Samstag, 11. September 2010

Von der Leyens Gängelung der Armen

  1. Ursula von der Leyens Plan, höhere Sozialleistungen für Kinder im Hartz-IV-Bezug nicht auszuzahlen, sondern ihnen Gutscheine, einen "Bildungspass" bzw. eine Chipkarte auszuhändigen, findet über die parteipolitischen Lagergrenzen hinweg zahlreiche Anhänger/innen. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte das in der Gesellschaft weit verbreitete Vorurteil sein, eine vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 angemahnte Erhöhung des Regelsatzes komme bei vielen Kindern aus sog. Hartz-IV-Familien gar nicht an, weil die Eltern das Geld eher zur Befriedigung ihrer eigenen Konsumbedürfnisse ausgeben würden. Zwar mag es tatsächlich den einen oder anderen Vater geben, der sich eher den beinahe schon sprichwörtlichen Flachbildschirm kaufen würde, als das zusätzliche Geld seinen Kindern zugute kommen zu lassen. Mit den seltenen Ausnahmen "vergnügungssüchtiger" Familienväter zu begründen, dass keine Erhöhung der Regelsätze stattfinden soll, womit alle übrigen Eltern und Kinder völlig schuldlos benachteiligt würden, wäre aber mehr als perfide. Dass auch Unternehmen staatliche Subventionen zweckentfremden, zeigt der jüngste Missbrauchsskandal beim Kurzarbeitergeld, hat bisher freilich bezeichnenderweise nie die Forderung nach sich gezogen, ihnen keine Subventionen mehr zu gewähren oder bloß noch Gutscheine auszuhändigen.

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  2. (...) Von der Leyens Konzept muss als gewaltige Gängelungsmaßnahme begriffen werden - in den Kommunen finden sich zweifelsfrei willfährige Helfer. Das moderne, fürsorgliche Sozialstaatskonzept, das von der Leyen persönlich wie anhand der Bürgerarbeit versinnbildlichen will, ist nichts weiter als die Enthemmung letzter Barrieren, als die Anfachung von Sanktionswut, als Spurt-er-oder-spurt-er-nicht?-Gesinnungsschnüffelei! All das wird der Öffentlichkeit, die naiverweise in der Bürgerarbeit eine Chance für eigentlich Chancenlose wittert, vorenthalten - sie darf nicht wissen, wie man Erwerbslosen die Bürgerarbeit "schmackhaft" macht. Sie darf auf keinen Fall erfahren, durch welche Mittel der hohe Krankenstand bei Arbeitslosen zustandekommt. Durch Verängstigung nämlich, durch das Verursachen kafkaesker Aussichtslosigkeit, wie jener, bald drei Jahre unter vollem Rechtfertigungsdruck zu stehen - selbst im "Berufsleben". Und durch die Verschärfung despektierlichen Benehmens natürlich! / Die Bürgerarbeit ist tatsächlich eine Chance: eine Chance, Arbeitslose weiter in die Enge zu treiben ...

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Anmerkung: Es geht munter weiter. Die neoliberale Bande macht trotz Krise, trotz der sichtbar gewordenen Unfähigkeit und gesellschaftlichen Gefährlichkeit ihrer Ideologie einfach weiter, als sei nichts geschehen, und wieder einmal sind die ärmsten Teile der Bevölkerung ihre bevorzugten Opfer. Da wird unterstellt, diffamiert, schikaniert, dass die Schwarte kracht - und die versammelten Systemmedien verbreiten das wieder einmal kritik- und haltungslos.

"Wie lange woll'n wir noch warten, wie weit sie wirklich geh'n?
Reden wir endlich in der einzigen Sprache mit ihnen, die sie versteh'n ..."

(Heinz Rudolf Kunze, aus dem Album "Wunderkinder", 1986)


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