Dienstag, 6. Januar 2015

Märchenstunde in der Endlosschleife: "Den Deutschen" geht's so doppelplusgut wie nie


Wir kennen das Geseiere ja seit Jahren, aber es reißt einfach nicht ab: In steter Wiederholung versorgt uns die Propagandapresse mit Meldungen wie dieser, über die ich kurz vor Weihnachten auf n-tv gestolpert bin:

Ein Mix aus steigenden Löhnen und niedriger Inflation lässt die Kaufkraft der Deutschen so deutlich steigen wie seit über drei Jahren nicht mehr.

Wer sich diesen, von einem plakativen Foto einer Horde von Konsumzombies beim Gottesdienst im kapitalistischen Markttempel trefflich illustrierten, Sermon selber durchlesen will, darf das gerne tun - sollte dabei aber stets im Hinterkopf behalten, dass einerseits das dafür verwendete, vom "Statistischen Bundesamt" bereits im Voraus "interpretierte" und der "freien Presse" zur Verfügung gestellte Zahlenmaterial mit gutem Gewissen angezweifelt werden muss, und dass sich andererseits der reine Informationswert dieser Aussagen - selbst bei hypothetisch korrekten Zahlen - auf genau dem folgenden Niveau bewegt: "Wenn von zehn Sahneschnitten, die einer Gruppe von zehn Personen zur Verfügung stehen, alle zehn Sahneschnitten im Magen einer einzigen Person genussvoll verschwinden, während die übrigen neun nichts abbekommen, haben durchschnittlich alle zehn Personen eine Sahneschnitte verzehrt." - Auf den blanken Irrsinn, eine Größe wie die "Kaufkraft" als etwas generell und unzweifelhaft Gutes für alle Menschen auf den verdorbenen Altar zu stellen und dies auch noch als einzigen Indikator für das Wohlbefinden zu benennen, kann ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Ein solcher Quatsch wird allen Ernstes und in immer wiederkehrender, nicht endender Wiederholung als "Nachricht", gar als "Information" in die verarmende, zerfallende Welt gekotet. - Noch weiter geht die - ebenfalls zu n-tv gehörende - Telebörse, die einen Schlips-Borg und Superspezialexperten namens Dr. [guttenb. schav.] Zschaber aus diesem Kaffeesatz den folgenden Voodoo-Zauber beschwören lässt:

Vor allem den Verfall der Ölpreise sehe ich für den Welthandel als außergewöhnlichen Impuls für das kommende Jahr 2015. Viele ölimportierende Länder können bereits schon jetzt beachtliche Gewinne verbuchen. Dazu gehören nahezu alle Industrieländer wie Japan, Korea, die USA oder Europa. Aber auch unter den Schwellenländern gibt es Gewinner - etwa die großen Länder Asiens, China, Indien und Indonesien. Dies wird potenzielle Wachstumskräfte im globalen Kontext hervorrufen (...).

Bei solchen strunzdämlichen Aussagen, die nicht einmal unteres Kindergartenniveau à la heute-journal oder Tagesthemen erreichen, fragt sich der geneigte Leser hoffentlich unwillkürlich, woher denn diese prognostizierten "beachtlichen Gewinne" wohl stammen mögen - der Herr Doktor sollte ja schließlich wissen, dass in diesem absurden System die Profite des einen zwangsläufig die Schulden bzw. Verluste eines anderen sein müssen. Ob vielleicht endlich doch neue Absatzmärkte auf dem Mars entdeckt wurden, von denen wir noch nichts wissen? Oder müssen am Ende doch nur wieder die Lohnsklaven, Rentner, Kinder, Kranken, Arbeitslosen, Armen - denen es ja laut Vorbericht flächendeckend so unglaublich gut geht - die ohnehin prallen Kassen der Superreichen weiter füllen? Dass dies im großen Stil jedenfalls nicht die führenden ölexportierenden Länder bzw. deren "Eliten" übernehmen werden, muss wohl nicht explizit erwähnt werden. - Ich bin mir nicht sicher, ob der Herr Dr. Superspezialexperte die naheliegende Antwort tatsächlich kennt - ich maße mir nicht an zu entscheiden, ob er ein korruptes oder doch nur ein dummes raffgieriges Arschloch ist.

Im Grunde wird die Antwort im Telebörse-Pamphlet aber bereits gegeben, denn die letzte Subunterschrift lautet selbstverständlich: "Was bedeutet das für den Anleger?" Damit ist einmal mehr schwarz auf weiß festgehalten, für wen dieses ganze lächerliche Brimborium veranstaltet wird und weshalb 99 Prozent der Bevölkerung das gar nicht erst durchschauen sollen.

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Marsnähe
[Export zum Mars]


"Petroleum? Kohlen?? Waffen???"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 22 vom 25.08.1924)

2 Kommentare:

  1. ..Vielleicht sollte sich der "Experte" mal Kopf machen ab welchen Ölpreis die Öl und Fracking-Blase platzt und Kreditfinanzierte Projekte und Investitionen Notleidend werden .,wer dann alternativlos rettet dürfte nach dem Griechenland Testlauf klar sein ..aber was red' ich

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  2. @ Lazarus: Einen "Kopf" hat sich gewiss auch dieser Schlips-Borg gemacht ... es kommt aber, wie immer, darauf an, welches anvisierte Ziel dabei verfolgt wird. Das hat auf den "Denkprozess" solcher Spezialexperten extreme Auswirkungen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, das erwünschte Ergebnis "mehr Profit für die Elite, egal zu welchem Preis" lautet, sehen die Folgen eben so bizarr aus.

    Was Dir, mir und vielen anderen sauer aufstößt, ist für solche Figuren ja ein Teil des angestrebten Zieles und damit hocherwünscht.

    Der eigentliche Aufreger ist ja - aus meiner Sicht - nicht das dümmliche, erwartbare Gebrabbel des Schlips-Borg bzw. der Vasallen aus dem "Statistischen Bundesamt", sondern einmal mehr die unkritische, als Nachricht oder Information getarnte Verbreitung dieses hanebüchenen Irrsinns durch die Massenmedien.

    Liebe Grüße!

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