Vieles, was bis in die neunziger Jahre noch als lustvoll und attraktiv galt, wird heute als anstößig empfunden. Verloren gehen durch die vielen Verbote der Glamour und die Solidarität. (...)
Prof. Robert Pfaller: Unter den gegenwärtigen neoliberalen Bedingungen zieht sich der Staat immer weiter aus gesellschaftlichen Belangen zurück. Die Bevölkerung lebt so im ständigen Gefühl, vom Staat im Stich gelassen zu werden: Soziale Ressourcen werden privatisiert, das gesellschaftliche Feld den Stärkeren überlassen. Hier entsteht ein stark wachsendes Bedürfnis nach mehr Schutz durch den Staat. Wenn es aber darum geht, die Finanzmärkte besser zu kontrollieren, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen an die Universität kommen können, dass die Pensionen garantiert sind, dass niemand Angst haben muss, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, findet die Politik zurzeit keine Mittel. Anstatt dieses Scheitern einzugestehen, wendet sie sich dann Nebenschauplätzen zu und wird dort hyperaktiv. Die Rauchverbote sind ein Beispiel dafür. Dort tut die Politik dann so, als würde sie die Menschen beschützen. Ich nenne das Pseudopolitik. (...)
WOZ: Das Rauchverbot schützt doch immerhin das Personal und die Nichtraucherinnen und Nichtraucher in den Lokalen.
Prof. Robert Pfaller: Oh nein! Die Politik will in Wirklichkeit niemanden schützen, sondern sie will Kosten privatisieren. Das Rauchverbot ist ein Schritt hin zum Ende des Solidaritätsprinzips bei den Krankenkassen. Man will sicherstellen, dass in Zukunft Krankheit als etwas Selbstverschuldetes begriffen werden kann und auch selbst bezahlt werden muss. Wenn im öffentlichen Raum nicht mehr geraucht wird, und Sie kriegen Lungenkrebs, wird Ihre Krankenkasse irgendwann sagen, dass Sie wohl zu Hause geraucht haben. Sie wird sagen: "Sie sind doch selber schuld, und wir bezahlen ihre Krankheit nicht oder nur zu einem kleinen Teil." Das ist der Skandal dabei: Das sehr berechtigte Bedürfnis der Menschen nach staatlichem Schutz wird ausgenützt, um die Menschen wieder einmal staatlicher Solidarität zu berauben.
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Anmerkung: Dieses Interview mit dem Philosophie-Professor Pfaller sei jedem ans Herz gelegt, der sich für die Dinge hinter dem Offensichtlichen interessiert. Besonders anschaulich wird Herr Pfaller, wenn er über den erstarkenden Rechtspopulismus spricht: "Zu Recht fühlen sich viele Menschen von der regierenden Politik betrogen, wenn diese ihnen das Rauchen verbietet, anstatt sich um die existenzbedrohenden Fragen zu kümmern. Davon lebt der Populismus, indem er an die wirklichen Ängste der Leute rührt – aber andererseits die entscheidenden Fragen auch selbst wieder derart verzerrt und deformiert, dass sie nicht triftig werden." Endlich jemand, der es auf den Punkt bringt, was die neoliberale Bande da veranstaltet! Der gute Mann versäumt es zwar darauf hinzuweisen, dass der Rechtspopulismus keineswegs nur Splittergruppen wie DVU, Republikaner oder andere Kleinstparteien umfasst, sondern längst in den "Volksparteien" angekommen ist - aber diese kleine Nachlässigkeit mag man ihm angesichts seiner großartigen Analyse verzeihen.
Lesen, nachdenken - und verstehen.
Prof. Robert Pfaller: Unter den gegenwärtigen neoliberalen Bedingungen zieht sich der Staat immer weiter aus gesellschaftlichen Belangen zurück. Die Bevölkerung lebt so im ständigen Gefühl, vom Staat im Stich gelassen zu werden: Soziale Ressourcen werden privatisiert, das gesellschaftliche Feld den Stärkeren überlassen. Hier entsteht ein stark wachsendes Bedürfnis nach mehr Schutz durch den Staat. Wenn es aber darum geht, die Finanzmärkte besser zu kontrollieren, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen an die Universität kommen können, dass die Pensionen garantiert sind, dass niemand Angst haben muss, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, findet die Politik zurzeit keine Mittel. Anstatt dieses Scheitern einzugestehen, wendet sie sich dann Nebenschauplätzen zu und wird dort hyperaktiv. Die Rauchverbote sind ein Beispiel dafür. Dort tut die Politik dann so, als würde sie die Menschen beschützen. Ich nenne das Pseudopolitik. (...)
WOZ: Das Rauchverbot schützt doch immerhin das Personal und die Nichtraucherinnen und Nichtraucher in den Lokalen.
Prof. Robert Pfaller: Oh nein! Die Politik will in Wirklichkeit niemanden schützen, sondern sie will Kosten privatisieren. Das Rauchverbot ist ein Schritt hin zum Ende des Solidaritätsprinzips bei den Krankenkassen. Man will sicherstellen, dass in Zukunft Krankheit als etwas Selbstverschuldetes begriffen werden kann und auch selbst bezahlt werden muss. Wenn im öffentlichen Raum nicht mehr geraucht wird, und Sie kriegen Lungenkrebs, wird Ihre Krankenkasse irgendwann sagen, dass Sie wohl zu Hause geraucht haben. Sie wird sagen: "Sie sind doch selber schuld, und wir bezahlen ihre Krankheit nicht oder nur zu einem kleinen Teil." Das ist der Skandal dabei: Das sehr berechtigte Bedürfnis der Menschen nach staatlichem Schutz wird ausgenützt, um die Menschen wieder einmal staatlicher Solidarität zu berauben.
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Anmerkung: Dieses Interview mit dem Philosophie-Professor Pfaller sei jedem ans Herz gelegt, der sich für die Dinge hinter dem Offensichtlichen interessiert. Besonders anschaulich wird Herr Pfaller, wenn er über den erstarkenden Rechtspopulismus spricht: "Zu Recht fühlen sich viele Menschen von der regierenden Politik betrogen, wenn diese ihnen das Rauchen verbietet, anstatt sich um die existenzbedrohenden Fragen zu kümmern. Davon lebt der Populismus, indem er an die wirklichen Ängste der Leute rührt – aber andererseits die entscheidenden Fragen auch selbst wieder derart verzerrt und deformiert, dass sie nicht triftig werden." Endlich jemand, der es auf den Punkt bringt, was die neoliberale Bande da veranstaltet! Der gute Mann versäumt es zwar darauf hinzuweisen, dass der Rechtspopulismus keineswegs nur Splittergruppen wie DVU, Republikaner oder andere Kleinstparteien umfasst, sondern längst in den "Volksparteien" angekommen ist - aber diese kleine Nachlässigkeit mag man ihm angesichts seiner großartigen Analyse verzeihen.
Lesen, nachdenken - und verstehen.
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