Sonntag, 24. Januar 2010

Ein Echtzeit-Experiment: Der Mensch wird zum Datensatz

"Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln", schrieb John Brunner in seinem prophetischen Werk "Der Schockwellenreiter". Das war 1975. Fünf Jahre später war "Rasterfahndung" das Wort des Jahres. Richtig funktioniert hat Horst Herolds Vision der staatlichen Digitalbegleitung "von der Wiege bis zur Bahre" nie - bisher jedenfalls. Die Algorithmen waren zu schlecht, die Prozessoren zu langsam, die Datenbasis zu dünn, der Widerstand zu groß, das Verfassungsgericht auf der Hut.

Seit einigen Jahren hat sich die Lage grundlegend geändert, auch außerhalb der Computerkatakomben des BKA. Es gibt jetzt genügend digital erfasste Lebensäußerungen, Kommunikation, Bilder, Mobiltelefon-Bewegungsinformationen, Einkaufsentscheidungen, täglich werden es mehr. Getrieben vom reichlich verfügbaren Datendünger, sprießen die mathematischen und statistischen Methoden zur Auflösung der Persönlichkeit in klassifizierbare Einzelaspekte zu ungeahnter Güte. (...)

Wir müssen uns ernsthaft der Frage stellen, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der kleine und größere Übertretungen von moralischen und rechtlichen Normen nicht mehr verborgen bleiben. Wenn Übertretungen einmal aufgezeichnet sind, ist die Versuchung groß, sie auch - vorzugsweise automatisiert - zu ahnden. Ist ein solches Leben auszuhalten, erstrebenswert, menschenwürdig? Bisher wird nicht jedesmal, wenn jemand nachts um vier bei roter Ampel über die leere Straße läuft, automatisch ein Strafzettel erstellt. Bald ist das kein Problem mehr.

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