Silvester 1931
Menschenskind, das war ein Jährchen,
das die schlimmsten Schauermärchen
trüber Unken übertrumpft!
Dass es schnell der Teufel hole,
denkt man vor der dünnen Bowle,
hoffnungslos und abgestumpft.
Immer beim Silvester-Proste
sagte man sich schon zum Troste:
Schlimmer werden kann es nich'!
Und dann ward es dennoch immer
- und nicht nur ein bisschen schlimmer,
sondern äußerst wesentlich ---
Dies Jahr aber, denk' ich, könnte
man schon glauben, bis zum Ende
sei nur noch ein kleiner Schritt -
Und entweder tät' man diesen
oder aus Ruin und Krisen
löste uns ein großes "Quitt!".
Soll man überhaupt noch hoffen -?
Diese Frage lass ich offen,
weil die Antwort leicht missfällt -
Tja, man müsste sich besaufen,
bis die Augen überlaufen,
doch auch dazu fehlt das Geld ---
(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 39 vom 28.12.1931)
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Neujahrsnacht-Beklemmungen
Neujahrsnacht. Nach zwölf ... und du stehst da,
und du äugst vielleicht ein bisschen in den Himmel.
Und von einem Turme macht's Trara
nach dem obligaten Glockenspiel-Gebimmel.
In der Höhe stehn die Sterne und
zwar genau so teilnahmslos wie immer.
Und der Himmel ist auch heute rund
und so dunkel wie ein Kohlentrimmer.
Nichts von Neujahrsmerkmal in der Kosmosgegend.
Dort geht alles seinen steten Gang.
Nur die Menschen finden Neujahr Sensation-erregend -
Und darüber wird dir etwas bang:
Das dort oben hat gewiss nie Lust,
sich mit unserm Kleinkram zu befassen.
Wenn du dich hier unten schinden musst,
wenn es Pleite gibt in allen Kassen,
wenn du dich mit ideellen Zielen,
so veranlagt, abzuschleppen hast,
wenn Elitemenschen an der Börse spielen
und die andern jagen nach dem Pfennig fast ---;
Das ist alles Zirkus von Mikroben,
die die Erde eigentlich konstant verseuchen -
und dem ungeheuren Apparat dort oben
lohnt es nicht mal, uns davonzuscheuchen.
(Walther C.F. Lierke [1892-?], in "Simplicissimus", Heft 39 vom 28.12.1931)
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Silvester 1931

"Den Silvester-Punsch kann sich die Menschheit diesmal sparen - der Welt-Kater ist schon vorher da."
(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 39 vom 28.12.1931)
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