Donnerstag, 2. Juni 2016

Propaganda: Wenn der Zensor pinkeln muss


Vorgestern waren in den Systemmedien zwei Meldungen zu lesen, über die selbst ein Zyniker wie ich nicht mehr lachen konnte. Beispielhaft zitiere ich aus den Texten der tagesschau - gleichlautende Meldungen waren indes überall zu lesen. Die Herrschaft lässt verlauten:

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Mai um 80.000 auf 2,664 Millionen gesunken. Das sind 98.000 Erwerbslose weniger als vor einem Jahr, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Die Arbeitslosenquote sank um 0,3 Punkte auf 6,0 Prozent.

Dass diese Meldung dumpfe Propaganda ist, die sich auf schamlos frisierte Zahlen beruft, ist jedem wachen Geist - außerhalb der Massenmedien - ohnehin sofort klar. Dass aber gerade in diesem Moment der Zensor pinkeln musste, konnte niemand vorhersehen - und so las ich einige Zeilen später:

Mehr Kinder müssen von Hartz IV leben / (...) Schlechte Nachrichten zum Kindertag am 1. Juni: Insgesamt ist die Zahl der unter 15-Jährigen, die auf Hartz IV angewiesen sind, im vergangenen Jahr gestiegen. / Etwa jedes siebte Kind in Deutschland ist von Hartz-IV-Leistungen abhängig.

Unabhängig vom abwesenden Zensor bleibt hier, wie gewohnt, völlig unberücksichtigt und unerwähnt, was der Hartz-Terror für die Betroffenen - und nicht bloß die Kinder - tatsächlich bedeutet. Es ist kein mediales Thema in Deutschland, dass Millionen von Menschen behördlicherseits rigoros schikaniert, drangsaliert, bis aufs letzte Hemd verarmt und zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Es wird dringend Zeit für eine Erneuerung der kapitalistischen Glückspropaganda, damit die narkotisierte Herde nicht doch noch in Aufruhr gerät.

Ich frage mich, was das bloß für Menschen sind, die einerseits das groteske Märchen von den sinkenden Arbeitslosenzahlen medial verbreiten (müssen) und gleichzeitig von der rapide zunehmenden Armut im heiligen Lande Kapitalistan berichten. Sind die allesamt doof oder korrupt? Das glaube ich nicht. Vor diesen Menschen muss man große - sehr große - Angst haben. Die Erfüllungsgehilfen der "Elite" sind mindestens ebenso widerlich wie ihre Auftraggeber. In Deutschland ist das allerdings nichts neues, sondern gute, schmierigbraune Tradition.

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Die Zukunft Europas


"Wenn niemand mehr etwas anzuziehen hat, ist das dann das Paradies?"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 21 vom 18.08.1920)

3 Kommentare:

  1. "Vor diesen Menschen muss man große - sehr große - Angst haben."

    Eigentlich vor so gut wie allen Menschen.

    "Die Barberei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und Luftballons."
    (Schopenhauer)

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  2. Zur "positiven Entwicklung auf dem deutschen (!) Arbeitsmarkt" hat feynsinn auch was zu sagen, inklusive Rückblick (Lambsdorff-Papier und so weiter ... ). Passt gut als Ergänzung in den obigen Kontext:

    http://feynsinn.org/?p=5915

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  3. @ dlog: Das passt in der Tat sehr gut , vielen Dank. Ich habe den Text leider erst gesehen, als ich diesen schon online gestellt hatte.

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