Donnerstag, 30. April 2015

Zitat des Tages: Im Lande Vogelfrei


Ein Dichter bin ich und ich schreibe
mir die Dunkelheit vom Leibe,
damit ihr nicht, wie den von Kleist,
mich nackt in eine Grube schmeißt,
bevor aus deutscher Finsternis
ich mir ein Stückchen Leben riss.

Ich grüß, getrost auf Messers Schneide,
Herrn Walther von der Vogelweide,
der auch in diesem Vaterland
erst unterm Rasen Ruhe fand -
in Würzburg, wo ein Knecht hernach
des Riemenschneiders Hände brach.

Ja, Hochverrat und Hirngespinste
nennt dieses Volk die schönen Künste:
So zog in eines Feuers Rauch
von dannen Quirin Kuhlmann auch -
ach, endlos ist die Litanei
des Leids im Lande Vogelfrei.

Oh Land der Träumer und der Toten:
dem Tod sie ihre Stirne boten,
und mussten doch ins Dunkel fliehn
wie jener Friedrich Hölderlin,
der, dass er unter Deutsche kam,
sich doch zu sehr zu Herzen nahm.

Wie in Paris einst Heinrich Heine,
so lieg ich schlaflos nachts und weine.
Oh Volk, das sich bei Marschmusik
dreht um den Hals den eignen Strick:
Du hast die Freiheitsmelodien
den deutschen Dichtern nie verziehn.

Oh Volk der treuen Untertanen,
mit Hakenkreuz und Abgasfahnen,
im Land, das mir einst Heimat war,
mit Apfelbäumen, Mädchenhaar,
das meinen Mund mit Schweigen schlägt -
und das mir doch das Herz bewegt.

(Volker von Törne [1934-1980], in: "Im Lande Vogelfrei. Gesammelte Gedichte", Wagenbach 1981)




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