Freitag, 8. Februar 2013

Die zum Schweigen gebrachte Mehrheit


"Die Medien könnten die größte Friedensmacht der Welt sein, stattdessen werden sie als Kriegswaffen eingesetzt", sagt Amy Goodman. Kriegskritiker kämen in den USA praktisch nicht zu Wort, abweichende Meinungen würden ausgefiltert. Die Medienkonzerne gäben oft nur die Positionen der Konzerne und der Politiker wieder, die von Konzernen finanziert werden. So schrumpfe die von den Medien abgebildete Meinungsvielfalt in den USA zunehmend. "Ich nenne es 'die zum Schweigen gebrachte Mehrheit', denn diejenigen, die gegen Krieg, gegen Folter sind, die wegen Armut und der Kontrollmacht der Unternehmen tief besorgt sind, sind keine Randgruppe. Sie sind nicht einmal eine schweigende Mehrheit, sondern eine Mehrheit, die zum Schweigen gebracht wird. Sie wird mundtot gemacht von Medienunternehmen, und das müssen wir ändern."

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Anmerkung: Dieser bestürzende, aber keineswegs neue Befund gilt selbstverständlich nicht nur für die USA, auch wenn dort die Medienkonzentration und propagandistischen Aktivitäten der Massenmedien noch einen Tick ausgeprägter sein könnten als beispielsweise in Deutschland. Aber auch hierzulande sind Nachrichtensendungen wie die "Tagesschau" oder "heute" weit davon entfernt, seriös und pluralistisch zu sein. Wer sich einzig aus diesen Quellen informiert, mag sich vielleicht für "gut informiert" halten, ist aber bestenfalls indoktriniert und "auf Linie gebracht".

Es ist ebenfalls keine Neuigkeit, dass dasselbe auch für die gedruckten Erzeugnisse der großen Verlagshäuser gilt - es ist heute ja nur noch ein Treppenwitz, dass beispielsweise der Spiegel einmal als "linkes", gar "investigatives Nachrichtenmagazin" galt, das u.a. einen offensiven Kampf gegen die Schmutzerzeugnisse des Springer-Konzerns geführt hat. Dieser Kampf ist gründlich fehlgeschlagen - heute ist der Spiegel nur noch ein Teil der neoliberalen Kampf- und Propagandasuppe.

Diese permanente Entwicklung in Richtung Desinformation und Propaganda geschah natürlich nicht zufällig oder versehentlich - wir dürfen getrost davon ausgehen, dass diese in ihrer Wirkung bestens erforschten Macht-Instrumente von Anfang an ganz oben auf der neoliberalen Zerstörungs-Agenda standen - und wir erleben täglich, dass der perfide Plan tatsächlich funktioniert: Die große Mehrheit schaut sich diesen PR-Kram mehr oder weniger regelmäßig an, hält ihn für "seriös" oder gar "objektiv" und hält demnach Kritik an den bestehenden Verhältnissen für "extremistische Einzelmeinungen" einer kleinen Randgruppe. Anders ist es nach meiner Sicht gar nicht mehr erklärbar, dass über einen so langen Zeitraum hinweg konsequent und massiv eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerung und zum Wohle eine sehr kleinen und sowieso schon vollkommen überprivilegierten "Elite" gemacht werden konnte, ohne dass nennenswerter Widerstand oder mehr zu beobachten war und ist.

Die Situation ist also noch viel, viel übler als Frau Goodman das im oben verlinkten Beitrag darstellt: Selbstverständlich ist es die überwältigende Mehrheit, die von diesem System ausgebeutet und verarmt wird; trotzdem aber stützt eine Mehrheit dieser Masse das System weiterhin - in der irrigen, durch stetige Propaganda und Indoktrination verursachten Annahme, das System nütze ihnen oder sei gar "alternativlos". Wer einzig falsche, unvollständige oder tendenziöse Informationen erhält, kann auch nur zu völlig falschen Schlüssen und Meinungen gelangen - diese Weisheit ist fast zu banal, als dass man sie aufschreiben müsste. Und dennoch mag sie einer großen Anzahl von Menschen heutzutage wohl als extrem exotisch, wenn nicht gar als "verschwörungstheoretisch" anmuten. Wir sind wahrlich weit gekommen.

Die wenigen medialen Inseln, die noch dagegen halten und - zumindest gelegentlich - etwas Licht ins vernebelnde Dunkel der Einheitspropaganda bringen, werden zunehmend rarer - das Verschwinden der Frankfurter Rundschau ist dafür ebenso ein Zeichen wie die massiven Beschneidungen der ehemals kritischen Politik-Magazine ("Monitor", "Kontraste", "Report aus Mainz" etc.) in der ARD. So verbleibt dem wissenshungrigen Bürger einzig das Internet als alternative Informationsquelle. Die dort tatsächlich vorhandene Vielfalt verlangt vom Leser aber eine gewisse Medienkompetenz, um Relevantes und Wahres vom großen Sumpf des Blödsinns und der verschieden gefärbten Propaganda zu trennen - eine Medienkompetenz, die viele Menschen aber niemals erlernt haben und heute erst recht nicht mehr erlernen können. So wird die Pluralität des Internets wiederum zu einem Fluch, wenn sie dazu führt, dass Menschen vermehrt auf krude Hetz-Seiten wie "PI", den KOPP-Verlag oder andere Wortkloaken klicken, um die in den Massenmedien verschwiegenen oder verfälschten Informationen zu bekommen.

Der naheliegendste Ausweg aus diesem Dilemma wäre natürlich eine kräftige Verstärkung der Vermittlung eben jener Medienkompetenz - doch wer kann oder soll das - flächendeckend - leisten? Die Schulen, die inzwischen immer mehr zu "Formungsanstalten für den kapitalistischen Konkurrenzkampf" werden? Die Familien, in denen die "Tagesschau" als "seriöse Nachrichtensendung" gilt? Das Internet, wo man neben wunderbaren, treffenden, wertvollen und relevanten Beiträgen massenhaft auch Propaganda, Hetze und Desinformation findet?

Eine Frage, auf die ich - wie so oft - keine Antwort habe. Die "zum Schweigen gebrachte Mehrheit" wird wohl auch weiterhin aufgrund falscher Informationen schweigend zustimmen, und wir können nur hoffen, dass der Ausgang diesmal nicht in einer vergleichbaren Katastrophe wie in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts endet.

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Skandal über Skandal

Nun stürzte auch die Berliner Bank
für Handel und Grundbesitz!
Was Einen gesund macht, macht Tausende krank -:
zum Himmel wallt auf ein übler Gestank,
aber Gott sendet keinen Blitz ---

Keinen Blitz, der das ganze Gesindel erschlägt,
das sich mästet von fremdem Geld,
das die Ärmsten bestiehlt und Schlingen legt
jedem Törichten, der noch Vertrauen hegt
zu den "Großen dieser Welt" ---

Herr Katzenellenbogen ist frei:
es besteht da kein Fluchtverdacht -
der Staatsanwalt mimt ein bisschen Geschrei -
Das macht sich gut. Doch es bleibt dabei.
Mit Geld wird alles gemacht!

Doch zwei Schriftsteller kriegten vom Feme-Gericht
in Leipzig dafür ihr Teil!
Wer die Wahrheit weiß und verschweigt sie nicht,
der ist für die Herrn ein erbärmlicher Wicht -:
Das ist Deutschlands Erwachen! Heil!

Bald zeigt man uns im Jahrmarkts-Zelt
den "Letzten ehrlichen Mann".
Und ärztlicherseits wird festgestellt,
dass er nur, weil ihm Groß- wie auch Kleinhirn fehlt,
weder schwindeln noch stehlen kann ---

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 36 vom 07.12.1931)

Anmerkung: Wer mehr über den leider und zu Unrecht völlig vergessenen Autor Reinhard Koester erfahren will, dem sei das "Reinhard-Koester-Lesebuch", herausgegeben von Dieter Sudhoff, Köln 2004, sehr ans Herz gelegt. Das Buch ist als pdf hier kostenlos erhältlich; das ausführliche Nachwort des Herausgebers enthält eine Fülle von interessanten Informationen über den Autor.

Zitat des Tages: Greece is like Germany’s Weimar Republic


German industry was only saved by the Nazi government’s rearmament policies after 1934. This was one of the reasons why Germany’s big business supported the Nazis until the bitter end. Those can be the political consequences of a “liquidate everything” ideology that plunges entire economies into the economic and social abyss.

(Fabian Lindner, Ökonom am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, IMK, im "Social Europe Journal" vom 18.01.2013)

Anmerkung: Der gesamte Artikel ist sehr lesenswert und eine einzige vernichtende Kritik der so genannten Austeritätspolitik der neoliberalen Bande mit Merkel an der Spitze. Wer hier gelegentlich mitliest, weiß, dass ich auf die Parallelen mit der Weimarer Zeit schon seit Längerem immer wieder hinweise - inzwischen sind diese Offensichtlichkeiten glücklicherweise auch in anderen Blogs sowie im IMK angekommen. Wir können allerdings sicher sein, dass die Bande trotzdem nicht eine Handbreit von ihrem Katastrophenkurs abweichen wird - da muss faktisch erst der Himmel auf uns herabstürzen, damit diese Wahnsinnigen auch nur bemerken, dass irgendetwas vollkommen aus dem Ruder läuft. In jenen Kreisen paaren sich Inkompetenz, Egoismus, Habgier und Korruption aufs Frucht- und Furchtbarste mit Ignoranz.

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Brüsseler Finanzkonferenz


"Niemand von uns hat mehr Geld, aber Deutschland [heute: Griechenland] hat am wenigsten. Also muss es zahlen!"

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 30 vom 20.10.1920)

Mittwoch, 6. Februar 2013

Offtopic: Computer-Nostalgie


Früher war alles besser! Diesen Satz hat bestimmt jeder schon einmal in den Mund genommen. Zwar kann man nicht zurück in diese Zeiten, dafür kann man sie sich aber ins Hier und Jetzt holen. Und zwar direkt auf den heimischen PC.

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Anmerkung: Die im Text vorgestellten Nostalgie-Seiten sind allesamt sehr amüsant: Wenn Du noch einmal den Neustart von beispielsweise Windows 3.1, Windows 95 oder Rhapsody erleben möchtest, bist Du auf der "Restart Page" gut aufgehoben. Wenn Du das "Narrenschiff" oder eine beliebige andere Internetseite im Grafikstil der 90er Jahre anschauen möchtest, ist der "Geocitiesizer" ein lohnendes Ziel - so sahen meine ersten Webseiten damals auch aus. Und wenn Du mal wieder "Donkey Kong" oder viele andere Klassiker zocken möchtest, besuche "Pica Pic".

Ich fühle mich gerade wie ein Tattergreis, der jammervoll die "gute, alte Zeit" beschwört ... ;-) Hach ja.


Über den Sinn und Unsinn von Arbeit


Wir arbeiten, um Leute zufriedenzustellen, die wir nicht mögen, die wir aber brauchen, weil sie uns Geld versprechen. Wir arbeiten, um Dinge zu kaufen, deren Bedeutung uns nur eingeredet wurde. Wir arbeiten, um Produzenten, die ohnehin schon reich genug sind, Kosten zu ersparen. Über die vollkommene Absurdität unserer Arbeitsverhältnisse.

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Anmerkung: Dieser etwas ausführlichere Text der Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Marianne Gronemeyer ist sehr empfehlenswert. Ihre Ausführungen sprechen mir in vielen Punkten aus der Seele - auch wenn die Autorin - zumindest in diesem Essay - den notwendigen und logischen Schritt zur völligen Neustrukturierung des Geld- und Wirtschaftssystemes nicht in Angriff nimmt. Das ändert aber nichts an der Qualität ihrer Gedanken zum Wesen dessen, was die neoliberale Bande seit Jahren als "Arbeit" bezeichnet, die als einziger, fast schon heiliger Sinn und Zweck des Lebens angesehen werden soll (und zunehmend von vielen Menschen auch tatsächlich so angesehen wird).

Bitte unbedingt lesen, auch wenn der Text etwas länger ist als gewohnt. Gronemeyer schreibt zum Schluss: "Konsumenten sind - viertens - 'kriegende' Menschen, so haben wir festgestellt. Kriegende Menschen sind aber nicht nur solche, die alles, was sie zu brauchen glauben, kriegen müssen, sondern auch solche, die mit allen anderen im latenten Kriegszustand leben. Denn alle anderen sind genauso darauf angewiesen, von den knappen Vorräten genug abzukriegen. Jeder Vorteil des einen ist nur zu haben um den Nachteil des anderen. Und so ist das Prinzip der Verfeindung die Grundlage der konsumistischen Gesellschaft." So trefflich formuliert habe ich das Grundprinzip einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft zuvor noch nicht gelesen.

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Ganz einfach


"Was ist denn eigentlich Kapitalismus?" - "Das ist das Geld, das die Andern haben!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 01.10.1920)

Montag, 4. Februar 2013

Zitat des Tages: Mit Sorge


Ohne Parallelen ziehen zu wollen: Mit Sorge ist zu beobachten, wie weit gegenwärtig in der deutschen Gesellschaft bestimmte Grundelemente fremdenfeindlichen, rassistischen und neonazistischen Denkens weiter bestehen, wie ein zunehmend auf kriegerische Aktionen orientiertes und undemokratisches Treiben einiger Regierender widerspruchslos hingenommen oder gar gebilligt wird. Es gibt tendenziell Resignation, Rat- und Hilflosigkeit, desgleichen einen Verfall normalen Verantwortungs- und Mitgefühls. Viele, allzu viele Menschen schauen schlicht und einfach weg, scheinen eingetaucht zu sein in ein gewöhnliches Einerlei alltäglichen Denkens und des Gewährenlassens nach dem Motto "Es war so, und es ist eben so ..."

(Prof. Dr. Manfred Weißbecker [*1935], in Neues Deutschland vom 26. Januar 2013)


Anmerkung: Die Frage nach den verbleibenden Handlungsoptionen in dieser Phase des Kapitalismus bleibt weiter bestehen und auch Weißbecker hat keine wirklich richtungsweisenden Hinweise auf Lager. In der Schrottpresse habe ich dazu heute einen Kommentar hinterlassen, und noch immer fällt mir absolut nichts ein, was aktuell zu tun wäre, um dem um sich greifenden Wahnsinn angemessen und vor allem wirkungsvoll zu begegnen. Hat denn niemand Vorschläge oder Hinweise?

Bitte!