Freitag, 8. August 2014

Song des Tages: I Don't Care




(Apocalyptica feat. Adam Gontier: "I Don't Care", aus dem Album "Worlds Collide", 2007)

I try to make it through my life,
In my way, there's you ...
I try to make it through these lies
And that's all I do.

Just don't deny it,
Don't try to find this and deal with it,
That's just part of it.

If you were dead or still alive,
I don't care, I don't care.
Just go and leave this all behind,
'Cause I swear (I swear!): I don't care.

I try to make you see my side,
Always trying to stay in line,
But your eyes see right through (that's all they do).
I'm getting buried in this place,
I've got no room, you're in my face,
Don't say anything - just go away!

If you were dead or still alive,
I don't care, I don't care.
Just go and leave this all behind,
'Cause I swear (I swear!): I don't care.

Love's changing everything,
You won't be there for me.


If you were dead or still alive,
I don't care, I don't care.
Just go and leave this all behind,
'Cause I swear (I swear!): I don't care ... at all.


"Glück ist mehr als Glückssache": Der wachsende christlich-fundamentalistische Wahnsinn


Ursprünglich hatte ich vor, das weiter unten verlinkte Video eines evangelikalen "Gottesdienstes" an den Anfang zu stellen und erst danach meinen Kommentar dazu zu schreiben - nachdem ich es aber nach mehrmaligen sehr ernsthaften Versuchen nicht geschafft habe, das Video länger als (im besten Fall) 13 Minuten anzusehen und danach jeweils völlig entnervt, fassungslos und erbost abbrechen musste, habe ich mich umentschieden. Ich weiß also nicht, was da nach der 13. Minute (das Video ist 54 Minuten lang) noch alles kommt. Jeder Mensch, der das anklickt, sollte sich dessen bewusst sein.

Es ist ja keine Neuigkeit, dass in unserer "modernen" (ich verkneife mir den hysterischen Lachanfall angesichts dieser grotesken Bezeichnung für unsere Zeit an dieser Stelle) Gesellschaft seit mehreren hundert Jahren die religiöse Radikalisierung stets dann zugenommen hat, wenn die politische und gesellschaftliche Situation wieder einmal auf einen bösen Zenit zugesteuert ist und die herrschenden "Eliten" dies stets mit Kriegsdrohungen, Kriegsvorbereitungen und einer Menge dann auch wirklich stattgefundener Kriege beantwortet haben, die große Teile des zuvor Bestehenden nachhaltig zerstört und so eine Neuauflage desselben Systems ermöglicht haben. Belege aus dem Internet füge ich hier bewusst nicht ein - wer sich darüber umfassend informieren will, muss viel lesen und viel Zeit in altertümlichen Bibliotheken verbringen.

Den religiösen Wahn aber, auf den es mir hier ankommt, den können wir auch online verfolgen - und das nicht nur in anderen Ländern und anderen Religionen, sondern auch direkt hier bei uns vor der Haustür. Das verlinkte Video ist ein beredtes Beispiel dafür. Nehmen wir nur einmal das "Motto" dieses "Gottesdienstes", das da großspurig lautet: "Glück ist mehr als Glückssache". Ich habe die "Predigt" des evangelikalen Pastors dort wie gesagt nicht gehört, aber allein diese Überschrift lässt meine Fußnägel sich schon in massiven Wellen aufrollen: Ich stelle mir vor, dieser "gottesdurchflutete" Mensch stünde in irgendeinem Elendsviertel einer afrikanischen Stadt und erzählte den dort akut verhungernden und verdurstenden Menschen dasselbe - und auf der Stelle kann ich nur noch Verachtung und Ekel für einen solchen Satz empfinden.

Die überwältigende Mehrheit aller Menschen auf diesem Planeten vegetiert und stirbt in bitterster, für uns Noch-Privilegierte nicht wirklich vorstellbarer und menschengemachter, letzlich also gewollter, Armut vor sich hin - und da stellen sich halbwegs gut situierte, oft sehr privilegierte Leute wie von Sinnen und von unheiligen Dämonen berührt hin und schwafeln von der "Liebe", der "Größe" oder der "Güte" Gottes? Wir krank, indoktriniert und völlig abgehoben von den Problemen dieser Welt muss man sein, um so etwas - noch dazu mit solchen ekstatischen Gesichtsausdrücken und einem steten Grinsen im Gesicht - tun zu können?

Man beobachte gerade die MusikerInnen (und die Reaktionen darauf in der wie auf harten Drogen wirkenden "Gemeinde"), wie sie ihre abstruse Botschaft verkünden: Mich als Musiker gruselt, graust und widert es nur noch an, wenn ich das sehe. Diese "Chorleiterin" am Anfang schießt den Vogel schon ab - da habe ich beim ersten Versuch, mir das anzusehen, abgebrochen und eine uralte Motörhead-Platte aus dem Keller geholt und komplett in ohrenbetäubender Lautstärke abgespielt (kein Witz). Anders war das nicht erträglich.

Ich ärgere mich jetzt doch sehr, dass ich es nicht fertiggebracht habe, das Video bis zum Ende anzuschauen - ich bin mir sicher, dass da noch vieles mehr zu sehen und zu hören ist, das mit dem Aufrollen meiner Fußnägel längst nicht angemessen abgegolten wäre. Aber auch ich bin eben nur ein Mensch, und wenn jemand stärkere Nerven hat als ich und dazu etwas schreiben will, wäre ich dankbar. Und: Dies ist nur eine Veranstaltung von tausenden oder zehntausenden in diesem Land, die wöchentlich (!!) stattfinden.

Festzuhalten ist aber: Diese Zunahme des radikal-religiösen Wahns gerade in scheinzivilisierten Gegenden, in denen es materiell vielen oder zumindest einigen Menschen noch immer verhältnismäßig gut geht, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Zeit, die wir kennen oder zu kennen meinen (wie auch immer einjede/r sie beurteilen mag) zuende geht. Die kapitalistische "Elite" fordert einmal mehr einen Neustart des totalen Irrsinns - und der wird wohl, wie immer, nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

Da können wir wohl nur noch beten ... auch wenn das - natürlich und wie immer - nichts bewirkt.

--- Update 09.08.14: (Im Kommentarbereich geht's weiter - ich habe mir den Stuss letztlich doch bis zum Ende angesehen.)



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Der Krieg, wie ich ihn sah



(Zeichnung von Fritz Arnold [1883-1921], in "Simplicissimus", Heft 52 vom 25.03.1919)

Mittwoch, 6. August 2014

Zitat des Tages: Das Mahl


Die Speisen wurden endlich aufgetragen.
Ich konnts bezahlen, hatte mir die Bissen
nicht leicht verdient. Und meine Zähne rissen
das Fleisch. So füllte ich den Magen.

Doch eine Hand im Spiegel gegenüber
griff die Serviette, tupfte sich, gemessen,
den Mund, der, noch gefüllt, das Essen
verhalten gähnend lobte. Matt herüber

sahn Augen, die verdauten. Ich erkannte
mich kaum und äußerst ungern, sah die Wangen
bald schon wie eines Hamsters Backen hangen,

wars satt, dass ich so satt war, rannte
hinaus, erbrach mich, kam herein, man deckte
aufs neue ein, ich aß, unsatt, es schmeckte.

(Thomas Rosenlöcher [* 1947]; in: "Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz. Gedichte und zwei Notate", 1982)

Anmerkung: Ich habe selten eine so konzentrierte, feinfühlige und treffsichere Kritik des Kapitalismus bzw. der Ohnmacht angesichts seiner furchtbaren Auswirkungen gelesen wie in diesem Sonett - das freilich aus einer Zeit stammt, in der der Autor ein (gut situierter) Bürger der DDR gewesen ist. Es entzieht sich bislang meiner Kenntnis, was aus diesem literarisch so hoffnungsvollen und gesellschaftspolitisch so bitterbösen und realistischen Menschen nach 1990 geworden ist. Äußerst lesenswert ist sein erster Gedichtband heute aber allemal - und das noch viel, viel dringlicher als vor 30 Jahren.


Dienstag, 5. August 2014

Die Kapitaliban und der Kita-Wahn


Selbstverständlich ist es - ungeachtet des Inhalts - wichtig und richtig, stets scharfe Kritik an jedweder Maßnahme zu formulieren, die aus der CSU in die Welt blubbert. Im Falle des "Betreuungsgeldes", das momentan als aktuelle neoliberale Sau durchs verkommene Dorf getrieben wird, muss man aber wieder einmal differenzieren und genau hinschauen, um eine sinnvolle Beurteilung abgeben zu können.

Was wird uns also von den üblichen Verdächtigen der Mainstream-Journaille an Fakten genannt, die für eine Betreuung von Kleinkindern in staatlichen oder staatlich finanzierten Einrichtungen spricht? Exemplarisch zitiere ich dazu aus einem typischen Pamphlet aus der FAZ:

Das Betreuungsgeld hält benachteiligte Kinder von Bildungsangeboten fern und verringert ihre Chancen auf sozialen Aufstieg.

Aha, so ist das also: Kitas (und übrigens auch einzelne "Tagesmütter" bzw. "-väter") sollen gleichbedeutend mit "Bildungsangeboten" sein, die es zudem daheim in vergleichbarer Form nicht gebe - und das ganz besonders dort, wo der Kapitalismus bereits zugeschlagen und eine Schneise der Verarmung unter den Menschen hinterlassen hat. Das ist eine verwegene Behauptung, die zwar sicherlich durch entsprechende Auftragsstudien pseudowissenschaftlich belegt werden kann, die der einfachen Logik aber dennoch keine zwei Minuten standhält - und das gleich auf mehreren Ebenen.

Zum Einen ist es kein Geheimnis, dass gerade ausgebildete ErzieherInnen nicht gerade zu den bestbezahlten Menschen in diesem System gehören - sie befinden sich vielmehr selbst in einer meist prekären Lage und gehören zu den so genannten Niedriglöhnern, die den so gern propagierten "sozialen Aufstieg" (wohin auch immer) allein durch ihren Beruf nahezu niemals bewerkstelligen können. Zum Anderen sind in Kitas oftmals auch nicht pädagogisch ausgebildete Menschen prekär beschäftigt, so dass Kinder, die solche Einrichtungen besuchen müssen, keinerlei Vorteile in Sachen Bildung zu erwarten haben. Genauso sieht es bei den Tagesmüttern oder -vätern aus: Vom Jugendamt wird für eine solche Tätigkeit jeder erwachsene Mensch akzeptiert und auch bezahlt, völlig unabhängig davon, welche Befähigungen oder Ausbildungen er mitbringt - gerade das habe ich höchstpersönlich erlebt.

Sicherlich gibt es immer wieder auch in Kitas und bei "Tageseltern" gebildetete Menschen, die tatsächlich einen positiven Einfluss auf Kinder haben können - dasselbe gilt aber freilich verstärkt für die leiblichen Eltern, denn diese haben in der Regel ein weitaus größeres Interesse daran, dass ihre Kinder auf einen guten Weg gebracht werden, als die mit Hungerlöhnen abgespeisten Angestellten irgendwelcher Kitas oder - noch schlimmer - "freiberuflich" tätige "Tageseltern".

Es geht in diesem Falle - wie immer in diesem niederträchtigen System - nicht um das Wohl oder die Perspektiven der Kinder, sondern natürlich um Geld und Ausbeutung: Der neoliberale Ruf nach Kitaplätzen für Kleinkinder ist klar erkennbar darauf zurückzuführen, dass beide Elternteile sich nicht etwa mit der Kindererziehung befassen (und damit womöglich mündige, kritische Menschen aufziehen) sollen, sondern schnellstmöglich wieder der Ausbeutungsmaschinerie des "Arbeitsmarktes" zur Verfügung zu stehen haben. Dass Kleinkinder dabei nicht nur dem familären Umfeld entwöhnt, sondern auch systemkonform indoktriniert und konditioniert werden können, ist dabei sicher nur ein gern gesehener Nebeneffekt.

Ginge es tatsächlich um die Kinder und deren Wohlergehen und Bildung, wäre der Beruf des Erziehers bzw. der Erzieherin längst ein akademischer, der nach einer universitären Ausbildung auch entsprechend gut bezahlt wird. Das jedoch ist weder von der CSU, noch von irgendeiner anderen Partei jemals gefordert oder gar forciert worden. Dennoch werden die Systemmedien nicht müde, uns immer wieder denselben hanebüchenen Sermon zu präsentieren - hier zur Abwechslung mal ein Beispiel aus dem Tagesspiegel:

Das Betreuungsgeld lasse sich "als besonderer Anreiz für sozial eher benachteiligte Familien identifizieren, kein Angebot an frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung zu nutzen", schreibt die Autorin der Studie (...).

Das ganze steht dort unter der reißerischen Überschrift "Kohle oder Kita?" und suggeriert dem geneigten Leser nicht nur die nicht hinterfragte Behauptung, dass Kitas und "Tageseltern" für Kleinkinder gleichbedeutend mit "Bildung" seien, sondern unterstellt armen und verarmten Familien sogleich auch die in diesem System eher in "höheren" Kreisen verbreitete Habgier - frei nach dem widerwärtigen Motto: "Wenn Millionäre auch nach der 100. Million den Hals noch nicht voll haben und wie von Sinnen weitere Millionen an sich raffen wollen, gilt das für Habenichtse natürlich erst recht."

Die Vorstellung, dass es Menschen geben könne, die nicht unablässig dem Mammon hinterhergieren, kommt in diesem Narrativ gar nicht mehr vor - ebenso wie die schlimme Tatsache, dass dieses furchtbare System längst Bedingungen geschaffen hat, in denen für nicht wenige Menschen 100 Euro mehr oder weniger im Monat tatsächlich eine existenzielle Bedeutung haben.

Ich selbst bin übrigens glücklicher Weise vollkommen kita- und kindergartenfrei aufgewachsen - und habe schon in frühkindlichen Jahren Bekanntschaft mit ernsthafter Musik, Kunst und Kultur gemacht. Und das in einem nicht-akademischen Haushalt, in dem mir sehr nachhaltig kritisches Denken beigebracht wurde.

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Ein Philosoph


"Ja, Frau Meier, die Zeit is' wirklich demokratisch - jeder kriegt sein Packl Sorgen und Opfer!"

(Zeichnung von Rudolf Grieß [1863-1949], in "Simplicissimus", Heft 41 vom 07.01.1919)