Freitag, 12. Februar 2016

Zitat des Tages: Auge


Was soll die Furcht vor diesen fremden Augen!
Komisches Grauen wirft mich rücklings hin,
Sie schleppen schwarzes Feuer in den Brauen,
Asche wie Blut betropft das Kinn.

Gehöhlt gezackte Landschaft, hoch zu schauen,
Bergkreuz der Augen: Der durchbohrte Sinn,
Er will sich wütend in die Sonne bauen,
Dort steht auf Mauern, brausend, der ich bin.

Jed' Wesen ist nur Käfig für sein Leid,
Gefüllt mit Tränen, ausgebrannte Kehle,
Nur noch ein Wimmern, weinend, unbefreit.

Faust, brich hernieder in die Augenhöhle,
Spreize die Finger, zerreiße die Seele,
Rasende Faust meiner "herrlichen" Zeit.

(Martin Gumpert [1897-1955], in: "Verkettung. Gedichte", Kurt Wolff 1917)



Anmerkung: Der Gedichtband trägt die Widmung: "Die Gedichte sind 1914-16 entstanden, sie gehören meinen toten Freunden." und ist online beim "Projekt Gutenberg" komplett abrufbar. Es lohnt sich sehr, die Gedanken eines damals 17- bis 19Jährigen zu verfolgen, der in den Höllenpfuhl des Ersten Weltkrieges geworfen wurde.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Der Krieg gegen Flüchtlinge


Die menschenfeindliche Bande in Berlin zeigt immer offener ihre abscheuliche Fratze. Ein Detail von so vielen war Anfang der Woche zu beobachten, als das Merkel-Monster dem nicht minder widerlichen Erdogan in der Türkei "finanzielle Hilfen" zugesagt hat, um die "Flüchtlingströme" in der Türkei bzw. - was zur Zeit geschieht - jenseits der Grenze zwischen Syrien und der Türkei festzuhalten. Es ist gewiss gewährleistet, dass jene "Finanzhilfen", so sie denn gezahlt werden, selbstverständlich bei den Flüchtlingen ankommen - das haben Erdogan und Ministerpräsident Davutoglu schließlich zugesagt! - und selber kann der deutsche Staat laut Merkel & Co. ja nichts weiter zur Linderung der humanitären Katastrophe für die dort festsitzenden Kriegsflüchtlinge tun.

Nun werden diese Pläne, die perfider und verabscheuungswürdiger gar nicht sein könnten, von unserer "treuen" Stahlhelm-Uschi brav umgesetzt. Bei n-tv las ich gerade unter der vielsagenden Überschrift "Nato-Einsatz in der Ägäis rückt näher":

Die Pläne gehen auf das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Montag in Ankara zurück. Die Türkei ist wichtigster Zufluchtsort und auch wichtigstes Transitland für Flüchtlinge aus Syrien. Beim Versuch, von dort nach Griechenland zu kommen, ertranken seit Beginn des Jahres mehr als 340 Menschen. Viele von ihnen wurden von Schleusern auf gefährliche Boote gelockt. "Ziel muss es sein, das perfide Geschäft der Schmuggler und der illegalen Migration zu erschweren - wenn nicht unmöglich zu machen", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Das muss man sacken lassen und ggf. mehrmals lesen, bevor sich die ganze Menschenverachtung und Perfidie in Gänze entblößt. Diese gutsituierten Ekelpakete wollen tatsächlich die Streitkräfte (resp. Mörderbanden) der NATO dafür benutzen, um "Schleuser", "Schmuggler" und "illegale Migration" zu verhindern, anstatt irgendeinen sinnvollen humanitären Beitrag zu leisten. Dafür gibt es die NATO doch - schließlich greifen "uns" jetzt nicht mehr bloß diffuse "Terroristen" an, sondern gleich ganze Menschenmassen, die "illegal" die Grenzen "bedrohen" ... - oder wie lautet sonst die offizielle Begründung für diesen NATO-"Bündnisfall"?

Es ist bis auf die Knochen pervers, dass ausgerechnet "gefährliche Boote" und die vielen ertrunkenen Menschen, die auf eben jene "gelockt" wurden, für dieses typisch faschistoide, aus der Geschichte ja leider allzu leidlich bekannte Abschottungsverhalten instrumentalisiert werden - als ob es für die betroffenen Menschen einen Unterschied machte, ob sie nun in der nordsyrischen Wüste verelenden und vielleicht verhungern bzw. krankheitsbedingt sterben oder im Mittelmeer vielleicht ertrinken. Ich könnte, wäre ich kein Pazifist, den Damen und Herren Merkel, von der Leyen, Erdogan und all den anderen Menschenfeinden, die solche Aktionen in Deutschland, der Türkei und anderswo als "Lösung" verkaufen, stundenlang die Abschussrohre ihrer NATO-Panzer in den ... [Abschnitt wurde zensiert]!

Wieviele Menschen verdanken "Schleusern" und "Schleppern" aktuell wohl ihr Leben? - Analog könnte man auch fragen: Wieviele Menschen verdankten "Schleusern" und "Schleppern" wohl zwischen 1933 und 1945 ihr Leben?

Solche Gedanken haben allerdings keinen Platz im heutigen Prä-Faschismus: Für die kapitalistische Bande sind und waren das nichts weiter als Kriminelle - und die Wortwahl der Stahlhelm-Uschi legt nahe, dass auch heute damit selbstverständlich nicht nur "Schleuser", deren historischen Vorbilder heute von derselben Bande in salbungsvollen Feierstunden gerne euphemistisch "Helfer" oder gar "Fluchthelfer" genannt werden, sondern selbstverständlich auch die Flüchtenden gemeint sind. In der Mainstreampresse wird derweil weiter wie von Sinnen an dem infantilen, geradezu grotesken Märchen gezimmert, das da lautet: "Merkel, die Menschen- und Flüchtlingsfreundin versus Seehofer, den bayrischen Holzkopf". Dabei stecken alle beide - mitsamt der restlichen Bagage dieser großkoalitionären Schleimbeutel und inklusive des größten Teils der "Opposition" - bis zum Hals oder noch tiefer in derselben braunen Kloake und lenken wie gewohnt von den eigentlichen - nämlich kapitalistischen - Ursachen der ganzen Misere ab.

Nach dem Krieg gegen Arme bzw. Zwangsverarmte aus den "eigenen Reihen", der nach wie vor tobt, betreibt die Bande weitere Eskalationen und macht keinen Hehl mehr daraus, was ohnehin offensichtlich war. The times they are a-changing repeating.

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Die Gerechten unter den Völkern



Kommentar aus dem Film: "Die Hälfte der rund 25.000 Gerechten aus der ganzen Welt stammt aus Ost-Europa. In Deutschland und Österreich fand die Kommission bisher zusammengerechnet nur rund 600 Männer und Frauen, die sich unter Lebensgefahr für Juden einsetzten."

Dienstag, 9. Februar 2016

Musik des Tages: Peer Gynt




(Edvard Grieg [1843-1907]: "Peer Gynt. Schauspielmusik nach dem gleichnamigen Drama von Henrik Ibsen", Op. 23 aus dem Jahr 1875; Orquesta Sinfónica de RTVE, Leitung: Guillermo García Calvo, 2013)

Suite Nr. 1 (Op. 46, überarbeitet 1888)
  1. Morning Mood
  2. The Death of Åse
  3. Anitra's Dance
  4. In the Hall of the Mountain King

Suite Nr. 2 (Op. 55, überarbeitet 1891)
  1. The Abduction of the Bride. Ingrid's Lament
  2. Arabian Dance
  3. Peer Gynt's Homecoming (Stormy Evening on the Sea)
  4. Solveig's Song

Anmerkung: Diese beiden Suiten dürften wohl zu den meistgenutzten Werken der Romantik zählen, aus denen sich unzählige Plagiatoren der Hollywood-Filmmusikindustrie reichlich bedient haben - und dies bis heute tun. Es ist ein Jammer, dass die geklauten Brocken von James Horner, John Williams & Co. heute oftmals bekannter sind als die Originale.

Montag, 8. Februar 2016

Fasching in Zeiten des (Prä-)Faschismus


Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Mitten in der Hochphase des kalendarischen Humordiktats flippen die sich immer gern zu Tode amüsierenden Anhänger einer Schwachsinnskultur namens Karneval völlig aus. Alkoholisierte, grölende Massen auf Elferratssitzungen und Rosenmontagsumzügen, peinliche Witze und alberne Kostüme bestimmen für wenige Tage in wenigen Regionen des Landes das öffentliche Bild.

Zum Zwang, gut drauf zu sein, gab es bei feynsinn im März 2015 unter dem Titel "Los, sei lustig" einen guten Text, in dem es unter anderem heißt:

Ich hingegen verlange eine Aufnahme der Stimmungsautisten, Depressiven und Entnervten ins Antidiskriminierungsgesetz. Fortan soll, wer anderer Menschen Stimmung aufzuhellen versucht oder sie gar selbst dazu auffordert, ihre Stimmung zu wechseln, sanktioniert werden wie jeder andere miese Stalker.

Das Vergnügungskollektiv duldet nun mal keine Abweichler. Wer beim Ententanz oder beim Schunkeln der "Jecken" (übersetzt: "Verrückten") nicht mitmacht, ist verdächtig. Die besinnungslosen und anlasslos ausgelassenen Massen ahnen nämlich ihre eigene Blödheit und fühlen sich durch Menschen, die nicht teilnehmen möchten, beobachtet. Beobachtung aber entblößt.

Damit Flüchtlinge durch derartigen Zinnober nicht irritiert werden, hat das Festkommitee der Organisatoren des Kölner Karnevals einen Infoflyer in verschiedenen Sprachen herausgegeben. Was darin als Tradition bezeichnet wird, ist heute die Lizenz zum Komasaufen, Fremdgehen und zu sexuellen Übergriffigkeiten. Flüchtlingen wird dieses beschönigende Aufklärungsflugblatt nicht viel sagen, hat es doch mit der Realität nur wenig zu tun. Denn die sieht in der Regel so aus, wie es ein Screenshot aus der WDR-Regionalsendung "Lokalzeit Dortmund" vom 4.2.2016 beispielhaft zeigt:



Für Menschen, die sich zwangsweise - aus völlig anderen Kulturkreisen kommend - in Deutschland aufhalten müssen, ist dies wohl eher ein derber Kulturschock, der auf sie sehr verstörend oder verängstigend wirken kann. Hier und heute entlarvt sich das Gerede von der "Leitkultur" und der "Integration in das deusche Wertesystem" als inhaltsleeres Geschwätz.

Und für so einen reaktionären Unsinn ist natürlich auch Geld vorhanden. Bisher kostete allein der Rosenmontagszug in Köln den Steuerzahler jährlich 1,7 Mio Euro. Durch den Einsatz von mehr Sicherheitspersonal wird dieser Betrag in diesem Jahr mit Sicherheit höher ausfallen.

"Konfetti! Kamelle! De Zoch kütt!"

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Anmerkung von Charlie: Eigentlich hatte ich vor, zu diesem Gastbeitrag eine ergänzende Doku zum Thema "Karneval in der NS-Zeit" einzufügen. Es gibt tatsächlich auch einige Filme dazu (meist vom WDR produziert bzw. ausgestrahlt), allerdings sind diese allesamt so grottenschlecht, da sie jedwede Distanz und erst recht jeden kritischen Blick auf den Karneval an sich rigoros vermeiden, so dass ich kein einziges Video gefunden habe, das ich mit gutem Gewissen hätte empfehlen können.

Daher steuere ich nur etwas bitteren Endzeithumor aus dem Jahr 1933 bei und verkrieche mich ansonsten vor dem bierseligen Stumpfsinn:

Eventueller Ausweg

In Adolfs Fass beginnt's zu gären.
Was wird dasselbige gebären?
Wenn wir uns lauschend drüber neigen,
vernehmen wir ein Blasen-Steigen.
Und Kenner, die es ernst beklopfen,
erwarten einen guten Tropfen.
Wogegen andere gehässig
auf Schlempe raten oder Essig.
Ja, manche sind geneigt zu glauben,
die Gärung sprenge bald die Dauben.

Gesetzt, es würde wirklich krachen
- was sollten wir mit Adolf machen?

Höchst einfach: allerwärts stehn Throne,
geeignet, dass er sie bewohne;
denn Stadt und Land und Berg und Tal
braucht einen Prinzen Karneval.

(Ratatöskr alias Hans Erich Blaich [1873-1945], in "Simplicissimus", Heft 44 vom 29.01.1933)