Freitag, 27. August 2010

Du musst den Gürtel enger schnallen!

Die Kosten des Neoliberalismus: 50 Milliarden für Niedriglöhne

  1. Seit dem Start von Hartz IV haben die Steuerzahler weit über 50 Milliarden Euro ausgegeben, um Niedriglöhne aufzustocken. Dies geht aus Zahlen des Bundesarbeitsministeriums hervor, die der Frankfurter Rundschau vorliegen.

    Die Ausgaben für die Aufstocker steigen kontinuierlich, von acht Milliarden Euro in 2005 auf elf Milliarden Euro in 2009. Das entspricht der Summe, die die Bundesregierung mit dem Paket zur Einhaltung der Schuldenbremse einsparen möchte. Damit dient im Hartz-IV-System fast jeder dritte Euro dazu, niedrige Löhne aufzustocken, weil diese allein den Lebensunterhalt nicht sichern. 2005 hatte dieser Anteil noch bei einem Fünftel gelegen.

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  2. (...) Der Widerspruch zwischen der Ideologie vom "schlanken Staat" und der Wirklichkeit eines milliardenschweren Kostensenkungsprogramms für Firmen liegt zwar auf der Hand, und es läge nahe, die FDP einmal zu fragen, warum sie diese Subvention nicht abzubauen gedenkt. Aber Vorsicht: Dafür gäbe es zwei unterschiedliche Wege. Der eine bestünde darin, die Rückkehr zur menschenwürdigen Bezahlung von Arbeitnehmern durch Unternehmen zu erzwingen, etwa durch einen gesetzlichen Mindestlohn. Die andere läge darin, den Niedriglöhnern die Zuschüsse zu kürzen, also den Lebensstandard der Ärmeren noch weiter zu senken. Wofür sich unsere Regierung wohl entscheiden würde?

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Anmerkung: Die Beantwortung der obigen (rhetorischen) Frage fällt nicht schwer - die neoliberale Bande kennt schließlich nur einen Weg, und der führt für den Großteil der Menschen in diesem Land in die Armut.

Was mich aber, wie so oft, an diesen Artikeln (nicht nur) aus der Frankfurter Rundschau stört: Fast immer lesen sich die Texte so, als seien die erkannten und benannten Missstände und Probleme "versehentlich" entstanden, also quasi "handwerkliche Fehler" der Politik. Das ist grotesk - denn das Gegenteil ist der Fall: Diese Ergebnisse sind nicht zufällig oder versehentlich zu beklagen, sie sind genau so gewollt.

Auch das politische Theater der Grünen und der SPD - alle beide Urheber dieses staatlichen Verarmungs- und Unterdrückungsinstruments - wird vollkommen kritik- und kommentarlos von der Zeitung hingenommen. Statt dessen wird Schwarz-Gelb verhalten kritisiert - allerdings in einer so lauen Form, dass man als Leser dem Eindruck verfällt, hier werde ein ungezogenes Kind gescholten. Angesichts der Tragweite und Dringlichkeit des Themas ist es schlichtweg lächerlich, was die Frankfurter Rundschau hier bietet.

Über den "Kryptofaschismus"

(...) Faschistische Positionen werden heute hauptsächlich von Menschen vertreten, die jeden Faschismusvorwurf voller Entrüstung von sich weisen. Dabei handelt es sich durchaus nicht immer um taktische Tarnung. In der Mehrheit der Fälle scheint den Betroffenen der faschistische Charakter bestimmter Positionen tatsächlich nicht klar zu sein.

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Anmerkung: Der Begriff war mir bis heute unbekannt - allerdings erscheint er mir als sehr passend für die heutige Form des Faschismus, der wir in zunehmendem Maße immer wieder begegnen. Leider verliert sich der Autor des Artikels im weiteren Verlauf seines Textes vollkommen in einer Hetzjagd auf "Verschwörungstheoretiker" aller Art und versäumt es, darauf hinzuweisen, dass jener Kryptofaschismus uns vor allem dort ängstigen sollte, wo Macht ausgeübt wird - also in der Wirtschaft und in der Politik. Und dass er gerade dort regelrechte Blüten treibt, ist in vielerlei Hinsicht dokumentiert worden - zuletzt wieder vortrefflich bei ad sinistram:

"'Es war tabu, darüber zu reden, dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlieren, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt bringen', erklärt Thilo Sarrazin gelehrt. Er kann dergleichen ganz unbefangen von sich geben, völlig ungefährdet, dafür auch wirklich angefeindet zu werden. Was er da in die gesellschaftliche Mitte überführt, sind eugenische Positionen, die weder menschlich noch wissenschaftlich bestehen können; humangenetischer Aberwitz aus der Giftküche eines mit Halbwissen ausgerüsteten Snobs, der von Erbanlagen sicher schon mal gelesen, offensichtlich aber nicht alles davon verstanden hat."

Es ließen sich auch problemlos Äußerungen von Clement (ex-SPD), Merz (CDU), Metzger (ex-Grüner), Westerwelle (FDP) und vielen anderen Figuren aus den Medien, der Politik und Wirtschaft aufführen, die der kryptofaschistischen Definition entsprechen. Wieso der Autor es unterlässt, darauf hinzuweisen, wird sein Geheimnis bleiben.

Hartz IV: "Behandelt uns wie Strafentlassene!"

Arbeitslose fordert Gleichstellung mit Ex-Straftätern / Zum Problem des Existenzminimums bei Hartz-IV

(...) [Das] sogenannte "Existenzminimum" – der Mindestbetrag, der nach geltender Gesetzeslage im Rahmen der Hartz-IV-Regelungen sämtliche Bedürfnisse von Arbeitslosen in der Bundesrepublik abdecken soll – liegt bei 595 Euro pro Monat. So auch noch einmal vor kurzem bestätigt von der Bundesregierung in einer eigens dazu veröffentlichten Pressemitteilung. Demzufolge kann mit diesem Betrag von 595 Euro alles bezahlt werden, was ein erwachsener Erwerbsloser pro Monat für seine gesamten Lebensansprüche braucht: fürs Essen und Trinken, für Miete und Heizung, für Reparaturkosten und unvermeidliche Neuanschaffungen, für Praxisgebühr beim Hausarzt und Zuzahlungen zu Medikamenten, für sämtliche Kosten der Kommunikation, Verkehrsnutzung und täglichen Information. (...)

Der Lebensbedarf entlassener Straftäter, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe eine neue Arbeitsstelle finden und verpflichtet sind, davon die Schäden wiedergutzumachen, die sie im Zusammenhang mit ihren Delikten angerichtet haben, ist als pfändungsfreies Existenzminimum festgelegt worden auf sage und schreibe rund 990 Euro. Netto wohlgemerkt! Heißt: derselbe Staat, der bei der Bestimmung der sogenannten "Pfändungsfreigrenze" für ehemalige Straftäter von einem monatlichen Existenzminimum von rund 990 Euro ausgeht, hat das Existenzminimum für Menschen, die ohne jedes eigene Verschulden arbeitslos geworden sind, auf den Gesamtbetrag von rund 600 Euro runtergedrückt. Damit werden Straftäter bei der gesetzlich-regierungsamtlichen Bestimmung ihres Existenzminimums um rund 390 Euro netto pro Monat bzw. rund 67 Prozent bessergestellt als die Erwerbslosen in der Bundesrepublik.

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Anmerkung: Dem Autor habe ich nichts hinzuzufügen - bitte unbedingt lesen und vor allem jenen Kreisen näherbringen, die sich noch immer allzu weit vom Hartz-Terror entfernt fühlen.

Mittwoch, 25. August 2010

Angie - Quit Living on Dreams



(Via)

Medienmanipulationen: Dokumente aus Afghanistan

91.731 Dokumente (ich habe nicht nachgezählt) mit bis dahin geheimen Berichten der US-Armee über den Afghanistan-Krieg hat das Enthüllungsportal WikiLeaks ins Internet gestellt und an die Printmedien New York Times, Guardian (London) und Spiegel (Hamburg) durchgereicht. Ich hatte auch nicht den Mut, in diesen Bergen nach bisher unbekannten Einzelheiten des brutalen Neokolonialkriegs zu suchen, sondern habe mich hauptsächlich mit der Sekundärliteratur befasst und Reaktionen auf die Enthüllungen notiert.

Man sollte meinen, die Medien, die etwas auf sich halten, hätten sich nicht mit den Darstellungen dieser drei Blätter begnügt, sondern die Dokumente selbst auf Authentizität und Aussagekraft geprüft, um sich danach eigenständig äußern zu können. Weit gefehlt! Schon einen Tag nach der Veröffentlichung (...) urteilten sie – von ARD-Tagesschau und ZDF-heute bis Neue Züricher Zeitung – in jovialem Ton: Die Dokumentation enthalte "kaum Neues". Aufsehenerregend sei lediglich, dass die US-Armee "offenbar" von Spezialkommandos wie der Task Force 373 gezielt Taliban-Führer töten lasse. (...)

Die WikiLeaks-Dokumente belegen den knappen Nachrichten zufolge tausendfach: US- und ISAF-Soldaten, einschließlich Bundeswehr, bringen bei ihren rücksichtslosen Bombardements, verpfuschten Stoßtruppunternehmen, an ihren Kontrollposten im ganzen Land, bei Durchsuchungen von Häusern und Ortschaften sowie bei Gefechten mit Aufständischen noch viel mehr Zivilisten um, als bisher gelegentlich gemeldet. Sie verhöhnen hernach die Opfer, indem sie Lügen über die Vorfälle verbreiten. Die Dokumente belegen jetzt auch die Ermordung von Gefangenen, Entführungen, Folter, Plünderungen und die systematische Vertuschung der Verbrechen. Diese Nachrichten werden uns in einem Tonfall übermittelt, als sollten wir uns endlich an all das gewöhnt haben und uns spätestens seit dem vom deutschen Obristen Klein bei Kundus angeordneten Massaker darüber klar geworden sein, dass auch Deutschland die Verbrechen ungeahndet lässt.

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Anmerkung: Die Entrüstung des Autors ist verständlich - allerdings war das Verhalten der Presse vorhersehbar. Allein die erschlagende Fülle der Dokumente verhindert es schon, dass sich irgendwer "auf die Schnelle" einen Überblick verschaffen, geschweige denn, tiefgehende Analysen vornehmen könnte - ganz zu schweigen von der fehlenden Bereitschaft, das zu tun. Im schnelllebigen Geschäft der Systemmedien hat Nachhaltigkeit keinen Platz - bereits jetzt, einige Wochen nach der Veröffentlichung der Dokumente auf Wikileaks, spielen sie in der täglichen "Berichterstattung" keine Rolle mehr.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Wissenschaft dieser Dokumente annehmen und sie auswerten und analysieren wird. Das wird erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nehmen, aber das Ergebnis wird umso spannender sein.

Was wir aus dieser Geschichte aber ganz sicher lernen können, ist dies: Die geballte Medienmacht in Deutschland - von den öffentlich-rechtlichen Medien bis hin zu den Zeitungen und Magazinen - haben kein Interesse an einer kritischen Berichterstattung über Kriege, die Deutschland und andere Staaten führen. Die "Methoden der Kriegsführung" sollen den Menschen ebenso vorenthalten werden wie die Motive und Ziele und natürlich erst recht die Opfer. Der Autor formuliert das so - und diesem Absatz ist in all seiner Schwärze und Aussichtslosigkeit vollkommen zuzustimmen:

"Jedenfalls bewirkte die Dokumentation keinen Aufschrei, keine Massenproteste. Die Herrschenden scheinen alles im Griff zu haben. Nicht nur in den USA, auch hierzulande. Aktionen wie einst gegen den Vietnamkrieg, die weltweit Millionen Demonstranten auf die Straße und die USA schließlich in die Niederlage trieben, finden nicht statt. Infolge der medialen Verstrahlung des Publikums kann sich keine kämpferische Öffentlichkeit mehr formieren, die die regierenden Politiker in Washington und Berlin zum Einlenken zwingen könnte. Die Mediennutzer wurden zu passiven Verbrauchern verzogen, die sich, auch im Gespräch mit Freunden, Kollegen, Nachbarn, nicht mehr um Erkenntnis oder gemeinsame Einsicht oder gar um solidarisches Handeln bemühen. Vor der Glotze sitzend werden sie narkotisiert von Unterhaltungsangeboten, erschlagen vom täglichen Tsunami sinnloser Information und gezielter Desinformation."

Treffender könnte man das kaum schreiben.

Anti-Raucher-Hysterie: Es ist wie eine Sucht ...

(...) Nicht der Nichtraucherschutz steht im Focus, sondern ein großdimensioniertes Umerziehungsprogramm. Jeder, der schon einmal in so ein ebenso hasserfülltes wie selbstgerechtes Blockwart-Gesicht der gesundheitsschützenden Aktivisten blicken durfte, weiß das. (...)

Wenn es das allein wäre! Enthaltsamkeit, Askese – das könnte ja jeder so halten, wie er lustig oder, besser gesagt: unlustig ist. Die Angelegenheit ist ernster. Und um dies zu erkennen, muss man nicht links, und schon gar nicht Raucher sein. Martin Reim ist Nichtraucher und ein mit der Börse befasster Redakteur bei der Financial Times Deutschland. Er schrieb kürzlich: "Es gibt viele Dinge, die Fremden möglicherweise nicht gefallen. Körpergeruch. Gesichter, die den Schönheitsidealen widersprechen. Unansehnliche Kleidung ... Doch gerade beim Rauchen soll es die harte Nulllösung sein? Ordnungspolitisch sind solche chemisch reinen Reinigungen fragwürdig. Sie grenzen aus, anstatt die Vielfalt der Menschen zu berücksichtigen. Und gefährlich: Morgen könnten wir die Behinderten aus unserem Blickfeld verbannen, weil wir ihr Leid und ihre Unvollkommenheit nicht sehen wollen."

Oder: "Wenn wir das Gegenüber nur als potenzielle Bedrohung betrachten", so Reim, haben wir es mit einer "im Kern menschenfeindlichen Grundhaltung" zu tun. Die Gefahr bestehe weniger darin, am Qualm zu ersticken als an dieser Art von "politischer Korrektheit". Beziehungsweise Genussfeindlichkeit. Beziehungsweise Menschenfeindlichkeit.

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Anmerkung: Zu diesem Thema habe ich mich bereits hier und hier geäußert. Es ist erfreulich, dass immer mehr Menschen die Lust abhanden kommt, sich nur "in heiterer Form mit der reaktionären Reformhausideologie auseinanderzusetzen", wie der Autor des oben zitierten Artikels bemerkt.

Eine persönliche Anekdote dazu: Eine gute Freundin erzählte mir vor kurzem von einer unheimlichen Begegnung der dritten Art. Sie sei, erzählte sie, über das weitläufige Außengelände eines norddeutschen Klinikums - im Parkplatzbereich, wo jede Menge Autos standen und fuhren - geschlendert und habe dabei eine Zigarette geraucht. Während des entspannten Schlenderns im herrlichen Sonnenschein inmitten wohlig duftender Autoabgase habe sie ein Fremder, der offenbar zum technischen Personal des Klinikums gehörte, unvermittelt mit den unwirschen, vorwurfsvollen Worten bedacht: "He, Sie da - das hier ist Nichtraucher-Gelände!" - Wäre ich anwesend und schlagfertig genug gewesen, hätte ich sicherlich strammgestanden, "Jawoll, Herr Gauleiter!" gesagt und wäre fröhlich weiterrauchend meines Weges gegangen.

Manchmal bekommt man auch vom vielen Kopfschütteln Kopfschmerzen.

Dienstag, 24. August 2010

Lachnummer des Tages (11): Die Polizei auf der Datenautobahn



Anmerkung: Ob der Verfassungsschutz da schon weiter ist? ;-)

GEZ: Wir machen Millionäre

Es ist durchaus anzuerkennen, dass der Westdeutsche Rundfunk als erster [sic!] öffentlich-rechtlicher Sender die Gehälter seines Führungspersonals offengelegt hat, denn dass dies dem Gebührenzahler gegenüber bislang geheim gehalten wurde, ist schon ein starkes Stück. Wir alle zahlen in den Gebührentopf hinein, somit sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD und ZDF auch indirekt bei uns angestellt. Dennoch kein Wunder, dass diese Geheimniskrämerei betrieben wird, denn was der WDR da jetzt an Zahlen präsentiert hat, zieht einem die Schuhe aus: Allein WDR-Intendantin Monika Piel verdient 308.000 Euro im Jahr (plus eine Prämie für lange Betriebszugehörigkeit) – sie hat damit ein höheres Gehalt als unser Bundespräsident. Des weiteren gibt es noch fünf Direktoren, die auch nochmal um die 200.000 Euro Jahresgehalt kassieren. 2009 gingen allein zur Finanzierung dieser sechs WDR-Führungspersonen rund 1,4 Millionen Euro drauf.

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Anmerkung: In der Tat, angesichts dieser Zahlen rollen sich die Fußnägel elegant auf. Da zahlen wir doch gerne, auch erhöhte GEZ-Gebühren und freuen uns darüber, dass damit ein aufklärerisches, informatives, bildendes Fernsehprogramm gestaltet wird. Dass es sich bei den Öffentlich-Rechtlichen größtenteils nur noch um Propaganda- und Ruhigstellungs- bzw. Ablenkungsmedien handelt, sollte uns nicht weiter beunruhigen. Auch die Tatsache, dass aus den Gebühren die Millionen-Gehälter der Gottschalks und anderer Hampelmänner sowie die millionenschweren "Rechte" an Fußballübertragungen und ähnlichen Brot-und-Spiele-Veranstaltungen bezahlt werden, ist doch vollkommen normal in einer Bananenrepublik.

Da trifft es sich gut, dass die neoliberale Bande nun festgelegt hat, dass die GEZ-Gebühr künftig nicht mehr davon abhängt, ob tatsächlich Empfangsgeräte in einem Haushalt vorhanden sind - man kassiert einfach eine Gebühr von allen Haushalten und sichert den Damen und Herren Direktoren und den Hampelmännern und -frauen damit ihre Villen.

Also freuen wir uns doch und schalten gerne wieder ein, wenn es heißt: "Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe und amüsieren sich prächtig, während die Welt ringsum im Chaos zerfällt."


(Bild: fernsehkritik.tv)

Ursula von der Leyen und die religiösen Fanatiker

Der Kontakt zum Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP) gehört zur Familientradition, mit dem auch andere CDU-Größen in Kontakt stehen

Die religiöse Rechte scheint eine besondere Anziehungskraft auf Politiker auszuüben, die offensiv mit ihrem christlichen Glauben umgehen und versuchen, diesen in Politik, vor allem aber in Wählerstimmen umzusetzen. Ein gelegentlicher Auftritt am "äußerst rechten Rand" des Christentums kann die bibeltreuen Christen bei der nächsten Wahl gewogen stimmen, die restliche Bevölkerung wird diesen Ausflug zu den Fundamentalisten nicht bemerken, so scheint das Kalkül. So fand sich beispielsweise Christian Wulff im Kuratorium von ProChrist wieder (Wulff: Ein Missionar auf dem Weg nach Bellevue?), einem Missionierungsverein, der Experten wie der Journalistin und Theologin Kirsten Dietrich als fundamentalistisch gilt.

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Anmerkung: Dazu fällt mir vor lauter Haareraufen kaum etwas ein. Leute, die daran glauben, Homosexualität sei eine Krankheit oder tägliches Beten führe zu mehr Kindern, leiten die Geschicke dieses Landes ... und machen zeitgleich eine asoziale Reichenpolitik, die Millionen von Menschen verarmt und ihnen verächtlich ins Gesicht schlägt. Zudem führen sie Kriege, bauen eifrig am Überwachungsstaat und demontieren die Demokratie und das Grundgesetz. Und in ihrer Freizeit plaudern sie entspannt mit christlichen Fanatikern. Wäre ich religiös, käme da nur ein Fazit in Frage: Um Himmels Willen!!!

Leider bin ich nicht (mehr) religiös, so dass mir dazu wieder einmal nur einfällt: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht ..."

Australien: Die "Elite" treibt überall dasselbe Spiel

(...) In Australien dagegen haben die Bergwerksbesitzer gerade einen ebenso großen wie billigen Sieg davongetragen. Ihnen genügten sieben Millionen australische Dollar für eine Kampagne im Fernsehen und in anderen Medien gegen den bisherigen Ministerpräsidenten Kevin Rudd, einen sanften Sozialdemokraten, dem es im vergangenen Jahr gelang, die schlimmsten wirtschaftlichen und sozialen Folgen der internationalen Finanzkrise von diesem Kontinent fernzuhalten: Er ließ jedem Australier 900 Dollar auszahlen. Die Stärkung der Binnenkaufkraft erwies sich sofort als wirksames Mittel gegen die Krise.

Dann wollte er die Superprofite der großen Bergbauunternehmen sacht besteuern, damit die ganze Bevölkerung etwas davon hätte. Er meinte, die ausgebuddelten, weggeschifften Erze wie auch die Kohle gehörten doch eigentlich "allen Australiern". Die Grubenbosse schrieen, das sei "der reine Kommunismus oder mindestens Sozialismus – da machen wir nicht mit!", und sie legten 100 Millionen Dollar auf den Tisch, um eine Propaganda-Offensive gegen Rudd zu finanzieren. Sie drohten an, dass sie in Australien nichts mehr investieren und Arbeitsplätze abbauen würden. Künftig würden sie "Eisenerz anderswo kaufen, in Kanada oder Brasilien ..."

Von den 100 Millionen Dollar brauchten sie aber nur sieben Millionen auszugeben, da geriet die Labor Party schon in Panik. Die Kampagne war äußerst erfolgreich. Der vor kurzem noch populäre Premierminister Rudd stürzte in den Meinungsumfragen steil ab, besonders in den Vororten der großen Städte, wo die Labor-Kandidaten bei der letzten Wahl oft nur mit knappem Vorsprung durchgekommen waren und jetzt um ihre Wiederwahl bangen.

Julia Gillard, Rudds Stellvertreterin und, wie man bisher annahm, loyale Unterstützerin, ergriff die Gelegenheit: Ganz plötzlich meldete sie ihre Kandidatur für den Parteivorsitz und damit auch für das Amt des Regierungschefs an. Dem Amtsinhaber wurde nahegelegt, zum Wohle der Partei abzutreten. Er ging – mit Tränen in den Augen. Die Parlamentsfraktion ernannte Gillard zur Parteivorsitzenden und Premierministerin.

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Anmerkung: Die "Elite" scheint nicht nur hierzulande jedewede Restscham verloren zu haben. Was sie vor einigen Jahren noch nur heimlich, in dunklen Hinterzimmern tat, tut sie heute ganz öffentlich und ungeschminkt, als sei es das Normalste von der Welt.

Was politisch auf der anderen Seite unseres Planeten vor sich geht, erfährt man in Deutschland ja ohnehin nur bruchstückhaft. Es ist sehr zermürbend, nun zu bemerken, dass exakt derselbe Sumpf sich auch dort ausgebreitet hat und offenbar weiter ausbreitet.

Man stelle sich doch nur einmal vor, was in Deutschland geschähe, wenn irgendwann in ferner Zukunft ein Kanzler oder eine Kanzlerin gewählt werden würde, der/die den Reichtum des Staates und damit den aller Bürger mehren möchte, indem die Profite der Superreichen stärker besteuert werden. Dieses Szenario erfordert angesichts der gegen null - ach was: weit in den Minusbereich hinein - tendierenden Wahrscheinlichkeit zwar extrem viel Vorstellungskraft - doch die Ergebnisse sind erschreckend. Keine 100 Tage wäre ein solcher Kanzler im Amt, dafür würden die elitären Damen und Herren schon sorgen.

Sonntag, 22. August 2010

Sparen im Lohn-Kaufkraft-Kontinuum

Sparen heißt seit einigen Jahren das Zauberwort allen haushaltspolitischen Wirkens im Staate schlechthin. Sonderbarerweise führte bisher alles Sparen zu ständig neuen Kreditaufnahmen und immer höheren Schulden. Selbst beim unbedarftesten Beobachter sollte sich da der Verdacht einstellen, hier wird vor allem mit ökonomischem Sachverstand gespart. So sparen die Regierenden seit Jahren zum einen mittels neuer Gesetze an Steuereinnahmen, andererseits an Finanzbeamten, um wenigstens die möglichen Abgaben einzuziehen, ohne im Geringsten auf die Idee zu kommen, darin könnte der Geldmangel gründen. Um dieser naheliegenden Gedankenverkettung unbeschadet ausweichen zu können, bedarf es einer Ideologie, die im allgemeinen Neoliberalismus heißt, allerdings wegen ihres Dogmatismus, der Unflexibilität, intellektuellen Dumpfheit, Selbstwidersprüchlichkeit und Menschenverachtung eher wie ein ökonomischer Faschismus, oder, bleiben wir auf dem Teppich, Wirtschaftstotalitarismus daherkommt.

Adepten dieser Ideologie behaupten, Steuersenkungen bei Reichen und Unternehmen erzeugen Mehreinnahmen im Staatshaushalt, da die ihr Geld in den Wirtschaftskreislauf investieren, um weiteren Profit zu erzielen. Wer allerdings investiert in die reale Ökonomie, die bestenfalls fünf Prozent Rendite abwirft, wenn Ackermanns virtuelles Kasino 25 Prozent verspricht? Inzwischen fertigte das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung eine Studie zu dem, was die Spatzen von den Dächern pfeifen: Zwischen 2000 und 2009 mehrte sich jeweils der Reichtum der Reichen und der Reichtum an Armen im Staat. So sieht also das Ergebnis einer Politik zwischen Steuersenkungen und Sparen aus.

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Anmerkung: Eigentlich verkündet der Autor hier nur Binsenweisheiten - die jedoch in unseren Massenmedien größtenteils schlicht nicht mehr vorkommen. Diese schamlose Bereicherung der "Elite" auf Kosten der gesamten Bevölkerung ist ja so offensichtlich, dass es nicht einmal irgendwelcher Studien bedurft hätte, um darauf zu kommen, dass man sich hier auf einem gesellschaftlichen Katastrophenkurs befindet.

Aber auch diese Studien werden zu keinem Umdenken führen - diese Prognose ist nicht schwer zu treffen. Man darf nicht müde werden, immer wieder festzustellen: Diejenigen, die diesen neoliberalen Kurs stoisch verfolgen, tun das nicht aus Dummheit oder Ignoranz, sondern weil sie genau diese Ergebnisse wünschen, die sich immer sichtbarer einstellen. Es ist die Wiederholung der Wiederholung, wenn ich solche Sätze schreibe - aber wie soll man auch anders reagieren, wenn der Missstand seit Jahren bekannt und offensichtlich ist, aber dennoch nicht behoben wird?

Sie "sparen" nicht, sie kürzen. Und das gekürzte Geld löst sich nicht in Luft auf, sondern landet auf den fetten Konten der Superreichen. Seit Jahren ist es dasselbe Spiel. Und es scheint so, als wolle die "Elite" dieses Spiel auch diesmal wieder bis zum bitteren Ende fortführen.

Der Artikel endet mit einer hübschen Utopie: "Sparen wir uns eine Wirtschaftspolitik, die wenige reich, aber viele arm macht. Vor allem aber müssen wir uns die Neototalen, diese Raubritter der Neuzeit, sparen." Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Es ist eben eine Utopie. Und die findet per definitionem niemals statt.