Samstag, 17. September 2011

Berlin: Sie haben die freie Wahl!

Daniele Ganser über "politische Verschwörungen"

Der Schweizer Friedensforscher und Historiker Daniele Ganser ist einer der wenigen europäischen Wissenschafter, die sich mit der historischen Erforschung von 9/11 beschäftigen. Mit seinen Herangehensweise wird er nicht selten ins Eck der Verschwörungstheoretiker gestellt. Natürlich sei das Thema heikel, so Ganser gegenüber derStandard.at. Schließlich habe 9/11 etliche Länder in den Krieg geführt. Sollte die offizielle Version von 9/11 tatsächlich nicht stimmen, hätte man auch in Westeuropa ein Problem. Für diese "offizielle" Version gäbe es allerdings genauso wenig wissenschaftlich taugliche Beweise wie für andere. (...)

Ganser: Was den Begriff "Verschwörung" angeht, muss man ruhig bleiben und sich nichts vormachen: Es gibt immer wieder Verschwörungen in der Politik, das weiß jeder, der Internationale Politik studiert. Überall, wo zwei Personen etwas im Geheimen miteinander ausmachen, liegt eine Verschwörung vor. Die Schweinebuchtinvasion 1961 war eine Verschwörung, die Iran Contra Affäre in den 1980er Jahre war auch eine Verschwörung. Ich habe Bücher zu den Nato-Geheimarmeen, zur Kubakrise geschrieben - alles "Verschwörungen". Was mich aber erstaunt: Wenn man zu diesen Themen als Historiker arbeitet, gibt es keine Probleme. Erst wenn man zu 9/11 forscht kann es passieren, dass man als "Verschwörungstheoretiker" verunglimpft wird.

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Anmerkung: Ganser geht, wie gewohnt, seriös und wissenschaftlich zu Werke. Er sagt nichts grundlegend Neues, was aber im Rahmen eines solchen Interviews auch kaum möglich ist. Wer etwas mehr erfahren möchte, kann sich diesen Vortrag Gansers ansehen (in gut verständlichem Englisch).

Donnerstag, 15. September 2011

Zitat des Tages: Wer braucht die FDP?

Die Fragen [nach den Gründen für den Niedergang der FDP] sind nicht mehr eindeutig zu beantworten. Für eine repräsentative Auswertung, teilt die Forschungsgruppe Wahlen mit, sei die Zahl der verbliebenen FDP-Anhänger inzwischen zu gering.

(Ralph Bollmann in der "FAZ" vom 11.09.2011)


(Bild: kopperschlaeger.net)

Bundestag will keine staatliche Geldschöpfung

Angesichts der aktuellen Krise unseres Finanzsystems wird dieses derzeit von vielen Seiten einer erneuten Prüfung unterzogen. Die Stimmen, die wesentliche Aspekte des Geldsystems als fehlerhaft kritisieren, werden seit einigen Jahren auch im Mainstream immer lauter. Zentrale Kritikpunkte sind dabei immer wieder das Zins-System und die private Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken. Durch diese beiden Elemente, so wird kritisiert, gleicht unser Geldsystem quasi einer Kettenbrief-Struktur, bei der es unweigerlich zu einer Umverteilung von Vermögen, permanentem Wachstumszwang und regelmäßigen Zusammenbrüchen kommen muss.

Eine Petition beim Deutschen Bundestag hatte darum die Regierung aufgefordert, das Finanzsystem so umzugestalten, dass nicht mehr die privaten Banken, sondern nur noch der Staat Geld schöpfen darf.

Im Folgenden der Text der Petition und die Antwort der Bundesregierung zur weiteren Diskussion.

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Anmerkung: Es ist wahrlich grotesk, was der Petitionsausschuss da als Begründung für die (erwartbare) Ablehnung der Petition geliefert hat. Auf die Kernpunkte der Kritik am gegenwärtigen Geldsystem wird gar nicht eingegangen, statt dessen werden ganze Absätze voller verschwurbelter Unsinnigkeiten über das "Wesen des Geldes" u.a.m. zum Besten gegeben, die größtenteils nichtssagend und in den Kernaussagen falsch sind. Das ganze liest sich so, als wolle man einige große Lügen bewusst in einem Wust von nichtssagenden Worten und ganzen Textpassagen verstecken.

Insbesondere wird dort einfach begründungslos behauptet: "Ein Zwang zur permanenten Geldmengenausweitung oder zur Inflation besteht in einer solch modernen Geldwirtschaft mit einer unabhängigen Zentralbank nicht. Die Geschäftsbanken schaffen folglich auch nur scheinbar Geld 'aus dem Nichts'". Das Gegenteil ist richtig und wurde schon mehrfach - u.a. auch in der Petitionsbegründung (siehe Link oben) - ausführlich dargelegt und begründet. Als "Antwort" wird nun einfach wieder das Gegenteil behauptet - und das war's schon.

Besonders absurd wirkt auch die schlichte Entgegnung auf den korrekten Vorwurf bezüglich des Zinses. Der Ausschuss schreibt dazu einfach: "Die Kreditzinsen werden in der Regel durch zusätzliche Produktion und Einkommen erwirtschaftet." Genau das aber ist ja ein Teil des Vorwurfes und ein Kernpunkt des Problemes! Immer neue Kredite produzieren im gegenwärtigen System immer neue, zusätzliche Zinsen, die zusätzlich zur Kreditsumme erwirtschaftet werden müssen, so dass ein permanentes, exponentielles Wachstum erzwungen wird, das es aber niemals kontinuierlich geben kann.

Es gibt noch viele weitere Ansatzpunkte für Kritik an diesem Begründungstext, auf die ich aber nicht alle eingehen kann. Beispielhaft sei da nur noch einer hervorgehoben, nämlich die alberne Behauptung, die "Umverteilungswirkungen der Inflation" träfen "vor allem die Bezieher kleiner Einkommen". Auch hier ist wieder das genaue Gegenteil richtig - es liegt doch auf der Hand, dass eine Inflation, gar eine Hyperinflation für die Superreichen ein Horrorszenario darstellt, das weite Teile ihres ergaunerten Geldvermögens wertlos machen würde.

Es drängt sich hier der Eindruck auf, dass die Petition gar nicht ernsthaft bearbeitet worden ist. Die Begründung der Ablehnung besteht im Wesentlichen aus aneinandergereihten Textbausteinen, die die übliche Propaganda zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Geldsystems zum Inhalt haben, ohne irgendwelche nachvollziehbaren Begründungen oder Nachweise zu liefern.

Mir persönlich ist nicht ein einziger Fall bekannt, in dem einer Petition jemals entsprochen wurde. Nach meinem Empfinden stellt die Möglichkeit, Petitionen beim Bundestag einzureichen, nur ein weiteres Instrument dar, das ausschließlich dazu dient, Bürger abzulenken und ruhigzustellen und die scheindemokratische Fassade dieses Staates zu stärken.

Hunger in den USA

Die Zahl der US-AmerikanerInnen, die sich nicht genügend zu essen leisten können, ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Allein im Großraum Chicago stehen rund 600 Suppenküchen und Lebensmittelverteilstellen im Kampf gegen den Hunger.

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Anmerkung: Es scheint allmählich ja wirklich dramatisch zu werden in den USA. Bei der Lektüre des Berichts kann es leicht geschehen, dass man vergisst, dass es da nicht um Brasilien oder Indien geht, sondern tatsächlich um die USA. Es ist kaum zu fassen, wenn beispielsweise solche Zahlen dort genannt werden: "Laut Feeding America leben 28,2 Prozent der texanischen Kinder mit fehlender Ernährungssicherheit".

Im krassen Gegensatz dazu habe ich kürzlich den folgenden Bericht über die "Tea-Party-Bewegung" gesehen, der mir gerade angesichts solcher Zustände, wie sie im obigen Artikel beschrieben werden, vollkommen unerklärlich erscheint. Die Menschen, die dort teilweise zu Wort kommen, sind offenbar so dermaßen desinformiert, dass sie fast wie "massenhypnotisiert" wirken.



Einmal mehr treffen es die Worte Reinhard Meys am besten, wenn er im Lied "Das Narrenschiff" singt:

Der Ausguck ruft vom höchsten Mast: "Endzeit in Sicht!"
Doch sie sind wie versteinert und sie hören ihn nicht,
sie ziehen wie Lemminge in willenlosen Horden ...
Es ist als hätten alle den Verstand verlor'n,
sich zum Niedergang und zum Verfall verschwor'n,
und ein Irrlicht ist ihr Leuchtfeuer geworden.

Dienstag, 13. September 2011

Gysi über die Diktatur des Finanzmarktes

Lachnummer des Tages: Steinbrück und der "Ehrendoktor"

Dipl.-Volkswirt Peer Steinbrück MdB erhält die Ehrendoktorwürde an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). "Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät würdigt mit dieser Auszeichnung die außerordentlichen Verdienste um die Analyse volkswirtschaftlicher Zusammenhänge und die Umsetzung wirtschaftswissenschaftlich fundierter Konzeptionen in verantwortliches gesellschaftliches Handeln", sagt der Dekan der Fakultät Prof. Dr. Bernd Günter.

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Anmerkung: Mir fehlen die Worte - dafür schmerzen die Lachmuskeln sicherlich noch tagelang ... ;-)

Jobcenter-Angestellte in Frankreich: Solidarität mit den Erwerbslosen

Erklärung zur beruflichen und bürgerlichen Ethik von Sud ANPE (Gewerkschaft in der Agentur für Arbeit)

"Unsere Aufgabe ist es vor allem, den Arbeitsuchenden zu helfen, eine Beschäftigung zu finden und das erwarten die Arbeitsuchenden von uns. Aber es gibt einfach keine Arbeit für alle. Die Zunahme von Gesprächen, die ständigen Aufforderungen zum Besuch der Agentur werden keine Arbeit schaffen, sondern erhöhen nur das Risiko für die Arbeitsuchenden, gezwungen, schikaniert und abgestraft zu werden.

Wir, die Beschäftigten der ANPE, erklären, dass wir auf keine Weise Menschen schaden wollen, die schon durch den Verlust der Beschäftigung und des Einkommens verletzt sind.

Wir verweigern uns, sie auszugrenzen und wir werden keine Streichungen mehr durchführen, ohne vorher die moralischen und menschlichen Folgen mit zu beachten.

Wir schlagen Angebote vor, wir zwingen aber Angebote nicht auf. Wir werden die Arbeitsuchenden nicht zwangsweise in kleine Kästen stecken. Wir erpressen sie auch nicht mit Streichung.

Wir verweigern uns auch, der Wut der Arbeitsuchenden ausgesetzt zu werden. Wir verweigern uns, eine soziale Polizei zu sein, angewiesen zur Unterdrückung, anstatt als öffentlicher Ratgeber für Beschäftigung agieren zu können.

Weder Arbeitsuchende noch Beschäftigte der ANPE sind verantwortlich für den Zustand des Arbeitsmarktes und für die wachsende Prekarisierung. Wir sind mit den Arbeitsuchenden solidarisch.

Wir weigern uns, falsche Zahlen, unlautere Angebote und leere Unterhaltungen zu produzieren und wir werden unsere beruflichen Praktiken dazu einsetzen, den Nutzern unserer Dienste zu helfen, im vollen Respekt ihrer bürgerlichen Rechte."

Die Beschäftigten der ANPE aus Tarn sind gewerkschaftlich organisiert bei SUD.

(Quelle)

Anmerkung: Man kann der französischen Gewerkschaft und den unterstützenden Angestellten des dortigen Jobcenters gar nicht dankbar genug für diese Erklärung sein. Sie sollte auch in den deutschen Behörden weiträumig verteilt werden (eine pdf-Version zum Ausdrucken oder Verschicken findet man hier).

Ich habe zwar wenig Hoffnung, dass eine solche vorbildliche Solidarität in deutschen Ämtern erreicht werden kann - das sollte aber kein Grund dafür sein, es nicht zu versuchen.

Sonntag, 11. September 2011

Das Ende der Demokratie: Menschenverachtender Kapitalismus, austauschbare Parteien

Hemmungsloser Reichtum, betrogene Bürger: Der entfesselte Markt bringt die Demokratie in Gefahr (...)

Und in der Tat haben die Politiker von einer Wahl nichts zu befürchten: Der Bürger, der die Politiker für ihren Verrat an seinen Interessen bestrafen möchte, fände keine Partei im demokratischen Spektrum, die bereit wäre, sein Interesse gegen die Wirtschaft durchzusetzen. Er könnte in Deutschland die SPD gegen die CDU oder die CDU gegen die SPD oder beide gegen die Grünen auswechseln, ohne dass sich am Katzbuckeln vor dem Kapital etwas ändern würde.

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Anmerkung: "Unterwegs zur Plutokratie" lautet der Titel dieses Artikels aus der Zeit. Wikipedia erklärt diesen Begriff so: "Die Plutokratie (...) ist eine Herrschaftsform, in der Herrschaft durch Vermögen legitimiert wird, also die Herrschaft des Geldes (auch "Geldadel" genannt). Politische Rechte werden anhand des Vermögens vergeben (z.B. über das Zensuswahlrecht). Die Plutokratie ist eine Unterform der Oligarchie."

Man kann an diesem Text, der augenscheinlich der Feder eines desillusionierten Linksliberalen entstammt, vieles kritisieren, wie z.B. die relative Kurzsichtigkeit, die Verklärung der angeblich "guten Zeit des Kapitalismus" vor 40 Jahren und vieles mehr. Dennoch bleibt er meines Erachtens ein guter und wichtiger Beitrag auf dem Weg der Selbsterkenntnis mancher Medien, die jahrzehntelang an der neoliberalen Propagandafront mitgewirkt haben und nun - zumindest in kleinen Teilen - langsam merken, was sie angerichtet haben. Dabei wird die eigene mediale Vergangenheit und Mitschuld zwar in aller Regel (so auch hier) nicht thematisiert - aber auch ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist besser als Propaganda.

Auch der oben zitierten Analyse der Wahlsituation in Deutschland ist weitgehend zuzustimmen - es ist tatsächlich einerlei, ob man die Union, die SPD oder die Grünen (von der FDP reden wir nicht mehr) wählt: Als Ergebnis wird man immer eine Politik bekommen, die einzig die Interessen der Superreichen (gegen die Interessen der Menschen) vertritt - ein "Katzbuckeln vor dem Kapital", wie es im Text so schön heißt. Es bleibt allerdings rätselhaft, weshalb der Autor die durchaus vorhandenen Alternativen im Spektrum der demokratischen Parteien - beispielsweise die Linken oder auch die Piraten - einfach verschweigt. Ebenso verwunderlich ist die Einordnung der genannten Parteien (CDU, SPD, Grüne) in ein diffuses demokratisches Spektrum - denn der Autor analysiert zuvor ja richtiger Weise, dass jene Parteien offenkundig gerade nicht nach demokratischen Regeln handeln.

Wie auch immer. Es ist an der Zeit, dass den Analysen Taten folgen. Wenn nun sogar schon der Feuilletonchef der Berliner Zeitung und der Zeit eine Plutokratie und das Ende der Demokratie am Horizont erspäht, besteht unmittelbarer, dringender, unaufschiebbarer Handlungsbedarf.

USA: Eine Kriegsnation im permanenten Ausnahmezustand

Zehn Jahre nachdem Terroristen Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers in New York und das Pentagon steuerten, sind die USA ein bis in seinen strukturellen Kern durchmilitarisiertes Land. Ihre neuen Feindbilder – Islam und Terrorismus – drohen die Vereinigten Staaten regelrecht zu verschlingen.

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Anmerkung: Die Lektüre dieses längeren Textes lohnt sich sehr, bietet er doch einen recht umfangreichen Blick auf den heutigen Zustand der USA. Auch an Zahlen und Beispielen mangelt es im Artikel nicht. Vieles davon war mir bereits bekannt, doch eines hat mich dann doch erstaunt - nämlich die These der Autorin, einige (oder auch viele?) Bürger der USA empfänden sich selbst und ihre Nation als etwas "Besseres". Wörtlich steht im Text:

"Als Zugewanderte hat mich die fixe Idee der US-AmerikanerInnen, einem auserwählten Volk anzugehören, am meisten gestört. Ich sah wohl ein, dass dieser Mythos das aus vielen Kulturen zusammengesetzte Immigrationsland zusammenhielt. Aber diese tiefe Überzeugung, etwas Außergewöhnliches zu sein, sonderte selbst die weitestgereisten meiner US-FreundInnen letztlich vom Rest der Welt ab. Sie waren anders, besonders, besser."


Ist das tatsächlich so? Vielleicht kann Jake dazu etwas schreiben, der ja ebenfalls als Zugewanderter in den USA lebt?

Im Übrigen ist dieser Bericht aus dem "Inneren des Imperiums" aber sehr informativ, wie ich finde. Wir können an dieser Zustandsbeschreibung gut erkennen, auf welchem schlimmen Weg sich auch Deutschland und Europa befinden - die Propaganda und gezielte Desinformation der Menschen scheinen sich in den USA der Perfektion angenähert zu haben - mit entsprechenden "Erfolgen".