Samstag, 14. November 2015

Song des Tages: Hypia




(Bilocate: "Hypia", aus dem Album "Summoning the Bygones", 2012)

Days of joyous pain are passing
Alone I drowned in my existence
She's trying to understand ... our life
She looks deep inside ... where lost souls hide

It was never as dark
And I can see further ... when I close my eyes
Far beyond the oceans of time
And I'm dying in shame

That hollow love I'll give for you
I'll stay with you for a while ... then I'll go on my way
You'll reach under my skin and hide from your fears
Alone in the dark awaiting the sunrise to end our journey

And many moons of sorrow are passing
Fixation upon this everlasting nation
Towards this dark side of living
Days of joy ended

This time I'm searching for my Life
These days will come ... to remember
Upon the forever land
Days of joy

Days of joyous pain are passing
Far beyond my eternal sleep



Anmerkung: So klingt Doom Metal aus Jordanien. Es ist ein wohl untrügliches Zeichen unserer untergehenden Zeit, dass diese Form von Musik inzwischen auch Länder erreicht hat, in denen Bands wie diese nach wie vor mit teils massiven staatlichen und religiös motivierten Repressalien konfrontiert sind. Letzteres ist ja beispielsweise auch in manchen Regionen der USA, in denen der religiöse Fanatismus inquisitorische Züge angenommen hat, durchaus üblich. Falls es in einigen Dekaden noch Historiker gibt, die sich Gedanken um die Vergangenheit machen können, wird unsere heutige Zeit sicherlich einen Namen wie beispielsweise "Exitium capitalisticum" oder "Exitium religiosum" erhalten.

Derweil lausche ich lieber noch weiter solch kalten Klängen aus den brennenden Wüsten Arabiens. Als ich Jordanien vor vielen Jahren besucht habe, hat mich vieles beeindruckt - ganz besonders aber die historische, aus dem nackten Fels gehauene Stadt Petra, die nur über eine extrem schmale, 70 Meter tiefe Felsschlucht zugänglich ist. Ich werde es nie vergessen, wie ich, aus der brüllend heißen Wüste kommend, auf einem Esel reitend diese lange, dunkle, erstaunlich kühle und an manchen Stellen kaum meterbreite Schlucht durchquerte und sich mir dann dieses Bild bot:


Freitag, 13. November 2015

Angriff der Schlips-Borg: Die Profit-Krise


Kürzlich war bei n-tv wieder einmal ein Paradebeispiel für den vollkommenen Irrsinn des kapitalistischen Systems zu lesen. Unter dem vernebelnden Titel "Kupfer-Krise trifft die Armen" wird dort eine wahre Orwell'sche Neusprechorgie abgehalten, in der Begriffe wie "Kapitalismus", "Ausbeutung" oder "Irrsinn" gar nicht erst vorkommen. Wichtige Informationen findet man in diesem Text nur, wenn man zwischen den Zeilen liest und sich zusätzlich anderweitig informiert.

Der Grund für jene "Krise" ist diesmal ein gesunkener Preis. Was für jeden, der den Rohstoff Kupfer benötigt, erst einmal eine gute Nachricht ist, bedeutet für den "Produzenten" - in diesem Fall den Konzern Glencore mit Sitz in der Schweiz - ein böses Höllenfanal, denn dadurch sinken die erwarteten Profite des habgierigen Gesindels. Im n-tv-Text wird dagegen dreist behauptet, dass die "Schulden" dadurch stiegen, was schlicht nicht stimmt, wie man unschwer auf den Geschäftsseiten des Konzerns nachlesen kann. Im kapitalistischen Neusprech sind nicht eingefahrene, zuvor aber "erwartete" Profite automatisch "Schulden" - und die Presse plärrt diesen infantilen Unsinn wie immer hemmungslos nach, als richte sie sich an Zombies.

Diese "Kupfer-Krise" hat nun also zur Folge, dass Glencore und weitere Konzerne, welche die Kupferförderung in Sambia betreiben, ihre Minen "temporär" für 18 Monate schließen, um so zu einer "Verknappung" des Rohstoffes und damit zu einem erneuten Anstieg des Preises beizutragen. Dass dieser Vorgang, der aus kapitalistischer Sicht durchaus "logisch", im Übrigen aber nichts als grotesker Irrsinn ist, nicht nur für die bettelarme Bevölkerung des afrikanischen Landes verheerende Folgen hat, ist n-tv immerhin einige Absätze wert - in denen vom Irrsinn aber selbstredend nur lakonisch berichtet wird, anstatt ihn zu hinterfragen.

Eigentlich selbstverständliche Fragen - wie zum Beispiel, wieso im elendsgebeutelten Land Sambia irgendwelche Konzerne, die dort nichts zu suchen haben, die ohnehin armen Menschen ausbeuten und über die dort vorkommenden Rohstoffe nach Belieben verfügen können; oder weshalb es unwidersprochen das offensichtlich höchste und heiligste Ziel allen wirtschaftlichen Handelns in diesem System sein muss, stets die größtmöglichen Profite für die kleine, superreiche Minderheit der Eigner bzw. Aktionäre einzufahren - stellt hierzulande kein einziges Massenmedium mehr.

n-tv wäre aber nicht konsequent systemhörig, wenn der Autor nicht trotzdem eine "Erklärung" für das Leid der Menschen in Afrika parat hätte. Und so schreibt er munter: "Die Folgen des Preisverfalls des Rohstoffs sind ein Paradebeispiel für die Globalisierung." - Dem kann ich nur augenverdrehend entgegnen: Nein, Herr Gänger, die "Globalisierung" ist ebenso uralt wie der Kapitalismus selbst - daran ändert auch die mantraartige Wiederholung des Gegenteils nichts. Korrekt müsste der Satz lauten: "Die Folgen des Preisverfalls des Rohstoffs sind ein Paradebeispiel für die verheerende Wirkung des Kapitalismus, der unverzüglich abgeschafft gehört." - Es gibt keine "Kupfer-Krise", sondern allenfalls eine "Profit-Krise" - und die hängt einzig und allein mit diesem abgrundtief perversen System zusammen, besitzt jedoch keinerlei logischen Bezug zum jeweiligen (willkürlich austauschbaren) Rohstoff oder Produkt.

Selbstverständlich haben die aktenkoffertragenden Superspezialexperten des Konzerns längst einen tollen Plan ausgearbeitet, der den Profit schnell wieder sprudeln lassen soll: "In den kommenden Monaten will Glencore knapp eine Milliarde Dollar in die Mopani-Minen investieren, um die Förderung zu modernisieren und damit die Kosten zu senken." - Soviel also zum Thema "Schulden" und zur üblichen Lösungsstrategie des heiligen Mantras der "Kostensenkung". Wie abgefahren und offensichtlich schwachsinnig muss ein System eigentlich sein, bis auch der letzte Hinterwäldler endlich erkennt, dass der Kaiser gar keine Kleider trägt?

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"Ihr braucht keine Eier mehr zu legen, man kauft sie jetzt billiger."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 22 vom 25.08.1924)

Mittwoch, 11. November 2015

Zitat des Tages: Die Tragödie


"Das Spiel ist aus!" riefen in der Schlussszene die endlich siegreichen Gegenspieler den entlarvten bösen Machthabern zu, verstellten ihnen den Weg zur Flucht oder zu den Waffen, nahmen sie fest und führten sie, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, in die Kulisse ab, während der Vorhang fiel.

Als er aber dann zum Applaus wieder hochging, kamen die besiegten Machthaber schon Hand in Hand mit den neuen Siegern zurück, und alle verneigten sich artig vor dem Publikum, das ihnen zurief und wie von allen guten Geistern verlassen Beifall klatschte.

(Erich Fried [1921-1988], in: "Fast alles Mögliche. Wahre Geschichten und gültige Lügen", Wagenbach 1975)


Arschlöcher des Tages: Helmut und ich


Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen.
(Helmut Schmidt, Ex-Bundeskanzler und kapitalistisches Arschloch)

Wer keine Visionen hat, soll in die Schweiz reisen und dort um Sterbehilfe ersuchen (sofern solvent, ansonsten ist auch der Suizid angemessen).
(Charlie, nur Arschloch)

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Kritik der Kritik


"Jetzt jäten Sie schon die vielen Jahre das Unkraut heraus. Wenden Sie sich doch endlich einmal einer positiven Arbeit zu."

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1950], in "Simplicissimus", Heft 25 vom 15.09.1920)

Dienstag, 10. November 2015

Musik des Tages: Sinfonie Nr. 3 in a-moll




  1. Andante con moto – Allegro un poco agitato
  2. Vivace non troppo
  3. Adagio
  4. Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai

(Felix Mendelssohn Bartholdy [1809-1847]: "Sinfonie Nr. 3 in a-moll", die "Schottische", aus den Jahren 1829-42; Orquesta Sinfónica de Galicia, Leitung: Rumon Gamba, 2014)

Anmerkung: Ich habe dieses fulminante Werk erst anlässlich eines viele Jahre zurückliegenden Aufenthaltes in Schottland richtig schätzen gelernt. Wer die Highlands im Norden Schottlands schon einmal besucht hat, kann vielleicht besser nachvollziehen, weshalb Mendelssohn diese Sinfonie die "Schottische" genannt hat. Sie ist das vielleicht "reifste" Werk des so jung verstorbenen Komponisten.

Einige Impressionen aus dieser atemberaubenden Region sind beispielsweise hier zu finden.


Montag, 9. November 2015

"Das Ich ist in den Mittelpunkt gerückt": Kapitalismus und Esoterik


Im Auftrag des WDR hat das "Meinungsforschungsinstitut" EMNID eine repräsentative Umfrage zum Thema "Zusammenhalt und 'Wir-Gefühl'" durchgeführt. Eine - selbstredend weitgehend informations- und hintergrundfreie - Berichterstattung dazu gibt es hier. Das wenig überraschende Ergebnis lautet denn auch, dass Egoismus und Egozentrik fürstliche Triumphe feiern, während sozialer Rückhalt und Solidarität allenfalls noch im familiären und freundschaftlichen Umfeld wahrgenommen wird - allerdings auch dort mit deutlich abnehmenden Tendenzen. So weit, so erwartbar.

Natürlich werden auch in diesem Bericht die notwendigen - und offensichtlichen - Fragen gar nicht erst gestellt. Wie sollte ein "gesellschaftliches Zusammenleben" verschiedenster Menschen in einem radikalen, inhumanen Konkurrenzsystem sich denn auch anders entwickeln? Der Kapitalismus produziert zwingend und äußerst logisch eine derartige Pervertierung. Es hätte gar keiner solchen Umfrage bedurft, denn die fatalen Auswirkungen des lächerlichen Wettbewerbsprinzips sind ja zunehmend tagtäglich zu erleben - sowohl im persönlichen Umfeld, als auch regional und auf größerer und globaler Ebene. In diesem System schreit alles und jede/r zuerst laut "Ich!", ganz egal ob es sich nun um einzelne Individuen, lokale oder regionale "Vertretungen" aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft oder um die "große Bühne" der Politik und Konzerne handelt. Das ist ein Wesensmerkmal des Kapitalismus.

Solche oder auch nur annähernd ähnliche Gedanken sucht man beim WDR vergebens - dort wird stattdessen scheinheilig und unbeirrbar gehirnzersetzend geschlussfolgert:

Was macht der WDR mit den Ergebnissen? "Wir wollen das gesellschaftliche Wir in den jeweiligen Regionen in unserem Programm abbilden. Das ist eine Kernaufgabe der Lokalzeiten", sagt Ulrike Wischer, Leiterin der Programmgruppe Regionales. In den elf Lokalzeit-Sendungen in NRW geht es deshalb im November in sechs Beiträgen um Flüchtlinge und Probleme der Integration und um Geschichten von sozialem Engagement in allen Bereich[en] des gesellschaftlichen Lebens. Erzählt wie immer: "Nah dran an den Menschen aus der Region".

Ja, auf diese Weise wird sich das fatale Problem sicher schnell lösen lassen. Ich bin mir inzwischen nicht mehr ganz so sicher, ob in den hochbezahlten Redaktionsstuben des "öffentlich-rechtlichen Rundfunks" nicht doch in erster Linie SatirikerInnen ein gutes Auskommen finden. Auf eine solche Merkel-Sonneborn'sche Wortwahl muss man auch erstmal - wahrscheinlich nach dem Konsum wildester Drogen - kommen: "Wir wollen das gesellschaftliche Wir ..." Als nächstes veröffentlichen diese Irren bestimmt eine Abhandlung mit dem Titel: "Über die zunehmende Solidarität und selbstlose Hilfsbereitschaft der LeistungssportlerInnen im blutigen Wettkampf um die Medaillenplätze und Siegerprämien".

Was eine derartige, ständig betriebene Realitätsverzerrung letztlich mit dem menschlichen Gehirn anstellt, hat kürzlich ein Kommentator bei unseren lieben Eso-Freunden wieder einmal öffentlich zur Schau gestellt, indem er zu einem mehr als albernen "Revolutionsaufruf" des Eso-Papstes Wecker ohne jeden erkennbaren Anflug von Ironie schrieb:

Denn erst, wenn niemand mehr "wir" sagt, wenn er nur "ich" meint; erst wenn keiner mehr sagt: "Wir brauchen eine Revolution", sondern alle sagen: "Ich mache eine Revolution", frei geboren, wie sie sind, nicht mehr dressiert von einer Erziehung zur Herrschaft, nicht mehr von Ideologien, Systemen, Gesetzen, Normen, Verhaltensregeln fremdbestimmt, sondern selbstbestimmt nur von ihrer Freiheit, – erst dann sind die Menschen wirklich bereit dazu, etwas zu ändern an ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit. / Und bis dahin ist wohl immer noch ein weiter Weg ...

Es ist zwar nicht weiter verwunderlich, dass solche lächerlichen Biene-Maja-Gedanken (die dennoch nicht nur einen leichten braunen Anstrich haben) im Eso-Umfeld zu finden sind - letzlich fasst "günni" hier das Geblubber von Wecker, Faulfuß & Co. nur verkürzt zusammen -, Angst macht es mir aber trotzdem. Diese typisch kapitalistische Zwangsfokussierung auf das Individuum bei gleichzeitiger Ignoranz der historischen, gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhänge sowie die geradezu Gauck'sche Überbetonung des "Freiheits"-Begriffes, der absurder gar nicht sein könnte im kapitalistischen System der totalen menschlichen Unfreiheit, illustrieren deutlich, wie dringend notwendig eine strikte Abgrenzung von solchen zwielichtigen Gruppierungen ist.

Man sollte Wecker seine salbungsvollen Worte aus jenem oben verlinkten "Aufruf" konsequent und zornig um die Ohren hauen - er selbst trägt schließlich seit Jahrzehnten nach Kräften dazu bei, inhaltlich zunächst völlig überflüssige und Spaltungstendenzen massiv fördernde religiös-esoterische Pseudogedanken in den linken Diskurs zu streuen, die für eine "Revolution von links" nicht nur unerheblich, sondern geradezu äußerst hinderlich sind.

Die Linke löst sich offensichtlich auf: Die einen sind längst angekommen im Kapitalismus und ebenso korrupt geworden wie das System; andere rennen rechten Rattenfängern und ihren "besorgten Bürgern" nach und merken nicht, dass sie so lediglich dem braunen Patriotismus und dem Völkischen huldigen; wieder andere schwören auf Voodoo-Zauber und religiöse "Führer" und suchen auf diesem Wege nach "Erlösung". Schnittmengen gibt es allenthalben, und stets steht das jeweilige "Ich im Mittelpunkt".

In Deutschland hat der Kapitalismus ganze Arbeit geleistet und jede linke Alternative für Jahrzehnte erfolgreich unterbunden. In elitären Kreisen knallen unablässig die Champagnerkorken, während das Geld in Fantastillionenhöhe wie von selbst unablässig in die privaten Speicher sprudelt und die große Mehrheit derweil zwangsläufig der Verelendung und zunehmenden Vereinsamung entgegen strebt. Es ist einfach nicht zu fassen.

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[Ohne Titel]



(Gemälde von George Grosz [1893-1959] aus dem Jahr 1920, Öl auf Leinwand, Kunstsammlung NRW, Düsseldorf)