Ohne Parallelen ziehen zu wollen: Mit Sorge ist zu beobachten, wie weit gegenwärtig in der deutschen Gesellschaft bestimmte Grundelemente fremdenfeindlichen, rassistischen und neonazistischen Denkens weiter bestehen, wie ein zunehmend auf kriegerische Aktionen orientiertes und undemokratisches Treiben einiger Regierender widerspruchslos hingenommen oder gar gebilligt wird. Es gibt tendenziell Resignation, Rat- und Hilflosigkeit, desgleichen einen Verfall normalen Verantwortungs- und Mitgefühls. Viele, allzu viele Menschen schauen schlicht und einfach weg, scheinen eingetaucht zu sein in ein gewöhnliches Einerlei alltäglichen Denkens und des Gewährenlassens nach dem Motto "Es war so, und es ist eben so ..."
(Prof. Dr. Manfred Weißbecker [*1935], in Neues Deutschland vom 26. Januar 2013)
Anmerkung: Die Frage nach den verbleibenden Handlungsoptionen in dieser Phase des Kapitalismus bleibt weiter bestehen und auch Weißbecker hat keine wirklich richtungsweisenden Hinweise auf Lager. In der Schrottpresse habe ich dazu heute einen Kommentar hinterlassen, und noch immer fällt mir absolut nichts ein, was aktuell zu tun wäre, um dem um sich greifenden Wahnsinn angemessen und vor allem wirkungsvoll zu begegnen. Hat denn niemand Vorschläge oder Hinweise?
Bitte!
5 Kommentare:
Hallo Charlie!
Zu Weißbecker. 3/4 des Artikels ist Altbekanntes; der letzte Absatz - den Du z.T. zitierst - scheint mir die übliche Schwarz-in-Schwarz-Malerei zu sein.
Ich denke, was den Rechtsextremismus als eine geschlossene Weltanschauung anbelangt, so gibt es vllt 2%, 3%, meist solche "Extremisten der Mitte" wie Apfel oder Worch. Der Rest der sich neonazistisch gebenden Leute (meist junge Männer) tun das als Affekt gegen ihre eigene Deklassierung und Deprivation. So ist das eben in Gesellschaften, die dermaßen zermürbend und destruktiv sind wie die unsrige.
Was mir aber viel, viel mehr Sorge gebreitet, ist der latente Anti-Semitismus (der Weißbecker auch kurz anspricht), der in allen Schichten und Klassen unserer ach so geläuterten Gesellschaft auftritt - und auch unter Linken grassiert! Man muss kein militanter Antideutscher sein, um zu erkennen, dass für viele Linke die Solidarität mit Palästina willkommenes Mittel ist, um dem "kleinen Teufel" (=Juden, Israel) und dem "großen Teufel" (=USA) eins auszuwischen. Und wo in linken Kreisen "Anti-Zionismus" draufsteht, ist oft doch nur Judenhass drin. DAS lässt mich schier irre, diese Ähnlichkeit der Geisteskrankheiten auf rechter wie auf linker Seite.
@ Henning:
Da muss ich Dir vehement widersprechen: Aktuell sind es weniger Juden, dafür vielmehr Muslime, Asylsuchende, Arbeitslose, Arme, Behinderte, Kranke, die im Fokus des neoliberalen Terrors stehen. Auch Deine Einschätzung des rechtsextremen Potenzials teile ich nicht - ich hatte ja erst kürzlich eine Studie hier zum Thema, in der von gut 30 Prozent Zustimmung zu rechtsextremen Meinungen die Rede war. Es ist also deutlich drängender.
Die soziologischen Bücherwände, die es zum Thema gibt und die belegen, dass ein perverses System wie das unsrige selbstredend Faschismus nicht nur lebt, sondern auch in der Bevökerung forciert, sind redundant. Es ist alles gesagt - Faschismus IST ein Thema unserer Zeit. Eigentlich bleibt jetzt nur noch die Frage, wie weit sie diesmal in ihrem christlich-sozialen-liberalen-sozialdemokratischen Mäntelchen gehen. Man sollte meinen, dass es da schwieriger ist, auf Behinderte, Kranke, Arme oder andere Minderheiten einzuprügeln, aber wir lernen schnell: Nee, das können diese Neofaschisten ebenso gut.
Unterlasse es bitte, diesen Faschismus nur auf den Antisemitismus zu reduzieren - denn das stimmt nicht mehr in dieser pervertierten Welt. Gerade in Deutschland ist der Antisemitismus doch überhaupt kein umgreifendes Thema mehr - es gibt doch kaum noch Juden in diesem Land. Der Hass und die geballte Aktion richtet sich doch gegen völlig andere Gruppen. Das macht den heutigen Faschismus nicht schöner - aber ein klein wenig durchschaubarer.
Hältst Du es für einen Zufall, dass Lindenberg in den 80er Jahren in seinem Song "Sie brauchen keinen Führer" textete: "Damals waren's die Juden - und heute sind die Türken dran!" ...?
Judenhass ist sehr, sehr schlimmm - aber es ist das kleinste Problem, das sich uns stellt. Im Übrigen erwähnt Weißbecker auch die anderen Probleme, die insbesondere unseren Kriegsminister oder dessen Austauschmarionette betreffen.
Liebe Grüße
Ne, ich hab auch keine Ahnung was man da tun sollte/könnte. I´m sorry. Auswandern nach Island vielleicht. Oder auf den Mond.
@ charlie
neulich war ich in der sauna und hörte ein gespräch zwischen zwei männern so um die 70.
"also, wir waren neulich im urlaub (türkei) mit einer reisegruppe. und da sah ich wie einer zusammengeschlagen wurde. nun - ich machte nix. naja....früher vielleicht als ich noch jung war, da hätte ich.........und übrigens: wenn ich mich da einmische, hmhm......da muß ich dann noch auf die polizei und den ganzen kram mit personalien und so - und dann - ja dann ist mein reisbus weg.
der andere: und was ist aus dem opfer geworden?
also - ich glaube der hats nicht überlebt!!!!
bei solchen gesprächen bleibt einem doch glatt die spucke weg. ohne worte!!!
hauptsache uns gehts gut - mitgefühl - zivilcourage......äääähhh was ist das?!?!
unglaublich aber wahr.
gruselgrüße
dani
@ Dani:
Das ist wirklich eine üble Geschichte! Unfassbar! Aber sie illustriert deutlich, in welche vergängnisvolle Richtung der Kapitalismus und seine Apologeten das Verhalten vieler Menschen schleichend drängen. Das sind Leute, die mit Sicherheit CDU oder SPD wählen und sich dabei noch als "rechtschaffene, freiheitlich-demokratische Bürger" betrachten - und möglicherweise auch noch am Sonntag in die Kirche rennen, bevor sie weiter ihrer Hetze gegen "faule Griechen" oder "das arbeitsscheue Gesindel" nachgehen.
Ein gar grausiges Szenario - inzwischen sind mir viele Leute in diesem Land einfach nur noch zuwider - was nicht heißen soll, dass es anderswo unbedingt besser sein muss.
Ich kann ja noch verstehen, dass manch eine/r aus Furcht vor eigenen Verletzungen nicht direkt in eine gewalttätige Handlung eingreifen mag - aber dass man auf der Stelle Hilfe holt, die Polizei anruft oder den Reiseführer oder Busfahrer oder irgendjemanden sonst damit beauftragt, wenn man die Sprache nicht spricht oder kein Telefon hat, sollte einfach nur selbstverständlich sein - für Jede und Jeden. Wie man sieht, ist es das aber nicht (mehr).
Da schüttelt's mich nur noch.
Liebe Grüße!
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