Donnerstag, 5. August 2010

Über eine neue "Wirtschaftsdemokratie"

Die gegenwärtige ökonomische Krise ist bei weitem noch nicht überwunden. Sie ist auch nicht einfach eine besonders tiefe Delle im "ewigen" Auf und Ab konjunktureller Entwicklung, wie uns dies das insoweit eher an einem naturwissenschaftlichen Wissenschaftsverständnis orientierte neoliberale Denken suggeriert. Sie ist vergleichbar nur mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 und verweist so auf langfristige historische Entwicklungslinien und Brüche. Das bei Ausbruch der Weltfinanzkrise in der herrschenden Politik durchaus geläufige Wort von der "Zeitenwende" bringt dies keineswegs zum Ausdruck, wenn daraus nur ein Zurückschrauben "übertriebener" Deregulierung des Finanzsektors folgen soll – bis heute aber immer noch nicht erfolgt ist -, damit das Auf und Ab der Konjunktur dann wieder weitergehen kann. Der Umbau des demokratischen keynesianischen Wohlfahrtsstaats durch die Entfaltung und Durchsetzung einer hajekanischen Wirtschaftspolitik seitens demokratisch unzureichend legitimierter Funktionseliten auf europäischer Ebene hat, scheinbar interessenneutral und alternativlos, im Zeichen des Shareholder Value den gesellschaftlich produzierten Reichtum stetig zu Lasten der Masse der lohnabhängig Beschäftigten umverteilt. Das schafft keine Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung. Vielmehr sind wir mit vielfältigen weiteren Krisenentwicklungen konfrontiert. Sie reichen von der Krise der Automobilindustrie als einer Leitbranche des Fordismus über die Ökologische Krise, eine Welthungerkrise bis hin zu politischen Krisenentwicklungen, die zunehmend nicht mehr nur latent sind.

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Anmerkung: Ein guter Text, der viele Fakten und Wahrheiten benennt - und dennoch in den angebotenen Lösungen leider zu nebulös bleibt und dadurch im Sande verebbt. Dem Autor ist in vielerlei Hinsicht zuzustimmen - aber es kann keine Lösung sein, die Krise, in die der Kapitalismus unweigerlich geführt hat, dadurch bekämpfen zu wollen, indem man den Kapitalismus "demokratisiert". Das klingt alles sehr nett - ist aber doch von der Lebenswirklichkeit noch weiter entfernt als jede Revolution. Grob vereinfacht empfiehlt der Autor zum Schluss, die Katastrophe, in die die Weltwirtschaftskrise von 1929 geführt hat, heute einfach zu "überspringen" und direkt wie in den Nachkriegsjahren wieder neu zu beginnen. Er schreibt: "Das Aufgreifen und Entfalten solcher Fundsachen und Ansatzpunkte ist allerdings aussichtsreich nur denkbar, wenn entsprechende arbeitspolitische Ansätze auch mit einer veränderten Wirtschaftspolitik auf nationaler und europäischer Ebene verknüpft werden. Ein solches Ineinandergreifen galt ja auch in den ersten Nachkriegsjahrzehnten, also den sogenannten goldenen Jahrzehnten des Fordismus. Damals erfolgte die stabile Institutionalisierung von Mitbestimmung – parallel zur Aushöhlung der darüber noch hinausweisenden wirtschaftsdemokratischen Leitideen – im Rahmen einer zumindest partiell keynesianisch geprägten Wirtschaftspolitik und komplementären wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung, die in der Bundesrepublik in das 'Modell Deutschland' mündete."

Eine solche Idee erscheint utopisch - und vor allem kontraprodiktiv, weil sich dadurch der ewige Kreislauf des kapitalistischen Systems, beginnend bei null und endend in der Katastrophe, erneut wiederholen würde. - Dennoch ist der Text sehr lesens- und überdenkenswert, denn nicht allein die angebotenen Lösungen machen ihn aus.

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