Samstag, 7. Januar 2012

Christentum aktuell: Im Namen Gottes Kinder schlagen

"Es gibt einen extra von Gott gepolsterten Platz mit vier Buchstaben: P-O-P-O. Da kann man Kinder unter Umständen hinschlagen, auch mit einer Rute." Das erklärt Wilfried Plock in einem Vortrag. Er berichtet, wie er einmal seine Kinder bestraft habe, nachdem sie Süßigkeiten aus einer fremden Wohnung gestohlen hätten: "Es war klar. Der Sohn bekommt zehn Schläge mit dem Stock auf den Po und die Tochter fünf. Und das haben wir gemacht und das hat beiden wehgetan. Das soll wehtun!" Der Vortrag war lange Zeit im Internet zu hören, wurde aber jetzt entfernt - nachdem der NDR Wilfried Plock dazu einige Fragen geschickt hatte.

Plock ist ein christlicher Prediger, Leiter eines Zusammenschlusses von mehr als 200 Gemeinden in Deutschland, der "Konferenz für Gemeindegründung" (KfG). Er ist oft unterwegs, um Vorträge zu halten, unter anderem zum Thema "Ehe und Familie". Anfang dieses Jahres war er in Niedersachsen, in Garbsen. Dort ging er zwar nicht auf die Prügelstrafe ein, empfahl aber ein Buch zur Kindererziehung von einem amerikanischen Autor: Tedd Tripp. Auch Tripp rät, Kinder "körperlich zu züchtigen", also zu schlagen. Sein Buch "Eltern - Hirten der Herzen" ist laut dem deutschen Verleger mittlerweile vergriffen - zu kaufen sind aber noch CDs und DVDs mit Mitschnitten von Vorträgen, die er in Gemeinden in Deutschland gehalten hat.

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Anmerkung: Wer auf den obigen Link klickt, braucht starke Nerven: Im Text des NDR kommen noch einige weitere Zitate von solchen "Predigern" oder Buchautoren vor, in denen sogar die Art und Weise der Prügelstrafe detailliert beschrieben wird - dabei kann einem nur schlecht werden.

Ich bin ja bezüglich jeder Religion sehr skeptisch - aber sobald eine Religion fundamentalistisch ausgelegt wird, wie das diese Evangelikalen mit dem Christentum tun, wird das für die Welt richtiggehend gefährlich. Das Prügeln von Kindern ist da nur ein Aspekt unter vielen anderen. Wer sich die Mühe machen möchte, kann beispielsweise nach dem Begriff "Kreationismus" im Netz suchen - da fallen beim Lesen öfter mal die Augäpfel vor lauter Entsetzen aus dem Kopf.



Lego, Walt Disney und Mattel: Ausbeutung in China

Bis zu sechs Überstunden pro Tag müssen Beschäftigte in chinesischen Spielzeugfabriken leisten. Ihre tägliche Arbeitszeit beträgt dann etwa 15 Stunden - sechs Tage die Woche. Das hat die Arbeitsrechtsorganisation Sacom in drei Fabriken festgestellt, die unter anderem die Unternehmen Lego, Walt Disney und Mattel beliefern. (...)

In ihrem Report beschuldigt Sacom die Unternehmen weiterer Missstände. Unter anderem stünden den Beschäftigten keine Schutzkleidung gegen giftige Substanzen zur Verfügung. Zudem verweigere man ihnen das Recht auf freie gewerkschaftliche Betätigung. Letzteres gehört in China ebenso zum Alltag wie die exzessive Überstundenarbeit.

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Anmerkung: Was soll man dazu noch sagen? Der Grund, weshalb viele Konzerne ihre Produkte oder Teile davon in China produzieren lassen, ist doch gerade die Tatsache, dass die Menschen dort gnadenlos und zu Niedrigstlöhnen bei weitgehender Rechtlosigkeit ausgebeutet werden. Wundern kann sich darüber nur jemand, der ebenso verwundert ist, dass er nass wird, wenn er ins Wasser springt.

Im Übrigen: Falls irgendjemand noch einmal behaupten sollte, China sei ein sozialistischer oder kommunistischer Staat, darf er angesichts dieser Verhältnisse schallend ausgelacht werden.

So ist das mit den "kleinen Preisen" und den fetten Gewinnen der Konzerne - irgendjemand muss immer dafür bluten. Ganz nebenbei führt das auch zu der eher beiläufigen, fast selbstverständlich wirkenden Feststellung, dass es in Spielzeugfabriken (!) in China offenbar völlig üblich ist, dass mit giftigen Substanzen gearbeitet wird. Das freut neben den Arbeitern insbesondere auch die Kinder.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Film des Tages: The Wall





Anmerkung: Es ist erstaunlich, diesen Film in so guter Bild- und Tonqualität bei youtube zu finden - bitte unbedingt ansehen und genießen! Wer sich mit dem recht komplexen Inhalt zuvor ein wenig auseinandersetzen möchte - und das sei jedem empfohlen, der noch nicht so genau weiß, worum es in diesem Meilenstein der Musik- und Filmgeschichte von Roger Waters und Alan Parker geht -, dem sei diese Seite empfohlen.

Ansonsten möchte ich nur noch anmerken, dass ich noch nirgends eindrücklicher die durch allerlei verstörende Ereignisse ausgelöste Entwicklung eines Menschen hin zum hasserfüllten Faschisten gesehen habe. Bob Geldof in der Rolle des Protagonisten "Pink" liefert eine grandiose Arbeit ab, und die Musik von Roger Waters bzw. Pink Floyd spricht ohnehin für sich. Die Zeichentricksequenzen von Gerald Scarfe in diesem Film haben seinerzeit neue Maßstäbe gesetzt und sind bis heute in ihrer Tiefe unübertroffen.

Wer wissen möchte, was einen Menschen zum Menschenfeind macht, der wird hier fündig.

"If you wanna find out what's behind these cold eyes,
You'll just have to claw your way through this disguise!"

Überwachung 2.0 - Über Drohnen und internationale Vorratsdatenspeicherung

  1. Bald Drohnen über deutschen Dächern / Der Deutsche Bundestag ist dabei, das gesetzliche Flugverbot für Drohnen im zivilen Luftraum aufzuheben. Die Überwachung von Großereignissen durch unbemannte Flieger wird künftig auf dem Verordnungswege möglich.

    (...) Bis jetzt war in Deutschland - wie in allen Luftverkehrsgesetzen weltweit - der Betrieb von unbemannten Flugobjekten (Unmanned Aerial Systems, UAS) im zivilen Luftraum generell verboten, wenn man von Ballonen für meteorologische Zwecke oder Modellflugzeugen absieht. Dieses Verbot wird nun sukzessive aufgehoben. (...)

    Angeführt vom EADS-Konzern hat sich die europäische Militärindustrie dennoch seit Jahren für die Zulassung unbemannter Flugzeuge auch im zivilen Luftraum stark gemacht. Unterstützung erhält die Waffenbranche dabei nicht nur von den Militärs, sondern auch von den Polizeibehörden verschiedener Mitgliedsstaaten.

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  2. Polizeien und Geheimdienste aller EU-Mitgliedstaaten wollen künftig grenzüberschreitend Überwachungs-maßnahmen durchführen. Auch der gegenseitige Zugriff auf Vorratsdaten wird geregelt

    Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, verhandeln die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die zukünftige Aushilfe bei Ermittlungsverfahren. Zur Debatte steht eine Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA), die eine Zusammenarbeit über EU-Grenzen hinweg erleichtern soll. Das Abkommen geht auf eine Initiative der Regierungen Belgiens, Bulgariens, Estlands, Spaniens, Österreichs, Sloweniens und Schwedens zurück.

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Anmerkung: Ist es nicht rührend, wie sehr die neoliberale Bande um unsere Sicherheit besorgt ist und alles dafür tut, damit sie uns wie ein schlafendes Baby lückenlos überwachen kann?

Die Geschichte vom ORF über die Drohnen ist schon ein starkes Stück, das uns große Angst einjagen sollte - es ist schließlich bekannt, dass solche Drohnen problemlos auch mit Waffen bestückt werden können. Vor einigen Jahren war das noch Science Fiction - in heutigen Kriegseinsätzen werden ferngesteuerte Flugzeuge bereits eingesetzt. Nun also auch bald in Deutschland? Ich bekomme eine Gänsehaut bei diesem Gedanken.

Auch der Telepolis-Artikel hat es in sich - meine Gänsehaut wird schlimmer, wenn ich an diese staatenübergreifende Zusammenlegung der behördlichen Überwachung denke. Das EU-Überwachungsprojekt INDECT, über das ich mich hier und hier schon ausgelassen habe, hat es wahrlich in sich:

"Das System ist in der Lage, sekundenschnell alle optischen und elektronischen Informationen aus Videoaufzeichnungen, Kommunikationsdaten, Handyortungen, sozialen Netzwerken wie Facebook, Internetseiten und Bevölkerungs- und Polizeidateien zu sammeln, die über eine sich 'auffällig' verhaltende Person weltweit verfügbar sind. Gleichzeitig soll es Fangesänge mit Audiosensoren abhören und analysieren. Indect koppelt dann alle Daten zusammen und entscheidet selbstständig, ob eine weitere Überwachung des 'Verdächtigen' beispielsweise per Videodrohne nötig ist."

Bald müssen wir keine dystopischen Romane oder Filme mehr konsumieren, weil wir längst in einem solchen Überwachungsstaat leben - womöglich ohne es tatsächlich zu realisieren. So funktioniert ein Überwachungsstaat in aller Regel - seit dem Nazi-Terror hat die Bande eine Menge dazugelernt: Die Mehrheit der überwachten Bürger fühlt sich frei, ohne frei zu sein.

"Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke."

(George Orwell: "1984")

Dienstag, 3. Januar 2012

2012 - Anfang oder Ende?

Mancher verbringt den Jahreswechsel mit dem Versuch, einen Blick in die Zukunft zu werfen, etwa mit dem Deuten von Figuren beim Bleigießen. Auch hier wird ein Blick in die Glaskugel geworfen und ein bisschen ins Blaue geschossen. Welche Themen werden uns im Jahr 2012 beschäftigen und welche Entwicklungen sind zu erwarten?

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Anmerkung: Mein persönlicher "Glaskugelblick" fällt deutlich pessimistischer aus – denn auch ein dumpfes "Weiter so", wie es abzusehen ist, muss unweigerlich sehr dramatische Konsequenzen in diesem Jahr haben. Die Entdemokratisierung und die propagandistisch befeuerte Entsolidarisierung der Menschen wird an Fahrt zunehmen und so der weiteren Faschistisierung Europas den Weg ebnen.

Von der "Occupy-Bewegung" ist tatsächlich nichts zu erwarten – so sie denn den Winter überhaupt übersteht, wird sie sich durch ihre eigene Forderungs- und Belanglosigkeit selbst erledigen. Auch der "arabische Frühling", der längst im tiefen Winter angekommen ist und der sowieso inflationär ge- und missbraucht worden ist (in Libyen herrschte nun beispielsweise eine völlig andere Ausgangssituation als in Ägypten), spielt keine wesentliche Rolle mehr. Dafür blüht und gedeiht die neoliberale Ideologie nach wie vor ohne Unterlass – die politischen Marionetten der "Elite" werden europaweit nicht müde, das Credo immer und immer wieder zu wiederholen und zu zementieren – allen voran wieder einmal das deutsche Regime. Eigentlich könnte man heute auch Zeitungen aus der Zeit des Endes der Weimarer Republik lesen – man wäre nicht wesentlich uninformierter.

Es ist systemimmanent, dass es auch 2012 weitere Notstands- und Ermächtigungsgesetze und undemokratische Regierungsübernahmen geben wird. Nur eines ist nicht vorhersehbar, und das ist die Frage, wann oder ob in einem Teil Europas dieses allzu bekannte Untergangsszenario wieder den Sieg des Faschismus zur Folge haben wird. Der tritt ja nun – auch das kennen wir bereits zur Genüge aus der Zeit der Weimarer Republik – beileibe nicht nur in braunen bzw. NPD-Mäntelchen auf, sondern er ist längst in den etablierten Parteien und vor allem in der Mitte der Gesellschaft angekommen. – Das ist kein Zufall – und war auch vor 90 Jahren keiner. Den Superreichen kommt das – oh Wunder! – sehr gelegen, denn wenn sich die Menschen lieber gegenseitig die Köpfe einschlagen, anstatt die wirklich Schuldigen zu erkennen, ist das schon sehr praktisch für sie. Am Ende lässt sich da sogar noch viel Geld verdienen ...

Dieses demokratische Geheuchel, diese Aufrechterhaltung eines demokratischen, freiheitlichen Zerrbildes, das es so natürlich überhaupt nicht gibt, stört mich doch immer wieder in allen Medien sehr massiv. Es ist an der Zeit, endlich die Feststellung zu akzeptieren und auch zu verbreiten, dass der Kaptalismus abgewirtschaftet hat und klar erkennbar weder grundlegende demokratische und erst recht keine sozialen oder ethischen Belange bedienen kann und will. Das wollte er auch nie – ein Blick in die Historie reicht aus, um die kurze Phase des angeblich "gezähmten Kapitalismus", der "allen Menschen Wohlstand brachte", als Schimäre zu entlarven. Allein die Ausdehnung des Wortes "alle" auf Menschen auch außerhalb Europas – z.B. in Afrika oder Asien – zeigt das Groteske dieser Sichtweise. Der Kaptalismus bereichert per definitionem immer nur eine Minderheit – und benachteiligt eine Mehrheit.

Momentan sind mal wieder auch die Menschen des kapitalistischen Westens an der Reihe, für die Superreichen bluten und leiden zu müssen ... und nicht mehr "nur" die Menschen in weit entfernten Regionen der Welt. Da das alles bereits mehrmals in zyklischer Wiederholung passiert ist, sollte uns allmählich doch einmal der Gedanke kommen, dass dieses System vielleicht doch eher ungeeignet ist, um das menschliche Zusammenleben zu organisieren.

Die Glaskugel droht mit Faschismus, der leider schon sehr real ist – es ist an uns, diesmal laut und deutlich "Nein" zu sagen und statt den Migranten, Kranken, Behinderten, Arbeitslosen, Armen oder religiösen Gruppen endlich die Reichen als die wahren Schmarotzer in diesem System zu erkennen, die uns den Frieden und die Zukunft rauben.

Zitat des Tages: Die Brille der Lektorin

Weihnachten ist immer auch die Zeit, in der man gezwungen ist, ökonomisch Bilanz zu ziehen. Nicht nur, dass einem jetzt lauter Jahresendabrechnungen ins Haus flattern, die Versicherungen, die man leichtsinnig in besseren Tagen abgeschlossen hat, ihre Tarife erhöhen, und die Steuererklärung fällig wird. Auch die Geschenkefrage nötigt einen zur schonungslosen Selbstanalyse. Ist man der Ich-habe-doch-schon-alles-Geschenketyp oder der Ich-kann-alles-brauchen-Typ? Um diejenigen, die das I-Pad 2 auf dem Wunschzettel haben, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Um jemanden wie meine Freundin schon. Sie ist Einser-Germanistin und freie Lektorin und wünscht sich zu Weihnachten von den Eltern eine Brille. Genaugenommen möchte sie nur das Geld für die Brille. Momentan sitzt sie mit Lupe und Schlecker-Brille an den Manuskripten. Das hört sich dramatisch an, aber ganz so schlimm ist die Sache dann doch nicht, dafür aber komplizierter. Meine Freundin könnte sich ein einfaches Modell locker leisten. Eines dieser Nulltarif-Gestelle von dieser Brillenkette. Will sie aber nicht. Ökonomisch wäre das nämlich eine Katastrophe. "Wenn ich scheiße aussehe", sagt sie, "kann ich den nächsten Job vergessen." Ein bestimmtes Designergestell soll es sein. Außerdem braucht sie Spezialgläser, die für Bildschirmarbeit taugen. Insgesamt macht das ungefähr ihr halbes Monatseinkommen [aus]. "Arm zu sein, ist im Kulturbetrieb überhaupt kein Problem. Arm auszusehen aber eine Todsünde."

(Heike Karen Runge in der Jungle World Nr. 50 vom 15. Dezember 2011)

Rechtspopulisten in Ungarn stellen Armut unter Strafe

Zu arm für Rechte / In Ungarn ist Obdachlosigkeit per Gesetz zur Ordnungswidrigkeit erklärt worden. Die Kriminalisierung von Armut ist eine der repressiven Maßnahmen der regierenden Rechtspopulisten, durch die sich nicht zuletzt Budapest stark verändert.

Wer auf der Straße schläft, wird verwarnt. Wird dieselbe Person innerhalb eines halben Jahres noch einmal aufgegriffen, droht eine Strafe von 490 Euro. Seit dem 1. Dezember gilt Obdachlosigkeit in Ungarn als Ordnungswidrigkeit. Ungarische Arbeiterinnen und Arbeiter verdienen nach Angaben des Zentralamts für Statistik im Monat etwa 320 Euro netto. Die Begleichung der Strafe ist somit für die Wohnungslosen unmöglich, was folgt ist die Ersatzhaft. Zudem verbietet das Gesetz das "Containern", die Suche nach Verwertbarem in Mülleimern und Mülltonnen.

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Anmerkung: Die extreme, faschistoide Entwicklung in Ungarn - bitte den ganzen Artikel lesen, da werden noch weitere Beispiele genannt, die einem den Atem stocken lassen - unterstreicht nur, was in ganz Europa deutlich zu spüren ist. Die kontinuierliche Hetze gegen Zwangsverarmte, Kranke, Arbeitslose, Behinderte und ethnische Minderheiten der vergangenen Jahre hat die Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft ankommen lassen - und nach und nach folgen jetzt die entsprechenden Gesetze, mit deren Hilfe die Ausgegrenzten noch weiter diskriminiert, entrechtet, drangsaliert und letztlich kriminalisiert werden.

Wir dürfen sicher sein, dass den Beispielen Ungarn und USA in Kürze weitere Staaten bzw. deren neoliberale Marionettenregierungen folgen werden. Der Faschismus ist wieder da in Europa - diesmal ohne braune Uniformen, dafür einmal mehr im Gewand der Schlips-Borg.

Was diejenigen, die es (noch) nicht betrifft, aber nie vergessen sollten: Während wir uns noch (vollkommen zu Recht) darüber empören, was in Ungarn geschieht, geht der alltägliche Hartz-Terror gegen Millionen von Menschen in Deutschland unverändert weiter. Da werden jeden Tag aufs Neue Menschen schikaniert und entrechtet, sind einer schier allmächtigen Behördenwillkür ausgesetzt und werden durch Sanktionen des erbärmlichen "Existenzminimums" beraubt, das ohnehin nicht zum Leben ausreicht. Das ist nicht weniger faschistoid, menschenfeindlich und sozialdarwinistisch als die neuen Gesetze in Ungarn. (Hinweis am Rande: Wie es ist, in Deutschland [Berlin] obdachlos zu sein, kann man anhand dieser Eigendokumentation ein wenig zu erahnen beginnen.)

Der Clou an der Sache: In Deutschland brauchen Rechtspopulisten bislang keine eigene Partei - sie sitzen einfach in der CDU, der SPD, der FDP oder bei den Grünen und nennen sich "Demokraten" und "Politiker der Mitte". Das ist so dermaßen absurd, dass ein Nachrichtensprecher, der so etwas vorlesen muss, eigentlich einen hysterischen Schreianfall erleiden müsste.

Aber zurück zu Ungarn: Dort geht man, wie auch in den USA, schon einen Schritt weiter: Denn nicht mehr nur die Armut wird kriminalisiert, "sondern auch der Protest, der sich gegen diese rechtspopulistische Ordnungspolitik richtet". Wer protestiert, macht sich verdächtig - und wird verfolgt. Auch das sollte uns allen noch allzu gut im Gedächtnis sein, denn auch diese Form der Entdemokratisierung bzw. Entrechtung der Menschen hat es in Deutschland in den letzten 100 Jahren schon gegeben.

Die Zeichen stehen auf Sturm - dank des grenzenlosen Expansionsdranges der neoliberalen Bande sogar nahezu global. Es geht nicht mehr darum, irgendwelche Korrekturen oder Gegenbewegungen auf lokaler oder nationaler Ebene in Gang zu bringen - die desaströsen, furchtbaren Entwicklungen sind ja tatsächlich fast überall zu beobachten und bereits mehr oder weniger weit fortgeschritten.

Wir wissen aus der leidvollen Geschichte, dass es in einer solchen schlimmen Zeit vollkommen ausreichend ist, wenn in einem einzigen Staat - egal, welcher das auch sein mag - eine Bande von Faschisten an die Macht gehievt wird, um die ganze Welt in den finsteren Abgrund des Grauens zu stoßen. Angsichts der in der globalen Politik überall versammelten Menschenfeinde und Rechtspopulisten scheint es wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis nicht mehr nur gezündelt, sondern der Flächenbrand gelegt wird.

***




Und es sind die finstern Zeiten
in der anderen Stadt
Doch es bleibt beim leichten Schreiten
und die Stirn ist glatt
Harte Menschheit, unbewegt
Lang erfror'nem Fischvolk gleich
Doch das Herz bleibt schnell geregt
Und das Lächeln weich

(Text: Bertolt Brecht, Musik: Hanns Eisler, gesungen von Udo Lindenberg, aus dem Album "Hermine", 1988)

USA: Auf dem Weg in den Polizeistaat

In den USA wurde ein Gesetz verabschiedet, dass es dem Militär erlaubt, "terrorverdächtige" Personen ohne Gerichtsverfahren unbegrenzt festzuhalten und "erweiterten Verhörmethoden" zu unterziehen. Letzteres bedeutet im Klartext psychologische [...] und auch physische Folter wie das umstrittene "Waterboarding".

Das Gesetz ist auf US-Bürger und Ausländer gleichermaßen anzuwenden und betrifft Personen, die im In- oder Ausland vom Militär aufgegriffen werden können. Damit [sind die] USA praktisch ein Polizeistaat geworden, da es keine klaren Definitionen gibt, wann eine Person als "terrorverdächtig" eingestuft wird.

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Anmerkung: Es gibt Nachrichten, die überraschen mich nicht - diese gehört dazu. Das für die hiesige neoliberale Bande glühende Vorbild USA geht den Weg der Überwachung, Entrechtung und Drangsalierung seiner Bürger - insbesonderer solcher, die sich demokratisch engagieren wollen - konsequent weiter. Nun reicht also ein bloßer, diffuser, von irgendwem behaupteter Verdacht aus, um einen Menschen unbegrenzt lange zu inhaftieren und zu foltern - und das alles ohne die Beteiligung eines Anwalts oder eines Gerichtes. Da wird man sich in den USA künftig wohl sehr genau überlegen müssen, was man öffentlich sagt oder tut ... - Allerdings geht dieses Gesetz laut dem Artikel noch wesentlich weiter, da es ja nicht nur US-Bürger betrifft - die USA haben sich somit das "Recht" gegeben, praktisch jeden Menschen weltweit vom Militär "aufgreifen", einsperren und foltern zu lassen.

Willkommen im Jahr 2012 - einem weiteren Jahr, in dem die USA die "Demokratie und Freiheit" in alle Welt bringen wollen. Angesichts einer so geballten Ladung Neusprech und Doppeldenk scheint die Orwell'sche Dystopie aus "1984" in den USA kurz vor ihrer Vollendung zu stehen.

In Europa sind wir allerdings ebenfalls nicht mehr allzu weit davon entfernt. Speziell in Deutschland sind besonders solche Figuren wie Friedrich, Herrmann oder dieser unsägliche Uhl - ebenso aber genügend Strategen von der SPD und den Grünen - aktuell dabei, den staatlichen Überwachungsterror ins Uferlose auszudehnen und die Grenzen zwischen Geheim- und Nachrichtendiensten, den Polizeibehörden und möglichst auch dem Militär zu verwischen. Und das alles selbstverständlich nur zum "Schutz der Bürger" vor den Abermillionen von fiesen, gewissenlosen islamistischen Terroristen, die uns alle in schierer Blutlust hinmetzeln wollen. - Wer diesen Unfug tatsächlich noch ernst nimmt, dem ist nicht mehr zu helfen. Im Artikel wird das am vorletzten Satz schön deutlich - wobei man den Begriff "Occupy-Bewegung" auch einfach durch "soziale Aufstände" oder "Revolten" ersetzen kann: "Die zeitliche Nähe zu den massiven Protesten der Occupy-Bewegung dürfte dabei alles andere als ein Zufall sein."

Wenn das mal kein gelungener neoliberaler Unterdrückungsauftakt für das neue Jahr ist ...!