Samstag, 21. März 2015

Musik des Tages: Sinfonie Nr. 1 in As-Dur




  1. Andante nobilmente e semplice – Allegro
  2. Allegro molto
  3. Adagio
  4. Lento – Allegro

(Edward Elgar [1857-1934]: "Sinfonie Nr. 1 in As-Dur", Op. 55 aus den Jahren 1907/08. BBC Symphony Orchestra, Leitung: Martyn Brabbins, 2012)

Freitag, 20. März 2015

Die Kriegserklärung


Manchmal glaubt man es immer noch nicht, was die Propagandapresse dem gemeinen Rezipienten so alles zumutet - ich jedenfalls habe nur noch mit den Ohren geschlackert und konsterniert nach Luft geschnappt, als ich diesen Sermon der tagesschau gelesen habe:

Innenminister de Maizière plant den Aufbau einer neuen Anti-Terror-Einheit, die die Lücke zwischen GSG9 und Bereitschaftspolizei schließen soll. Nach Informationen des rbb soll die Einheit auch im normalen Polizeidienst eingesetzt werden.

Lest Euch das selbst durch - der Irrsinn ist durch keinen Kommentar zu überbieten. Der "islamistische Terrorismus", der unser aller Leben bekanntermaßen jeden Tag aufs Neue bis aufs Blut bedroht, muss wieder einmal herhalten für eine weitere Aufrüstung der staatlichen Gewalt gegen die Bevölkerung. Neu ist in diesem Entwurf die Aussicht, dass die zu schaffenden paramilitärischen Einheiten nicht mehr nur in "komplexen Gefahrensituationen", also dem angeblichen Ursprungsszenario, zum Einsatz kommen sollen, sondern auch im "normalen Polizeidienst". Aha.

Darüber hinaus wird hier die von der korrupten Bande ohnehin nicht mehr angewandte Trennung von Polizei und Geheimdiensten weiter aufgeweicht und ad absurdum geführt - und auch das ist der tagesschau nicht eine einzige kritische Bemerkung wert. Das "Bundesamt für Verfassungsschutz", das "Bundeskriminalamt" und die "Bundespolizei" tauchen hier als blumige Einheit auf, die in trauter, verfassungswidriger Einigkeit für das Wohl das Kapitals zu sorgen haben.

Der faschistoide Terror dieser Gesellen (zum willkürlichen Reisepass- und Personalausweisentzug habe ich ja schon etwas geschrieben) geht nun noch einen Schritt weiter und das Orwell'sche Strafrecht der "bösen" Gesinnung - auch wenn sie bloß (von wem auch immer) "vermutet" wird - steht vor der Tür:

Allein die Absicht, in ein Terrorcamp ausreisen zu wollen, soll künftig strafbar sein.

Treffer, versenkt. Ich weiß mir nicht zu helfen - aber noch deutlicher und unmissverständlicher könnte diese korrupte Brut ihren Weg in den Faschismus doch gar nicht formulieren. Eine militärisch aufgerüstete, mit Geheimdiensten vernetzte Polizei auf der einen Seite, ein völlig perverses Gesinnungsstrafrecht, das auf irgendwelchen willkürlichen, nicht näher kommunizierten Mutmaßungen beruht, auf der anderen Seite - und mittendrin stehen nun wir, die Menschen, die das alles direkt betrifft. Ich kann das nicht anders deuten als eine barsche Kriegserklärung.

Ich hätte im Leben niemals vermutet, dass ich barbarische Zustände wie diese tatsächlich noch während meiner Lebenszeit wiederholt sehen muss.

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Der letzte Demokrat


"Der liebste Platz, den ich auf Erden hab', das ist die Rasenbank am Elterngrab."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 05.10.1931)

Donnerstag, 19. März 2015

Zitat des Tages: Nachts in der Stille erwachen


Nachts in der Stille erwachen,
Die Einsamkeit tritt heran.
Wie mag ich leben und lachen?
Finsternis blickt mich an.

Ist noch ein Geruch von Kerze
Und Mutters Flaumigkeit nah?
Wie Rauch verhängt mich die Schwärze
Und nur die Schwermut ist da.

(Albin Zollinger [1895-1941], in: "Sternfrühe. Neue Gedichte", Morgarten 1936)


Anmerkung: Marktkonforme Psychologen des 21. Jahrhunderts und entsprechende Schreibtischtäter in den begleitenden politischen und medialen Gremien werden das nicht gerne hören, sondern in Bausch und Bogen verdammen: Manchmal sind Depressionen eben keine Krankheit, sondern einfach ein gesunder, natürlicher Reflex eines Menschen auf die ihn umgebende, allzu kranke Welt. Fast das gesamte lyrische Werk Albin Zollingers ist ein Paradebeispiel für diese Binsenweisheit, die man heute nicht mehr äußern darf, ohne sich öffentlich lächerlich zu machen. Ich mache mich gerne lächerlich. Eigentlich gibt es nur wenige Möglichkeiten, wie ein gesunder, wacher Geist auf unsere heutige furchtbare Welt reagieren kann - neben Zorn und Rebellion, der panischen Flucht in Fantasiewelten oder dem puren Wahnsinn bleibt da eigentlich nur noch die Depression oder Resignation.

Oder habe ich etwas vergessen?

Mittwoch, 18. März 2015

Musik des Tages: Amused To Death, oder: 1984




(Roger Waters: "The Ballad of Bill Hubbard / Amused to Death" [gekürzte Version], aus dem Album "Amused to Death", 1992)

Alf Razzell war ein Soldat im Ersten Weltkrieg, der in einem TV-Report von seiner Vergangenheit erzählte. Zu seinen Aufgaben gehörte es, auf dem Schlachtfeld und in den Schützengräben die Soldbücher der Gefallenen einzusammeln; eine Tätigkeit, die ihn ständig mit entsetzlichsten Wunden, Verstümmelungen, Leichen und Leichenteilen konfrontierte. Hier berichtet er von dem vergeblichen Versuch, den tödlich verwundeten Soldaten Bill Hubbard aus einem Schützengraben zu retten.

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[switch TV channel]

Alf Razzell: Two things that have haunted me most are the days when I had to collect the paybooks; and when I left Bill Hubbard in no-man's-land. / I was picked up and taken into their trench. And I'd no sooner taken two or three steps down the trench when I heard a call, "Hello Razz, I'm glad to see you. This is my second night here," and he said "I'm feeling bad," and it was Bill Hubbard, one of the men we'd trained in England, one of the original battalion. I had a look at his wound, rolled him over; I could see it was probably a fatal wound. You could imagine what pain he was in, he was dripping with sweat; and after I'd gone about three shellholes, traversed that, had it been ... had there been a path or a road I could have done better. He pummelled me, "Put me down, put me down, I'd rather die, I'd rather die, put me down." I was hoping he would faint. He said "I can't go any further, let me die." I said "If I leave you here Bill you won't be found, let's have another go." He said "All right then." And the same thing happened; he couldn't stand it any more, and I had to leave him there, in no-man's-land."

[switch TV channel to entertainment bullshit]

Doctor Doctor, what is wrong with me
This supermarket life is getting long
What is the heart life of a colour TV
What is the shelf life of a teenage queen
Ooh, western woman - ooh western girl

News hound sniffs the air when Jessica Hahn goes down
He latches on to that symbol of detachment
Attracted by the peeling away of feeling
The celebrity of the abused shell the belle

No tears to cry, no feelings left -
This species has amused itself to death.

[switch TV channel]

Alf Razzell: Years later, I saw Bill Hubbard's name on the memorial to the missing at Arras. And I ... when I saw his name I was absolutely transfixed; it was as though he was now a human being instead of some sort of nightmarish memory of how I had to leave him, all those years ago. And I felt relieved, and ever since then I've felt happier about it, because always before, whenever I thought of him, I said to myself, "Was there something else that I could have done?" And that always sort of worried me. And having seen him, and his name in the register - as you know in the memorials there's a little safe, there's a register in there with every name - and seeing his name and his name on the memorial; it sort of lightened my ... heart, if you like.

Woman: When was it that you saw his name on the memorial?

Alf Razzell: Ah, when I was eighty-seven, that would be the year ... nineteen ... eighty-four, nineteen eighty-four.

[switch TV off]


Dienstag, 17. März 2015

Unsere schöne Glitzerwelt: Die "Jobcenter", die Armut und die Unterhaltung


Warum lässt sich ein Mensch wie Günter Wallraff vom Gossen-Sender RTL für oberflächlichen Krawall und pseudokritische Berichterstattung einspannen?

Diesmal hat es das "Team Wallraff" für die gleichnamige RTL-"Doku" in die Niederungen der "Jobcenter" verschlagen. Wer sich mit diesem Thema auskennt, womöglich selber direkt oder indirekt davon betroffen ist und seine Informationen in der Regel aus dem kritischen Teil des Internet bezieht, konnte angesichts dieses Machwerkes aber nicht einmal müde lächeln. Da wurden gar sensationelle Ergebnisse "enthüllt": Es verschwinden "manchmal" Dokumente oder ganze Akten! SachbearbeiterInnen der "Jobcenter" werden oft nur befristet angestellt! Es herrscht künstlich erzeugter Personalmangel! Die Arbeitslosenstatistik wird auch durch sinnfreie "Maßnahmen", für die Millionen von Steuergeldern verschleudert werden, bewusst und gewollt massiv gefälscht! Sanktionen werden "manchmal" rein willkürlich ausgesprochen! Es gibt absurde "Vermittlungsquoten" in den Ämtern! Etc. - Nein, wer hätte denn das alles auch erahnen können?!?

Ich gebe zu, dass ich mir diesen Mist - ganz entgegen meiner sonstigen strikten TV-Abstinenz - angetan habe, und meine schlimmsten Ahnungen wurden leider nicht enttäuscht: Die Sendung war noch schlechter als ich das im Vorfeld befürchtet habe. Alles, aber wirklich alles, was in dieser "Enthüllungsstory" aufgedeckt wurde, war vorher schon seit Langem hinlänglich bekannt. Es war ein müder, billiger, lauwarmer Aufguss, der in schöner RTL-Manier äußerst dramatisch und reißerisch in den Pausen zwischen den noch dämlicheren Reklameblöcken präsentiert wurde. Dabei blieb tiefere Kritik einigen wenigen vernuschelten Nebensätzen vorbehalten, während das "Interview" mit dem "Vorstand Arbeitsmarkt" der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, gar zur grotesken Farce und reinen neoliberalen Propagandaveranstaltung geriet, wie sie peinlicher kaum hätte ausfallen können.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Hartz-Terror - wie beispielsweise den grundgesetzwidrigen Sanktionen, der massenhaften Zwangsverarmung, Entmündigung und Schikanierung von Millionen von Menschen, der existenziellen Not und sozialen sowie kulturellen Verelendung, in die sie gewollt getrieben werden, oder der ebenfalls grundgesetzwidrigen Zwangsarbeit - fand nicht statt. Es wurden weder Fragen gestellt, die nach den ideologischen Hintergründen dieses perversen Systems - inmitten des explodierenden Reichtums der Superreichen - forschten, noch solche, die überhaupt den Sinn und Zweck einer solchen faschistoiden Behörde in unserer heutigen Zeit zum Inhalt hatten. Auch das systemimmanente Symptom der allgegenwärtigen Korruption wurde mit keinem Wort erwähnt. Alle "aufgedeckten" Skandale wurden stattdessen, wie üblich, als - wenn auch öfter vorkommende - "Einzelfälle" dargestellt, die aber nicht das Geringste mit dem System an sich zu tun hätten.

Als Fazit der Sendung lässt sich formulieren: Man müsste nach dieser verzerrten Darstellung lediglich die Behörden und deren MitarbeiterInnen ein wenig "reformieren" bzw. "auf Kurs bringen" - und schon wäre das Hartz-System in bester Ordnung und das Paradies in greifbarer Nähe. Wie zynisch, geradezu menschenverachtend das ist, muss ich niemandem erklären, der mit dieser bürokratischen Perversion schon einmal Kontakt hatte oder immer noch haben muss.

Wieso tut Wallraff das? Braucht er dringend Geld? Ist er senil und merkt nicht mehr, wessen böses Lied er da anstimmt? Oder habe ich ihn einfach falsch eingeschätzt und in einer Ecke verortet, in der er sich nie aufgehalten hat? - Unsere Kuhmedien gehen mit dieser Sendung jedenfalls genau so um, wie sie es verdient hat: Bei n-tv beispielsweise ist der - ebenso oberflächlich-dümmliche - Bericht darüber exakt in dem Ressort erschienen, in das er gehört - nämlich in der Sparte "Unterhaltung".


(Screenshot: n-tv. "Let's amuse ourselves to death.")