. Spreng war früher Chefredakteur bei Bild am Sonntag, hat beim Express gearbeitet und war Wahlkampfberater für Edmund Stoiber. Wie gesagt: Nicht das, was man unter einem Vorzeigelinken versteht. Aber wenn ich lese, was er gelegentlich auf seinem »Sprengsatz« schreibt – vor allem wie er es macht, könnte man grün vor Neid werden. Der Mann kann einfach was (zumal er durchaus gelegentlich erstaunlich »links« argumentiert).
Ein anderes Beispiel (nein, kein Beispiel, sondern eine vollendete Perle) ist für mich Constantin Seibt, auf den ich über Klaus Jarchow aufmerksam wurde, der ihn in die Nähe von Tucholsky rückte; und das zu recht, wie ich denke. (Ich hänge mal einen Link am Ende dran, wenn es Dich interessiert). So geht das, so kann man schreiben – wenn man es denn kann.
Das Problem stellt sich für mich in der Gestalt dar, daß es zwar eine bemerkenswerte Menge guter Blogs gibt, die sich hoch engagiert auf der »richtigen«, sprich linken Seite betätigen, die aber über ihre berechtigte Empörung oft Stil und Technik vermissen lassen. Das liest sich dann oftmals wie ein Flugblatt, das auf einer Demo oder im Foyer der Uni verteilt wird. Man liest das, es ist alles richtig und gut, aber schon stilistisch ohne Mühe in der Luft zu zerlegen. Das kann nicht sein – damit kann niemand gegen die »Systempresse« (was für ein dämliches Wort!) anstinken.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich stelle mich persönlich als erster in diese Reihe der Flugblattschreiber, fühle mich weit von dem entfernt, was ich hier als Ziel postuliere. Und selbst das Wort »Ziel« ist verfehlt, weil es auch nur ein kleiner Schritt zu dem ist, wo wir meiner Einschätzung nach hinkommen müssen. Der vielgeschmähte Kuh-Journalismus hat uns eines voraus: Eine solide Ausbildung, die Beherrschung der Technik und eine Infrastruktur, die ein effizientes Arbeiten erst ermöglicht. All das ist in der Regel bei den Blogs nicht auszumachen und dementsprechend wirkungslos ist bisher ihr Einfluss.
Was ich für den Kardinalfehler bei der Diskussion bei Feynsinn und Spiegelfechter (und nicht nur dort) halte, ist das Fehlen eines Elements, daß ich als »Infotainment« beschreiben würde. Es fehlt die ordnende Hand, die das Thema eingrenzt, die Moderation. Und es fehlt (wenigstens mir) ein Mindestmaß an Alltagstauglichkeit – die Qualität vieler Aussagen kann man daran festmachen, ob die Menschen »auf der Straße« so sprechen würden. Bei aller Kritik an der Person des Gebrauchsphilosophen Richard David Precht: Das genau ist dessen Stärke, da kann er punkten und das sollte man sich gründlich ansehen, mit welcher Technik er das macht.
Selbst wenn man unterstellt, die fachliche Qualifikation der Initiatoren ließe eine Diskussion auf diesem Nivea zu, bleibt doch die Frage, wer davon profitiert – welche Wirkung man sich davon verspricht. Eine wie auch immer geartete Breitenwirkung können weder diese Artikel geschweige denn die sich anschließenden Kommentare haben. Zu abgehoben für den Durchschnitt, zu unstrukturiert – nicht zielorientiert. Da ist Carta oder Vocer dichter an dem, wie ich mir das vorstelle.
Ich würde in Deine Klage über den Verlust unabhängiger Medien einstimmen, wenn man im selben Atemzug Lösungsansätze im Hinterkopf hat – Blogs können meiner Einschätzung nach ein kleiner Teil der Lösung sein. Die Schwachpunkt, die ich mir einbilde auszumachen, habe ich versucht anzureißen: Um meinen eigenen Forderungen Rechnung zu tragen, ein griffiges Abschlußwort.
Wir sind einfach noch nicht gut genug.
Liebe Grüße
das Pantoufle
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Der-letzte-Captain/story/15734357?dossier_id=1068
@ Pantoufle:
Was die stilistische Qualität mancher Blogs betrifft, sehe ich das durchaus ähnlich wie Du - es gibt Blogs, die ich inhaltlich zwar recht gut finde, die ich aber dennoch nahezu nie besuche, weil ich beim Lesen ständig stolpere. Ich weiß aber auch, dass dies einige andere Menschen nicht so sehr stört - es gibt eben eine Menge unterschiedliche Gründe dafür, weshalb verschiedene Menschen diesen oder jenen Blog lesen und einen anderen nicht.
Ich glaube auch nicht, dass Blogs allein eine wirkliche Gegenöffentlichkeit herstellen können - dazu bedarf es in der Tat größerer Portale, die auch über entsprechende Ressourcen verfügen, wie Du es ja auch geschrieben hast. Wir haben da beispielsweise die Nachdenkseiten (auch wenn ich längst nicht mit allen Meinungen konform gehe, die dort vertreten werden), die AG Friedensforschung von der Uni Kassel oder auch LobbyControl. Private Blogs können da nur eine kleine Unterstützung sein. Ich persönlich sehe mein Blog sowieso eher wie eine Art "öffentlich geführtes Tagebuch" - es ist eben nicht nur Politik und aktuelles Zeitgeschehen hier vertreten, sondern auch vieles andere, was mich persönlich bewegt - Musik, Kunst, Literatur, Geschichte usw.
Das Hauptproblem sehe ich - wie schon im Posting selbst beschrieben - in der oft nicht vorhandenen Medienkompetenz vieler Menschen. Das führt dann u.a. dazu, dass auf einer Seite wie zum Beispiel "kreuz.net", die inzwischen ja glücklicherweise nicht mehr erreichbar ist, regelmäßig hunderte von Hass-Kommentaren unter jedem Hetz-Artikel standen. Dasselbe gilt für viele andere Seiten, die verdummende Propaganda gegen Schwule, Migranten, Muslime und 100 andere Gruppen betreiben.
Ich glaube indes nicht, dass "Infotainment" die Antwort darauf sein sollte - das halte ich gerade für den falschen Weg, wie das Beispiel Precht, das Du nennst, ja zeigt: Mit einer Verflachung, geradezu "Verseichtung" der Diskussion kann man komplexe Themen nicht erkenntnisgewinnend erforschen. Precht betreibt nach meiner Wahrnehmung albernen Smalltalk an der Oberfläche der Themen, die er anreißt, und dringt niemals in tiefere Erkenntnisschichten vor.
Dasselbe gilt meines Erachtens auch für politische Diskussionen - die inhaltsleeren und für alle "verständlichen" Worthülsen unserer Medienpolitiker zeigen ja, wohin die Irrfahrt geht, wenn man komplexe Sachverhalte in einfache Worte zu kleiden versucht. Kapitalismus und Sozialismus sind solche Themen - die kann man nicht salopp plaudernd und auch für den letzten Mediengesättigten interessant, spannend und dazu noch einfach erklären. Bei Feynsinn artet das momentan freilich aus - zumal es da ja gar nicht um die Frage "Kapitalismus vs. Sozialismus" geht - es findet dort ja keine Diskussion statt, sondern man kann eine Aneinanderreihung von vorher schon feststehenden Meinungen und Zitaten lesen. Ich beteilige mich dort bewusst nicht - auch wenn ich gerade zu dem, was Jens Berger geschrieben hat, eine Menge zu sagen hätte. Vielleicht tu ich das hier im Blog noch - auch wenn es der Herr Berger dann wohl nicht lesen wird. :-)
Leichte, noch dazu unterhaltende Diskussionen zu schwierigen Themen - das funktioniert nach meiner Ansicht nicht bzw. führt zu keinem sinnvollen Ergebnis.
Im Übrigen kommt es bei Texten auch stets auf den individuellen Geschmack des Lesers an: Dem Einen gefällt Hermann Hesse besser als Thomas Mann, eine Andere bevorzugt vielleicht Erich Kästner oder Doris Lessing - das sagt aber noch lange nichts über die Qualität der einzelnen AutorInnen aus. Das ist in Bezug auf Blogs nicht anders - auch wenn dort wahrscheinlich die Themen eine noch stärkere Gewichtung haben als das bezüglich literarischer Texte der Fall ist.
Um Dein Schlusswort aufzugreifen, möchte ich es ein wenig abwandeln: Wenn ein Schriftsteller (oder Journalist oder Blogger) an den Punkt gelangt, an dem er glaubt, er sei gut genug, sollte er das Schreiben auf der Stelle einstellen, denn ab diesem Zeitpunkt wird er nur noch Belanglosigkeiten formulieren. :-)
In diesem Sinne: Auf ein ständiges Weiterentwickeln!
Liebe Grüße!
dani: Wir geben nicht auf? Wer sagt das? -) Ich glaub ich hab schon längst aufgegeben,.,,,
@ darkmoon
vor 13 jahren war ich an einem punkt, wo ich dachte.....pffff....es geht echt nicht mehr weiter. schwerste depressionen etc.blabla, keine kohle, schwierige familienverhältnisse. und irgendwann saß ich dann so da (suhlte mich wahrscheinlich auch noch im selbstmitleid) und dann - schwupps - kam mir die erkenntnis: eh, jammern bringt echt nix!!! geht allen anderen auf den sack und bringt mich kein bisschen weiter! also:
kopf hoch, brust raus :-)) und WEITERMACHEN!!!!!!!
es gibt einen weg aus der dunkelheit. du musst nur eines tun: gehe ihn!!
herzlichen gruß
dani
dani: Ich frag dich mal ganz direkt: Arbeitsplatz ist weg, Unterstützung durch diesen Staat gibts nicht mehr, ich darf mich auf Sozialhilfeniveau einrichten, Auto weg, Traum von Wohnen im Grünen weg, Kino weg, Konzerte weg, Treffen mit weiter entfernt wohnenden Freunden weg, Computerspiele weg, neue Bücher weg, jeder andere kostende Luxus weg.... was bleibt da übrig? Ich hab bisher noch nie vom Staat leben müßen, aber jetzt bleibt mir keine Wahl.
Ahnst du wieviel Lust auch darauf habe?? Der Vollidiot beim Jobcenter hat mir schon verklickert daß ich trotz Abitur, zwei Lehren und jahrzehntelanger Berufserfahrung "nicht vermittelbar" wäre und mich auf "Maßnahmen" einstellen müßte. Es hat nicht viel gefehlt und ich wäre dem Trottel an die Gurgel gegangen.
Das ist kein lebenswertes Leben was einem hier noch zugestanden wird wenn man in den Strudel gerät. Ich hab keine Lust mehr mir das anzutun.
D.
@ darkmoon
mein sohn war damals 1/2 jahr alt als papa sich entschloß wegzugehen, weil es ihm "mit mir so nicht gefällt". meine mutter wohnte damals im gleichen haus, schwerst dement und depressiv. ich hatte keine arbeit, geringsten unterhalt, und saß ganz alleine da. bis auf alle 2 wochen einen "besuchspapa" - keine rückendeckung nichts.
freunde - ha - in der not, gehn tausend auf ein lot!
ich besitze seit 13 jahren kein auto, im urlaub war ich letzten 10 jahre arbeiten gegen kost und logis. und: ich lebe immer noch.
wenn du überlegst, dass 2/3 der menschheit in bitterster armut leben und teilweise nicht mal genug zum leben haben, dann macht das nachdenklich.
freiheit entsteht im kopf. viele dinge, von denen wir glauben wir brauchen sie sind illusion.
das kann man schön feststellen, wenn man mal ein paar tage auf ein retreat geht. da gibts nämlich gar nix außer du hockst stundenlang auf deinem hintern, meditierst dir den wolf und hälts einfach mal die fresse :-)))
keep on rolling and let the fire burning.
ganz lieben gruß
dani*
Kommentar veröffentlichen