Sonntag, 14. März 2010

Die seltsamen "Bevölkerungsprognosen" des Statistischen Bundesamtes

Am 23.2. übermittelte das heute journal im ZDF absolut treuherzig die neuesten Bevölkerungsprognosen des Statistischen Bundesamtes. Man gewann den Eindruck, die wissen bis hinter das Komma, wieviele Menschen in 50 Jahren im Osten oder im Westen leben werden. Ich dachte, die Quelle dieses Abenteuers sei das ZDF. Eine Täuschung. Das Statistische Bundesamt kann es nicht lassen.

In regelmäßigen Abständen schockiert uns das Statistische Bundesamt (StaBu) mit seinem Blick in die Zukunft. Letzte Blüte sind die Vorhersagen für das Jahr 2060: "Bevölkerung im Osten wird besonders schnell zurückgehen und altern." (Pressemitteilung vom 23.2.2010) Im Detail weiß das Statistische Bundesamt dann beispielsweise, dass die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt von 2,352 Millionen Einwohnern im Jahre 2009 auf 1,347 Millionen im Jahre 2060 "schrumpft". Angaben auf tausend Einwohner genau gaukeln dabei eine scheinbare Sicherheit vor – oder, um mit Walter Krämer zu sprechen, "Die Illusion der Präzision". (...)

Heute muss ich Ihren Blick auf ein anderes sehr wichtiges Phänomen lenken: Selbst die veröffentlichten Bevölkerungszahlen für heute sind falsch. Und dabei geht es nicht um 10 oder 10.000, sondern um Millionen! Und noch schlimmer: das Statistische Bundesamt weiß davon seit spätestens 2003!!! Um nicht sofort als Miesmacher abgestempelt zu werden, zitiere ich mal das Amt selbst:

"Bevölkerungszahl vermutlich um 1,3 Millionen zu hoch", lautet es in einer Pressemitteilung am 22.7.2008. Aber schon 2004 wird in der Fachzeitschrift des Amtes darauf hingewiesen: "Gemessen an den Ergebnissen der Haushaltsbefragung weisen die unbereinigten Melderegister (...) eine Karteileichenrate von knapp 4,1% auf." (Wirtschaft und Statistik 8/2004)

Da die veröffentlichten Bevölkerungsdaten aus den Fortschreibungen mit Hilfe der Melderegister kommen, lässt die Fehlerquote von 4,1% auf einen noch höheren als den zugegebenen Irrtum bei den Bevölkerungsdaten schließen. Vielleicht waren die 1,3 Millionen weniger eher eine Untertreibung und der Präsident des Hessischen Statistischen Landesamts lag mit seiner Schätzung näher an der Wirklichkeit: "Die Größenordnung könne bis zu 5 Prozent betragen, das wären gut vier Millionen Menschen." (zitiert nach Welt Online, 10.7.2008)

(Weiterlesen)

Anmerkung: Bevölkerungsprognosen, die 50 Jahre in die Zukunft reichen - man müsste laut darüber lachen, wenn mit solchen Kaffeesatzlesereien nicht knallharte antisoziale Politik gegen die Bevölkerung betrieben würde. Warum sitzen die Menschen eigentlich nicht vor ihren Fernsehgeräten und klatschen sich laut lachend oder wahlweise weinend vor die Stirn, wenn ein solcher hanebüchener Unsinn "seriös" verbreitet wird? Ich wünsche mir "griechische Verhältnisse".

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