Montag, 13. Mai 2013

Musik des Tages: Stabat Mater




(Antonín Dvořák [1841-1904]: "Stabat Mater"; Kantate für 4 Solostimmen, Chor und Orchester, Op. 58, 1876/77)


Anmerkung: Zu diesem großartigen Werk gäbe es eine Menge zu sagen, das letzten Endes wahrscheinlich aber nur einige wenige Begeisterungsfähige für solche Musik interessierte, so dass ich mich kurz fasse. Auch wenn es sich mit dieser in der europäischen Musikgeschichte nicht seltenen Vertonung des mittelalterlichen Gedichtes "Stabat mater dolorosa", das den Schmerz der Mutter Jesu anlässlich dessen erfolgter Kreuzigung zum Inhalt hat, um ein traditionell religiöses Werk handelt, liegt die Sache in diesem Fall doch ein wenig anders.

Der Komponist wurde in den Jahren 1875 bis 1877 von einer schier unfasslichen Tragödie heimgesucht, in deren Verlauf innerhalb eines kurzen Zeitraumes seine drei Kinder im Alter von zwei Tagen, elf Monaten und drei Jahren plötzlich verstarben und die seine Frau und ihn zunächst kinderlos zurückließ. Unter dem Eindruck dieses kaum nachfühlbaren Dramas entstand dieses opulente Werk (übersetzt: "Es stand die Mutter schmerzerfüllt"), so dass wir hier wohl weniger die Schmerzen der "Mutter Gottes", sondern vielmehr die unfassliche Trauer des Ehepaares Dvořák über den Tod ihrer Kinder in Töne gegossen anhören.

Ich habe das Werk schon mehrmals in großartigen Interpretationen live erleben dürfen und kann nur versichern, dass ein solches Erlebnis niemals ohne multiple Gänsehäute vonstatten geht. Wer die Partitur zur Musik während des Anhörens verfolgen möchte, kann dies hier tun - ansonsten gilt, wie immer bei solcher hochemotionaler Musik: Die optischen und sonstigen Nebenreize sind möglichst zu minimieren, während die Lautstärke aufs Maximum erhöht werden sollte. Den religiösen Aufhänger des Stückes kann man - nicht nur in diesem Werk - getrost ignorieren, er spielt nämlich einzig die Rolle, dass es ohne ihn für den Komponisten wohl kaum eine Möglichkeit gegeben hätte, das Werk aufführbar zu gestalten.

Gleichzeitig mag dieses Posting auch als ein Kontrapunkt zum vergangenen, zumindest in meinem persönlichen Umfeld einmal mehr allzu peinlich begangenen Muttertag verstanden werden. Rein statistisch betrachtet durften auch am vergangenen Sonntag wieder alle paar Sekunden Mütter und Väter auf dem ganzen Globus den sinnlosen, überflüssigen, vom Kapitalismus und seinen furchtbaren Folgen verursachten Tod eines Kindes beklagen, während in den privilegierten Regionen der Welt, die zunehmend kleiner werden, mit albernen Blumensträußen, Pralinen und ähnlichem Irrsinn von einigen Wenigen Milliarden verdient worden sind, die zusammen bereits so viel Reichtum gehortet haben, dass sie die gesamte Weltbevölkerung damit problemlos und dauerhaft vor eben diesem sinnlosen Sterben bewahren könnten. Das Drama der Dvořáks - und damit der hörbar gemachte Schmerz - wiederholt sich tausendfach jeden Tag aufs Neue auf diesem Planeten - und eine Veränderung dieser andauernden Katastrophe ist nicht einmal ansatzweise absehbar oder auch nur auf der Agenda der Mächtigen. Ganz im Gegenteil: Der Ausbau dieser dauerhaften Menschenvernichtung ist das Programm der Neoliberalen.

Diese Musik ist die Musik unserer Zeit.

2 Kommentare:

Daniel hat gesagt…

Ich lese deinen Blog jetzt schon etwas länger mit, mal oberflächlich, mal genauer und jetzt, da du dieses unfassbar schöne Stück postest, wird es vllt Zeit, dass ich mal Danke sage.

Ein paar Nicht-Irre gibt es ja doch noch da draußen und ich freu mich regelmäßig, wie punktgenau du viele Sachen runterschreibst. Nicht nur, weil ich es mag meine Meinung bestätigt zu bekommen, auch weil es manchmal hilft, diese Dinge einfach mal versprachlicht zu haben. Für mich und im Dialog mit Anderen.

Insofern: Ich freue mich, wenn du weiter machst. Danke!

Charlie hat gesagt…

@ Daniel: Auch Dir vielen Dank für das Feedback, das mir viel bedeutet. Kürzlich hat mir jemand das sinngemäß so zu erklären versucht: "Wenn man schon im persönlichen Umfeld so selten erlebt, dass der wachsende Irrsinn in der Welt überhaupt noch kritisch in Frage gestellt wird, sind solche Blogs im Netz einfach wichtig, damit man nicht anfängt, sich selbst und seine Wahrnehmung anzuzweifeln."

Genau dasselbe gilt für mich auch: Wenn es nicht all die Blogs, die ich in meiner Linkliste erwähne, (und noch viele weitere) gäbe, würde mir etwas Entscheidendes fehlen, ohne das ich sicherlich über kurz oder lang der Resignation ausgeliefert wäre.

Solange ich meine, etwas zu sagen zu haben - und solange ich das noch ohne Zensur tun kann - werde ich das auch tun. Gelegentliche Durchhänger wie den letzten bitte ich da schon vorab zu entschuldigen.

Liebe Grüße!