Freitag, 26. Juli 2013

Musik des Tages: Kleine Sinfonie




(Hanns Eisler [1898-1962]: Kleine Sinfonie Op. 29 [1931/1932]; Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Hans E. Zimmer)

1. Thema mit Variationen
2. Allegro assai. Sostenuto
3. Invention
4. Allegro

Zwangsarbeit im Unrechtsstaat


(...) Roland Jahn sprach an anderer Stelle davon, dass "wir alle noch ein bisschen im Nebel stochern" – aber das hinderte die Stiftung ["zur Aufarbeitung der SED-Diktatur"] nicht daran, in einer "Dokumentation zur Haftzwangsarbeit in der DDR" festzustellen, dass "Haftzwangsarbeit ein wesentlicher Teil des Strafsystems" und "der zwangsweise Einsatz von Arbeitskräften eine wesentliche Stütze" [gewesen seien], "um die Produktion in den volkseigenen Betrieben, im Bergbau, der Industrie und der Landwirtschaft sicherzustellen". (...)

Schon ein Blick in das Grundgesetz zeigt, dass im Rechtsstaat BRD alles rechtens zugeht. So heißt es denn auch im Absatz 3 des Artikels 12: "Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig." (...) Aber wenn "Zwangsarbeit" "zulässig" ist, bleibt die Frage, ob sie auch für alle Gefängnisinsassen Pflicht ist? Die Antwort gibt Paragraph 41 des Strafvollzugsgesetzes, in dem es einleitend heißt: "Der Gefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist." Eine Verweigerung der Arbeitspflicht kann zu strengen Disziplinarmaßnahmen führen.

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Anmerkung: Einmal mehr macht sich der deutsche Staat resp. seine Vertretung in Gestalt der "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" lächerlich: Zwangsarbeit in der DDR war also "böse", in der BRD hingegen war und ist sie so freiheitlich-demokratisch-voll-in-Ordnung, dass man sie nicht einmal zu erwähnen - geschweige denn in Frage zu stellen - braucht?

Nach meiner bescheidenen Meinung ist Zwangsarbeit in jeder Form scharf zu kritisieren und komplett abzulehnen - sie ist weltweit zu ächten!

Leider ist dem Autor des Textes die kleine Nebensächlichkeit entgangen, dass in Deutschland seit den Hartz-Verwüstungen Menschen gleich millionenfach zur Arbeit gezwungen werden - nämlich von den "Jobcentern". Diese Ämter können Menschen nach Belieben und unter Androhung des sofortigen Entzuges der materiellen Lebensgrundlage (auch für Familienangehörige inkl. Kindern) zu willkürlich auswählbaren "Jobs" zwingen, die zumeist - wie in den Haftanstalten - prekärer Natur sind und selbstverständlich größtenteils keinerlei arbeitsrechtliche Absicherung wie etwa Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle etc. bieten. Damit hat sich die heutige BRD wiederum stark der DDR angenähert, in der bekanntlich auch eine "Arbeitspflicht" bestand. Vielleicht ist das einer der Gründe, weshalb Merkel sich in diesem "verhartzten", verwüsteten Land so wunderbar wohl fühlt.

Es gab noch einen weiteren deutschen Staat, in dem es vorkam, dass ehemalige Professoren oder Ärzte gezwungen wurden, den Park oder die Straße zu fegen - später waren es dann industrielle und schwerste Bauarbeiten und am Schluss warteten unsägliche Foltern, Hunger und das Massengrab. Alles gesetzlich legitimiert, versteht sich - auch das war schließlich Deutschland.

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Der Diktator



[Prophetische Zeichnung von Albert Burkart [1898-1982], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 17.01.1927]

Mittwoch, 24. Juli 2013

Holocaustleugnung im griechischen Parlament: Die Faschisten legen nach


Am 6. Juni 2013 hat ein Abgeordneter des griechischen Parlaments, Mitglied der neofaschistischen Partei "Goldene Morgendämmerung", den Völkermord an den Juden geleugnet. Der Komponist Mikis Theodorakis reagierte darauf mit einem Text, der am 12. Juni 2013 zunächst in der griechischen Tageszeitung Ta Nea veröffentlicht worden ist.

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Anmerkung: In jungen Jahren habe ich die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel besucht – das hat mich damals so dermaßen erschüttert und tief berührt, dass es bis heute nachwirkt. Vielleicht sollte man Menschen wie diesem griechischen Faschisten und anderen "Leugnern" ebenfalls einen Besuch dort nahelegen.

Für Yad Vashem gilt dasselbe wie das, was ein Reporter einmal über die heutige KZ-Gedenkstätte in Auschwitz gesagt hat (laut Gedächtnisprotokoll): "Niemand verlässt diese Gedenkstätte als derselbe Mensch, als der er gekommen ist."

Und jede/r, wirklich jede/r sollte die Dokumentation “Nacht und Nebel” von Alain Resnais (aus dem Jahr 1955), mit Texten von Jean Cayrol, übersetzt von Paul Celan, und Musik von Hanns Eisler, gesehen haben. Der Schlusskomentar aus dieser Doku lautet wie folgt:

"Wer von uns wacht hier und warnt uns, wenn die neuen Henker kommen? Haben sie wirklich ein anderes Gesicht als wir? Irgendwo gibt es noch Kapos, die Glück hatten, Prominente, für die sich wieder Verwendung fand, Denunzianten, die unerkannt blieben; gibt es noch all jene, die nie daran glauben wollten – oder nur von Zeit zu Zeit.

Und es gibt uns, die wir beim Anblick dieser Trümmer aufrichtig glauben, der Rassenwahn sei für immer darunter begraben, uns, die wir dieses Bild entschwinden sehen und tun, als schöpften wir neue Hoffnung, als glaubten wir wirklich, dass all das nur EINER Zeit und nur EINEM Land angehört, uns, die wir vorbeisehen an den Dingen neben uns und nicht hören, dass der Schrei nicht verstummt."


Dienstag, 23. Juli 2013

Ernährung und der "Markt": Der Mensch als Müllhalde


In den Lebensmittelskandalen der letzten Monate wird nur auf besondere Weise sichtbar, wie der Nahrungsmittelmarkt im Spätkapitalismus funktioniert. (...)

Spätestens wenn die nächsten ekligen Schweinereien, die uns die Lebensmittelindustrie auftischt, infolge medialer Abnutzungseffekte keine größere Empörung mehr auslösen, werden wir anfangen, mit der permanenten Lebensmittelkrise als einer Normalität zu leben – bis wir an der schleichenden Vergiftung zugrunde gehen, der wir im Spätkapitalismus unausweichlich ausgesetzt sind. (...)

Welche Bedeutung der Verbraucherschutz für die derzeitige Bundesregierung hat, lässt sich etwa am Wahlkampfprogramm der CDU von 2005 ablesen, in dem die gänzliche Abschaffung der staatlichen Lebensmittelkontrollen gefordert wurde, um so die "Verantwortlichkeiten nicht zu verwischen" und die "Eigenmotivation" in der Branche aufrechtzuerhalten. (...)

Selbstverständlich sind landesweite oder internationale Lebensmittelskandale nicht neu; sie sind so alt wie die Lebensmittelindustrie, die seit den fünfziger Jahren die Landwirtschaft industrialisiert und entlang der Verwertungszwänge des Agrarkapitals transformiert hat. In der gegenwärtigen Systemkrise spitzen sich diese systemisch bedingten Defizite und Instabilitäten der kapitalistischen Agrarwirtschaft aber weiter zu, während die Sicherungssysteme erodieren.

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Anmerkung: Tomasz Konicz arbeitet in diesem exzellenten Artikel nachvollziehbar die systemisch bedingte (Un-)Logik des Kapitalismus' heraus, die zwangsweise in immer minderwertigeren, zunehmend auch ungenießbaren und gesundheitsgefährdenden - um nicht zu sagen: giftigen - Nahrungsmitteln enden muss. Anhand dieses Textes kann wirklich jeder verstehen, wieso Lebensmittelskandale keine Skandale, sondern systembedingte Selbstverständlichkeiten sind, die weder überraschen dürfen, noch im Rahmen dieses Systems tatsächlich und nachhaltig aus der Welt geschafft werden können.

Es ist so simpel wie uralt: Wer sich einigermaßen gesund und bewusst ernähren will, darf nicht im Kapitalismus leben - denn die dort angebotenen Produkte bieten im Rahmen des Systems immer nur das Minderwertigste an, das sich zu einem möglichst hohen Preis gerade noch verkaufen lässt. Dass dieses System - bei zudem kaum mehr stattfindenden staatlichen Kontrollen und lächerlichen Strafen im "Entdeckungsfalle" - nur allzu anfällig ist für kriminelle Machenschaften, wodurch Abfälle und Gifte in die Nahrung gemischt werden, kann nun nicht einmal mehr Vollidioten überraschen.

Auch der gesamte Bio-Wahn, der das Land durchzieht, ist denselben kapitalistischen Kriterien unterworfen. Auch bei "Bio" gilt im Kapitalismus: Setze als Anbieter so wenig Geld wie nur irgend möglich ein und kassiere so viel wie möglich. Dass dieses absurde Prinzip niemals zu einer guten, ausgewogenen, gesunden, ökologisch sinnvollen oder gar nachhaltigen Ernährung - vom Tierschutz will ich in diesem Zusammenhang besser gar nicht erst reden - einen Beitrag leisten kann, sollte doch auch dem letzten marktgläubigen Vollhorst noch einleuchten. Das marktwirtschaftliche Label "Bio" ist nichts weiter als das im Kapitalismus übliche "Premium"-Label, das (zum Teil erheblich) teurer ist als der Rest, im Grunde aber denselben Müll zum Inhalt hat wie das "Angebot" für das gemeine Volk. Dass dieses finanziell begründete Mehrklassensystem ohnehin aufs Schärfste zu verurteilen ist - das ist nun wirklich nicht auf Nahrungsmittel begrenzt -, steht auf einem anderen Blatt.

Wenn wir uns gesund und vernünftig ernähren wollen, müssen wir dieses groteske Wirtschaftssystem vollkommen auf den Kopf stellen - oder zu Selbstversorgern werden. Letzteres ist angesichts der vom Kapitalismus verursachten globalen Naturschädigungen aber so gut wie aussichtslos, denn der Dreck bleibt in der Nahrungskette und in der Umwelt, auch wenn wir selber zu Ziegenhirten, Fischern oder Gemüsebauern werden.

Auch aus dem Fiasko des Nahrungsmitteldrecks, der uns von diesen schmierigen Konzernen dargeboten wird, folgt also nur eines: Wir brauchen eine Revolution. - Im illustren Kontrast dazu dokumentiere ich hier mal einen Dialog, den ich anlässlich eines leider notwendigen Besuches in einem Supermarkt vor einigen Tagen mitbekommen habe:

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Person 1: Die Hühnerbrust ist ja heute im Angebot, da nehme ich mal ein paar mehr mit und friere die ein.
Person 2: Die gibt es doch auch eingefroren, wieso nehmen Sie denn die nicht, die ist doch billiger?
Person 1: Das ist doch viel frischer, wenn ich die selber einfriere! Und das ist auch viel gesünder, wissen Sie ...
Person 2: Ja, da haben Sie natürlich recht.

(Ich stand daneben, glotzte wie eine explodierende Supernova und dachte: "Herr, auch wenn es dich nicht gibt, warum erlöst du mich nicht aus diesem endlosen, sinnfreien Elend?", dann kaufte ich drei Flaschen Billig-Korn und versank im hirnlosen Nirwana - also in der Alltagswelt dieses Landes.)

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Die hohen Preise


"Lasst die Fliege nicht aus dem Zimmer, Kinner! Se hat Kunsthonig an die Beene!"

(Zeichnung von Rudolf Grieß [1863-1949], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 01.10.1920)

Sonntag, 21. Juli 2013

Zitat des Tages: Ein Monster, eine Drecksau, eine Schande fürs Universum


Die alte Frage, ob der Mensch gut sei oder schlecht, lässt sich mindestens insoweit beantworten, als er unter dem Regime von Haben und Nichthaben, von Macht und Ohnmacht dazu neigt, ein Monster, eine Drecksau, eine Schande fürs Universum zu sein.

(Stefan Gärtner in seiner aktuellen Kolumne in der Titanic Online: "Eigentum vernichtet")

Anmerkung: Wie immer hat der Gärtner sich hier selbst übertroffen und einen Text verfasst, der tief, ganz tief unter die Haut geht. Er zitiert dabei aus einer Reportage aus dem Magazin der Süddeutschen ("Im Reich des Todes" von Michael Obert, aus Heft 29), die online leider (noch?) nicht frei verfügbar ist. Sollte der Text in den nächsten Tagen oder Wochen doch noch freigeschaltet werden, solltet ihr ihn unbedingt lesen. Die Passagen, die Gärtner zitiert hat, haben mein Blut gefrieren lassen - und das trotz der ekeligen Hitze zur Zeit.