Samstag, 24. März 2012

Fateless






Anmerkung: Dieser Film, der erstaunlicher Weise komplett in deutscher Synchronisation auf youtube verfügbar ist, ist von deutschen Kritikern überwiegend verrissen worden. In anderen Ländern - u.A. in Ungarn und in den USA - ist er weitaus positiver aufgenommen worden.

Macht Euch selbst ein Bild und schaut ihn Euch an: Erzählt wird die Geschichte eines 14jährigen jüdischen Jungen aus Budapest, der 1943 in die furchtbaren Mühlen der Nazi-Maschinerie gerät und eine Odyssee durch mehrere Konzentrationslager durchleben muss. Dabei wird konsequent die filmische Sicht aus eben der Perspektive dieses Jungen beibehalten - man sieht also wenige Täter in diesem Film, dafür umso mehr die wahrgenommenen Opfer und die ganz subjektiven Auswirkungen dieses Terrors auf diesen jungen Menschen.

Bei aller Kritik, die ich teilweise teile und die sich vornehmlich auf die technische Umsetzung dieses schwierigen Stoffes, der auf dem "Roman eines Schicksallosen" des Literaturnobelpreisträgers Imre Kertész basiert, bezieht, finde ich doch, dass dieser Film sehr sehenswert ist und einen recht "anschaulichen" Einblick in den grauenhaften Alltag eines Konzentrationslagers und in die Auswirkungen des Faschismus gibt.

Heute sind wir dieser scheinbar so weit entfernten Zeit näher als mancher glauben mag. Es ist schon ein groteskes Szenario, dass ausgerechnet in Ungarn, dem Heimatland des Protagonisten des Films, heute ein autoritäres, rechtspopulistisches Regime am Ruder ist. Auch in Ungarn - wie im Rest der Welt - hat man nichts aus der Vergangenheit gelernt.

Staatlich geförderte Ausbeutung in Gefängnissen

Deutschlands Gefängnisse erweisen sich immer mehr als verlängerte Werkbank für das verarbeitende Gewerbe. Wie das Wirtschaftsmagazin impulse (...) berichtet, können allein in Bayern Unternehmen an 37 Standorten auf insgesamt 90.000 qm Produktionsfläche zurückgreifen, beispielsweise um Produktionspitzen bei gleichbleibend hoher Qualität und mit Tageslöhnen zwischen 8,51 bis 14,18 Euro zu günstigen Kosten abzufedern.

Bayerns Strafanstalten sollen laut impulse pro Jahr mit solchen Geschäften bereits rund 45 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Besonders gut im Geschäft ist das zweitgrößte Gefängnis Bayerns in Straubing, das allein rund sieben Millionen Euro umsetzt. Für den Triebwerkshersteller MTU arbeiten dort rund 100 Insassen der Justizvollzugsanstalt. MTU-Werksleiter Karl-Heinz Bischoff sagte gegenüber impulse: "Es beeindruckt mich immer wieder, mit welcher Begeisterung hier für 1,80 Euro die Stunde gearbeitet wird."

Regierungsamtsrat Gunther Zettl will das Straubinger Gefängnis zur Top-Adresse für die Wirtschaft machen und damit gleichzeitig den Durchbruch zur Vollbeschäftigung schaffen. Die Auftraggeber schätzten den Mix aus Niedriglöhnen und hoher Qualität. Oft sei die Qualität der Produkte besser als im Billiglohn-Ausland, was Unternehmen dazu veranlasse, Fertigung aus dem Ausland wieder zurück nach Deutschland zu holen.

(Quelle)

Anmerkung: Zwangsarbeit zu lächerlichen Billigstlöhnen gibt es also nicht nur für Hartz-Terror-Opfer in Deutschland - und wie gewohnt jubilieren die neoliberalen Menschenfeinde aus der Politik und Wirtschaft in den höchsten Tönen und können ihre Begeisterung kaum zügeln. Mir wird bei derartigen Meldungen so unglaublich schlecht, dass ich selbst nach zwei Wochen Fastenzeit noch einen 10-Liter-Eimer vollkotzen könnte.

Diese Bande macht nicht einmal mehr einen Hehl daraus, dass Zwangsarbeit bei möglichst gänzlich wegfallender Entlohnung das paradiesische Ziel ihrer feuchten Träume ist. Und wie dankbar und enthusiastisch die ausgebeuteten Zwangsarbeiter dann auch noch sind bzw. zu sein haben - da scheint der gemeine Schlips-Borg seine besten Orgasmen zu erleben!

Es ist immer wieder entblößend und entwaffnend, wie widerlich und asozial sich manche Menschen anderen Menschen gegenüber verhalten können. Jeder behaarte Affe verhält sich kultivierter und sozialer als diese raffgierige Bande, die neben Arbeitslosen und Behinderten ausgerechnet auch noch eingesperrte, ihrer Freiheit beraubte Menschen in einer so perfiden Art und Weise ausbeutet, sich damit rühmt und das sogar weiter ausbauen will.

Es bringt mich immer wieder um den Verstand, mit welcher Begeisterung hier abhängige Menschen, die sich nicht wehren können, konsequent ausgepresst werden. Man muss kein Prophet sein um zu erahnen, wieviel von den erwähnten 45 Millionen Euro Umsatz wohl bei den Eingesperrten, die eben dieses Geld erwirtschaftet haben, angekommen ist. Die fröhlichen Schlips-Borg verraten es uns.

Die Farce von Baku: Der Grand Prix in einer nicht maskierten Diktatur




  1. "Der Song Contest ist nicht einfach eine unpolitische Musikveranstaltung"

    Nachdem Roman Lob das Deutschland-Finale des Eurovision Song Contests (ESC) gewonnen hat und somit Deutschland am 26. Mai 2012 beim ESC in Baku vertreten wird, ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) alle Beteiligten auf, sich intensiv mit dem Gastgeberland Aserbaidschan auseinanderzusetzen und öffentlich Position zu den Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit dort zu beziehen.

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  2. Was hat der Eurovision Song Contest mit Lobbyismus zu tun? Viel, wenn er in Aserbaidschan stattfindet. Um sein Image im Vorfeld des Medienspektakels zu polieren, setzt das autoritäre Regime auf einen PR-Berater aus Deutschland, der Schlagzeilen wie "Menschenrechtsverletzungen" und "Einschränkungen der Pressefreiheit" mit der prosperierenden Wirtschaft und guten Investitionsmöglichkeiten ersetzen soll.

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Anmerkung: Noch hält sich die Berichterstattung über das alberne Schlager- und Pop-Event ja in überschaubaren Grenzen - das wird sich spätestens im Mai aber erfahrungsgemäß ändern. Ich gehe jede Wette ein, dass die unsäglichen Zustände in Aserbaidschan dabei nur eine kleine Nebenrolle spielen werden - und zwar je kleiner, desto mehr Erfolg der "deutsche Kandidat" dort hat. Sollte die deutsche Hupf- und Trällerdohle hingegen auf mittleren oder gar hinteren Plätzen landen, werden sich die üblichen Medien sicherlich vermehrt auf die plötzlich entdeckten "skandalösen Zustände" in jenem Land stürzen.

Im Filmbericht wird ja die Hoffnung einiger politischer Aktivisten und Bürgerrechtler aus Aserbaidschan formuliert, den Grand Prix dafür nutzen zu können, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die schlimmen Zustände in diesem Land zu lenken. Ich möchte diese Hoffnung nicht zerstören, auch wenn ich sie - insbesondere auf Deutschland bezogen - sehr skeptisch betrachte.

In jedem Falle sollten alle Zuschauer, die aus welchen Gründen auch immer diesen peinlichen, nichtssagenden Wettbewerb verfolgen möchten, stets im Hinterkopf behalten, welches Leid und Elend hinter der glitzernden und höchstwahrscheinlich perfekt inszenierten Show steht. Noch besser wäre aus meiner Sicht ein vollständiger Boykott dieser Veranstaltung, die ähnlich groteske Züge trägt wie die Olympischen Spiele 1936 im faschistischen Deutschland:

"Während die Sportler um Medaillen kämpften, errichteten Häftlinge vor den Toren Berlins ein KZ: Die Olympischen Spiele verschafften dem NS-Regime einen internationalen Triumph - dass alle Boykott-Aufrufe erfolglos blieben, verdankte Hitler ausgerechnet einem Amerikaner." (Weiterlesen)

Es versteht sich von selbst, dass heute ein Boykott des ESC von der neoliberalen Bande und den begleitenden Medien nicht einmal erwähnt oder gar diskutiert wird. In Aserbaidschan herrscht eine Diktatur? Hey, wen stört's, wenn der Rubel fleißig in die richtigen Taschen rollt!

Mittwoch, 21. März 2012

Bildung: Die dumme, geschlossene Gesellschaft der Mittelschicht




Anmerkung: So wichtig dieses Thema auch ist, so schlecht ist leider diese Dokumentation, die das Problem nicht wirklich beim Namen nennt und statt dessen gnadenlos verharmlost und in die Irre führt.

Die Beißreflexe der "Mittelschicht" richten sich groteskerweise ausnahmslos nach unten – dabei wäre es doch die Aufgabe gerade einer solchen Dokumentation, diesen Unsinn beim Namen zu nennen und die Zuschauer darauf hinzuweisen – wenn sie es selber noch nicht bemerkt haben
, dass der Angriff auf ihren "Status" nicht von Armen, sondern von sehr reichen Menschen erfolgt. Hier wird jedoch wieder einmal der völlig absurde Eindruck erweckt, dass der schöne Wohlstand der "Mittelschicht" irgendwie diffus von der "Unterschicht" bedroht wird, so dass die zu verzeichnende Abschottung dagegen irgendwie nachvollziehbar werden soll.

Die Wahrheit sieht indes anders aus. Die Superreichen führen Krieg gegen den Rest der Bevölkerung – und selbstverständlich sitzen die "Mittelschicht" und die "Unterschicht" im selben Boot und müssten sich dringend solidarisieren – was aber aufgrund solcher Propaganda, wie sie auch in diesem Film verbreitet wird, nicht geschieht.

Die wichtigste und einfachste Lösung dieses Problems wird auch nicht angesprochen: Ebenso wie im Gesundheits- und Rentensystem müsste es einfach verboten werden, private Parallelstrukturen zu schaffen. Wir brauchen keine privaten Krankenkassen, keine privaten Rentenversicherungen und keine privaten Schulen – das ist doch einfach grotesk. Wir brauchen stattdessen ein solidarisches System, aus dem sich niemand ausklinken kann – das hat einige Jahre relativ prächtig funktioniert, wurde in den letzten Jahrzehnten allerdings systematisch und gewollt zerstört.

Diesem Vollidioten, der im Film davon schwadroniert, dass ein "Wettbewerb" zwischen privaten und staatlichen Schulen ein Segen sei, möchte man doch unentwegt auf den hohlen Kopf schlagen. Was für ein Irrsinn. Eine der Ursachen der neoliberalen Katastrophe erklärt er zu ihrer Lösung.

Außerdem ist festzuhalten, dass das neoliberale Credo "gute Bildung bedeutet automatisch Wohlstand" heutzutage nichts weiter als eine Chimäre ist. Diese Zeiten sind lange vorbei – auch heute befinden sich schon Massen von Akademikern längst in den Mühlen der Hartz-Terror-Behörden. Und das wird weiter zunehmen. Die gesamte Ausgangslage der Doku ist also bereits Humbug. Die Probleme liegen nicht vornehmlich im Bereich der Bildung.

Wenn die "Mittelschicht" nicht endlich begreift, dass nicht die Armen im Land ihre Gegner sind, sondern die Superreichen, wird es gewaltig krachen – mit dem Ergebnis, dass auch die im Film vorgeführten Kinder des "Mittelstandes" am Hungertuch nagen und um ihre nackte Existenz kämpfen werden.

Das hatten wir alles schon einmal – damals lautete das Ergebnis: Nazi-Terror, Diktatur, 2. Weltkrieg. Wohin mag es diesmal führen? Die Aussichten sind alles andere als rosig.

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Die abgebauten Junglehrer


"Sie müssen Ihre Existenz dem Staatswohl opfern, meine Herren! Analphabeten lassen sich leichter regieren, und die Notverordnungen werden sowieso durch den Rundfunk bekannt gemacht."

(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 29 vom 19.10.1931)

Gauck: Der Prediger der verrohenden Mittelschicht

  1. Mit Christian Wulff hat sich die politische Klasse eines lästig geworden kleinbürgerlichen korrupten Aufsteigers entledigt, während die viel größeren Geschäftemacher der Parteien weiter ungestört ihren Interessen nachgehen können.

    Um die Peinlichkeit zu übertünchen, wurde nun Joachim Gauck, der Prediger für die verrohende Mittelschicht gerufen. Dass CDU/SPD/FDP und Grüne ihn gemeinsam aufstellen, verrät uns, dass uns noch mehr Sozialstaatszerstörung, noch mehr Kriege und noch weniger Demokratie drohen. Einen wie ihn holt man, um den Leuten die Ohren vollzuquatschen.

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  2. (...) Joachim Gauck startete seine Bühnenkarriere in der DDR zunächst nicht als politischer Kabarettist, sondern als Comedian. In Rostock debütierte der Künstler, der sich heute insbesondere die "Freiheit" auf die Buchfahne schreibt, in der satirischen Rolle eines protestantischen Pfarrers. Mit dieser Figur bewies Gauck großen Sinn für Ironie, denn Freiheit hat im Christentum nun einmal keine nennenswerte Tradition. Im Gegenteil stützte das Christentum jahrhundertelang Leibeigenschaft, Sklavenwesen, Monarchie, Unterdrückung der Frau, Zensur, Wissenschaftsfeindlichkeit, religiöse und weltanschauliche Intoleranz und jegliche Unterordnung des Individuums gegenüber Mächtigen. Wer Gerechtigkeit im Diesseits suchte, wurde von gut betuchten Pfaffen auf das Jenseits vertröstet. Kleriker allerdings genossen stets gewisse Freiheiten, insbesondere ökonomische - auch in der DDR, als deren "Insasse" sich der nie inhaftierte Gauck stilisiert.

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Anmerkung: Eigentlich ist zu Gauck und seiner überaus peinlichen und aussagekräftigen Nominierung und Wahl zum Bundespräsidenten bereits alles gesagt - ich sammle daher an dieser Stelle noch einige Texte, die ich in diesem Zusammenhang für besonders signifikant und wichtig halte - quasi als Gegenpol zur uneingeschränkt positiven Hofberichterstattung der üblichen Propagandamedien.

Jutta Ditfurth hat im ersten verlinkten Text das Wichtigste prägnant und kurz zusammengefasst. Der zweite Beitrag ist eine hübsche Glosse, die ebenfalls kaum Fragen offen lässt. Zusätzlich sei noch auf die folgenden Artikel hingewiesen:



Aber eigentlich hat Jutta Ditfurth, wie gesagt, alles Wesentliche bereits in ihren sechs kurzen Absätzen zum Ausdruck gebracht - viel mehr ist zu dieser Karikatur eines Staatsmannes im sektiererischen, opportunistischen Gewand kaum zu sagen. Hoffen wir, dass wir ihn ebenso schnell wieder los sind wie den vorherigen Kasper - angesichts seines biblischen Alters ist diese Hoffnung ja nicht gänzlich unbegründet.

Das Signal, das die neoliberale Bande mit diesem Grüßaugust ins Land und die Welt sendet, ist allerdings nichts weniger als ein fettes Ausrufezeichen hinter der längst erfolgten Kriegserklärung an die Bevölkerung.