So gut ging es uns noch nie. Unaufhörlich
werden die Mieten gesenkt. Ohne Unterlass
fallen die Preise. Die Schrippen
werden immer größer.
In Säcken schleppen wir am Zahltag
unseren Lohn nach Hause. Zum Frühstück
trinken wir Sekt. Wir fahren Rolls Royce und essen
den Kaviar pfundweise.
In unseren Super-Jets fliegen wir nach Feierabend
für ein paar Stunden zu den Bahamas. Die ewigen Diamanten
hängen unseren Frauen schon
zum Halse heraus.
Bald wissen wir nicht mehr, wohin
mit unserem Geld. Demnächst werden wir
einen Fonds gründen müssen zur Unterstützung
notleidender Millionäre.
(Volker von Törne [1934-1980], in: Born / Delius / von Törne: "Rezepte für Friedenszeiten. Gedichte", Aufbau 1973; geschrieben 1969)

Anmerkung: Das ständige, wohl tatsächlich bis in alle Ewigkeit stetig wiederholte kapitalistische Märchen vom "So gut ging es uns noch nie"-Mythos macht sich auch in dieser fast 50 Jahre alten, satirischen Gedichtform sehr gut. - "Wenn da nur nicht diese fiesen Flüchtlinge, Arbeitslosen, Kranken, Alten und sonstigen Sozialschmarotzer wären, die uns unsere Millionen klauen wollen, könnten wir glatt zufrieden sein", sagt sich da der dumpfdeutsche Lohnsklave und unterschreitet damit mühelos die intellektuelle Leistung einer Kaulquappe.
Es ist wahrlich ein Wunder, dass diese degenerierte Spezies überhaupt so lange überlebt hat.
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