Dienstag, 25. Februar 2014

Zitat des Tages: Die Maßnahmen


Die Faulen werden geschlachtet
die Welt wird fleißig

Die Hässlichen werden geschlachtet
die Welt wird schön

Die Narren werden geschlachtet
die Welt wird weise

Die Kranken werden geschlachtet
die Welt wird gesund

Die Traurigen werden geschlachtet
die Welt wird lustig

Die Alten werden geschlachtet
die Welt wird jung

Die Feinde werden geschlachtet
die Welt wird freundlich

Die Bösen werden geschlachtet
die Welt wird gut

(Erich Fried [1921-1988], in: "Gedichte", 1958)

Anmerkung: Fried ist ja bekannt dafür, dass er schwierige oder schwer in Worte zu fassende Dinge in einfacher, leicht verständlicher Form auf den Punkt gebracht hat - hier ist ihm das in einer Vollendung gelungen, die ich immer wieder nur staunend bewundern kann. Während in der zweiten Zeile eines jeden Verses die ideale Welt, wie sie wohl von fast allen Menschen herbeigesehnt wird, nüchtern benannt wird, erfolgt im Vorgriff der ersten Zeile stets die faschistisch-kapitalistische Perversion derselben, die das Ergebnis schon im Vorfeld ad absurdum führt. Dieses lyrische Kleinod ist nicht weniger als die Essenz der absurden Logikkette, der auch unsere heutige Zeit wie von Sinnen folgt und die selbstverständlich - wenn sie bis zum Ende weitergeführt wird - wieder im absoluten Irrsinn enden muss.

Große, bedeutende und die Zeiten überdauernde Kunst muss beileibe nicht immer filigran, brachial oder gar kompliziert sein - dieses Gedicht ist ein bewegendes Beispiel dafür.


2 Kommentare:

  1. Die kommunistische Perversion singender Jungkomsomolzen nicht zu vergessen, während die Feinde des Volkes zum Sterben nach Sibirien abtransportiert wurden. Den Irrsinn der schönen neuen Welt der Weltverbesserer des zwanzigsten Jahrhunderts auf den Punkt gebracht.

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    1. @ Anonym: Gut, dass Du "kommunistische Perversion" geschrieben hast - böswillige Menschen könnten sonst auf den absurden Gedanken kommen, dass Du beispielsweise den Stalinismus für Kommunismus hältst. ;-)

      Allerdings beschränkt sich der Irrsinn leider nicht auf das 20. Jahrhundert - heute stecken wir ja wieder in demselben braunen Sumpf, und ein Ende des Irrsinns ist nirgends absehbar.

      Liebe Grüße!.

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