Freitag, 30. August 2013

Retrospektive: Eine Replik


Um diesen Text des Kiezneurotikers geht es.

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Die "Fabrik". Eine alte Steinruine aus den finsteren Jahren des Kapitalismus. Vor zwanzig Jahren war sie ein "besetztes Haus", in dem sich junge Menschen tummelten, die sich größtenteils "Punks" nannten und den Aufstand probten - denn Kapitalismus, Karrierestreben, Egoismus und ähnliche spießige Albernheiten waren nicht angesagt. Man feierte lieber - den Moment, das "Hier und Jetzt" und vor allem den eigenen Genuss - auch wenn das damals keiner so formuliert oder gar zugegeben hätte. Klar - man war gegen das "Establishment", gegen die reichen Schmarotzer und vor allem gegen den alten Sack zuhause, der dem oft gutbürgerlichen Nachwuchs-"Punk" vorlebte, was es heißt, ein Sklave der Produktions- und Verwertungsgesellschaft zu sein und darauf - was man so gar nicht nachvollziehen konnte - auch noch unsäglich stolz war.

Davon abgesehen ging es den so "Revoltierenden" aber doch in erster Linie ebenfalls um purem Hedonismus - nämlich ums Saufen, um Drogen, um Musik, um Sex und - natürlich - um die möglichst immerwährende Party. Wenn ich heute so einen verklärenden Text vom ansonsten so geschätzten Kierzneurotiker lese, muss ich doch herzlich lachen. Nichts, aber auch gar nichts unterscheidet den Zeitgeist der Jugend der 80er und 90er Jahre von den ebenso hohlen, gesteuerten Jungbirnen von heute. Es sind genau diese "Altrevolutionäre" von vor 20 und 30 Jahren, die die kapitalistische Katastrophe bis heute erneut bis zum Exzess getrieben haben und das auch weiterhin tun. Das in den ach-so-aufständischen Zeiten geprobte Prinzip des "Zuerst kommt mein persönlicher Genuss", das sich in nichts vom kapitalistischen Egoismusgebet unterscheidet, hat sich einmal mehr durchgesetzt.

Wenn ich heute zurückblicke auf die Zeit der 80er und 90er Jahre, kann ich nichts Nostalgisch-Verklärendes darin entdecken - dafür aber die bittere Erkenntnis, dass wir jungen Idioten damals zwar glaubten, die Zusammenhänge zu verstehen, davon aber genauso weit entfernt waren wie die uns so verhassten Spießer der Elterngeneration. Und wenn ich heute Stimmen höre, die mir den eigenen Nachwuchs bzw. dessen Wohlergehen als Argument dafür verkaufen wollen, dass man exakt denselben gruseligen Weg in die Ausbeutung und Knechtschaft gegangen ist wie all die Generationen zuvor, kann ich nicht einmal mehr hölzern lachen. Gerade die Kinder sind es doch, die uns heute, da wir so viel mehr wissen, erkennen und verstehen als damals, dazu bringen müssten, noch dreimal lauter "Nein!" zu schreien und uns dem kapitalistischen Irrsinn umso vehementer entgegen zu stellen.

"Damals" war nichts besser - die Jugend im Westen war genauso dämlich wie sie es heute ist und hatte natürlich nicht begriffen, dass sie nur deshalb ein relativ angenehmes, gerne auch "revolutionäres" Leben führen konnte, weil ein Großteil der Menschheit in bitterster, versklavter Armut vor sich hin vegetieren muss. Woher sollte sie das auch wissen - die Propaganda war auch damals schon gut aufgestellt. Es ist wohl kein Zufall, dass es "Punks" und scheinbar revoltierende Jugendliche nur in kapitalistischen Ausbeutungsstaaten, nicht aber in existenziellen Bedrohungsumgebungen, wie sie beispielsweise in Afrika immer wieder vorkommen, gibt. Im Rosenbett lässt es sich vorzüglich protestieren ...

Wer heute im kapitalistischen, menschenverachtenden Schlips-Borg-Theater angekommen ist und das auch noch zu rechtfertigen versucht, dem kann ich nur sagen: Du bist ein wesentliches Teil des Problems. Und Dein Leben ist tatsächlich nicht anders als damals - aber leider eine noch größere Karikatur.

Dienstag, 27. August 2013

Wird die taz zur ernsthaften Konkurrenz der Titanic?


Ein Kapitalist, der auf Gewinne pfeift / Jeff Bezos sei der "perfekte Eigentümer einer Zeitung", twitterte der US-amerikanische Journalist Ben Popper, als bekannt wurde, dass der Amazon-Chef die Washington Post kauft. "Er hat den Ruf, großartige Firmen aufzubauen, die keinen Profit abwerfen." / Gewinne sind Jeff Bezos tatsächlich schnuppe.

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Anmerkung: Ja, ist schon klar, liebe taz - der Jeff ist ein "guter Kapitalist", dem es gar nicht um Gewinnmaximierung, Profit und totale Ausbeutung zu seinen Gunsten geht. Schließlich sitzt der Mann nur auf einem albernen, leider wachsenden Supervermögen von momentan ca. 25 Milliarden Dollar, das ihm - vermutlich - jemand aus reiner Nächstenliebe zugesteckt oder das er am Ende des Regenbogens, als er dort gerade mit Blumen im Haar ekstatisch tanzte und seine grüne Seele suchte, ausgebuddelt hat, nicht wahr?

Geschrieben hat diesen Stuss - haltet Euch fest - ausgerechnet der Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt (!!!) der taz, Kai Schöneberg: "Gewinne sind Jeff Bezos tatsächlich schnuppe." Und Krieg ist Frieden, Freiheit ist Terrorismus und Satire ist, wenn man auch am Galgen nicht mehr lachen kann.

Was kommt als nächstes - die Story über den "Kommunisten Bill Gates" oder doch eher der Enthüllungsbericht über die nun zweifelsfrei nachgewiesenen "paranoiden Wahnvorstellungen des Karl Marx"? Wir dürfen gespannt sein. Eines wissen wir aber schon jetzt: Der taz sind Gewinne alles andere als schnuppe - dafür pfeift sie immer stärker auf ernsthafte Kapitalismuskritik. Mir wird speiübel von solchen schleimigen Anbiederungsversuchen.

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Das Fazit


"Das Zeitunglesen hat nur Wert, wenn man alles durchdenkt. Und wenn man alles durchdenkt, sieht man, dass das Zeitunglesen keinen Wert hat."

(Zeichnung von Ladislaus Kmoch [1897-1971], in "Simplicissimus", Heft 12 vom 21.06.1922)

Montag, 26. August 2013

Song des Tages: Man Overboard




(Steve Hackett: "Man Overboard", aus dem Album "Darktown", 1999)

We'll sit and watch the sun go down
See the waves wash to and fro
The world runs by sailboat slow

We'll anchor at the sight of land
Never doing all the things we planned
The sun sinks down way below

You pushed a man overboard
In the middle of a stormy sea
The wind blows high, the palm trees moan

I think about you night and day
I'm sorry when I hear you say
The coast is clear, we'll head for home


Anmerkung: Dieses Glanzstück des ehemaligen Genesis-Gitarristen Hackett, der (nach Peter Gabriel 1974) gerade noch rechtzeitig vor der zweiten Kommerzialisierungswelle 1977 die ehemals progressive und geniale, danach nur noch redundante und sich bis hinein in schnödeste Pop-Jauchegruben selbst zerlegende Band verlassen hat, solltet Ihr Euch wieder einmal nur in Dunkelheit und mit brüllender Lautstärke über Kopfhörer antun. Überhaupt ist dieses ganze Album "Darktown" ein Meilenstein, der in jede Sammlung gehört. Den Schlusssong (fast hätte ich geschrieben: "Schlusschor"), "In Memoriam", aus diesem Werk habe ich vor einiger Zeit schon einmal hier verlinkt.

Es ist erstaunlich, was der Mann mit seinen Gitarren alles anstellt: Viele (die meisten?) der in diesem Song zu hörenden Synthesizerklänge stammen nämlich ebenfalls von der Gitarre und nicht vom Keyboard - Hackett nutzt hier neben der akustischen und der elektrischen auch die sogenannte "digitale Gitarre", welche die Impulse der gezupften oder angerissenen Saiten in digitale Informationen umwandelt, so dass man digitale Streicher oder Chorklänge oder eben beliebige andere Synthesizerklänge auch auf der Gitarre spielen kann, ohne eine Tastatur zu benutzen. Gerade in Bezug auf Flächensounds bedeutet das natürlich eine radikal andere Spieltechnik als ein klassischer Gitarrist - ganz egal welcher Provenienz - das gewohnt ist.