Samstag, 16. Februar 2013

Die böse "Erbschaft dieser Zeit"


(...) Das "Dschungelcamp" ist deshalb so erfolgreich, weil es bestimmte Bedürfnisse bei einem immer breiter werdenden Publikum befriedigt, die zuvor in solch einer Intensität nicht präsent waren. Es ist gewissermaßen ein Produkt der "Mitte", in der sich immer stärker die Wünsche regen, andere Menschen erniedrigt, gequält, unterworfen und ausgebeutet zu sehen. Der Erfolg des Dschungelcamps verweist somit auf ein sich immer stärker aufstauendes autoritäres Potenzial in der Bevölkerung. (...)

Dabei stellt dieses Fernsehformat keine vollständige Innovation dar. Die historischen Vorläufer der heutigen Demütigungs-Shows finden sich in den 20er und 30er Jahren, als sogenannte "Tanzmarathons" in Mode kamen, bei denen die Teilnehmer mitunter wochenlang bis zur totalen Erschöpfung um ein Preisgeld gegeneinander tanzen mussten. Und es sind gerade solche Manifestationen kaum gezügelten Sadismus, die einen zuverlässigen Indikator für die Zunahme autoritärer und reaktionärer Einstellungen in der Gesellschaft, wie etwa der späten Weimarer Republik, liefern.

Angefacht von der Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre, machten sich in der Weimarer Zeit lange vor der Machtergreifung [sic!] der Nazis autoritäre und reaktionäre Anschauungen breit, die oftmals gänzlich "unpolitisch" wirkten, aber beim genaueren Hinsehen einen Ausblick in den Abgrund erlaubten, auf den das Land zusteuerte. Der Faschismus kam somit nicht aus heiterem Himmel über Deutschland. Eine scharfsinnige und immer noch beeindruckende Auseinandersetzung mit dem deutschen Präfaschismus, der genau dieses Kunststück gelang, ist die 1932 von Ernst Bloch verfasste, 1935 in Zürich publizierte Schrift "Erbschaft dieser Zeit", in der an ein Tabu der damaligen linken Faschismusdebatte gerührt wurde: Der Verfasser benennt nicht nur die Finanziers und Unterstützer der NSDAP in Kapitalkreisen, Militär und Staatsapparat, er legt auch die autoritären Dispositionen bei großen Teilen der Bevölkerung offen, die in der Linken immer noch allzu oft als einfaches "Volk" idealisiert wird. (...)

Da dem autoritären Charakter ein Aufbegehren gegen die Verhältnisse, die ihn in den Irrsinn treiben, unmöglich scheint, bricht sich die so angestaute Wut gegen Schwächere Bahn. Menschen, die von der kriselnden Kapitalverwertung zu Objekten gemacht und ausgepresst werden, ergötzen sich daran, andere zu Objekten degradiert zu sehen. Der angestaute Druck muss weitergeleitet werden, weswegen das Publikum es liebe, "arme Hunde so zu hetzen, wie es die Reichen mit einem selber tun" (Bloch).

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Anmerkung: Diesen Beitrag von Thomasz Konicz möchte ich zur allgemeinen Pflichtlektüre erheben - es ist sehr erhellend, den peinlichen Medienzirkus unserer Zeit einmal in einen etwas größeren Kontext eingeordnet zu sehen - auch wenn kleine Ausfälle wie die "Machtergreifung der Nazis" vorkommen. Ich muss zugeben, dass ich im Vorfeld weder das "Dschungelcamp", noch eine jener albernen Casting-Shows kannte - nach der Lektüre dieses Textes habe ich mir aber einige im Netz verfügbare Ausschnitte daraus angesehen. Mein Entsetzen war ... erheblich.

Auch dem Fazit des Autors kann ich mich nur warnend anschließen: "Der heutige Faschist bezeichnet sich nicht selten als moderner Demokrat, der unbequeme Wahrheiten mutig ausspreche. Aus reinen Kostenerwägungen heraus wolle er gegen 'Kostenfaktoren' der deutschen Leistungsgemeinschaft vorgehen, die erst wieder am Stammtisch als 'Schmarotzer' und 'Parasiten' bezeichnet werden (Die extremistische Gesellschaft)." In diesem Zusammenhang habe ich auch hier im Blog schon mehrfach über aktuelle Studien zur von Heitmeyer so bezeichneten "verrohenden Mitte" und andere Arbeiten berichtet, die Anlass zu großer Sorge geben. Der hier verlinkte Text von Konicz reiht sich nahtlos in diese Abfolge von berichteten Scheußlichkeiten ein.

Wir sollten dieses Mal die Warnungen ernst nehmen. Ernst Bloch schrieb in dem erwähnten Werk "Erbschaft dieser Zeit" (1932/1935): "Hier wird breit gesehen. Die Zeit fault und kreißt zugleich. Der Zustand ist elend oder niederträchtig, der Weg heraus krumm. Kein Zweifel aber, sein Ende wird nicht bürgerlich sein."

7 Kommentare:

  1. Die Erbschaft dieser Zeit liegt wohl eher darin daß Adolf nicht zuende bringen konnte was er angefangen hat. Das holen wir jetzt bald nach.

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    1. Bursche, Dir hat die Nazibande offensichtlich einmal zu oft in die Hohlbirne geschissen.

      Ansonsten lösche ich solchen Dreck ja, aber in Deinem Falle lasse ich das mal als Mahnmal für die Strunzdämlichkeit von Gesellen wie Dir stehen. Versuche gar nicht erst, darauf zu antworten oder neuen Stumpfsinn zu hinterlassen.

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    2. Leider ist das hohle Braunbaeckchen so gar nicht alleine.
      Am Ende dieses Beitrags http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/kameradschaften-in-deutschland/
      kannst du dir auf der Übersichtskarte rechtsextremer Gruppierungen einen brechreizenden Eindruck verschaffen, wie das heutzutage in Deutschland aussieht. Wobei all diese Unterhosenbremsspuren im Gegensatz zum politisch-deutsch/europaeischen Rechtsruck eher als harmlos einzuschaetzen sind.

      Hierzu noch nur eines von unzaehligen Beispielen, wie zB. die ach so demokratischen ProNazi-Islamophoben Nazis im Namen des Grundrecht etc. verteidigen.
      http://www.pi-news.net/2013/02/dresden-grundrecht-gebeugt-medien-jubeln/#more-306129
      Schoen isses in Deutschland, .. gell.

      Gruss
      Jake

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    3. @ Jake: Danke für den informativen Link zu der Übersichtskarte. Ich halte aber ebenso wie Du den "allgemeinen Faschismus" für wesentlich gefährlicher, der sich in der Gesellschaft und natürlich auch in den "etablierten" Parteien bis hin zu SPD und Grünen immer weiter ausbreitet, wie es ja auch dem oben verlinkten Artikel zu entnehmen ist.

      Das macht die "bekennenden" Neonazis nicht schöner oder harmloser, aber es beruhigt mich immerhin etwas, dass die braune Bande nicht einmal begreift, dass die heutige neoliberale Politik ja weite Teile des braunen Gedankentums in die Tat umsetzt - und das global. Die könnten allesamt geschlossen in die CDU eintreten und niemand würde einen Unterschied zum Zustand davor bemerken.

      Zu PI muss man nichts weiter sagen - diese Jauchegrube und die dort kommentierenden üblichen Verdächtigen sind ja lange bekannt. Ich halte es jedenfalls mental nicht aus, 75 Kommentare dieser brechreizenden Art zu lesen. ;-)

      Liebe Grüße!

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  2. Yep! Man sollte es sich einrahmen. Das ist dermaßen bescheuert, daß es nicht einmal richtige Nazis sagen würden. Selbst die sind mittlerweile heller als das da. Das Entnervende an diesen Schmeißfliegen ist, daß man sie nicht einmal als Gegner ernst nehmen kann.
    Scheißhausparolen.

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    1. @ Pantoufle: Du ahnst ja nicht, was ich hier gar nicht so selten alles löschen darf - dagegen sind solche geistigen Unleistungen wie diese von "Pius" eher harmlos. Ich habe mich naiver Weise vor ca. zwei Jahren auf "kreuz.net" einige Male kritisch zur dort stattgefundenen Hetze geäußert, und seitdem steht mein Blog offenbar auf irgendeiner braunen Liste. Ich halte das für reine Provokationsversuche.

      Liebe Grüße!

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  3. Uiuiui, da hab ich ja wieder was verpasst, schade daß ich diesen Idioten nicht eher gesehen habe!

    (Ironie on) Du solltest das aber auch endlich mal ruhen lassen, Charlie, du weisst doch, das ist alles lange her, heute haben wir die FDGO und den Rechtsstaat und unre vorbildliche Demokratie, da langt es wenn die Kanzleuse einmal im Jahr irgendwo ein Kränzchen niederlegen lasst und "der Opfer gedenkt", und danach gehen wir wieder zur Tagesordnung über. (Ironie off)

    So oder so ähnlich denken viele, auch aus meinem Umfeld. Das ist gar nicht sooo weit von dem Nazi-Spacken da oben entfernt, finde ich.... *grusel

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