Freitag, 13. Oktober 2017

Die AfD und der Dietrich


Für all diejenigen, die vielleicht nicht wissen, um welche Person es hier geht – so etwas soll es ja leider geben –, sei angemerkt: Dietrich Bonhoeffer war "am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. (...) / Etwa ab 1938 schloss er sich dem Widerstand um Wilhelm Franz Canaris an. 1940 erhielt er Redeverbot und 1941 Schreibverbot. Am 5. April 1943 wurde er verhaftet und zwei Jahre später [nur wenige Tage vor dem Ende des Nazi-Terrors, Anm.d.Verf.] auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, hingerichtet."

Kürzlich war nun beim WDR anlässlich einer eher informationsarmen Kurzmeldung ganz am Rande und daher von vielen wohl unbemerkt die folgende, unkommentierte Bemerkung zu lesen:

Am kommenden Wochenende veranstaltet die AfD ihren Landesparteitag in der Schulaula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Wiehl [NRW].

Welch eine Ungeheuerlichkeit in einem solchen lapidaren Satz steckt, muss ich eigentlich nicht näher erläutern, tue es aber gleichwohl: Was zur kochenden Hölle hat ein Landesparteitag in der Schulaula eines Gymnasiums verloren? Und was denken sich die Verantwortlichen zu allem Überfluss der Idiotie dabei, ausgerechnet einer rechtsradikalen Partei Zugang zu einer Schule, die einen solchen Namen trägt, zu gewähren? Befinden sich in diesem Land inzwischen denn nur noch Irre in "führenden Entscheiderpositionen" – sogar auf Kreisebene in der Provinz?


(Zeichnung von Hauck & Bauer, in: Titanic Online vom 09.10.2017)

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Die Reichen und die Superreichen


Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Wer am letzten Samstag, d. 07.10.2017, Lotto gespielt und sechs Richtige mit Superzahl hatte, konnte einen Gewinn in Höhe von 8,5 Millionen Euro einstreichen, sofern der Betrag nicht mit anderen Teilnehmern der Lotterie geteilt werden musste. Aus Jux habe ich früher mal mit meiner Freundin darüber spekuliert, was man mit so viel Geld anstellen könnte, denn die Verantwortung für eine so große Summe ist enorm.

Zwei Millionen Euro gingen sofort an eine Hilfsorganisation, die in Entwicklungsländern aktiv ist. Für meine Freundin wäre dies zudem die Möglichkeit, sofort mit der Erwerbsarbeit aufzuhören, die dann schlicht nicht mehr notwendig wäre. Ein schönes Haus kaufen (nicht bauen) und eventuell noch ein robustes Auto (kein SUV). Dann würde die Verwandschaft mit üppigen Beträgen ausgestattet. Das wäre es dann auch schon.

Fast doppelt so viel bekommen allerdings einige deutsche Profifußballer – und das nicht einmalig, sondern pro Jahr: Die Herren Thomas Müller, Robert Lewandowski und Manuel Neuer (alle Bayern München) erhalten für ihr Gekicke jeweils 15 Millionen Euro jährlich.

Nur mal so zur Veranschaulichung für Klein-Erna von den "Anonymen BWL-Abstinenzlern": Drei Millionen Euro hätten in 100-Euro-Scheinen ein Gewicht von 30 kg, 15 Millionen würden bereits 153 kg wiegen. Ohne SUV gibt es bei der Barauszahlung Probleme. Für 100 Millionen (0,1 Milliarden) bedarf es schon eines Tiefladers für das Gewicht von 1020 kg (1,02 t).

Zweifelsfrei zählen Menschen, die über mehrere Millionen Euro verfügen, zu den Reichen. Aber es gibt noch eine höhere Liga, nämlich die Superreichen. Das Manager Magazin (Sonderheft 10/2017, leider nicht online verfügbar) schreibt, dass sich die Zahl deutscher Milliardäre von 2009 bis heute von 99 auf 187 vergrößert hat. Selbstverständlich nur durch "harte Arbeit" (Schulz). Eine Milliarde, das sind 1.000 Millionen. In der Aufzählung werden auch diejenigen genannt, die ein beträchtliches Vermögen (inklusive Immobilien, Privatjets, Luxusjachten etc.) unterhalb der Milliardengrenze besitzen. An letzter Stelle – auf Platz 1.001 – liegt Thomas Gottschalk mit 90 Millionen Euro. [Anm.v.Charlie: Letzteres wird insbesondere all die Menschen sehr erfreuen, bei denen der "Gebührenservice" der öffentlich-rechtlichen Sender die Zwangsvollstreckung betreibt – und das werden immer mehr.]

Die Familie Quandt/Klatten (BMW) wurde mit 31,5 Milliarden auf Platz 2 verdrängt. Platz 3 belegt Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland) mit 22 Milliarden. Die Familien der Gebrüder Albrecht (ALDI Nord und Süd) liegen auf den Rängen 5 und 6 mit 21,5 und 18 Milliarden Euro. Es folgt eine von mir willkürlich gelistete Auswahl:

  • Familie August von Fink (Mövenpick, Degussa): 5,4 Milliarden
  • Familie Günter Fielmann (Brillen): 4,5 Milliarden
  • Familie Heinrich Deichmann (Schuhe): 4,4 Milliarden
  • Familie Haub (Tengelmann-Gruppe): 4,2 Milliarden
  • Familien Werner und Lehmann (dm-Drogeriemärkte): 3,7 Milliarden
  • Familie Mohn (Bertelsmann): 3,2 Milliarden
  • Theo Müller (Müller-Milch): 3 Milliarden
  • Erich und Helga Kellerhals (Saturn, Media-Markt): 3 Milliarden
  • Bernard G. Brodermann (Asklepios-Kliniken): 2,5 Milliarden
  • Familie Mittelstein-Scheid (Vorwerk Staubsauger und Haushaltsgeräte): 2,5 Milliarden
  • Familie Schadeberg (Krombacher-Brauerei): 2,1 Milliarden
  • Michael und Reiner Schmidt-Ruthenbeck (Metro-Kette): 1,8 Milliarden
  • Clemens, Maximilian und Robert Tönnies (Fleischverarbeitung): zweimal 1,3 Milliarden
  • Florian Rehm, Christina Flügel, Andreas Kreuter (Jägermeister): 1,2 Milliarden

In der 2. Liga – also unterhalb der Milliardengrenze – lese ich dann Namen wie Dieter Bohlen, Phillip Lahm, Dirk Nowitzki, Sebastian Vettel, Michael Schumacher, Til Schweiger, Carsten Maschmeyer, Susanne Veltins (Bier), Familie Heinz Gries (de Beukelaer), Werner Brombach (Erdinger-Brauerei), Christian Rauffuss (Rügenwalder), Rubin Ritter (Zalando) und Steffi Graf, die allesamt jeweils ein Vermögen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages besitzen.

Auffällig ist, dass mit den Namen oftmals keine Verbindung zu den Produkt-Labels hergestellt werden kann – nur in wenigen Fällen ist der Familienname mit dem des Produkts identisch. Die Liste ist nebenbei auch ein Dokument dafür, dass viele dieser Herrschaften mit Genuss- und Lebensmitteln den ganz großen Reibach machen. [Anm.v.Charlie: Des weiteren ist die Häufung von Namen in jener "2. Liga" bemerkenswert, die aus dem Spocht- und flachesten Unterhaltungs-Segment stammen.]

Weshalb diese elitäre Blase des Klassenfeindes vermutlich jede Menge Lobbyisten am Start hat, um zu verhindern, dass die Erbschaftssteuer zu ihren Lasten reformiert oder eine Vermögenssteuer eingeführt wird, dürfte einleuchten.

---

Preis Nebensache


"Kaufen wir! Mein Mann hat Daimler-Aktien – der wird das Kind schon schaukeln."

(Zeichnung von Otto Lendecke [1886-1918], in "Simplicissimus", Heft 01 vom 02.04.1918)

Montag, 9. Oktober 2017

Schlips-Borg-Nachrichten aus dem Paralleluniversum des sabbernden Irrsinns (6): Entwarnung


Am vergangenen Samstag war bei n-tv die hübsche Meldung zu lesen:

Auto fährt Fußgänger auf Bürgersteig an / Der Vorfall weckt böse Erinnerungen: In London erfasst ein Auto mehrere Fußgänger. Elf Menschen werden verletzt. Am Abend gibt die Polizei Entwarnung: Es war kein Terroranschlag.

Da atmen wir alle erleichtert auf: Es war nur ein herkömmlicher Unfall, wie er in der Welt alle paar Minuten irgendwo passiert, aber kein "Terroranschlag" – für die Verletzten ist das sicher ein feiner Trost. Merken diese Journalistendarsteller eigentlich selber noch, welchen Bockmist sie da in die Welt koten, oder ist ihnen der geschlossene Weltbildersatz dieser Bagage bereits in Leib und Blut übergegangen?

Bei aller Anteilnahme fällt mir angesichts solcher Meldungen nur noch lautes Gelächter ein, das den Sinn solcher "Nachrichten" noch weit überhöht. Wie man hier auf die völlig absurde Vokabel "Entwarnung" kommen kann, erschließt sich wohl nur einem fleißigen Jünger der Orwell'schen Zukunftsphilosopie (BWL-StudentIn und angrenzender Religionen). Welchen Unterschied macht es doch gleich aus, ob dieser Unfall von einem besoffenen Spießer, einem zurückgewiesenen Verliebten, einem Islamisten, einem AfD-Anhänger, einem bösen Zufall oder einem unfähigen Autofahrer verursacht wurde? Na?

Die Hauptsache für unsere "objektiven" Massenmedien scheint zu sein, dass es sich wohl nicht um einen "Islamisten" handelt. Dann ist nun alles gut und im grünen Bereich und es kann "Entwarnung" gegeben werden. Mein Gehirn schrumpft beim Lesen solcher Meldungen ganz von selbst und erklärt sich dazu: "Wenn ich gar nicht gebraucht werde, gehe ich doch lieber ins Exil zum Dummerich, während er Lapuentes kleinen Schrumpelsack krault und gewohnt dümmlich vor sich hin blubbert. Was soll ich hier?"

Wer zählt eigentlich die Menschen, die von ebenjener "freiheitlich-demokratischen" Bande kontinuierlich und zunehmend verletzt oder ermordet werden, beispielsweise in Griechenland oder in Afrika? Sind jene Polithuren, die dafür verantwortlich sind, denn nicht viel eher TerroristInnen?

Ich kann aber Entwarnung geben: Die Doofheit ist nicht auf dem Vormarsch in Kapitalistan – sie ist vielmehr seit jeher in Beton gegossene Grundvoraussetzung, damit ein solches System überhaupt Triumphe feiern kann, ohne auf der Stelle revolutionäre Zustände zu verursachen. Es ist also alles beim Alten in dieser verfallenden, einstmals schönen Welt. Ich wünsche einen fröhlichen, bunten Untergang.

---

Rote Parabel



(Gemälde von Hans Hofmann [1880-1966] aus dem Jahr 1964, Öl auf Leinwand, Städel-Museum, Frankfurt a.M.)