Samstag, 25. Juni 2011

Wohlstand für alle: Freiheit statt Kapitalismus

(...) "Wohlstand für alle" war das große Versprechen Ludwig Erhards und der sozialen Marktwirtschaft. Gleiche Chancen beim Start, soziale Absicherung, Wettbewerb, der eine "am realen Bedarf orientierte Wirtschaft steuert", keine beherrschende Marktmacht. Das waren die Versprechen und nichts davon ist übrig. Der Kapitalismus versage nicht nur im sozialen Bereich, nicht nur bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Er versage vor allem vor seinen eigenen ökonomischen Ansprüchen.

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Anmerkung: Diese Rezension von Albrecht Müller des sehr lesenswerten Buches von Sahra Wagenknecht offenbart die grundsätzliche Schwäche in Müllers Kritikansatz: Er weigert sich trotz aller gegenteiliger Erkenntnisse weiterhin beharrlich, tatsächlich die Systemfrage zu stellen und den Kapitalismus als Ursache des Übels zu erkennen. Stattdessen versucht er weiterhin, den Kapitalismus zu "bändigen" und so eine fortdauernde kapitalistische "Wohlfühlphase", wie sie zu Ludwig Erhards Zeiten stattgefunden habe, zu imaginieren. Er blendet dabei aus, dass auch dieser frühe Kapitalismus weltweit immense Schäden verursacht und unzählige Menschen ins Elend gestürzt hat; ebenso erkennt er nicht, dass diese "Wohlfühlphase" systembedingt nur eine relativ kurze sein kann. Auch die Tatsache, dass dieser Kapitalismus nur dank des damals vorhandenen "Gegenpols" namens DDR überhaupt solche scheinsozialen Züge annehmen konnte, wird verschwiegen. Hätte es die DDR bzw. den "real existierenden Sozialismus" (der gar kein Sozialismus war, aber das ist eine andere Geschichte) nicht gegeben, wäre auch der Neustart des Kapitalismus in Westdeutschland vollkommen anders verlaufen.

Wohin der Kapitalismus letztlich führt, hat die Welt zuletzt in den 30er und 40er Jahren erleben müssen, und die Zeichen heute deuten wieder in dieselben Richtungen. Es ist fast schon naiv, angesichts der aktuellen Entwicklungen einem Traum der "Bändigung des Kapitalismus" nachzuhängen, der angesichts der auch von Müller selbst thematisierten korrupten Verstrickungen weiter Teile der Politik und der Medien mit dem Kapital nur noch ein gedankliches Endlager sein kann.

Ein wirklicher und auch gangbarer Ausweg aus dieser überaus deprimierenden Misere wäre tatsächlich der von Wagenknecht thematisierte: Die Systemfrage muss gestellt und der Kapitalismus - also das gesamte Wirtschaftssystem inklusive dem Geldsystem - muss überwunden werden.

"Wohlstand für alle" ist selbstredend weltweit möglich - allerdings kann es dann keine superreiche "Elite" und keinen Kapitalismus mehr geben, und das mittelalterlich anmutende, egoistische Profitstreben samt Konkurrenzdenken muss in die Mottenkiste der Historie verdammt werden. Erst dann, wenn tatsächlich jeder Mensch und sein Wohlergehen (woran unteilbar natürlich das Wohl der Natur insgesamt geknüpft ist) in den Mittelpunkt allen Handelns und Wirkens gerückt ist, kann das tatsächlich vorhandene Paradies auf unserem reichen Planeten tatsächlich für alle seine Bewohner Wirklichkeit werden.

Der Kapitalismus beruht auf Ausbeutung. Ob er nun die eigene Bevölkerung ausbeutet oder aber "nur" andere, weit entfernt lebende Menschen und deren Ressourcen, sollte, nein: muss einem wirklichen Humanisten vollkommen egal sein. Es ist mir ein Rätsel, wie Herr Müller darauf kommt, angesichts seiner so oft zutreffenden Analysen unserer perversen Welt ausgerechnet den Kapitalismus nicht in Frage stellen zu wollen oder zu können.

Es ist doch so offensichtlich, wie es offensichtlicher nicht mehr sein könnte: Solange das Profitstreben der Motor des Wirtschaftens ist, solange wird nicht das für alle Sinnvolle oder Notwendige, sondern das für den Unternehmer Geldbringende getan - und das ist nahezu nie deckungsgleich. Es ist doch kein Zufall, dass wir trotz des wissenschaftlichen Fortschritts nicht etwa stetig besseres Essen, bessere medizinische Leistungen, bessere (haltbarere) Technik etc. präsentiert bekommen, sondern stetig schlechteres Essen, bessere Medizin nur noch für Reiche (aber auch nur dann, wenn man damit Geld verdienen kann), und technische Produkte, die maximal ein bis zwei Jahre halten und dann verschrottet und neu angeschafft werden sollen. Das ist schlichtweg pervers und hat mit einem nachhaltigen Handeln zum Wohle der Menschen und der Natur nicht das geringste zu tun.

Freiheit für alle Menschen kann es nur ohne Kapitalismus geben - zu diesem unausweichlichen Schluss sind schon sehr viele Menschen vor Frau Wagenknecht gekommen, und er wird ständig aufs Neue bewiesen. Aktuell dürften beispielsweise fast alle Griechen, Portugiesen, Spanier und Iren dieser Erkenntnis nahe sein. Überall ist immenser Reichtum vorhanden - und zwar so viel, dass kaum ein Mensch die Dimensionen der Milliarden und Billionen mehr wirklich erfassen kann -, aber der allergrößte Teil der Menschen hat keinen Zugriff darauf und versinkt in Armut. Das ist Kapitalismus, so ist er konzipiert und so soll er funktionieren. Das muss nun ein Ende haben - ansonsten ist der Weg vorgezeichnet: Der unvermeidbare nächste Crash des Kapitalismus könnte auch der letzte sein. Ein Horror für den Großteil der Menschheit wird er aber in jedem Fall sein - wie bisher immer.

Auschwitz - Das Lachen der Mörder



(...) Einer [der Massenmörder]: Karl Höcker. Der SS-Obersturmführer war von Mai 1944 bis Januar 1945 in Auschwitz stationiert. Höcker legte ein Fotoalbum an, sammelte private Aufnahmen, die rund um das Lager entstanden. (...)

Wie soll man Höckers Bilder, die zwischen Beerenpflücken und Sonnenbad so unbeschwert und leicht daherkommen, kommentieren? Im Folgenden sind sie unterschrieben mit Erlebnissen von KZ-Überlebenden.

"Ich sah einen SS-Mann ein Kind bei den Füßen nehmen und in die Luft werfen, während ein anderer auf diese lebende Zielscheibe schoss."

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Anmerkung: Zu diesen Fotos fehlen mir die angemessenen Worte - das gleiche gilt für die Originalzitate ehemaliger KZ-Häftlinge, die allesamt dem Buch "Konzentrationslager. Dokument F 321 für den Internationalen Gerichtshof Nürnberg", Hrsg. vom Frz. Büro des Informationsdienstes über Kriegsverbrechen, 1947 entnommen sind. Diese kurzen Sätze der Überlebenden können nicht weiter kommentiert werden:

"Ein polnischer Priester wurde öffentlich kastriert. Danach verband sich der Priester mit einem Taschentuch; er kehrte dann mit Hilfe der Kameraden zum Block zurück, wo er ertränkt wurde." (...)

"Es lag da wie ein Haufen frisch geschlagenen Holzes ein Leichenhaufen von mehr als zwei Metern Höhe. (...) Aber das Blut konnte nicht ablaufen und hatte einen See gebildet; dieser reichte uns bis über die Knöchel."


(Bild: zweitausendeins.de)

Dienstag, 21. Juni 2011

Die Zukunft der Arbeit - ein kapitalistischer Feuchttraum

  1. Feierabend? Gibt's nicht mehr / "Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verwischt": Sozialwissenschaftler Hilmar Schneider erklärt, warum Beschäftigte in Zukunft deutlich mehr unternehmerische Risiken tragen. Und welche Auswirkungen dieser Trend auf den Alltag hat.

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  2. So sieht also die schöne neue Arbeitswelt des "Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit" (IZA) aus. Die selbst-unternehmerische Ich-AG, die (...) über die unternehmerischen Ziele und Entscheidungen [kein] Wörtchen mitzureden [und] das Risiko des Scheiterns alleine zu tragen hat. Es geht nur noch um Selbstvermarktung und den Wettbewerb eines jeden gegen jeden, und jeder ist seines Glückes Schmied. Man braucht keine solidarische Interessenvertretung der Arbeitnehmer gegen die Zwänge des kapitalistischen Wettbewerbs mehr. Die Kapitalverwertung gibt die Zwänge vor, deren Erfüllung sich jeder im Wettbewerb gegen den anderen abfordern muss. Und wer sich dem verweigert, für den gibt es eben Zwangsarbeit.

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Anmerkung: Es ist doch nur noch ein blanker Alptraum, was uns dieser Herr Schneider da im SZ-Interview als "Zukunft der Arbeit" verkaufen will. Es ist ja kein Geheimnis, dass genau dies das Ziel der neoliberalen Ideologie ist - aber wer bei klarem Verstand und geistig einigermaßen gesund ist, muss angesichts solcher Ziele doch panisch die Reißleine ziehen und laut gellend "Stop" schreien!

Oder gibt es inzwischen tatsächlich eine Mehrheit von Menschen, die einem solchen perversen, inhumanen, alles Solidarische ablehnenden System zustimmen würden? Das würde zumindest erklären, wieso die Spezies Mensch zum Aussterben verdammt ist.

Man muss sich nur einmal vor Augen halten, dass dieser Herr Schneider seine Thesen nicht im Jahr 1948 zum Besten gibt, sondern 2011 - in einer Zeit also, in der eine kleine Gruppe von Menschen in überbordendem Reichtum versinkt, den sie inklusive ihrer ganzen Familie niemals wieder ausgeben könnte - während ein exponentiell immer größer werdender Teil der gesamten Weltbevölkerung (auch im eigenen Land) immer weniger Geld zum Überleben zur Verfügung hat bzw. gar nicht mehr überleben kann. Gerade in einer solchen Lage ist es besonderns pervers, heute solche Thesen zu formulieren, die vielleicht im finstersten Mittelalter angesichts der damaligen Intelligenz- und Erkenntnisschwäche noch erklärbar gewesen wären.

Aber lesen Sie das Interview selbst - und bereiten Sie sich darauf vor, was die Superreichen Ihnen noch alles nehmen und abverlangen wollen, während sie selbst im Geldspeicher baden. Von der Süddeutschen dürfen Sie indes keine Kritik oder Hilfe erwarten - das Interview macht auch dies unmissverständlich deutlich. Der neoliberale Wahnsinn triumphiert bis zum "Endsieg", wie es scheint.

Euro-Land im Ausverkauf: Das Kapital nutzt die Eurokrise zur massenhaften Übernahme bislang öffentlichen Eigentums

  1. Spanien begibt sich, nachdem Portugal erfolgreich abgeschossen wurde, weiter auf den Weg in Richtung Absturz. Die Börse in Madrid ging nach dem Debakel für die Regierung bei den Wahlen am Sonntag auf Tiefflug und die Zinsen und Kosten für Kreditausfallversicherungen stiegen gefährlich an. Doch auch andere Länder geraten immer deutlicher in den Strudel. Ratingagenturen haben inzwischen Abstufungen für das große Italien und Belgien angekündigt, womit sich die Eurokrise ausweitet.

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  2. (...) Immer mehr rückt ein strategisches Ziel der neoliberalen Krisenstrategen in den Vordergrund: die Schuldenländer werden nicht nur zu noch größeren Sparleistungen gezwungen, sondern sie haben bislang öffentliches Eigentum zu verkaufen. "Akropolis for sale", überschrieb die Süddeutsche Zeitung ihren Griechenland-Kommentar. Und: "Griechenland muss Vermögen verkaufen, um die Schulden zu drücken". Das Land der Griechen stünde im Juli 2011 ohne Geld da, wenn es keine neuen Kreditmilliarden von seinen Wächtern – dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank – erhält. Nun wird Hellas gnadenlos erpresst, gibt Griechenland nicht klein [bei], sollen die avisierten 12 Milliarden Euro zurückgehalten werden.

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Anmerkung: Man kann nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man die Berichte der deutschen Massenmedien über diese unglaublichen Vorgänge verfolgt. Da ist beispielsweise nach wie vor von einer "Griechenland-Hilfe" die Rede, die in Wahrheit ja eine Bankenhilfe ist, die an feudalistische, neoliberale Privatisierungs- und soziale Kürzungspläne gekoppelt sein soll. All diese Menschen sollen also massiv dafür zahlen, dass die international agierenden Banken (wobei die Betonung auf "gier" liegt) den in Rede stehenden Staaten weitere "Kredite" geben sollen, die in Wahrheit keine Kredite, sondern lediglich zusätzliche Zins-Generierungsmaßnahmen für eben jene Banken sind.

Da ist es nur noch ein Treppenwitz, dass "selbstverständlich" auch große bis fast alle Teile des ehemaligen Volksvermögens inklusive dem Landbesitz "privatisiert" (sprich: an Superreiche übereignet) werden sollen. Diese Übernahme betrifft immer mehr Staaten - und es wäre naiv zu glauben, dass nach Griechenland, Spanien, Portugal, Irland, Italien und Belgien damit Schluss sein könnte ...

In Deutschland (und vermutlich auch in allen anderen Ländern) wird darüber jedoch nicht oder nur extrem verzerrt und verfälscht berichtet. Es ist fast ein Wunder, dass sich in Griechenland und Spanien dennoch Protestbewegungen gebildet haben, die trotz der Propaganda und Desinformation gegen diese unsäglichen Machenschaften des Kapitals aufbegehren. Etwas Vergleichbares ist der narkotisierten und dumpf im eigenen Saft vor sich hin brütenden Bevölkerung in Deutschland kaum zuzutrauen. Es ist an groteskem Irrsinn kaum mehr zu überbieten: Während klar erkennbar der finale Angriff des Kapitals auf die Menschen Europas in vollem Gange ist, propagandieren die Medien hierzulande weiter von einem "Aufschwung", von "sinkenden Arbeitslosenzahlen", sogar von "Vollbeschäftigung" und ähnlichem blankem Unsinn und tun so, als sei alles vollkommen normal und Deutschland (und ganz Europa) auf dem besten Wege, das Paradies zu erreichen.

Folgt man der neoliberalen Ideologie, stimmt das freilich - denn wenn diese hanebüchenen Entwicklungen europaweit tatsächlich so weitergehen sollten (was leider zu befürchten ist), wird am Ende der kapitalistische Traum seine Erfüllung finden und ein vollkommen verarmtes Europa sein Eigen nennen können, das von einer kleinen, sehr reichen Minderheit diktatorisch beherrscht wird: Das kapitalistische Paradies.

Es sei denn ... die eine oder andere Nation "entdeckt" den Nationalismus neu und beschwört einmal mehr den Faschismus. Anzeichen dafür gibt es in vielen Ländern mehr als genug - und die Folgen wären nicht im Entferntesten absehbar. Ein neuer Krieg mitten in Europa wäre nur eine der möglichen schrecklichen Folgen.

Wie man es auch dreht und wendet: Die neoliberale Bande zündelt seit Jahren in direkter Nachbarschaft eines immensen Sprengstofflagers - und sie hört damit nicht auf, sondern tut es vermehrt und vorsätzlich in immer weiter gesteigertem Maße. Wie alles im Kapitalismus wächst auch die Bereitschaft zum großen Knall exponentiell.

Und in der Zwischenzeit werden einfach ganze Bevölkerungen ins Elend gestürzt - und zeitgleich wird in Deutschland von einem "Aufschwung" fabuliert, der nur Reiche betrifft, während auch hier die Bevölkerung immer weiter drangsaliert, überwacht und verarmt wird, ohne dass sie es merkt oder merken will.

Günstigere Voraussetzungen für kapitalistische Feudalfantasien gab es nur selten in der Geschichte.