Donnerstag, 10. Mai 2012

Zitat des Tages: Trübes Lied

[oder: Wohin soll man flüchten?]

Herr, wissen Sie einen Ort auf der Welt,
wohin Sie gern führen, wo's Ihnen gefällt?
Ich selbst muss die Frage verneinen:
ich weiß nämlich leider keinen -

Bei uns ist überall Elend und Not,
man redet, verleumdet und schießt sich tot;
statt Silberstreif-Horizonten
grün-rot-braun-eiserne Fronten!

In Amerika gibt's keinen Alkohol,
in Indien fühlt man sich auch nicht wohl,
und China und Japan bereiten
sich vor zu "großen Zeiten".

In Spanien ist immer noch Revolution,
in Polen hängt man dich auf als Spion -
und wo die Gewehre nicht knallen,
hört man die Währungen fallen.

Am liebsten führ' man nach Afrika,
doch leider sind nur noch Filmleute da,
die alles niedermähen,
um einen Kulturfilm zu drehen.

Auch die Südsee war schön. Doch gerade zur Zeit
treten dort Vulkane in Tätigkeit.
Weshalb ich abends oft bete:
Herr, schenk' uns die Mondrakete!

-- Na und? Dann wäre sofort der Mond
von Kapital-Flüchtlingen bewohnt
und man träfe am Ende der Mondfahrt
womöglich grad Herrn von Gontard -

Groß war die Welt und schön war die Welt,
bis der Mensch sie verkleinert und bös entstellt!
Man kann nur auf geistigen Gleisen
per Alkohol flüchtend verreisen ---

(Karl Kinndt alias Reinhard Koester [1885-1956], in "Simplicissimus", Heft 45 vom 08.02.1932)

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Nur Optimismus bringt Rettung!


"Ewig bleibt es ja nicht Winter; sobald das Eis schmilzt, kann ich wieder schwimmen."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 42 vom 15.01.1933)

Die Schweiz zieht nach: Das Virus der Gier kennt keine Grenzen

Gierige neigen zur Idiotie

Reiche in diesem Land ziehen derzeit Millionen steuerfrei aus Unternehmen – der Unternehmenssteuerreform II sei Dank. Die von Bundesrat Hans-Rudolf Merz vorangetriebene und vom Parlament und den belogenen StimmbürgerInnen knapp abgesegnete "Reform" entzieht Bund, Kantonen und Gemeinden in den nächsten Jahren Steuern in Milliardenhöhe und Jahr für Jahr AHV-Beiträge im hohen dreistelligen Millionenbereich. Mit unabsehbaren Folgen. (...)

Das verfassungsrechtliche Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit wird zur Farce. Während Bund und Kantone den Unternehmen unter dem Titel "Wirtschaftsförderung" Steuerrabatte in Milliardenhöhe gewähren und systematisch Steuergeschenke verteilen, verlieren Menschen mit unteren und mittleren Einkommen an Kaufkraft, den RentnerInnen muten die bürgerlichen PolitikerInnen Rentensenkungen zu (gegen den Verfassungsauftrag), und die Lohnentwicklung hinkt seit Jahren eklatant den Produktivitätszuwächsen hinterher. Die Einkommens- und Vermögensschere öffnet sich weiter. Die Mehrheit der gewählten VolksvertreterInnen betreibt also eine Steuerpolitik gegen die eigene Bevölkerung, die längst nicht mehr angemessen am Wirtschaftswachstum partizipiert. Sie soll froh sein, wenn sie überhaupt Arbeit hat.

Was das heisst, zeigt ein Blick zum nördlichen Nachbarn: Trotz boomender Wirtschaft können acht Millionen Deutsche nicht von ihrem Einkommen leben. Sie heissen Mini- und Ein-Euro-Jobber. Die Sprache sagt alles. Aber immerhin haben sie Arbeit. Von der sie allerdings nicht leben können. Toll. Wenn sich Arbeit in einem reichen Land nicht mehr lohnt, sollte man sie verweigern. Den Dreck wegräumen, die Büros putzen, die Kinder hüten und so weiter – sollen es doch die Topshots selbst erledigen.

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Anmerkung: Dies ist mal wieder ein treffender, prägnanter Artikel der WOZ, der in wenigen Absätzen die völlig irrsinnige, leider aber ungebrochen wütende neoliberale Ideologie demontiert.

Die Schweiz ist im Übrigen ein guter Indikator für die katastrophale Entwicklung der sozialen Lage in Deutschland: Noch vor 10, 15 Jahren galt die Schweiz hierzulande als wenig erstrebenswertes Ziel für gut qualifizierte Menschen, die eine Arbeitsstelle suchten - die Löhne waren zwar durchaus angemessen hoch, die rechtliche Absicherung jedoch war weniger ausgeprägt als in Deutschland. Heute hat sich das völlig verändert - die Zahl der deutschen Arbeitsemigranten in der Schweiz ist seit dem Beginn der neoliberalen Zerstörungen durch Rot-Grün sprunghaft angestiegen. Das Lohnniveau liegt heute in der Schweiz deutlich über dem deutschen, und die rechtliche Absicherung in Deutschland ist dank Leiharbeit, befristeter Stellen und natürlich des Hartz-Terrors für ganze Bevölkerungsteile nicht mehr wirksam.

Mit etwas Verspätung zeigt die global angelegte neoliberale Abwärtsspirale des elitären Gesindels nun auch in der Schweiz ihre Wirkung - und auch dort wiederholt sich nun das altbekannte Spiel des begleitenden medialen Propagandafeuerwerks, das zum Ziel hat, die Menschen für dumm zu verkaufen und ihnen diese Zerstörungen als "alternativlos" und "gut" ins Hirn zu hämmern.

Es ist wunderbar, dass die WOZ nun dazu aufruft, nicht angemessen bezahlte Arbeit schlichtweg zu verweigern. In der Schweiz mag das (noch) möglich sein - wer das aber heute in Deutschland versucht, wird konsequent und knallhart (und grundgesetzwidrig) mit dem Entzug der Existenzberechtigung staatlich sanktioniert. Die Bürger der Schweiz sollten also ganz genau auf den Nachbarn nach Norden schauen, damit ihnen ein solcher staatlicher Terror erspart bleibt.

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Die Zukunft Europas


"Wenn niemand mehr etwas anzuziehen hat, ist das dann das Paradies?"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 21 vom 18.08.1920)

Dienstag, 8. Mai 2012

Der Freitod der SPD, oder: Asoziale leben besser

Seit Jahren gibt es eine stattliche politische Mehrheit {jenseits] der CDU. Doch diese Mehrheit kann nicht wirksam werden. Denn die Opposition hat sich dummerweise vierteilen lassen.

Die SPD, das muss man sagen, ist hart im Geben: Ende der siebziger Jahre schenkte sie uns die Grünen. Die wollten damals eine andere Friedens- und Umweltpolitik als Helmut Schmidt. Zu Anfang des Jahrtausends schenkte uns die SPD dann die Linken. Die wollten eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik als Gerhard Schröder. Die Grünen (als ehemalige Koalitionspartner von Gerhard Schröder) schenkten uns schließlich die Piraten. Die wollen ein anderes demokratisches Verfahren. / Von der guten alten Tante SPD blieb ein Torso: zementhart und innovationsresistent.

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Anmerkung: Dieser kleine Text ist schlecht geschrieben und erzählt uns nichts Neues, dient aber gerne als willkommener Anlass für einige Worte zur SPD, die ich schon lange loswerden wollte. Dieser asoziale Verein rund um Steinmeier, Gabriel, Nahles & Co. sollte seit mehr als einem Jahrzehnt kleinlaut und mit Eselsmütze in der Schamecke stehen und sich kleinlaut darüber wundern, wieso er noch immer nicht auf dem Ramsch-Niveau der FDP angekommen ist. Was Helmut Kohl gemeinsam mit der FDP in 16 Jahren nur zaghaft begonnen hatte, haben SPD in Grüne nach 1998 zur perversen Vollendung geführt: Die bewusst geplante, kontrollierte Zerstörüng des Sozialstaates, die gewollte Verarmung der Bevölkerung und die gnadenlose Mästung des Superreichtums.

Die "Opposition" hat sich keineswegs vierteilen lassen, wie der Autor des verlinkten Beitrags meint - diese "Opposition" ist schlichtweg keine Opposition. SPD und Grüne haben nachhaltig und eindrucksvoll bewiesen, dass sie in Regierungsverantwortung genau das tun, was man von der Union und der FDP (oder wahlweise anderen rechtsextremen Parteien) erwartet, und seit der unseligen Schröder/Fischer-Regierung und den anschließenden Jahren der bleiernen großen Koalition hat sich nicht das Geringste an diesen Tatsachen und diesen Parteien verändert. Nur ein Beispiel aus einer fast unendlichen Reihe: Kürzlich sah ich irgendwo im Netz ein aktuelles Wahlplakat der NRW-SPD, das mit einem vermeintlichen Erfolg aufzutrumpfen versuchte: "Studiengebühren abgeschafft!" stand da in großen Lettern zu lesen. Glauben diese Clowns denn wirklich, dass sich niemand daran erinnert, dass eben jene Studiengebühren auf Bundesebene von der SPD extrem forciert und schließlich ermöglicht worden sind? Wieviel Orwell mutet diese Bande den Menschen noch zu? Das SPD-Geschwurbel und -Lamentieren für Studiengebühren ist noch nicht ganz kalt, und schon will uns die SPD erzählen, dass die Abschaffung dieser asozialen Gebühren in NRW ein Verdienst der SPD sei?

Es gab vor ein paar Jahren mal einen SPD-Superminister in Berlin, der zuvor nicht gewählter, sondern nur "nachgerückter" Ministerpräsident in NRW gewesen war und dessen Name sich entfernt auf "Demenz" reimt. Dieser feine Herr Clement fand, dass Leiharbeit eine tolle Sache ist, ebnete ihr den Weg und deformierte das Arbeitsrecht entsprechend, so dass massenweise Menschen aus gesicherten, halbwegs angemessen bezahlten Jobs ins unsichere Prekariat der Leiharbeit entlassen wurden. Parallel dazu ließ er sein Superministerium in altfaschistischer Tradition verkünden, dass Arbeitslose "Parasiten" seien - und kurze Zeit später, als sein Superministerium wieder aufgelöst war, fand er die SPD und die Politik nicht mehr so toll und verließ beide, um fortan im Aufsichtsrat eines der größten Leiharbeitsunternehmen sein karges Dasein zu fristen bzw. sich ein luxuriöses Leben zu ergaunern. So etwas nennt man in "Unrechtsstaaten" Korruption und Faschismus. Sein ehemaliger SPD-Chef Schröder und der grüne Kollege Fischer haben es nicht anders gemacht - und diese drei stehen nur stellvertretend für ein ganzes Heer von rot-grünen Seitenwechslern, die ehemals "die Interessen des Volkes vertreten" und heute nur noch ihre eigenen finanziellen Interessen im Sinn haben. Eine kleine (unvollständige) Liste dieser sauberen Herr- und Frauschaften findet sich bei Lobbypedia.

Die SPD hat allerspätestens seit der Agenda 2010, die sie nach wie vor befürwortet, bewiesen, dass sie weder für soziale, noch für demokratische und erst recht nicht für sozialdemokratische Politik steht. Diese Partei ist nichts weiter als ein verlängerter Arm des Kapitals, der sich in nichts von den asozialen Zerstörern der Union und der FDP unterscheidet. Wer SPD oder Grüne wählt, der wählt nicht "links" - auch wenn er das vielleicht wollte. Man muss sich doch nur ansehen, was diese Clowns tun, wenn man ihnen die Macht gibt - diese "Parteienlandschaft" rechter Parteien ist nichts weiter als ein hochalbernes neoliberales Affentheater, das nichts mit Meinungsvielfalt, dafür umso mehr mit Diktatur gemein hat.

Und erneut überrascht es wohl niemanden, dass auch diese opportunistische, korrupte Rolle der SPD keine neue ist.

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Not bricht Grundsätze

[oder: Die SPD einst und jetzt]


"SPD einst: 'Nieder mit Kapital, Thron und Altar!'"
"SPD jetzt: 'Hilfe, unser Kapital und die Kirche sind in Gefahr!'"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 07.09.1931)

Italien: Wenn der Kapitalismus wütet

Die zehn reichsten Italiener besitzen so viel wie ärmsten drei Millionen, geht aus einer neuen Studie der italienischen Notenbank hervor. Die zehn reichsten Menschen des Landes, angeführt vom Chef des Süßwarenproduzenten Ferrero, Michele Ferrero - Hersteller des weltbekannten Schokoladen-Aufstrichs Nutella - besitzen insgesamt ein Vermögen von 50 Milliarden Euro. (...)

Platz zwei in der Liste der reichsten Italiener besetzt der Gründer des weltweit größten Brillenkonzerns Luxottica, Leonardo Del Vecchio, mit 8,6 Milliarden Euro Vermögen. Auf Platz drei schaffte es laut einer Forbes-Studie der Modepapst Giorgio Armani, gefolgt von seiner Kollegin Miuccia Prada und dem italienischen TV-Tycoon und Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Unter den Top Ten der zehn reichsten Italiener sind auch Pradas Ehemann Patrizio Bertelli, der Chemiekönig Stefano Pessina, gefolgt von Carlo, Giuliana, Gilberto und Luciano Benetton, Gründer der gleichnamigen Modegruppe. Auf Platz zehn schaffte es der Gründer und Chef des Schuhkonzerns Geox, Mario Moretti Polegato.

(Weiterlesen)

Anmerkung: In diesem kurzen Artikel aus Österreich wird das Gesindel endlich einmal beim Namen genannt und ins Licht der Öffentlichkeit gerückt - ein Umstand, der in deutschen Mainstreammedien bezüglich des bei uns heimischen Superreichtums nahezu nicht stattfindet. Es ist allerdings davon auszugehen, dass ein solcher Bericht in Deutschland nicht einmal für große Aufregung sorgen, sondern bei vielen Menschen eher Neid auslösen würde - denn den Kapitalismus findet der gemeine Michel ja bekanntlich super, während der Sozialismus dem Fegefeuer gleichzusetzen ist. - Ob der Standard auch österreichische Milliardäre genauso offen beim Namen nennt, ist mir hingegen unbekannt.

Interessant sind auch einige der Kommentare unter dem Text, die sich nach meinem Empfinden doch deutlich von dem neoliberalen, nachgeplapperten Propaganda-Blabla unterscheiden, das sich so oft unter Artikeln der deutschen Mainstreampresse findet. Eine Kostprobe eines Kommentators namens NONE:

"Es wird Zeit für eine Umverteilung. / So geht es nicht weiter. / Virtuelles Geld (Schulden) wird dem Gros der Menschen aufgezwungen von Goldman sucks Verrätern, aber Reiche werden noch reicher? / Das geht so einfach nicht mehr weiter. / Die Revolution wird kommen. / Lieber gemeinsam arm, als ein paar reiche Verräter."

Da geht einem doch das Herz auf - und gleichzeitig steigt der Blutdruck immens, wenn man im gleichen Atemzug an die steigenden Wahlerfolge der Faschisten in ganz Europa denkt.

Aber zurück zu Italien: Für die im Text erwähnte extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit hätte der ebenfalls zum superreichen Gesindel gehörende Mafia-Boss Berlusconi sicher eine angemessene Lösung - jedenfalls solange es sich um weibliche Jugendliche mit großer Oberweite und einer extrem hohen Ekelgrenze bzw. entsprechend großen materiellen Not handelt. Es gibt Dinge, die man sich aufgrund ihrer Widerwärtigkeit einfach nicht vorstellen will - und dennoch sind sie alltäglich. Ich muss mich dem Standard-Kommentator anschließen: Das geht so tatsächlich nicht mehr weiter - jedenfalls nicht mehr allzu lange. Die Frage der Fragen ist bloß, welche Art der Revolution sich anschließen wird. Momentan sehe ich da nichts als Schwärze - es sind nirgends irgendwelche Anzeichen zu erkennen, dass die Entwicklung diesmal in anderen Bahnen verlaufen wird als vor 80 Jahren.

Wenn der Kapitalismus wütet, macht er keine Gefangenen - auch dann nicht, wenn das Ende längst absehbar ist. Es wird "geschossen bis zum letzten Mann". Und wenn danach wieder alles in Trümmern liegt, fängt man wieder von vorne an und baut alles langsam wieder auf - die Wirtschaft "floriert" erneut und die von oben herabfallenden Brotkrümel werden als neues "Wirtschaftswunder" religiös gefeiert, während das superreiche Pack hinter den Kulissen immer noch die Champagnerkorken knallen und die verbliebenen Massen weiter für sich schuften lässt.

In Ewigkeit. Amen.

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[Der dicke Kapitalist]


"Tja - große Gewinne erfordern kleine Opfer!"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 7 vom 12.05.1920)

Zweite Anmerkung: Mehr über Karl Arnold, der auch zu den Verrätern gehörte, die ab 1933 die Seiten gewechselt und den Nazi-Terror mitgetragen haben, kann man hier lesen.