Donnerstag, 15. Dezember 2016

Zitat des Tages: Ich liebe die Sonne


Ich liebe die Sonne
Und von den Menschen zwei, drei,
Gott reißt mich am Haar,
Ich lebe entzwei.
Der Strahl küsst meine Hand,
Ich darf ihn nicht fragen
Und er will mir nichts sagen -
Wer kennt sein Land?!
Ich kenne den Ausgang,
Den Feuerwald seiner Geburt,
Aber noch darf ich nicht nahen
Der fließenden Flamme,
Fern ist mein Weg der einmündenden Furt.
Bergen kann sich die Otter in Grotten,
Ein jeder Feigling kann sich vergotten -
Ich falle zur Tiefe, von Grat zu Grat,
Die Gebirge entweichen, ich sinke ins Meer,
Aber mich fasst kein Abgrund,
Ich tode endlos im Schacht.

(Albert Ehrenstein [1886-1950], in: "Briefe an Gott. Gedichte in Prosa", 1922)



Anmerkung: Im Nachwort zur Neuausgabe dieses Bandes im Suhrkamp-Verlag schreibt der Herausgeber Jörg Drews: "Den 'Dichter der bittersten Gedichte deutscher Sprache' hat ihn Kurt Pinthus genannt, und das trifft nicht nur die Thematik, sondern auch die Sprache in ihrer selbstzerstörerischen Schärfe und Unruhe, die es nie zu gemeinsamem, lyrischem Wohllaut kommen lassen. - 'Ich weiss, dass ich eine Nachtigall bin, die ihr Elend singt', sagte Ehrenstein von sich selbst."

2 Kommentare:

  1. Wieder mal ein gehobener Schatz. Bevor ich den Rest las, wollte ich in die gleiche Tuba blasen.

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  2. Mir persönlich gefällt das Gedicht "Inserat" sehr gut, das den kapitalistischen Verwertungswahn vortrefflich karikiert - im verlinkten Beitrag findest Du auch noch weitere Informationen über Ehrenstein:

    Das Meer hat seine Gestade verändert,
    Übel riecht sein Mund,
    Wild bellt es durch die Regenwindnacht.
    Die Sterne hausen in undurchsichtigen Wolken,
    Im Auto sinnt ein Bankier:
    "Was bezahlt der Mond für sein Licht?
    Was hat die Sonne davon?"
    Ich aber möchte in allen Welten groß inserieren:
    Komet gesucht,
    der die Erde zertrümmert.


    Liebe Grüße!

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