Eine sozialpolitische Bilanz der großen Koalition
Als die zweite große Koalition der bundesdeutschen Geschichte am 18. November 2005 ihren Dienst antrat, wurde sie von gutmeinender Seite als das rechte Bündnis zur rechten Zeit für die anstehenden großen Aufgaben bezeichnet. Doch obwohl ein Bündnis der „Volksparteien“ – seiner ganzen Konstruktion wie der unterschiedlichen programmatischen Tradition der Beteiligten nach – stets den Eindruck vermittelt, dass sämtliche Bevölkerungsschichten mit ihren spezifischen Interessen angemessen repräsentiert seien, folgte die Regierungspolitik von CDU, CSU und SPD zumeist dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht viel hat, dem wird teilweise auch das noch genommen. Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung – so lautete das heimliche Regierungsprogramm der großen Koalition, bei dessen Durchsetzung sich die CSU (aus der Opposition durch die FDP angefeuert) besonders hervortat, während die SPD zögerte und zauderte, aber letztlich stets zustimmte, wenn es um den Machterhalt ging. (...)
Die nächste Bundesregierung wird – unabhängig davon, welche Parteien sie bilden – wahrscheinlich der Versuchung erliegen, weitere Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen, und zwar vorzugsweise dort, wo die „Lobbymacht“ der Betroffenen gering ist. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir am Vorabend einer „Agenda 2020“, die den Bismarckschen Sozial(versicherungs)staat zunehmend in einen bloßen Fürsorge-, Almosen- und Suppenküchenstaat verwandelt. Die staatliche Unterstützung wird sich noch stärker auf die „wirklich Bedürftigen“ konzentrieren, auf die Gewährleistung des Existenzminimums beschränken und auf eine „Gegenleistung“ ihrer Nutznießer dringen. Dass sich der Sozialstaat zunehmend darauf beschränkt, das bloße Überleben seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern, dürfte allerdings weder im Sinne des soeben noch gefeierten Grundgesetzes noch in einer so wohlhabenden Gesellschaft wie unserer ethisch verantwortbar sein.
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Als die zweite große Koalition der bundesdeutschen Geschichte am 18. November 2005 ihren Dienst antrat, wurde sie von gutmeinender Seite als das rechte Bündnis zur rechten Zeit für die anstehenden großen Aufgaben bezeichnet. Doch obwohl ein Bündnis der „Volksparteien“ – seiner ganzen Konstruktion wie der unterschiedlichen programmatischen Tradition der Beteiligten nach – stets den Eindruck vermittelt, dass sämtliche Bevölkerungsschichten mit ihren spezifischen Interessen angemessen repräsentiert seien, folgte die Regierungspolitik von CDU, CSU und SPD zumeist dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht viel hat, dem wird teilweise auch das noch genommen. Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung – so lautete das heimliche Regierungsprogramm der großen Koalition, bei dessen Durchsetzung sich die CSU (aus der Opposition durch die FDP angefeuert) besonders hervortat, während die SPD zögerte und zauderte, aber letztlich stets zustimmte, wenn es um den Machterhalt ging. (...)
Die nächste Bundesregierung wird – unabhängig davon, welche Parteien sie bilden – wahrscheinlich der Versuchung erliegen, weitere Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen, und zwar vorzugsweise dort, wo die „Lobbymacht“ der Betroffenen gering ist. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir am Vorabend einer „Agenda 2020“, die den Bismarckschen Sozial(versicherungs)staat zunehmend in einen bloßen Fürsorge-, Almosen- und Suppenküchenstaat verwandelt. Die staatliche Unterstützung wird sich noch stärker auf die „wirklich Bedürftigen“ konzentrieren, auf die Gewährleistung des Existenzminimums beschränken und auf eine „Gegenleistung“ ihrer Nutznießer dringen. Dass sich der Sozialstaat zunehmend darauf beschränkt, das bloße Überleben seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern, dürfte allerdings weder im Sinne des soeben noch gefeierten Grundgesetzes noch in einer so wohlhabenden Gesellschaft wie unserer ethisch verantwortbar sein.
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