Samstag, 24. Oktober 2009

Deutschland 2009

Schwarz-gelbe Ziele, im "Spiegel" vorgedacht

Im "Spiegel" denken Sebastian Fischer und Christian Teevs über mögliche Kürzungen nach, die Schwarz-gelb durchführen könnte, gewissermaßen um uns präventiv zu wappnen und die Entrüstung vorher schon mal teilzuentladen. Es lohnt sich, diese "Ideen" mal genauer anzuschauen, denn die Liste ist von beeindruckender geistiger Schlichtheit und impliziert Interessantes.

1: Abschaffung der Rentengarantie
2: Ende der Pendlerpauschale
3: Einführung einer Pkw-Maut
4: Abschaffung der Steuerfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge
5: Kürzung von Solarsubventionen
6: Abschaffung des Steuerprivilegs der Post
7: Erhöhung des Arbeitnehmeranteils bei gesetzlich Krankenversicherten
8: Erhöhung der Mehrwertsteuer
9: Entwicklungshilfe für China kappen

Was also sehen wir? Die Forderungen 1, 2, 3, 4, 6, 7 und 8 treffen einzig und allein die "kleinen Leute".

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Die Ziele der FDP: Der (Un-)Wert von Kindern

Kinder sind in Deutschland nicht gleich. Ein Kind reicher Eltern wird vom Staat zukünftig mit 667 Euro im Monat gefördert, während ein Kind armer Eltern dem Staat nur 200 Euro, also weniger als ein Drittel, wert ist. Das ist das erste Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zwischen FDP und CDU und die FDP hat sich damit klar durchgesetzt.

"Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen!" ist ein alter Sinnspruch und trifft in diesem Fall den Nagel auf den Kopf. Denn während den Reichen reichlich gegeben wird, wirkt sich die Erhöhung des Kindergeldes am unteren Ende bei den Hartz-IV-Empfängern gar nicht aus. Da ist es ein Nullsummenspiel, da das gesamte Kindergeld verrechnet wird.

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Die Studenten sind nicht mehr die alten

Heute beginnt an den Universitäten die Vorlesungszeit. Für viele Nachwuchsforscher bedeutet das: kaum Zeit zum Luftholen. Kein Wunder, meint unser Autor zum Auftakt einer StZ-Serie, dass sie nicht mehr über den Tellerrand schauen.

"The Times they are a-changin", singt Bob Dylan. Dieser Song läuft auf keinem MP3-Player der Studenten des Jahres 2009. Trotzdem passt er in die heutige Zeit, weil sich Deutschlands Hochschulen und Studenten im gewaltigsten Wandel befinden, seit Dylan 1964 diese Zeilen sang.

Als unsere Eltern mit Dylan dem Neuen und Besseren huldigten, waren solche Songs ihre Hymnen. Sie standen für den Abschied vom Alten, Verkrusteten. Sie enthielten politische Forderungen, zum Beispiel die nach mehr Demokratie in der Hochschule und in der Gesellschaft.

Die Studenten des Jahres 2009 haben keine Hymnen. Zwar durchleben sie einen kollektiven Umsturz ihrer Lebenswirklichkeit, und doch besingt keiner wie einst Bob Dylan diese neue Welt. Denn der Umsturz kommt nicht von unten, sondern er wurde vor zehn Jahren von 29 Bildungsministern in Bologna beschlossen. Wenn der Prozess, der in der italienischen Stadt eingeleitet worden ist, einmal zum Ende kommt, werden Deutschlands Studenten nicht mehr dieselben sein.

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Frigga Haug: Ein gutes Leben

Es geht uns um ein gutes Leben für alle. Das hört sich bescheiden an, ist jedoch, wie wir erneut in der Krise des Kapitalismus sehen, das Unverschämteste, das einem derzeit einfallen kann. Auf dem Weg dorthin gibt es enorme Hindernisse – ökonomischer, politischer, kultureller Art und schließlich solche, die in uns selbst liegen, in unseren Gewohnheiten vor allem. (...)

„Unserer Gesellschaft geht die Arbeit aus“, rufen seit etwa 25 Jahren die Sozialwissenschaftler, als handle es sich um ein Bergwerk, das erschöpft ist. Sie bemühen sich, einen Gesellschaftszusammenhalt anders zu finden, nicht über Arbeit, sondern vielleicht über Kommunikation oder über den Konsum und so das Trauerspiel in einem Wellnesscenter zu beenden. Das ist zwar Mainstream-Theorie, scheint sich aber praktisch zu bewahrheiten. Denn inzwischen lehrt uns die Weltwirtschaftskrise das Fürchten. Die Meldungen über mehr und mehr Arbeitslose – täglich mehrere Tausend – füllen die Nachrichten, Angst schleicht sich in die Herzen der Vielen. Wann wird es uns treffen? Verzweifelt versucht man sich an den Arbeitsplatz, soweit noch vorhanden, zu klammern, alle weiterreichenden Wünsche zu vergessen und ist bereit zu vielem.

Wo immer wir hinsehen, zeigen sich uns die Dinge doppelköpfig. Denn Arbeitslosigkeit ist ja nicht einfach ein Mangel und Anzeiger für Armut, Beleg, dass das Bergwerk leer ist. Sie ist nach der anderen Seite hin nichts anderes als der Nachweis, dass sich die Produktivkräfte der Arbeit soweit entwickelt haben, dass wir die notwendige Arbeitszeit für das Überleben erheblich reduzieren können, sie zeigt also Reichtum an - freilich nicht für diejenigen, die arbeitslos werden. Wenn gesellschaftlich weniger Arbeit für das Notwendige gebraucht wird, wären die Menschen freigesetzt, endlich die vielen Tätigkeiten aufzunehmen, zu denen aus purer Not in der Form der Überarbeit bislang die Zeit nicht reichte. Dass sich die Menschen des Wenigerwerdens von notwendiger Arbeit nicht freuen können, dafür sorgt wiederum ihre kapitalistische Formbestimmung als Lohnarbeit. Nur wer sich seine acht Stunden oder mehr zur Verfügung stellt, kann auf Anerkennung, entsprechende Entlohnung, Wertschätzung, Teilhabe hoffen.

So bedeutet Arbeitslosigkeit eine Freisetzung als Beraubung, eine Tragödie diesmal für die Arbeitenden. (...)

In dieser Situation fordert die bundesdeutsche Regierung eines der reichsten Länder, das insbesondere in bittere Armut gefallen zu sein scheint, eine Verlängerung der wöchentlichen und vor allem auch der Lebensarbeitszeit mit der Behauptung, so Arbeitsplätze zu sichern. Die Widersinnigkeit dieser Behauptung ist so offensichtlich, dass Angst und Verzweiflung die Menschen taub und stumm gemacht haben müssen, dass sie nicht weithin hörbar aufschreien.

Dabei hält die Regierung fest an einem Arbeitsmodell, das von einem Acht-Stundentag ausgeht, ohne dass für alle ein solcher Arbeitsplatz vorgesehen ist. Und auch jetzt gibt es keinen Aufschrei im Land, sondern weiter beherrscht Einschüchterung das Feld, die die Einzelnen dazu bringt, zu hoffen, die Regierung wisse schon, was in der Krise zu tun sei. Dies wider alle Erfahrung.

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USA: Das Geheimnis ist eine Prise Sozialismus

Während der Rest der USA unter Problemen ächzt, strotzt North Dakota vor Selbstbewusstsein.

(...) Hardmeyer, der Chef der letzten staatseigenen Bank der USA, muss ab und zu aus seinem blitzblanken, neuen Bürogebäude zum Rechenschaftsbericht ins Kapitol, dem einzigen Hochhaus der Hauptstadt. "Dann fragt mich der Finanzausschuss, wieviel Gewinn ich für das Staatsbudget abzweigen kann", erzählt er. 2009 waren die Verhandlungen kurz: "Eric, haben sie gesagt, wir haben eine Milliarde Dollar Haushaltsüberschuss, behalte lieber dein Geld." 27 Prozent Kapitalrendite hat die North Dakota State Bank im Jahr des Zusammenbruchs der Finanzmärkte erwirtschaftet. Auch jetzt laufen die Geschäfte glänzend. Die Bank lebt von ihren grundsoliden Krediten, die sie an andere Banken, aber auch an Studenten und Geschäftsleute vergibt.

"Wir hätten jederzeit an der Börse spekulieren können", sagt der Bankier, für dessen 190.000-Dollar-Jahresgehalt mancher Manager an der Wall Street morgens nicht mal aufstehen würde: "Aber was da ablief, haben wir nicht mehr durchschaut. Und das hieß: Finger weg!" Auch in [North Dakota] gaben sich die Privatisierungsgurus die Klinke in die Hand. Doch die Nachfahren norwegischer und deutscher Einwanderer stellten sich stur. Die Bank, die 1919 nach einer Volksrebellion wider die Spekulanten gegründet wurde, ließen sie sich nicht abkaufen. Auch die größte Getreidemühle des Staates ist fest in staatlicher Hand. "Wir haben überlebt", sagt Hardmeyer.

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Die Ziele der FDP: Mehr Bretto vom Nutto

Die Kernkompetenz der FDP liegt nach Meinungsumfragen bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das belegt, dass Leser zumindest die stetig wiederholten Botschaften verinnerlichen. Es bestätigt, dass sie im Gros völlig ahnunglos sind, was sie mit den Experten der FDP wiederum eint. Womit wir bei der Wirklichkeit sind. / Die Kernkompetenzen der Partei sind nämlich Begünstigung, Mauschelei, Trickserei sowie das virtuose Wringen und Würgen Lohnabhängiger und Arbeitsloser. Resultat: Ein wirtschaftliches Fiasko.

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Bundesverfassungsgericht: Zweifel am Hartz-IV-Regelsatz

Das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Arbeitsmarktreform Hartz IV, über die am Dienstag erstmals mündlich in Karlsruhe verhandelt wurde. Dabei stellten alle acht Richter kritische Nachfragen zur Berechnung des Regelsatzes, der derzeit bei 359 Euro im Monat für eine alleinstehende Person liegt. Familien bekommen pro Person einen geringeren Betrag, der nach dem Alter der Kinder gestaffelt ist.

Auf Bedenken stieß zudem, dass das Arbeitslosengeld II kaum Ausnahmeregelungen für Sonderbelastungen zulässt, etwa, wenn Hartz-IV-Empfänger wegen chronischer Erkrankungen dauerhaft teure Medikamente kaufen müssen. Zudem äußerten die Richter Unverständnis darüber, dass die jährliche Anpassung der Höhe des Regelsatzes an die Renten und nicht etwa an die Preisentwicklung gekoppelt ist. (...)

In dem Verfahren überraschten die Karlsruher Richter mit der Ankündigung, dass sie die Vorschriften zum Arbeitslosengeld II nicht nur am Gleichheitsgebot messen wollten, sondern auch am wesentlich breiteren Maßstab der Menschenwürde des Artikels 1 des Grundgesetzes. Dabei werde sich das Gericht erstmals sowohl mit dem sachlichen Gehalt des Existenzminimums als auch mit dem Inhalt und den Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens bei der Gestaltung von Sozialleistungen beschäftigen, sagte Gerichtspräsident Papier.

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Detlef Ouart: Die vier Regeln des Kapitalismus

Der Kapitalismus ist eine tolle Sache! Er hat uns Mikrowellen, Farbfernseher, HiFi-Anlagen, Geschirrspülmaschinen, Handys, Faxgeräte, Quarzuhren, Autos mit Airbag und ABS, Playstations und Nintendo, Satellitenschüsseln, unzählige Fernsehkanäle, Filme auf Video und DVD, Surround Sound, Digitalkameras, Computer, das Internet und viele andere schöne und nette Sachen beschert. Wie hatte man nur früher ohne diese Dinge auskommen und glücklich sein können? Man ist geneigt, von einer Erfolgsstory zu sprechen. Was bedeutet nun konkret Kapitalismus? Wie bei allen Ismen verrät schon allein der Name den Sinn der ganzen Veranstaltung und man möchte vom Angepriesenen logischerweise auch möglichst viel besitzen. Beim Sozialismus möchte man möglichst viel an Sozialem haben, beim Nationalsozialismus an Nationalem, beim Islamismus oder Katholizismus möglichst viel an richtigem Glauben, beim Kommunismus Kommunales, also möglichst viel an "allen gehört alles" und beim Kapitalismus natürlich möglichst viel an Kapital, um daraus mehr und immer mehr zu machen. Und deshalb ist der Kapitalismus auch so schön, denn wer hätte nicht gerne immer mehr davon - Sie etwa nicht?

Halten wir also als erstes Wichtige Folgendes fest: Kapitalismus bedeutet, aus Kapital immer mehr Kapital zu machen.

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Freitag, 23. Oktober 2009

Zitat des Tages (14)

Beobachtungsstand

An meinen Augen gehen die Hügel entlang,
der Wald gebiert den roten Wächtermond.
Ein Maschinengewehr plätschert hinter den Sternen.

Ich bin eine Stunde in der Stille.
Aus den Gräben
tastet der Morgen.
Ein Amen
tropft in meine Gedanken.

(Kurt Heynicke [1891-1985]: Rings fallen Sterne. Berlin 1917)

Das große Aufrüsten - die EU will ihre Bürger scharf überwachen

Die Europäische Union will die Überwachung in den einzelnen Ländern vereinheitlichen. Vor allem aber soll sie drastisch verschärft werden

Die Europäische Union verabschiedet im Dezember mit dem "Stockholm-Programm" ein neues Mehrjahresprogramm mit Richtlinien für einen "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts". Als Nachfolger des "Haager Programms" von 2004 beinhaltet "Stockholm" tiefgreifende Veränderung in der europäischen Sicherheitsarchitektur. Unter anderem soll die Kapazität von Europol ausgebaut und die verschiedenen Polizei-Datenbanken sollen zusammengeführt werden. Vorgesehen sind ein zentrales Bevölkerungsregister, grenzüberschreitende Onlinedurchsuchungen, mehr Kontrolle des Internets, eine verbesserte Satellitenüberwachung, computergestützte Risikoanalysen, gemeinsame Abschiebeflugzeuge und -flüge, neue Flüchtlingslager in Drittstaaten, der Einsatz des Militärs zur Migrationsabwehr, polizeiliche Interventionen auch außerhalb der EU, der Aufbau einer europäischen Gendarmerietruppe und mehr Zusammenarbeit der In- und Auslandsgeheimdienste.

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Schäuble: Ideen aus dem Arsenal der Diktatur

Der BigBrotherAward 2009 in der Kategorie "Lifetime" geht an Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU). Die FR veröffentlicht die Laudatio von Rolf Gössner.

In der Jury bestand große Einigkeit, dass Wolfgang Schäuble in diesem Jahr, zum (mutmaßlichen) Ende seiner politischen Karriere als Bundesinnenminister, der BigBrother-Lifetime-Award für langjährige "Verdienste" gebührt – wohlwissend, dass wir im Rahmen der Verleihung dieses Negativpreises einer solchen Persönlichkeit und seiner bisherigen Lebensleistung bei Weitem nicht gerecht werden können. (...)

In seinem Eifer schreckte der Preisträger selbst vor Ideen aus dem Arsenal von Diktaturen nicht zurück: Internierung islamistischer "Gefährder", denen keine Straftat nachzuweisen ist, Nutzung erfolterter Aussagen durch deutsche Sicherheitsorgane, gezielte Tötung von Top-Terroristen – Denkansätze eines Sicherheitsministers im Ausnahmezustand, dem offenbar jegliches Unrechtsbewusstsein, aber auch der Realitätsbezug abhanden gekommen sind. Das zeigte auch sein kläglich gescheiterter Vorstoß, die Altersgrenze für großkalibrige Waffen von 21 auf 18 Jahre abzusenken.

Was der Minister mit seinen menschenrechtswidrigen Vorschlägen erreichte, ist eine gefährliche Enttabuisierung, die an die demokratischen Grundfesten rührt und einer weiteren Entfesselung staatlicher Gewalten den Weg ebnet.

Das zeigen seine Überlegungen, Terroristen als Feinde der Rechtsordnung teilweise rechtlos zu stellen; das zeigt aber auch seine provokante Äußerung, bei der Terrorabwehr gebe es nun mal keine Unschuldsvermutung – womit er eine der wichtigsten rechtsstaatlichen Errungenschaften für weitgehend erledigt erklärt.

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Über die fortgesetzte schleichende Zersetzung der Grundlagen des Sozialstaates

(...) Der Ab- und Umbau des Sozialstaates ist damit aber nicht gestoppt. Im Gegenteil: Der neoliberale Pfad wird weiter ausgetrampelt. Die zentralen Richtungsänderungen wurden bereits unter den Regierungen Schröder und Merkel vorgenommen. Jetzt geht es der Nachfolgeregierung nur noch darum, den eingeschlagenen Weg nicht mehr zu verlassen.

Auf dem Arbeitsmarkt werden Mini-, Midi- und Ein-Euro-Jobs, Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse weiter wie Pilze aus dem Boden sprießen. Hungerlöhne breiten sich weiter aus. Die geplante gesetzliche Ächtung sittenwidriger Löhne ändert daran nichts. Sie zementiert lediglich den Status Quo. (...)

Im Gesundheitswesen setzt sich der Weg in die Zweiklassenmedizin fort. Die Zuzahlungen steigen und die Grundversorgung wird abgebaut. Die paritätische Finanzierung wird weiter durchlöchert, wenn die Kassen den Zusatzbeitrag bald beliebig erhöhen können.

Bei der Rente ist ohne politische Korrekturen Altersarmut vorprogrammiert. Die Rente mit 67 wirkt wie eine direkte Rentenkürzung. Der Abbau des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherungen zwingt die Mittelschicht zu mehr privater Altersvorsorge. Allianz, AXA & Co reiben sich die Hände.

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Was die CDU als "Mindestlohn" vorschlägt

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller war mutig und schlägt eine Lohnuntergrenze vor.

Die schwarzgelbe Koalition will sich zumindest ein soziales Mäntelchen umwerfen. So wurde beschlossen, das Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher anzuheben und sittenwidrige Löhne zu verbieten. An einen gesetzlichen Mindestlohn, für Schwarzgelb ein geradezu irrationales Tabu, will man nicht ran.

Das Verbot von sittenwidrigen Löhnen bestand zwar bereits und konnte vor Gericht durchgesetzt werden; die Koalition will nun gesetzlich zementieren, dass Löhne nicht 30 Prozent unter den Durchschnitt des branchenüblichen Lohn sinken dürfen. Verhindern kann und will dies freilich den Wettlauf der branchenüblichen Löhne nach unten nicht, da müsste man schon eine fixe Grenze einziehen.

Jetzt ist einmal der saarländische Ministerpräsident Peter Müller wagemutig vorgeprescht und hat einen Mindestlohn, pardon: ein Mindestarbeitsbedingungengesetz ins Spiel gebracht, um ja das teuflische Wort der politischen Gegner nicht in den Mund zu nehmen. Allerdings setzt Müller sicherheitshalber schon einmal ziemlich tief an. Gegenüber Bild am Sonntag meinte er, dass eine Lohnuntergrenze von 4,50 Euro doch ganz gut sei (der DGB fordert 7,50 Euro). Alles darunter wäre dann sittenwidrig.

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Anmerkung der Nachdenkseiten dazu: Müller besitzt tatsächlich die Chuzpe, seinen Mindestlohn-Vorschlag in Höhe von 4,50 Euro als sozialpolitische Wohltat zu verkaufen, da so “Exzesse wie Stundenlöhne von 1,50 Euro vermieden” würden. Von einem Brutto-Mindestlohn in Höhe von 4,50 Euro verblieben nach Abzug der Sozialversicherungsabgaben (ca. 20%) netto 3,60 Euro. Bei einem Vollzeitjob (172 Stunden/Monat) ergäbe sich ein Nettolohn in Höhe von 619,20 Euro. Ein wahrlich großzügig bemessener Monatslohn für einen Vollzeit-Arbeitsplatz! Dieses Lohnniveau liegt sogar unterhalb des Hartz IV-Niveaus für einen ledigen, kinderlosen Arbeitnehmer (ALG 2 zuzüglich Miet- und Heizkosten).

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Welthungerbericht: Mehr als eine Milliarde Menschen hungern

Die Weltwirtschaftskrise hat „verheerende“ Auswirkungen auf die Ernährungssituation in der Welt. Wie die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am Mittwoch in Rom in ihrem diesjährigen Welthungerbericht mitteilte, stieg die Zahl der Hungerleidenden 2009 als Folge der Krise auf 1,02 Milliarden - den höchsten Wert seit 1970. Damit steht die Realität im krassen Gegensatz zu den im Jahr 2000 formulierten Millenniums-Zielen, in denen die Vereinten Nationen ursprünglich angestrebt hatten, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren.

Laut dem Bericht leidet statistisch jeder sechste Mensch auf der Welt unter Hunger und Unterernährung, das sind insgesamt 100 Millionen Menschen mehr als im Jahr 2008. Die meisten unterernährten und hungernden Menschen leben in Entwicklungsländern, die Mehrheit von ihnen (642 Millionen) in Asien und in der Pazifik-Region. 15 Millionen betroffene Menschen leben in den Industriestaaten.

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Anmerkung: Und die FAZ, die diese Information verbreitet, arbeitet weiter brav mit daran, dass das auch so bleibt und sich der Anteil der hungernden Menschen auch in den Industrienationen (es sind ja "nur" 15 Millionen) endlich erhöht. - Wie kann man einerseits dem neoliberalen Dogma des entfesselten Kapitalismus immer wieder folgen - und andererseits solche Betroffenheitsartikel veröffentlichen? Der Kapitalismus in seiner entfesselten Form, wie wir ihn heute erleben, tötet natürlich sehr viele Menschen. Wer sich darüber wundert, hat nicht verstanden, was geschieht. - Und die genannte Zahl von 15 Millionen hungernden Menschen in Industrienationen muss auch jedem verbohrten Marktfetischisten klarmachen, dass "Wohlstand für alle" nichts weiter als eine hohle Phrase ist. Hier geht es um Wohlstand und Luxus für wenige - und der überwältigende Rest soll sehen, wo er bleibt.

Die Ziele der FDP: Einkommenststeuerreform bedeutet weitere Umverteilung von unten nach oben

Scharf verurteilt Attac die Pläne von schwarz/gelb, einen Stufentarif bei der Einkommensteuer einzuführen. "Damit soll die Bierdeckelsteuer von Friedrich Merz fröhliche Urstände feiern und ein weiterer Schritt der Umverteilung von unten nach oben eingeleitet werden", so Detlev v. Larcher, Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. (...)

Die Kosten der Krise sollten aber diejenigen tragen, die beim Zocken auf den Finanzmärkten und in der Wirtschaft die hohen Profite einfahren. Deswegen fordert Attac einen gerechten, linear-progressiven Tarifverlauf ohne "Mittelstandsbauch" mit dem Eingangssteuersatz von 14 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent, eine einmalige Vermögensabgabe für hohe und höchste Vermögen und ertragreiche Vermögens- und Erbschaftssteuern. Einen entsprechenden Vorschlag, Solidarische Einfachsteuer (SES), hat Attac mit den Gewerkschaften Verdi und IG-Metall schon vor Jahren ausgearbeitet, den Attac jetzt aktualisiert.

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CDU/FDP und Hartz IV: Kosmetische Korrektur und ausgekochte Klientelpolitik

  1. Hartz IV ist unsozial und ungerecht. Diese Botschaft ist auch bei FDP und Union angekommen. So plädiert NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) in den Koalitionsverhandlungen dafür, den Freibetrag für das Altersvorsorgevermögen zu erhöhen. Das soll Erwerbslose entlasten - sie würden eher Arbeitslosengeld II (ALG II) erhalten und wären seltener gezwungen, ihre Ersparnisse fürs Alter anzugreifen. (...)

    Fraglich allerdings ist, ob das vielen Menschen nützen würde. Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) deuten daraufhin, dass der Effekt gering wäre. Zwischen Januar und September 2009 wurden nur knapp 25.000 Hartz-IV-Anträge wegen zu hohen Vermögens abgelehnt. Im Verhältnis zu den 5,5 Millionen Anträgen, die insgesamt eingingen, entspricht dies einem Anteil von 0,5 Prozent.

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  2. (...) Kein Wunder, dass die Versicherungswirtschaft alles macht, um diesen Markt stabil zu halten. Die Angst, wegen Hartz IV seine Lebensversicherung auflösen zu müssen, fördert nicht gerade den Absatz solcher Policen. Die FDP, die wo es geht versucht, die private Vericherungwirtschaft zu stärken, hilft da offenbar gerne. Sie hat sich im Gegensatz zur Union schon im Wahlprogramm sehr konkrete Gedanken über das Schonvermögen gemacht.

    Und so kann Schwarz-Gelb vordergründig mit einer Regelung punkten, von der kaum einer etwas hat, die kaum etwas kostet, die aber alle gut finden und vor allem der Wirtschaft hilft. Nur eines sollte man wissen: Das soziale Herz mag schlagen wo es will. Bei Union und FDP jedenfalls pocht es nicht.

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  3. junge Welt: Das Boulevard-Blatt Bild bejubelt schwarz-gelbe Koalitionsbeschlüsse wie die Erhöhung des »Schonvermögens« bei Arbeitslosen von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr. Wo ist der Pferdefuß, wenn die Springer-Presse derartige Maßnahmen lobt?

    Prof. Christoph Butterwegge: Es geht dabei nur um das Schonvermögen zur Altersvorsorge, beispielsweise Kapitallebensversicherungen – nicht etwa darum, seinen Besitz allgemein vor dem staatlichen Zugriff zu schützen. In Ostdeutschland besitzt die Hälfte aller Betroffenen ohnehin kein Vermögen. Verdreifacht man den Betrag, den man für das Alter ansparen darf, kommt das vor allem Menschen im Westen zugute, die sich eine private Altersvorsorge leisten konnten, als sie noch Arbeit hatten – aber gerade die ärmsten Schlucker haben nichts davon.

    Die eigentlichen Profiteure der Maßnahme sind Versicherungen und Banken – übrigens die Hauptspender der FDP. Gleichzeitig ist die neue Regelung kaum mehr als ein Trostpflaster für Hartz-IV-Betroffene, es soll Kürzungen an anderer Stelle lindern und Menschen beruhigen, die Union und FDP als Parteien der sozialen Kälte erleben. Denen will man suggerieren, der Sozialstaat werde nicht abgebaut, sondern nachgebessert. Hartz IV kann man aber nicht weiterentwickeln, man muss das Gesetz überwinden.

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CDU/FDP: Gesundheit zahlt der Arbeitnehmer

In ihren Verhandlungen um die künftige Gesundheitspolitik haben sich Union und FDP offenbar auf eine gemeinsame Zielrichtung verständigt. Sie lautet: Die Arbeitgeber dürfen nicht stärker belastet werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die unvermeidlich steigenden Kosten wohl allein den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Zwar hat sich CSU-Verhandler Markus Söder von solcher Absicht am Dienstag schnell wieder zu distanzieren versucht, und auch der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) forderte im „Handelsblatt“, bei zusätzlichen Lasten gefälligst am „Prinzip der Parität“ festzuhalten. Die Alternative wären aber nur höhere Steuerzuschüsse. Und dagegen haben sich die künftigen Partner bereits unisono verwahrt.

Bis in die Nacht diskutierten die Experten am Montag über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Lohnzusatzkosten über einen höheren Beitragssatz anzuheben, verbiete sich angesichts der Haushaltslage, resümierte der FDP-Politiker Daniel Bahr am Morgen danach. Noch hielten viele Betriebe ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. „Wenn Sie jetzt das Signal setzen, dass die Arbeitskosten noch weiter steigen, dann werden die Betriebe in Entlassungen gehen.“ Die Lohnnebenkosten dürften nicht weiter steigen, „damit der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht belastet wird“, betonte auch die Verhandlungsführerin der Union, Ursula von der Leyen (CDU). Dies sei „absoluter Konsens“ zwischen Union und FDP.

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Anmerkung: Und wieder gilt: Hintergründe haben keinen Platz in den Mainstream-Medien. Auch im Tagesspiegel wird weder den Fragen nachgegangen, wieso die Gesundheitskosten überhaupt steigen oder was der "Gesundheitsfonds", die Krankenkassen und die Pharma-Industrie damit zu tun haben, noch wird die FDP-Behauptung analysiert, "steigende Arbeitskosten" hätten unausweichlich massenhafte Entlassungen zur Folge. Angesichts eines solchen trostlosen Journalismus' wundert es nicht, dass kaum ein Mensch in diesem Land noch wirklich informiert ist. - Nur am Rande sei da noch angemerkt: Ursula von der Leyen ist also die neue CDU-Expertin für Wirtschaftsfragen? Wenn es nicht so ernst wäre, müsste man sich Zigaretten auf dem Handrücken ausdrücken, um nicht glucksend vor Lachen ins Koma zu sinken.

Die rechte SPD-Spitze ist lernresistent - und die Medien bejubeln das

In den letzten Tagen haben wir mehrfach dargestellt, wie die Medien sich der Agenda-Politiker der SPD bedienen und die Sozialdemokratie in deren Richtung zu beeinflussen versuchen. Vor Tagen bediente sich die konservative Springer-Presse Steinmeiers und nun bietet das neoliberale Kampfblatt Der Spiegel Steinbrück eine Plattform. Reiner Zufall? - Warum wurden eigentlich nicht die anderen Reden im SPD-Vorstand veröffentlicht? Steinbrück bleibt sich treu: Arrogant, ignorant, stur und ohne inhaltliches Konzept für eine erfolgreichere Sozialdemokratie. Alle anderen sind schuld am Niedergang der SPD, nur er nicht.

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Alltäglicher Rassismus in Deutschland - Wallraff in "fremder Haut"

Ein Jahr lang war Günter Wallraff immer wieder als Schwarzer unterwegs: bei einem Fußballspiel in Cottbus, auf Wohnungssuche in Köln, in einer Rosenheimer Kneipe und bei einer Behörde in Berlin-Marzahn

Der Gondelkapitän im Fürstenpark Wörlitz empfängt uns freundlich auf seinem Ruderkahn: "Ich begrüße Sie ganz herzlich hier bei uns an Bord." Ich nehme als einer der Ersten auf dem kleinen, flachen Boot Platz, das ringsum mit Bänken versehen ist. Ich sitze hinten bei dieser Umrundung des Schlossgartens von Wörlitz, neben mir bleibt alles frei, obwohl es nach und nach eng wird auf dem Boot. Einer der Gäste, ein auf den ersten Blick nicht unsympathisch wirkender Zeitgenosse – Typ Gymnasiallehrer für Physik und Mathematik –, schiebt sich vorsichtig auf der Längsbank zu mir hin, schaut mich an und gibt seine Bestellung auf: "Zwei Bier, bitte."

Wie kommt er darauf, dass ich die Bedienung bin? Ich trage weder Kellnerkluft, noch stehe ich, sondern sitze wie er, ich habe auch keine Bierflaschen in der Hand, keine Gläser, kein Geschirrtuch – aber meine Hautfarbe ist schwarz. Deshalb muss ich in seiner Logik wohl der Diener sein. "Kein Service", antworte ich ihm, und er fragt enttäuscht: "Nix Service?" Also wiederhole ich wortgleich: "Nix Service", und habe erst einmal Ruhe.

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Anmerkung: Diesen Bericht möchte man all jenen Bosbachs und Sarrazins dieses Landes immer wieder um die Ohren hauen, bis sie sich an ihrem rassistischen Geschwätz verschlucken und endlich betroffen den Mund halten.

Geht auf die Straße!

10-Punkte-Sofortprogramm der Linken

DIE LINKE hat in ihrer Fraktionsklausur am 9. und 10. Oktober 2009 im brandenburgischen Rheinsberg einstimmig ein Sofortprogramm beschlossen, mit dem die Fraktion in die neue Legislaturperiode startet.

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Anmerkung: Möge sich jeder selbst ein Bild von diesem Programm machen - unsere "freie Presse" wird uns darüber - wie gewohnt - nicht wahrheitsgemäß informieren.

Gentechnik: Monsanto in deutschen Behörden

Schwarz-Gelb will Macht der Gewerkschaften beschneiden

Die neue Bundesregierung will die Macht der Gewerkschaften in Aufsichtsräten beschneiden. Zudem sollen diese Kontrollgremien der Unternehmen verkleinert werden. Das geht aus dem Entwurf der Koalitionsvereinbarung von Union und FDP vor, der dieser Zeitung vorliegt.

„Das Gewerkschaftsprivileg von mindestens zwei Mitgliedern im Aufsichtsrat wird abgeschafft”, steht dort. Die paritätische Mitbestimmung soll abgeschafft werden, bei der die Arbeitnehmervertreter die Hälfte der Aufsichtsräte stellen. Sie sollen künftig lediglich ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat erhalten. Das ist heute bereits bei den meisten Kapitalgesellschaften mit unter 2000 Mitarbeitern der Fall.

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