Freitag, 22. April 2016

Realsatire: Gehirnkot, Zombies und Geister, oder: Die tote Tante


Eigentlich hatte ich mir Mäßigung verordnet. Die aktuelle Vorlage ist allerdings zu verlockend, als dass ich widerstehen könnte: Wenn die zu lochende Kugel ohne Not unmittelbar vor der Tasche platziert wird, kann ich nicht anders als mein Queue zu zücken und herzhaft zum Stoße anzusetzen.

Mein Lieblingsvoodoomeister Roland Faulfuß von "Jenseits der Realität" hat schon wieder zugeschlagen. Diesmal schlägt er dem Güllefass den Boden aus und beschwört Engel, Tote und Geister - und das tatsächlich völlig ironiefrei. Zu diesem Zweck bewirbt er einen Film eines gewissen Thomas Schmelzhirn mit dem antikapitalistischen, gesellschaftskritischen Titel "Die Übersinnlichen" und erbricht in der Folge eine gesichtspalmierende Realsatire, die im 21. Jahrhundert wahrlich ihresgleichen sucht. Eine kleine Kostprobe:

"Übersinnlich" – das meint hier natürlich nicht "übermäßig sinnlich" [sic! bzw. *facepalm²*], sondern tatsächlich mysteriös, medial, paranormal. Eine Reihe von bekannten Medien wird von Schmelzer interviewt (...). Dabei achtet der Regisseur sorgsam auf eine bunte Mischung. Der eine behauptet, unsere Aura sehen zu können, die andere nimmt Engel wahr, ein dritter kommuniziert angeblich mit Toten. Wir erfahren durch die engelsgleiche Jana Haas von einem apricotfarbenen Schutzengel, der den Interviewer – für ihn selbst unsichtbar – begleitet. Und durch den jugendlichen Pascal Voggenhuber von einer verstorbenen Tante, die Schmelzer auffordert, seinen wahren Weg erst noch zu finden. Ist es der Weg eines Mediums? (...)

Andererseits gibt es gerade auf dem Gebiet des geistigen Heilens so viele erstaunliche Berichte, dass man an seinen eigenen Zweifeln zu zweifeln beginnt. Die Behauptung, dass Engel über uns wachen, ist richtig oder falsch; sie ist jedoch nicht rechts oder links, gut oder böse. Mysteriöse Phänomene sind keine Erfindungen modischer "Esoterik-Wellen", sondern eigentlich anthropologische Konstanten, schwer erklärbare Phänomene, die sich in vielen Epochen und Weltregionen unabhängig voneinander zeigen: Geistererscheinungen etwa, Kommunikation mit Toten.

Und so geht das munter und pseudokritisch fort, dass sich die Balken nicht nur biegen, sondern gleich freiwillig verflüssigen, um zusammen mit dem kümmerlichen Rest des Faulfuß'schen Hirnschmalzes endlich im Gulli versickern und mit dem Abwasser und anderen Fäkalien der erlösenden Kläranlage zugeführt werden zu können. Wie kann ein Mensch, der permanent einen solchen hanebüchenen, infantilen Blödsinn schreibt, allen Ernstes erwarten, dass er nicht schallend ausgelacht und mit einem Eso-Eselshut in die Ecke oder den hintersten Keller gestellt wird? Eine alsbaldige "geistige Heilung" - im Sinne der Heilung des Geistes - sei dem Herrn Faulfuß von Herzen gewünscht. Ich befürchte allerdings, dass die Hirnschäden längst irreparabel sind.

Berichte, nach denen Faulfuß bereits vor 500 Jahren verstorben ist und seit geraumer Zeit mittels des Eso-Blogs mit den noch Lebenden zu kommunizieren versucht, konnten bislang nicht bestätigt werden. Den "apricotfarbenen Schutzengel" an meiner Seite habe ich indes vor einigen Jahrzehnten zuletzt gesehen, nachdem ich exzessiv bewusstseinserweiternde Drogen konsumiert hatte - seitdem bleibt er unauffindbar. Und meine tote Tante sieht leider auch eher wie ein Zombie aus:



Wenn ich die Dame richtig verstehe, sagt sie mir nichts über meinen "wahren Weg", sondern eher so etwas wie "Uaaaargh!" und "Gehirrrrn fressen!" Vielleicht muss ich aber auch erst Faulfuß'sche Drogen bemühen, um den wahren Sinn dieser Laute zu verstehen, die in Wahrheit sicherlich rein vegan gemeint sind.

Eso-Kacke at its best - bitte unbedingt lesen, auch wenn's unsäglich weh tut. :-) - Kugel versenkt.


Mittwoch, 20. April 2016

Zitat des Tages: Fabrikstraße tags


Nichts als Mauern. Ohne Gras und Glas
zieht die Straße den gescheckten Gurt
der Fassaden. Keine Bahnspur surrt.
Immer glänzt das Pflaster wassernass.

Streift ein Mensch dich, trifft sein Blick dich kalt
bis ins Mark; die harten Schritte haun
Feuer aus dem turmhoch steilen Zaun,
noch sein kurzes Atmen wolkt geballt.

Keine Zuchthauszelle klemmt
in ein Eis das Denken wie dies Gehn
zwischen Mauern, die nur sich besehn.

Trägst du Purpur oder Büßerhemd -:
immer drückt mit riesigem Gewicht
Gottes Bannfluch: uhrenlose Schicht.

(Paul Zech [1881-1946]: "Fabrikstraße tags", in: "Das Schwarze Revier". Neue, gänzlich umgestaltete Ausgabe, Musarion 1922)


Montag, 18. April 2016

Hirnfäule im Endstadium: Reichtumsbericht aus dem Paradies


Die kapitalistische Verdummungspropaganda wird trotz des offensichtlichen Irrsinns unbeirrt fortgeführt. Nach dem wiederholten Bullshit zum "stets wachsenden Glück" im Lande Kapitalistan folgt heute die 7.446ste Folge des zombieesken Mantras zum ebenso kontinuierlich steigenden "Reichtum der Deutschen". Bei n-tv und unzähligen weiteren Systemmedien war vor einigen Tagen wieder einmal zu lesen:

Auch ohne Immobilienbesitz / Deutsche werden immer reicher - Dank des robusten Arbeitsmarktes und steigender Reallöhne können viele Menschen hierzulande mehr auf die hohe Kante legen. Die Haushalte verfügen über ein so großes Geldvermögen wie noch nie. Aktien zahlen sich aus - doch viele Menschen horten lieber Bargeld.

Ich weiß gar nicht, was ich dazu noch weiter schreiben soll - der Irrsinn wird tatsächlich unentwegt wiederholt. Hier einige wenige Beispiele aus den vergangenen Jahren dazu (wobei die Auflistung alles andere als vollständig ist):

2011: "Deutschland: So reich wie noch nie" - 2013: "Die Börse als Quelle des Wohlstands" - 2015: "Deutsche sind so reich wie nie".

Eigentlich ist zu diesem Thema längst alles gesagt - aber die Dauerpropaganda macht trotzdem einfach weiter und erzählt das lächerliche Märchen vom steigenden Reichtum unablässig fort, während die überwaltigende Mehrheit der Menschen in diesem Land immer ärmer wird und zunehmend in großer Zahl am Existenzminimum und, dank vorsorglich installierter Sanktionspraxis, darunter lebt - Tendenz weiter unaufhaltsam steigend. Dies ist politisch gewollt und geplant und kein "Versehen". Dass es überhaupt noch irgendwelche Menschen in diesem Land gibt, die der absurden Berichterstattung über den "zunehmenden Reichtum" ohne stirnklatschendes Abwinken zuhören, grenzt an Hirnfäule im Endstadium.

Die kapitalistische Bande hat es tatsächlich geschafft, ein abgründig perverses Mehrklassensystem zu etablieren, das nicht nur aus drei "Klassen" besteht, wie die Bande immer wieder propagiert, sondern aus einer mehrheitlich anonymen superreichen "Elite", die sowohl in der Berichterstattung, als auch in der Pseudodiskussion stets außen vor bleibt auf der einen, und den drei bekannten "Schichten" auf der anderen Seite, von denen die Ober- und Mittelschichten sich irriger- oder besser irrsinnigerweise ebenfalls zur "Elite" zählen (und das auch tun sollen). Anders ist es aus meiner Sicht nicht zu erklären, dass Menschen, die ständig weniger oder bestenfalls einen stagnierenden Wohlstand genießen dürfen, das Märchen vom ständig steigenden Reichtum brav akzeptieren und dabei lediglich Schwächere (die "Unterschicht", Arbeitslose, Flüchtlinge, Rentner, Kranke etc.) als Hemmnisse ausmachen - und nicht etwa die grotesk überquellenden Geldspeicher der Superreichen.

So dumm wie die Propaganda sind offensichtlich auch die Menschen, die diesen Schwachsinn stumpf und kritiklos konsumieren. Ich persönlich weiß jedenfalls gar nicht, was ich zuerst auf die "hohe Kante legen" und "horten" soll: Meine Sammlung von Cent-Münzen, die ich in den vergangenen Jahren aus meiner Geldbörse entfernt habe (das dürften inzwischen bestimmt schon mindestens 10 oder gar 15 Euro sein!), oder doch lieber die Tütensuppen und Billigkonserven aus meinem Vorratsschrank, die mich in knappen Zeiten immer wieder mal über das Monatsende retten? Für konstruktive Vorschläge von versierten, schlipsgewürgten Anlegern bin ich sehr offen.

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Die Enthaltsamen


"Wieviel Kartoffeln die Leute brauchen! Wir essen zu Mittag nicht mehr als zwei, drei Kartoffeln ---"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 29 vom 13.10.1924)