Samstag, 3. Oktober 2009

Niedrigstlöhne: Über die Textilkette Kik

Die Textilkette Kik boomt auch in der Krise - mit konkurrenzlos niedrigen Preisen. Doch die Zeche zahlen junge Näherinnen in Bangladesch, unterbezahlte Beschäftigte und oft auch die Kunden.

Vor 15 Jahren gründete Stefan Heinig den Textildiscounter Kik. Seither arbeitet der ehemalige Handelsassistent daran, die Preise zu drücken. Er verkauft den Deutschen die billigsten Klamotten, die es gibt. Heißt es.

Jeans kosten bei Kik mitunter nur 2,99 Euro. Mit Hilfe der "Bild"-Zeitung deckte Heinig die Nation im Frühjahr mit "Volks-T-Shirts" ein, für 1,99 Euro. Und seit einigen Wochen wirbt Verona Pooth, gegen die wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt wird, für Jacken in "Lederoptik" zu 19,99 Euro ("Besser als wie man denkt!"). (...)

Doch der Erfolg beruht auf einer Täuschung. Genau genommen sind Kiks Preise nicht billig - sie kommen Mitarbeiter, Zulieferer und oft auch Kunden teuer zu stehen. Den höchsten Preis für den hiesigen Geiz zahlen die Näherinnen in den Fabriken in Bangladesch. Fast die Hälfte der Waren stammt von dort.

Es sind Mädchen wie Sathi Akhter, die für Heinigs vermeintliche "Volks"-Preise sorgen. Sathi Akhter ist 16 Jahre alt. Sie arbeitete in einer Kik-Zulieferfabrik in der Hauptstadt Dhaka, 10, 12, manchmal 16 Stunden pro Tag - für umgerechnet 25 Euro im Monat. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder teilt sie sich einen knapp sechs Quadratmeter großen Verschlag als Wohnung. Frisches Wasser, erzählt Sathi Akhter, gebe es in der Fabrik nicht, oft nicht mal Spülwasser in den dreckigen Toiletten.

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Anmerkung: Es ist zwar schamlos, dass das neoliberale Kampfblatt "Der Spiegel" eine solche Geschichte als Feigenblatt missbraucht - der Informationsgehalt des Artikels ist aber dennoch recht hoch.

SPD fällt in sich zusammen

Das historische Tief der SPD muss zu einem Bruch mit den Schröder-Jahren führen

Wer draußen an der SPD-Zentrale am Münchner Oberanger einen Tag nach der Bundestags-Wahl vorbei geht, sieht keine Anzeichen dafür, was drinnen geschehen ist. Dass eine ehemalige Volkspartei in sich zusammenfiel, zerbröselte, implodierte. Im Bund kam die SPD nur noch auf 23 Prozent, in Bayern auf 16,8 Prozent, in der sozialdemokratischen Hochburg München auf 19,3 Prozent. "Wir haben schon schlechtere Zeiten überstanden", meinte der Parteivorsitzende Franz Müntefering am Wahlabend im Fernsehen - und es ist unklar, ob er damit zum Beispiel das Verbot der SPD 1933 unter den Nazis meinte. (...)

Ohne eine einschneidende Zäsur wird die SPD nur noch als Wurmfortsatz existieren. Zu dieser Zäsur wird der Satz gehören: "Hartz IV und die Rente mit 67 waren große politische Fehler." Bisher haben sich die Verantwortlichen lieber die Zunge abgebissenen, als diese Fehler öffentlich einzugestehen. Umso grotesker muten die angekündigten "Analysen" der Wahlkatastrophe und ihrer Ursachen an. Das ist so, als wenn man bei einem Herzinfarkt sich auf den Fußpilz konzentriert. Die Partei muss sich von den Schröder-Jahren abwenden und diese Zeit selbstkritisch aufarbeiten: Als ein verhängnisvolles Kapitel ihrer Geschichte. Und zu dieser Zäsur wird neben einem veränderten Einstellung zur Linkspartei, die ja Fleische vom Fleische der SPD ist, auch eine Veränderung zwischen Parteiführung und Parteibasis gehören, damit sich letztere in ersterer wiederfindet.

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Wahl 09: Es ist alles so gekommen, wie es zu erwarten war, nur noch schlimmer

Es war schon eine merkwürdige Wahl: 60 Prozent der Befragten sind der Meinung, man wisse nicht genau, was die CDU vorhabe. Und nicht viel weniger wissen das von der FDP. 60 Prozent glauben nicht, dass die Steuern gesenkt werden, sondern eher erhöht. 68 Prozent meinen, dass die CDU nicht ehrlich sei, und gegenüber der FDP ist das Vertrauen nicht größer. Merkel wird weder zugetraut, dass sie die Wirtschaft in Schwung bringt (nur 34 Prozent meinen das), noch dass sie für mehr soziale Gerechtigkeit sorgt (nur 20 Prozent glauben das).

Und dennoch haben die Wählerinnen und Wähler für eine Mehrheit derjenigen Parteienkonstellation gesorgt, die diametral gegen die politischen Ziele steht, für die eine Mehrheit in der Sache eintritt, angefangen vom Atomausstieg, über die Erhaltung des Sozialstaats bis zum Abzug aus Afghanistan. Weil die Bürgerinnen und Bürger keine Alternative gesehen haben und deshalb zum Teil gar nicht mehr zur Wahl gingen und damit die politischen Kräfte nicht stark genug gemacht haben, die dem selbsternannten „bürgerlichen Lager“ etwas entgegensetzen hätten können, ist es zu Schwarz-gelb gekommen. Ein rot-grünes Lager hat wegen der dramatischen Verluste auf absehbare Zeit keine Perspektive mehr und eine linke Mehrheit liegt, solange es in der SPD keine Palastrevolution gibt, in den Sternen.

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Über die Folgen von Hartz IV und Niedriglöhnen

"Seit 2005 hat sich in Deutschland die Armut, die Kinderarmut und die Anzahl der Tafeln verdoppelt. Der Niedriglohnsektor hat sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre gleichfalls dupliziert. Während Einkommen aus Gewinnen und Vermögen um 36 Prozent zugenommen haben, bleibt die Lohnquote mit 66,2 Prozent auf einem historischen Tiefstand: Neun Prozentpunkte unter dem Spitzenniveau von 1974."

Interview mit Claudia Daseking und Solveig Koitz über die rechtswidrige Hartz IV-Sanktionspraxis:

Teil 1: Aushungern und Fordern
Teil 2: Materielle Not bis hin zur Todesangst
Teil 3: Sparen statt Fördern

Das Bundesermächtigungsgesetz

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Folgen der Privatisierung (12): Bankenaufsicht

Indect – der Traum der EU vom Polizeistaat

Ein Forschungsprojekt soll Wege finden, Informationen aus dem Netz, aus Datenbanken und von Überwachungskameras zu verbinden – zu einem automatischen Bevölkerungsscanner.

Die Europäische Union finanziert seit Jahresbeginn ein Forschungsprojekt, das all die bestehenden Überwachungstechnologien zu einem Instrument verbinden soll. "Indect" soll es möglich machen, dass alles gesehen und alles verfolgt werden kann. Insgsamt 14,86 Millionen Euro lässt sich die EU das auf fünf Jahre angelegte Projekt kosten. (...)

Indect ist ein Akronym von "Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment". Daher ein Informationssystem zur Unterstützung der Suche, der Entdeckung und der Überwachung von Bürgern in städtischen Umgebungen. Ziel: Erhöhung der Sicherheit [sic!]. Man könnte es auch ein integriertes Spionageprogramm nennen. (...)

Wird das Projekt umgesetzt, wäre es der Albtraum jeder Bürgerrechtsbewegung. Verbindet es doch alle einzelnen Überwachungsinstrumente, die bereits jetzt installiert sind wie Videokameras, Vorratsdatenspeicherung, Handyortung, Gesichtserkennung oder Telefonüberwachung zu einem einzigen Spähprogramm.

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Die Rückkehr der Gestapo - ein weiterer perfider Plan aus dem Hause Schäuble

Verfassungsschutz soll zur Polizei werden

Das Bundesinnenministerium bereitet sich mit weitgehenden Forderungen zur inneren Sicherheit auf die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl vor: Der Verfassungsschutz soll zahlreiche neue Kompetenzen erhalten und zur allgemeinen Sicherheitsbehörde ausgebaut werden. Dies ergibt sich aus einem Konzept, das in dem von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Bundesinnenministerium ausgearbeitet worden ist.

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Die als Reaktion auf nationalsozialistische Herrschaftsinstrumente wie Gestapo und Reichssicherheitshauptamt etablierte strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei würde damit weiter aufgeweicht. Der Verfassungschutz soll künftig das Recht zur heimlichen Online-Durchsuchung erhalten – dies ist nach dem jüngst in Kraft getretenen BKA-Gesetz bislang dem BKA vorbehalten. Außerdem soll der Inlandsgeheimdienst Zugriff auf die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung erhalten, bei der die Verbindungsdaten der Telekommunikation und des Internet-Zugriffs aller Bürger festgehalten werden. Bislang ist auch dies der Polizei vorbehalten. (...)

Dem Verfassungsschutz sollen laut Innenministerium aber auch Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen erlaubt werden. Neben den Plänen zum Verfassungsschutz enthält das Papier aus dem Innenministerium auch die Forderung, den genetischen Fingerabdruck als "erkennungsdienstliche Standardmaßnahme" einzuführen – bislang ist er nur bei "Straftaten von erheblicher Bedeutung" und nur nach Genehmigung durch einen Richter erlaubt. Zudem sollen verdeckte Ermittler, wenn sie Straftaten begehen und diese zum "szenetypischem Verhalten" gehören, nicht bestraft werden.

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Das Projekt einer demokratischen Gesellschaft ist kurz davor zu scheitern

Die Demokratie, soviel ist sicher, ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Sie entwickelt sich nicht mehr weiter, sondern sie muss immer nur verteidigt werden, weil alles andere noch viel schlimmer ist. Im großen und ganzen haben wir andere Sorgen. Wir leben in einer Gesellschaftsform, die die Demokratie mit sich herumschleppt wie einen kranken Verwandten. Was wir dagegen zur Genüge haben, das ist eine Herrschaftsform, die Colin Crouch „Postdemokratie“ genannt hat: ein prekärer Zustand zwischen der Herrschaft des Volkes und der Herrschaft der Konzerne (die sich den Umstand zunutze machen, dass der Staat seine Bürger nicht mehr schützen will): „Das heißt nicht, dass wir in einem nichtdemokratischen Staat leben, der Begriff beschreibt jedoch eine Phase, in der wir gleichsam am anderen Ende der Parabel der Demokratie angekommen sind. Viele Symptome weisen darauf hin, dass dies heute in den Industrienationen der Fall ist, und wir uns vom Ideal der Demokratie fort- und auf das postdemokratische Modell zubewegen.“

Die Postdemokratie zeichnet sich dadurch aus, dass demokratische und nicht-demokratische Impulse einander durchdringen und dass dieser Prozess der inneren Zersetzung sich nicht in Form von großen Skandalen, Staatsstreichen oder Systemwechseln vollzieht, sondern in Form der schleichenden Erosion, der Gewöhnung, der „Alternativlosigkeit“. Man kann, so scheint es, einfach nichts dagegen machen: gegen die Anfälligkeit für direkte und mehr noch indirekte Korruption; gegen die Entmachtung der Parlamente durch eine Komplizenschaft der Exekutive mit der Wirtschaft; gegen das Privatisieren und Outsourcen, gegen die Erzeugung neuer bildungs- wie politik-, letztlich gar lebensfernen Subgesellschaften, die sich alle Freiheiten nehmen, weil es in ihren Ghettos (Plattenbau, Droge und Fernsehen) nichts zu verlieren gibt; gegen die Medialisierung und Infantilisierung der politischen Kommunikation zu einer Art von Democratainment, in dem Macht- und Entscheidungsfragen allenfalls in Form von Gerüchten und Affären behandelt werden und ansonsten eine Endlos-Show läuft; gegen die digitale Überwachungssucht, die Tendenz der Durchdringung von Wirtschaft und Politik; gegen den Sieg des Systemischen über das Moralische (Eigenart aller Fundamentalismen, so auch des kapitalistischen Fundamentalismus, des so genannten Neoliberalismus: Das System zu erhalten ist das einzig bedeutende Ziel, die Elemente – in diesem Fall: Menschen, Ideen und Projekte, sind demgegenüber völlig gleichgültig); gegen politische Entscheidungen, die aus Sachzwängen und Machtspielen entstehen, die Entstehung rechtsfreier Räume und demokratieresistenter sozialer Milieus; gegen die Auflösung der ideellen und politischen Konkurrenzen der Parteien in innerparteiliche Machtspiele und mediale Popularitätstests.

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Folgen der Privatisierung (11): Bertelsmann in Rüsselsheim: 1200 Euro täglich pro Berater

Bei der Sitzung des Bündnisses gegen Sozialabbau hat der stellvertretende Vorsitzende der Verdi-Vertrauensleute in der Stadtverwaltung, Gerhard Christ-Steinicke, den Widerstand von Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretern in der Stadtverwaltung gegen das Einschalten von Fachleuten [sic!] der Bertelsmann-Stiftung zur Behebung der Rüsselsheimer Finanznot bekräftigt und den Aufbau einer "Struktur der Gegenwehr" angekündigt.

Christ-Steinicke erneuerte den Vorwurf, dass die vier Bertelsmann-Berater, "die pro Tag und Person mit 1200 Euro vergütet werden", die Übernahme zentraler Aufgaben der Stadtverwaltung durch die Bertelsmanntochter "Arvato" vorbereiteten. "Nach unserem Verständnis arbeiten die hier im eigenen Interesse", unterstrich er. Die Konsequenzen daraus müssten nicht nur die beim Magistrat der Stadt Beschäftigten in Form von Entlassungen, Lohndumping und Tarifflucht fürchten, sondern in Form steigender Preise, Gebühren und reduzierter Leistungen der Öffentlichen Hand auch alle anderen Bürger dieser Stadt.

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So geht Lobby: Das Geschäft mit der Schweinegrippe

Angst vor der Schweinegrippe. Ein Lehrstück darüber, wie die Pharmaindustrie mit einer solchen Angst die Politik vor sich hertreibt. Dr. med. Hermann Schulte-Sasse, Staatsrat im Bremer Senat für Gesundheit, erzählt: „Für die Pharmaindustrie sind solche Momente, wie die, die wir jetzt gerade erleben, nämlich eine große öffentliche Debatte über die Bedrohung dieser Grippewelle, ein Geschenk des Himmels.“ Auch Dr. Angela Spelsberg, Transparency International, weiß: „Wir kennen die Zusammensetzung der Expertenkommissionen in den zuständigen Gremien bis in die WHO hinein und hier sitzen überall Hersteller mit am Tisch.“ (...)

Schulte-Sasse, Bremer Staatsrat, rechnet vor: „Zur Zeit sind die Zahlen so, dass wir weltweit etwa 3000 Todesfälle bei der Schweinegrippe haben. Bei der normalen saisonalen Grippe haben wir regelmäßig 8000 bis 10.000 Todesfälle, bei schwerem Verlauf bis zu 30.000 Todesfälle.

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G20-Aktion in Frankfurt: Attac legt Kapital an die Kette

Mit einer Aufsehen erregenden Aktion hat das globalisierungskritische Netzwerk Attac am heutigen Donnerstag in Frankfurt seiner Forderung Nachdruck verliehen, Banken und Kapitalmärkte zu schrumpfen und Reichtum umzuverteilen. Anlass für die Aktion war der heute beginnende G20-Gipfel in Pittsburgh/USA.

Vor den Augen der überraschten Passanten warfen die Globalisierungskritiker rot-weiße Baustellenketten über das 15 Meter hohe Euro-Zeichen auf dem Frankfurter Willy-Brandt-Platz und zurrten sie fest. "Statt G20: Kapital an die Kette! Umverteilung von oben nach unten - weltweit!" forderten sie dazu auf einem Transparent.

"Wir brauchen einen grundlegenden Wandel des globalen Finanz- und Wirtschaftssystems. Den müssen die G20 endlich einleiten, statt einzelne Maßnahmen als Allheilmittel anzupreisen", sagte Detlev von Larcher vom Attac-Koordinierungskreis. Notwendig sei ein Dreiklang aus echter Kontrolle und Schrumpfung des Bank- und Finanzsektors, der Beseitigung von globalen Handels- und Machtungleichgewichten sowie einer gerechten Verteilung von Vermögen weltweit. "Und selbstverständlich müssen diejenigen die Krisenlasten tragen, die zuvor von den liberalisierten Finanzmärkten profitiert haben", betonte Detlev von Larcher.

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Denken wie Angela, Frank und Peer

Noch wird darum gerungen, was aus der Jahrhundertkrise folgt. Noch ist offen, welche Langzeitschäden sie hinterlässt. Nur eines scheint schon festzustehen: Dass die Bundesregierung unter Leitung von Frau Merkel und Herrn Steinmeier das ganz prima gemanagt hat, mithilfe des heroischen Finanzministers. Jedenfalls haben wir das im Wahlkampf, der nun leider endet, täglich zu hören bekommen, von Beteiligten wie von vermeintlich unabhängigen Großdenkern. Künftige Geschichtsschreiber müssen das eigentlich nur noch abschreiben.

Absurd. Wenn überhaupt, ist es für ein solch großes Urteil viel zu früh. Zumal es in Widerspruch steht zu der langen Liste von großkoalitionären Pannen und verpuffenden Rettungsaktionen. Es kollidiert auch damit, dass die deutsche Wirtschaft erschreckend schwer von einer Krise getroffen ist, an der angeblich andere schuld sind, die glimpflicher davonkommen. Fragt sich eher, warum eine Große Koalition bei so einer Zwischenbilanz so gut wegkommt. (...)

Von wegen tolles Krisenmanagement. Wenn Deutschland so heftig getroffen wurde, hat das vielleicht auch damit zu tun, dass Finanzminister Peer Steinbrück noch im (Rezessions-)August 2008 polterte, er sehe keine Krise. Oder die Regierung im September noch deklarierte, das sei eine US-Krise. Stichwort HRE. Oder dass sie im November erstmal ein Pseudo-Konjunkturpaket auflegte - bevor im Januar endlich ein größeres folgte. Da war die deutsche Exportwirtschaft vor lauter Schönreden und Abwägen bereits mit zweistelligen Raten abgestürzt. Erst seit ein paar Wochen gibt es Anzeichen, dass die groß geplanten Staatsinvestitionen zu höheren Bauaufträgen führen - ein halbes Jahr nach Beschluss des Konjunkturpakets. Toll.

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Was uns noch bevorsteht: Sozialstaat im Abbruch

In der gegenwärtigen Weltfinanzwirtschaftskrise leidet unser Land mehr denn je unter den Arbeitsmarktreformen, die von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier unter dem hochtrabenden Titel „Agenda 2010“ durchgesetzt wurden. Die rot-grüne Koalition hatte der Bundesrepublik eine Rosskur verordnet, die den „Wirtschaftsstandort D“ fit für die Globalisierung bzw. den Weltmarkt machen sollte: Beschönigend als „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ bezeichnet, schaffte Hartz IV mit der Erstgenannten eine für Millionen Menschen existenzielle Sozialleistung ab und schuf mit dem Arbeitslosengeld II einen fragwürdigen Ersatz, der nur das Existenzminimum abdeckt und eigentlich „Sozialhilfe II“ heißen müsste. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD blieb trotz ein paar sozialen Zugeständnissen auf „Agenda“-Kurs und machte eine Regierungspolitik, die an das Matthäus-Evangelium erinnert, in dem es sinngemäß heißt: Wer viel hat, dem wird gegeben. Und wer nur wenig hat, dem wird auch das noch genommen. (...)

Ein historischer Rückblick auf die Bundestagswahl am 27. September 1969 macht die Ausweglosigkeit der gegenwärtigen Situation deutlich: Nach einer knapp drei Jahre dauernden Großen Koalition und ihrem Wahlsieg bildete die SPD damals zusammen mit der FDP, die zu jener Zeit keine wirtschaftsliberale, sondern eine progressive, bürgerrechtlich und sozial engagierte Partei war, eine Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt, die ein Programm der Inneren Reformen vertrat und „mehr Demokratie wagen“ wollte. Was den Zeitgeist nach 1968 bestimmte und auch künftig nötig wäre, um eine gesellschaftliche Aufbruchstimmung zu erzeugen und die Jugend für die etablierten Parteien zu gewinnen, dürfte es künftig unter einer CDU/CSU/FDP-Koalition am wenigsten geben: Hoffnung auf mehr soziale Gerechtigkeit, umfassende Mitbestimmung für Arbeitnehmer, Studierende und Schüler sowie demokratische Grundrechte für benachteiligte Minderheiten. Dabei könnte man im reichen Deutschland, wenn die etablierten Parteien wollten, mehr soziale Sicherheit und Gerechtigkeit schaffen.

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Mittwoch, 30. September 2009

Joschkas zweiter neuer Job: Aus Freude am Baren oder: Die Grünen Realos

Ja, das war schon auffällig, wie Joschka Fischer plötzlich die Bedeutung der Automobilindustrie betonte. Und jetzt wissen wir auch warum: Der frühere Außenminister wird Berater bei BMW, und das passt ja auch irgendwie zusammen. Bei BMW heißt es aus Freude am Fahren, bei Fischer aus Freude am Baren, und im Konzern wird der neue Beifahrer über den grünen Klee gelobt: Kaum jemand sonst könne gewichtiger und glaubwürdiger über Nachhaltigkeit sprechen als Fischer. (...)

Ohnehin sind ja auch schon vor Fischer andere Grüne bei ihrem langem Lauf zu sich selbst weit gekommen: Die Ex-Gesundheitsministerin Andrea Fischer macht PR für die Pharma-Industrie, ebenso wie Norbert Schellberg, der frühere Koordinator der Fraktionsspitze. Die Ex-Umweltstaatssekretärin Margareta Wolf entdeckte ihre Fähigkeiten als Atomlobbyistin, die frühere Parteivorsitzende Gunda Röstel ließ sich zu einem Tochterunternehmen der Kernenergiebetreibers Eon treiben, und die ehemalige energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Michaele Hustedt wachte auch eines Tages als Beraterin des Atomkonzerns RWE wieder auf. Die Ex-Abgeordnete Marianne Tritz ließ sich ebenfalls vom grünen Beraterbazillus anstecken und fand einen neuen Job als oberste Lobbyistin des Dt. Zigarettenverbandes. Und der frühere Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium Matthias Berninger warnt heute nicht mehr wie früher vor Schokoriegeln, sondern hilft, sie zu verkaufen. Er hat sich wohl gedacht, bevor man ihn auf den Mond schießt, geht er lieber zu Mars.

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Folgen der (geplanten) Privatisierung (10): Die Deutsche Bahn - kaputt gespart

Erst frieren Weichen fest, dann brechen Achsen, Räder reißen. Pures Glück, dass Katastrophen ausbleiben. Das Management spart die Deutsche Bahn kaputt - die gravierenden Folgen in acht Beispielen.

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Anmerkung: Was ist der Auftrag der Deutschen Bahn? Profit abzuwerfen - möglichst nicht für den Staat, sondern für irgendwelche private Investoren? Oder ist es doch eher die Aufgabe der Bahn, die Bürger unseres Landes zu einem vertretbaren Preis sicher von A nach B zu befördern? Manchmal muss man Neoliberale einfach in Grundschulklassen einladen ... sie könnten viel lernen, wenn sie es denn wollten.

Der Sozialkahlschlag geht weiter: Professor will Frührentner auf Hartz IV setzen

Der Finanzwissenschaftler [sic!] Wolfram F. Richter schlägt vor, Frührentnern die Rentenzahlung zu verweigern. Sie sollen künftig nur noch den Hartz-IV-Satz ausbezahlt bekommen. Der Staat könnte laut Richter noch mehr sparen: wenn studierte Beamte ihre volle Pension erst nach 45 Berufsjahren, also etwa mit 70 Jahren, erhalten. (...)

Es bliebe aber jedem offen, sich zusätzlich privat abzusichern. Er konstatierte, dass derartige Schritte nicht populär seien. „Aber angesichts der Haushaltsentwicklung und unserer Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen werden wir um solche unangenehmen Entscheidungen nicht herumkommen“, sagte Richter.

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Anmerkung: Es ist nicht mehr zu fassen, welche Stilblüten die neoliberale Ideologie treibt. Wolfram Richter ist (natürlich!) ein Lobbyist der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), und man darf frei raten, wieviel Geld er für diese "Arbeit" von der Versicherungswirtschaft wohl erhält. Und die Springer-Presse verbreitet das als "Information".

Sonntag, 27. September 2009

Wählen gehen!!!

Das Kampfblatt gibt vor der Wahl noch einmal Gas: Kampagnen-Journalismus im "Spiegel"

Unter der Überschrift „Plädoyer für eine Entzauberung der Linkspartei“ lässt der Spiegel den so genannten Politologen Gerd Langguth auf die Linke los. (...) „Der Spiegel gibt kurz vor der Wahl noch mal Alles!!! Kampagnen-Journalismus vom Feinsten“. (...)

Langguth wird uns als Politologe vorgestellt. Wie es zu dieser Professur kam, wird uns genauso wenig verraten, wie wichtige Teile seines Lebenslaufs. Bei Wikipedia findet man folgendes:

Während des Studiums war Langguth von 1970 bis 1974 Bundesvorsitzender des RCDS [Ring Christdemokratischer Studenten]. Anschließend arbeitete er im Bildungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung in Stuttgart. Gerd Langguth war von 1976 bis 1980 Bundestagsabgeordneter der CDU. Er war Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und zweier Grundsatzprogrammkommissionen der Union. Zwischen 1981 und 1985 war Langguth Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn. Zwischen 1986 und 1987 war er Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund. Anschließend wurde er von 1988 bis 1993 Leiter der Vertretung der EG-Kommission in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. Zwischen 1993 und 1997 war Gerd Langguth geschäftsführender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin. 2003/04 engagierte er sich als Geschäftsführender Vorstand beim Verein Bürgerkonvent.

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Wie "Private Equity" das Land ruiniert

Während die Bundeswahlkämpfer Opel »retten« und neue Arbeitsplätze versprechen, ruinieren ihre Private-Equity-Freunde Hunderte mittelständische Unternehmen

Beispiel Monier: Hersteller von Dachziegeln (Marke »Braas«) und Schornsteinen, 1300 Beschäftigte an 15 Standorten in Deutschland, verzeichnet Milliardenumsatz, macht Gewinne, aber steht vor der Pleite. Wie ist das möglich? Ganz einfach: Monier wurde vom Private-Equity-Investor PAI Partners gekauft. Nach der »Heuschrecken«-Methode, mit wenig Eigenkapital und hohen Krediten. Die wurden anschließend dem gekauften Unternehmen aufgebürdet, das dann dafür arbeitet, die Darlehen zurückzuzahlen. Schon beim geringsten Auftrags- und Einnahmerückgang wie jetzt kommt das Geschäftsmodell ins Schleudern.

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Große Koalition: Reiche verschont, Arme belastet

Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat." (Matthäus-Evangelium 13, 12)

Reichtumsmehrung statt Armutsverringerung - so lautete das heimliche Regierungsprogramm der Großen Koalition und ihrer Unions-Kanzlerin. Zwar vermittelt ein Regierungsbündnis der beiden großen "Volksparteien" mit ihren unterschiedlichen programmatischen Traditionen den Eindruck, als ob die Interessen sämtlicher Bevölkerungsschichten angemessen repräsentiert seien. Dennoch haben CDU und CSU, aber auch die SPD, in den letzten vier Jahren eine Regierungspolitik nach dem Matthäus-Prinzip gemacht: Wer hat, dem wird gegeben. Und wer nur wenig hat, dem wird auch das zumindest teilweise noch genommen.

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Finanzkrise: Wir werden unsäglich belogen

Bundesfinanzminister Steinbrück und Wirtschaftsminister Guttenberg haben bei Anne Will am Sonntag zu verstehen gegeben, dass nach der Wahl mit Einschnitten und höheren Belastungen gerechnet werden muss. Dass das steigende Staatsdefizit nicht nur der schlechten Konjunktur, sondern vor allem den großzügigen Zahlungen an Banken, an erster Stelle an die HRE, zu verdanken ist und dass diese Zahlungen internationalen und nationalen Banken und Fonds zugute kommen, sagen die beiden nicht. Und auch die meisten Medien fragen nicht kritisch nach, sondern rühmen die Bewältigung der Finanzkrise durch Merkel und Steinbrück. Wir werden unsäglich belogen. Um dies zu erfassen, ist es gut, sich eine Dokumentation im Tagesspiegel vom 13. September noch einmal vorzunehmen. (...)

Nichts ist bemerkenswert. Wir werden für das „Ausschaukeln“ mit Einschnitten und neuen Belastungen zahlen müssen. Da ist nicht die Krise „ausgeschaukelt“ worden, sondern wir sind verschaukelt worden - zu Gunsten der internationalen Finanzwelt.

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Kontaminierte Inhalte: Das Internet als Ort der professionellen Manipulation

In einem Kommentar zu einem Online-Artikel wird der Service der Deutschen Bahn für "sehr gut" befunden und die Buchbesprechung bei einem Internet-Buchhändler klingt hellauf begeistert: "Ein Meisterstück. Unbedingt zu empfehlen!" In einem Internetforum wiederum verteidigt ein "Diethardt" eine nicht ganz billige Kamera, obwohl andere Beiträge davor warnen, dass es bei höherer ISO-Zahl zu einem "Bild-Rauschen" komme. Und bei Wikipedia wird der Artikel zur "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) irgendwie dauernd umgeschrieben – normaler Alltag im großen weiten Web.

Doch wer glaubt, er könne sich im Netz unbedarft an den Quellen von Wahrheit und Weisheit laben, der irrt. Wer hier seinen Wissensdurst stillt, sollte sich klar sein, dass dies ein höchst riskantes Vorhaben ist. Längst sind viele Inhalte des Internets kontaminiert, doch es ist wie bei der Radioaktivität: Man schmeckt und riecht nichts. Immer mehr stammen die Botschaften der Öffentlichen Meinung und des Internets von Interessengruppen und werden die Bürger durch professionelle PR-Agenturen manipuliert.

Wie das im Detail funktioniert, kam jetzt erneut durch eine weitere Rüge des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR), einem Selbstregulierungsorgan der Werbebranche, in Sachen Bahnskandal ans Tageslicht. Dieser Skandal schlug bereits hohe Wellen: 1,65 Millionen Euro hatte die Deutsche Bahn 2007 für positive Umfragen und Leserbriefe und andere Maßnahmen ausgegeben, um das Image des Konzerns aufzupeppen. Es ging, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, um "die verdeckte Beeinflussung der Öffentlichkeit", etwa durch fingierte Leserbriefe und Umfragen, die die "richtigen" Ergebnisse produzierten. Dies alles kurz vor dem geplanten und mittlerweile verschobenen Börsengang der Bahn. Es floss also viel Geld, um die Öffentlichkeit zu manipulieren.

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EU-Reform: Nein heißt Nein!

Europaweit soll der höchst problematische EU-Reformvertrag von Lissabon durchgesetzt werden, ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Nur Irland hatte die Chance, ihn in einer Volksabstimmung abzulehnen - und hat sie genutzt. Am 2. Oktober müssen die Iren jedoch ein zweites Mal abstimmen. (...)

Der Lissabon-Vertrag
  • wird für die gesamte EU das rechtliche Fundament bilden

  • muss, um Gültigkeit zu erlangen, von allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden

  • wurde bereits als „Verfassungsvertrag" 2005 von den Bevölkerungen Frankreichs und der Niederlande in Volksabstimmungen abgelehnt

  • wurde als „Lissabon-Vertrag" im Juni 2008 von der irischen Bevölkerung abgelehnt.

Die Bevölkerungen der anderen EU-Mitgliedstaaten wurden erst gar nicht befragt.

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Personal soll blechen - Flughafen München will neue Startbahn auf Kosten der Beschäftigten finanzieren

Trotz rückläufiger Passagierzahlen will der Flughafen München expandieren – das Bodenpersonal soll dafür auf 20 bis 30 Prozent seines Einkommens verzichten. Anderenfalls droht Airportchef Michael Kerkloh mit Ausgliederung: »Sollten wir keine zukunftsfähige Konzernlösung erreichen, ist eine Exitstrategie nicht auszuschließen«, sagte der Manager dem Handelsblatt. (...)

Der Betriebsratsvorsitzende der Flughafen München GmbH, Michael Boerries, hat andere Prioritäten: »Im Interesse der Beschäftigten bin ich für Wachstum, solange es nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ermöglicht wird«, erklärte Boerries am Montag gegenüber jW. »Die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen wird in solchen Fragen als Totschlagsargument benutzt. Man muss sich aber auch fragen, was das dann für Arbeitsplätze sind – und ob man davon noch leben kann.« Die Beschäftigten hätten kein Interesse am Wachstum, wenn sie nicht auch davon profitieren könnten.

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Die Zumutungen nach der Wahl

(...) Fest steht heute bereits: Die eigentlich erforderlichen grundlegenden Veränderungen der Sozial- und Wirtschaftspolitik werden ausbleiben. Der Ausgang der Wahl wird den Anforderungen der globalen Krise des Kapitalismus nicht gerecht werden (...).

Und hier beginnt das Dilemma: Stärker als zumeist in seiner Geschichte hätte das Land „Mehr Experimente“ und einen grundsätzlichen Einschnitt nötig, der der ökonomischen, sozialen und ökologischen Krisenhaftigkeit der Gegenwart gerecht wird. Doch eine solche Alternative steht auf Bundesebene infolge der historischen Schwäche der SPD und ihrer Ablehnung der einzigen dafür tauglichen, nämlich rot-rot-grünen, Koalition gar nicht erst zur Wahl.

Was wir stattdessen auf der schwarz-gelben Seite erleben, ist „the same procedure as every year“, nämlich die Wiederholung jener neoliberalen Steuersenkungsparolen, die die Krise erst mitverursacht haben. Wer geglaubt hat, dass sich das wirtschaftsliberale Denken der vergangenen Jahrzehnte durch die globale Wirtschaftskrise seit dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers am 15. September 2008 verändert haben könnte, sieht sich nicht nur durch die bereits wieder eifrig sprudelnden Manager-Boni eines Schlechteren belehrt. Auch der aktuelle Wahlkampf, so man von einem solchen überhaupt sprechen kann, spiegelt den vorherrschenden Besitzegoismus.

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