Samstag, 16. Januar 2016

Song des Tages: Lament




(Nick Cave & The Bad Seeds: "Lament", aus dem Album "The Good Son", 1990)

I've seen your fairground hair, your seaside eyes
Your vampire tooth, your little truth and your tiny lies
And I know your trembling hand, your guilty prize
Your sleeping limbs, your foreign hymns and your midnight cries

So dry your eyes
And turn your head away
Now there's nothing more to say
Now you're gone away

I know your trail of tears, your slip of hand
Your monkey claw, your monkey paw and your monkey hand
And I've seen your trick of blood, your trap of fire
Your ancient wound, your scarlet moon, your jail house smile

So dry your eyes
And turn your head away
Now there's nothing more to say
Now you're gone away

I'll miss your urchin smile, your orphan tears
Your shining prize, your tiny cries, your little fears
And I'll miss your fairground hair, your seaside eyes
Your little truth and your vampire tooth and your tiny lies

So dry your eyes
And turn your head away
Now there's nothing more to say
Now you're gone away


Freitag, 15. Januar 2016

Zitat des Tages: Der Abschied


Das Grauen Nacht erschlägt den Abendgang.
Die Leerheit des Gesprächs verschluchzt Gebärde.
Das dunkle Loch des Mundes hält den Schrei.
- So nimm mich hin.

Zerreißt die Straße, schatten Menschen um.
Ich stürze, schwert Geröll auf meinem Kopf.
Entflattern Hände mit dem Hut, der grüßt,
und noch im Traum versäumt sich dieses Schweben -

verstöhnt vor Maske, Haar zersträhnt Gesicht;
entsetzt, gejagt peitscht Körper irren Raum.

(Hermann Kasack [1896-1966], in: "Der Mensch. Verse", Roland-Verlag 1918)

Donnerstag, 14. Januar 2016

Bürgerlicher Rassismus: "Schutz vor Ausländern"


In meinem Lieblings-Satireblog hat der Eso-Papst Konstantin Wecker kürzlich einen Text veröffentlicht, den ich hier gar nicht besprechen will, obwohl er - wie gewohnt - genügend Unsinn enthält, um einen kurzweiligen Beitrag daraus zu machen. Weitaus furchterregender sind aber die Reaktionen auf dieses oberflächliche Pamphlet, aus denen ich eine herausgreifen möchte, die exemplarisch die Verrohung der deutschen Mittelschicht (siehe Heitmeyer) illustriert und gleichzeitig deutlich aufzeigt, wie abgrundtief rassistisch und dumm die Denkweise so vieler Menschen in diesem furchtbaren Land ist.

Die Dame, um die es geht, schreibt dort offenbar unter ihrem Klarnamen Kerstin Gundt (inklusive des Verweises auf ihre private Webseite) und zieht unter dem bedeutungsschwangeren, für sich allein schon adolfaffinen Titel "Schützt unsere Frauen" dermaßen vom Leder, dass mir als Leser der Atem stockt. Auf ihrer Seite bezeichnet sich die Dame selbst als "Diplom-Politologin, Autorin und Liedermacherin" und weist darauf hin, dass sie ein Buch mit dem Titel "Rettet den Sozialstaat. Fakten gegen Vorurteile" [sic!!!] veröffentlicht habe. Im Text behauptet sie gar, der Linkspartei nahezustehen und für emanzipatorische, womöglich gar progressive Politik einzustehen. Was dann aber folgt, ist ein schauderhaftes, tiefbraunes Gruselkabinett aus den dunkelsten, alkoholgeschwängerten Hinterzimmern der NPD oder AfD, das man sich gar nicht mehr brauner ausmalen kann.

Wer das selber lesen möchte, sei gewarnt - es ist der dritte Kommentar unter diesem Beitrag (einen direkten Link auf Kommentare gibt es bei den Sektierern leider nicht). Ich empfehle die Lektüre trotzdem ausdrücklich - auch wenn sie direkte psychische und physische Schmerzen zur Folge hat und man aufgrund der schamlos zur Schau gestellten Dummheit allzu leicht Gewalt- oder Suizidfantasien entwickeln kann. Ich versuche, die kruden "Thesen" dieser Dame mal zusammenzufassen:

  1. Eine "Obergrenze" für die Aufnahme von Flüchtlingen ist alternativlos (sagt sogar Lafontaine).
  2. An Silvester haben in mindestens 18 deutschen Städten "Massenvergewaltigungen" stattgefunden; die attraktive Dame alte Vettel fühlt sich deshalb in ihrer Stadt "nicht mehr sicher".
  3. Es wird klar unterschieden zwischen "eigenen Leuten" (gemeint sind "Deutsche", was auch immer das bedeuten soll) und Flüchtlingen - um erstere habe sich der Staat zuerst und vor allem ausschließlich zu kümmern; und erst wenn es allen "Deutschen" gut gehe, dürfen vielleicht auch Flüchtlinge ein paar Brotkrumen abbekommen. Aber nur vielleicht.
  4. Die Dame verortet sich "links", will "Hartz IV abschaffen" und befürwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen - natürlich ausschließlich für "Deutsche". Eine noch größere Gesichtspalme ist kaum vorstellbar.
  5. "Wir" können uns Flüchtlinge "nicht leisten".
  6. Flüchtlinge schleppen womöglich "ausgerottete" Krankheiten ein.
  7. Flüchtlinge sind Sexmonster, die dafür sorgen, dass Frauen sich hierzulande abends nicht mehr auf die Straße trauen.
  8. Flüchtlinge kommen allesamt mit "Großfamilien" und wollen sich ebenso allesamt "nicht integrieren".
  9. Der Sermon gipfelt in der Forderung nach einem generellen "Schutz vor Ausländern".

Soweit die Diplom-Politologin, Autorin, Liedermacherin und publizistisch tätige Vorkämpferin gegen Vorurteile Kerstin Gundt. So stellt sich also das "liberale" Bürgertum einen "linken Sozialstaat" vor - und ich muss hier darauf hinweisen, dass die völlig Verrückte mit ihren absurden Feststellungen und Forderungen bei weitem nicht allein ist, sondern durchaus als repräsentatives, dabei sogar noch vergleichsweise "humanes" Beispiel für weite Teile der deutschen Mittelschicht angesehen werden muss. Die oben verlinkte Studie von Heitmeyer belegt das - ebenso wie die Mehrzahl der weiteren Kommentare unter dem Eso-Text oder jeder gruselige Blick in die redaktionellen Berichte der deutschen Massenmedien und deren Kommentarspalten in diesen finsteren Tagen.

Die braune Scheiße quillt aus allen Poren. So ähnlich muss das damals gewesen sein, als Millionen von debilen Arschlöchern dem lächerlichen Schreihals aus Österreich willig gefolgt sind. Damals wie heute grinst sich die kapitalistische "Elite" ins Fäustchen und freut sich, dass einmal mehr Unschuldige, Unbeteiligte und sogar Opfer für ihr perverses Treiben bluten müssen, während sie munter weiter Menschen ausbeutet, verarmt, aussaugt, foltert, in Kriegen entwurzelt, vertreibt und ermordet und dabei munter Champagner schlürft, während der Goldpegel im privaten Geldspeicher stetig steigt.

[Der Rest des Textes ist unter einer dicken Kotzlache des Verfassers leider zum Glück unwiderbringlich verloren.]

---

Kerstin Gundt schreibt neben rassistischen Hasskommentaren auch sehr hochwertige Gedichte. Das folgende stammt von ihrer Webseite und ist mit dem Vermerk versehen: "Verbreitung ausdrücklich erwünscht". Dieser Bitte komme ich hier gerne nach.


Liebe ist ...

Liebe ist,
ohne Eigennutz
zu schenken.

Glück ist,
mit dir in der Sonne zu liegen
und deine Haut zu spüren.

Reich ist,
wer viele Freunde hat,
mit denen er kuscheln kann.

Erfolg ist,
mit dem, was man liebt,
Geld zu verdienen.

Kunst ist,
die Menschen tief im Inneren
zu berühren.


Dienstag, 12. Januar 2016

Konsumrausch und Armut : Die Schlips-Borg und die 40 Räuber


Im eskalierenden Bullshit- und Rassismus-Bingo der in den vergangenen Tagen durchs Dorf getriebenen Silvestersau geht so manche Nachricht kläglich unter. Gestern las ich beispielsweise beim WDR:

In NRW ist die Zahl der von Armut betroffenen Kinder gestiegen. Sie kletterte von 20,4 Prozent im Jahr 2005 auf 23,6 Prozent in 2014, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Montag (11.01.2016) in Düsseldorf mitteilte.

Eine solche Nachricht ruft im reichen Deutschland allerdings weder mediale Empörung hervor, noch mobilisiert sie den Mob, um zur Abwechslung mal vor den Prunkvillen der Superreichen und den grotesken Konzernpalästen die "besorgten Bürger" zu geben. In Zeiten des sich verfestigenden staatlichen Hartz-Terrors, der für immer mehr Betroffene eben nicht "nur" Schikane, Drangsalierung, Demütigung und faschistoide "schwarze Pädagogik", sondern bittere und nachhaltige Zwangsverarmung bis aufs letzte Hemd bedeutet, sind selbstverständlich auch immer mehr Kinder betroffen. Das ist kein Zufall oder Versehen, sondern politische Absicht der neoliberalen Einheitspartei.

Deshalb wird nicht kritisch oder gar empört darüber berichtet - man versorgt das Publikum der Massenmedien stattdessen mit den ewig gleichen, infantilen Märchen aus Kapitalistans Epos "Die Schlips-Borg und die 40 Räuber", wie beispielsweise "2015 brachte dickes Kaufkraft-Plus", "Löhne klettern in Rekordtempo" oder "Reallohnanstieg durch geringe Inflation". Von den märchenhaften Lobeshymnen auf den "Arbeitsmarkt", der sich inzwischen laut Propaganda nahe an der "Vollbeschäftigung" befinde, sowie dem "zunehmenden Wohlstand der Deutschen", der gar in einem "Konsumrausch" sichtbar werde, spreche ich lieber gar nicht erst, um meine Stirn vor schlimmen Blutungen zu schützen.

Nun lebt also bald ein Viertel aller Kinder des so gerühmten, semireligiös gepriesenen Wunderdeutschlands in Armut, während den wenigen Superreichen weiterhin permanent und wie von Sinnen horrende Geldsummen in die prall gefüllten Geldspeicher gepumpt werden, bis sie aus allen Nähten platzen (und darüber hinaus). Das hatten wir alles schon einmal - zurzeit wird ja nicht zufällig wieder (sowohl geistig-verbal, als auch ganz konkret) Jagd auf "Ausländer" gemacht. Kinder in Armut interessieren die Jäger ebensowenig wie überquellende Geldspeicher einzelner "Elite"-Familien, denn eines ist im Kapitalismus stets sicher: Schuld ist immer der Jude / Moslem / Fremde / Kranke / Behinderte / Alte / Arbeitslose ... - und dafür werden alle verfügbaren medialen und gesellschaftlichen Hebel in Bewegung gesetzt.

So geht es auch diesmal wieder unter populistisch-menschenfeindlichem Politgeschrei und befeuernder, benzingetränkter Medienpropaganda im strammen Marschschritt rechts herum schnurstracks in die braune Finsternis - und während sich die Menschen gegenseitig die Köpfe einschlagen, hat die selbsternannte, grinsende "Elite" wieder einmal längst alle goldenen Schäfchen im Trockenen und muss keine Sekunde befürchten, dass ihr jemand den gestohlenen Reichtum ernsthaft streitig machen könnte.

---

Eine persönliche Anmerkung: Ich mache mich nun auf den Weg, um mit den mir in diesem Monat zur Verfügung stehenden 44 Euro dem Konsumrausch zu frönen und mich im Feinschmeckerladen mit einer Monatsration Kaviar einzudecken. Es ist wahrlich ein Segen, in einem so reichen Wunderland wie Deutschland leben zu dürfen.

---

Alter Bettler mit einem Knaben



(Gemälde von Pablo Picasso [1881-1973] aus dem Jahr 1903, Öl auf Leinwand, Pushkin Museum of Fine Arts, Moskau, Russland)

Montag, 11. Januar 2016

In Memoriam David Bowie (1947-2016)




(David Bowie & Band, live im "Rockpalast", 1996)