Dienstag, 14. Juni 2011

Hartz-Terror: Wie Deutschland immer weiter verroht

Gestern war ich kühn. Selber vom Antragsstress mit dem "Haus, das Verrückte macht" verärgert, verwirrt und schlicht angeödet, war ich so kühn, mir im lieben Internet, auf youtube, Beiträge über Hartz IV anzusehen. Der erste war auch eher vergnüglich, insofern seelisch hilfreich: "Hartz IV gewinnt". Da macht ein kleiner Selbstständiger aus Köln, Filmer von Beruf, über seine wahnwitzigen einmonatigen Jobcenter-Erfahrungen ein hübsches Filmchen, bei dem ihm sein Kabarettistenfreund hilft. Nun schön, Lachen befreit, offensichtlich auch die Macher dieses Beitrags.

Doch dann kam es dicke: ich war so kühn, vielleicht auch angefeuert von diesem in seinem Humor auch ästhetischen Film, mir "Abgestempelt. Wie Hartz IV-Empfänger behandelt werden" anzusehen. Den Tag, den der hier vorgestellte Wolfgang Dinse nie vergessen wird, der wird auch mir, so scheint es, noch lange in Erinnerung bleiben: Ein wohl Mittfünfziger wird per Gerichtsvollzieher und amtlich bestelltem Umzugsunternehmen umstands- und ersatzlos aus seinem Heim befördert. Der Grund: Mietüberschuldung, Kündigung, Räumungsklage und -beschluss. Der Hintergrund: Der Ex-Hartz IV-Empfänger erhält mittlerweile vom Jobcenter keinen Pfennig mehr, und schon lange nicht mehr für die Miete. Durch eine Sanktion nach der anderen ist er auf "Förderung" der Höhe Null angekommen. Kein Wunder, hat er doch versäumt, die von ihm verlangte Menge an x Bewerbungen monatlich nachzuweisen. Auch dies kein Wunder, alldieweil der gute Mann – nicht lesen und nicht schreiben kann [was der Behörde von Anfang an bekannt war, Anm.d.Kapitäns].

(Weiterlesen)

Anmerkung: Den besagten Film "Abgestempelt. Wie Hartz IV-Empfänger behandelt werden" sollten Sie sich unbedingt ansehen - auch wenn er bereits etwas älter ist. Die dort vorgestellten Beispiele (Herr Dinse ist nur eines davon) rauben einem allesamt den Atem in ihrer Absurdität und hinterlassen ein extrem schales Gefühl des Zorns und der Trauer. Es hat sich an diesen skandalösen Zuständen zwischenzeitlich ja nichts zum Positiven verändert, ganz im Gegenteil: Man bekommt den Eindruck, als gewöhnten sich die Menschen allmählich an diese zunehmende Verrohung der Gesellschaft und diese nahezu allmächtige Behörde, die gleichsam über Leben und Tod der Betroffenen per Aktennotiz und Bescheid fast willkürlich entscheiden darf.

Wer sich den Film ansieht, sollte unbedingt bis zum Ende durchhalten: Es lohnt sich sehr, die Reaktion des Leiters der ARGE Greifswald auf die abschließende Frage des Reporters, ob er sich inzwischen eigentlich bei Hernn Dinse entschuldigt habe, zu verfolgen ...









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