Samstag, 17. Juni 2017

Zitat des Tages: Chanson für Morgen


Wir wissen nicht, was morgen wird.
Wir sind keine klugen Leute.
Der Spaten klirrt, und die Sense sirrt,
Wir wissen nicht, was morgen wird.
Wir ackern und pflügen das Heute.

Wir wissen wohl, was gestern war,
Und wir hoffen, es nie zu vergessen.
Wir wissen wohl, was gestern war,
Und wir säen das Brot, und das Brot ist rar,
Und wir hoffen, es auch noch zu essen.

Wir wissen nicht, was morgen wird,
Ob der Kampf unserer harrt oder Frieden,
Ob hier Sense sirrt oder Säbel klirrt -
Wir wissen nur, dass es Morgen wird,
Wenn wir Schwerter zu Pflügen schmieden.

(Mascha Kaléko [1907-1975]: "Chanson für Morgen", in: "Verse für Zeitgenossen", 1945)


Freitag, 16. Juni 2017

Song des Tages: American Babylon




(Saviour Machine: "American Babylon", aus dem Album "Saviour Machine II", 1994)

A thousand bloody hand-prints stain the walls of liberty.
A stranger hides in dreams denied, awaiting his release.
I've seen this picture before.
I never thought that we would end up here.
When fascism comes as an angel of light
Its license parading as tyranny thrives forth its son.

The son of mourning dominating fears, afflicting fallen men.
His body highly organized is coming into prominence
To bear its ominous warnings.
It's in your blood to comprehend its origin.
For those who refuse to remember the past
Are condemned to repeat it,
The first and the last, dust to dust ...

History is his story
And life is laughing at its peril.
Building towers that come fourth in men.
Shifting powers consuming us within.
They will puzzle the apostles till the end.

Enter into the silence, into the dying life of America,
The brave, the slave, the grave.

The shattered pigs dying as primitive savages,
Eating their flesh, they'll lie rotting in dirt,
While a stranger among you has challenged the course
Of the human existence and alien forces.
The birth of the black prince is setting the stage
In its thriving dissension, exalting his rank,
And the innocent man will fall victim to hands
In the trial of truth and its twisted reversal.
The union of factions bleeds shock to the system,
For civilization has ended today.
The transitional nature of acts and society climbs in its place
While its face re-creates ...

... Until your god is dead.
Enlighten me with your pale statues, face of inhibition.
Until your reign has ended,
Frighten me with your stale – taste – tongue of inquisition.
In your eyes I will come forth in men,
With no justice, no order to defend –
And the stone will be cast again ...

Enter into the fire, into the bloody gates of America,
The great, the fate, the late.



Anmerkung: Einer Band aus Kalifornien kann man schwerlich Antiamerikanismus vorwerfen. Und auch wenn dieser Band immer wieder das alberne Mäntelchen des Christentums umgehängt wird, weil sie gelegentlich aus biblischen Texten zitiert, sprechen das Werk und auch dieser spezielle Song eine ganz eigene Sprache, die weder den bösen alten Männern in Rom, noch den christlichen Fundamentalisten in den USA oder der deutschen Grünpartei gefällt. Ich verehre Saviour Machine für ihre außergewöhnliche Musik und für Textzeilen wie die hier wiedergegebenen. Es gibt offensichtlich auch in den USA Menschen, die klar bemerken, dass hier etwas (wieder einmal: "For those who refuse to remember the past are condemned to repeat it") völlig aus dem Ruder läuft:

"When fascism comes as an angel of light" – ist der "Point of no return" nur noch einen Katzensprung entfernt. – Das war 1994. Vor über 20 Jahren. Ich kann mich dem Resümee dieser Band nur anschließen:

"Civilization has ended today."

Donnerstag, 15. Juni 2017

Kapitalismus und Menschenfeindlichkeit: Ein Beispiel aus der antisemitischen Hölle


Seit einigen Tagen liest man überall über die von Arte und dem WDR geschasste Dokumentation über heutigen Antisemitismus. Leider kennt kaum jemand den in Rede stehenden Film, so dass ich ihn hier einbette – auf dass sich einjede/r selbst ein Bild mache. Ich weiß nicht, wie lange der Film bei youtube noch abrufbar ist, daher sollte man ihn sich tunlichst schnell ansehen.



Die Wellen schlagen inzwischen schon recht hoch: Der Regisseur hat sich medial geäußert; und inzwischen hat die Propagandapresse sogar eine Jüdin gefunden, die sich dem Thema auf gewünschte Weise widmet und – aus meiner Sicht völlig realitäts- und themenfern – schwadroniert:

Dass die Dokumentation von Arte gecancelt wurde und die Ausstrahlung im WDR verhindert, liegt nicht daran, dass dort Antisemitismus gezeigt wird, an den niemand mehr glaubt, sondern weil sie schlecht gemacht und propagandistisch aufgebaut ist. Das ist schade, aber passiert.

Dieses Resümee halte ich für kompletten, unbelegbaren Bullshit, der dem Film, den man freilich auch kritisieren kann und darf, in keiner Weise gerecht wird. Ich weiß nicht, welche Beweggründe die Autorin zu diesem Statement bewogen haben; allerdings schmeckt das wieder einmal nach einer dünnen, geplanten Strategie, die nichts mit einem "freien" (ich vermeide sehr bewusst das Wort "wissenschaftlichen") Diskurs zu tun hat, dafür aber umso mehr mit einer geplanten Agenda. Und das ist gewiss keine alberne "Verschwörugstheorie", sondern lediglich meine ganz subjektive Wahrnehmung, nachdem ich mir den Film angesehen und danach noch einmal die einschlägigen Verdammungstexte, die ich hier ganz bewusst nicht erneut verlinke, dazu gelesen habe.

Ich wiederhole noch einmal in aller Deutlichkeit: Selbstverständlich kann man auch diesen Film nach Herzens- oder viel besser Hirneslust kritisieren. Allerdings findet eine solche inhaltliche Kritik medial nirgends statt – ich habe bislang jedenfalls noch keinen einzigen Kommentar, Verriss oder lobhudelnden Anpreisungstext zu dieser Doku gelesen, der ernstzunehmende Kritikpunkte enthält oder pauschale Vorwürfe sinnvoll entkräftet. Das ist umso bedauerlicher, da mir beim Ansehen gleich mehrere kritikwürdige Stellen, ebenso aber auch viele klar bedenkenswerte Positionen aufgefallen sind.

Es bleibt aber festzuhalten, dass Antisemitismus damals wie heute kein rein rechtsextremes Phänomen war und ist. Allein diese sehr alte, unter "normalen" Umständen eigentlich nicht weiter erwähnungswürdige Erkenntnis, für die der Film allerlei Indizien liefert, die nicht mit salbungsvollen Pauschalkommentaren zu widerlegen und daher endlich zur Kenntnis zu nehmen sind, ist das Ansehen schon wert.

Kapitalismus ist Menschenfeindlichkeit. Und mit Menschenfeindlichkeit kennt sich die (*hust*) "fortschrittliche" Welt des "Westens" seit Jahrhunderten vorzüglich aus. Eigentlich kann es nur gehirnbefreite Menschen wundern, dass auch heute in religiösen Kreisen, die irgendwelchen Fantastereien von einem "höheren Wesen" und einem "paradiesischen Jenseits" anhängen, derartige Schauderhaftigkeiten wieder aufblühen – ganz egal, ob dieses "höhere Wesen" nun "Gott", "Allah", "Markt" oder "Geld" heißt. Den Antisemiten indes, die sich nicht auf irgendeine obskure Religion berufen – und das ist wohl die überwiegende Mehrheit hierzulande –, darf man sowieso schlichte Dummheit und dumpfe Bösartigkeit unterstellen. Das bedeutet nicht, dass "religiös motivierter" Antisemitismus irgendwie "besser" sei, denn da sind Dummheit und Bösartigkeit mindestens ebenso ausgeprägt. Hier können sich kapitalistische Schergen aus der Politik, aus den Medien und aus dem Rest der Bevölkerung freundlich die braune Hand reichen.

Das Thema ist schon ekelig genug – was aber nun dank der zwangsgebührenfinanzierten Sender daraus erwachsen ist, kommt einem dicken Schwall Kotze mit saftigen Stücken gleich. Wie kann man als seriöser Filmemacher denn auch auf den völlig absonderlichen Gedanken kommen, im "freiheitlich-demokratischen Westen" könne es ein menschenfeindliches Problem, das zudem nicht nur Juden, sondern "Ausländer" generell sowie Arbeitslose, Kranke, Alte und Behinderte betrifft, geben? Das ist schlicht böse Ketzerei und gehört bestraft! Massiv bestraft! Im "goldenen Westen" – also im "Land der Guten" – ist so etwas ausgeschlossen, sagt die bunte Propaganda.

Der Film jedenfalls spricht für sich selbst – und genauso sollte man ihn auch behandeln. Ich hoffe, er bleibt lange verfügbar.

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Wiener G'müat


"Wir lassen unsere lieben Juden nicht nach Palästina – wir wollen sie in Wien totschlagen!"

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1950], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 07.09.1925)

"Freiheit den Palästen, Krieg den Armen!"


Der kapitalistische Krieg gegen Arme geht munter weiter: Jüngst hat sich die korrupte Bande, diesmal in Dänemark, wieder weit aus dem Fenster gelehnt und einen weiteren Schritt in Richtung rechts außen angekündigt. Nun soll es "Bettlern" an den Kragen gehen, die ja bekanntlich zu den schlimmsten Feinden von "Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" gehören, die man sich überhaupt vorstellen kann, sofern man solchen widerwärtigen, beschlipsten Menschenfeinden zuhört.

"Aktives Betteln" – also "die aktive Nachfrage nach Geld oder das Aufstellen eines Schildes mit der Aufforderung, Geld zu geben" – ist in Dänemark schon jetzt strikt verboten. Das reicht den fürstlich aus Steuergeldern entlohnten Schlips-Borg aber noch nicht, wie vor einigen Tagen bei n-tv nachzulesen war:

Arme Bettler: Die dänische Regierung will rasch härtere Strafen für Bettler einführen. Justizminister Søren Pape Poulsen zufolge soll aggressives Betteln mit zwei Wochen Gefängnis geahndet werden.

Selbstverständlich ist die dänische Räuberbande in dieser braunen Jauchegrube keineswegs allein – es gehört inzwischen (wieder) in vielen Staaten des "freiheitlich-demokratischen Westens", darunter selbstredend auch Deutschland, zum guten Ton, mit staatlicher Ordnungsmacht gegen Obdachlose und Arme vorzugehen, anstatt ihnen zu helfen. Wie lange mag es wohl noch dauern, bis in dieser stetig "besser werdenden Welt" (A. Merkel und B. Obama auf dem jüngsten "Kirchentag") des obszönen Glitzerkapitalismus' nicht mehr "nur" Flüchtlinge und Asylsuchende in Lagern oder Gefängnissen zwangsinterniert werden, sondern auch wieder Arme (die in der Nazi-Sprache vor 80 Jahren schlicht als "Asoziale" beschimpft wurden) oder politische Systemgegner?

Wer agiert hier klar erkennbar asozial bis ins Knochenmark – Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer zum Betteln genötigt sehen, oder diejenigen, die sie ausgerechnet deswegen in den Knast stecken wollen? Und ist eine "aktive" und vergleichsweise aggressive Bettelaktion, wie sie beispielsweise von den ebenfalls hochbezahlten Redaktionen der "Tagespropaganda" kürzlich wieder einmal verbreitet wurde, in diesem kranken Kontext nicht ebenfalls ein zu ahndendes Verbrechen? Wo ist doch gleich der Unterschied? – Man weiß so wenig in dieser verkommenen Welt, die jeden Tag ein Stück ekelerregender, brauner und grotesker wird.

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Alter Bettler mit einem Knaben



(Gemälde von Pablo Picasso [1881-1973] aus dem Jahr 1903, Öl auf Leinwand, Pushkin Museum of Fine Arts, Moskau, Russland)

Dienstag, 13. Juni 2017

Der redundante Einwurf (6): Ein tolles Bullenlogo


Man sollte auf der Hut sein, wenn eine Gewalt ausübende, staatliche Behörde banalste Selbstverständlichkeiten als besonders erwähnenswerte, anpreisungswürdige Merkmale sogar im amtseigenen Logo zur Schau stellt, wie das beispielsweise die Polizei in Bonn tut:


(Logo des Polizeipräsidiums Bonn)

Was der streng dreinblickende, olle Ludwig – abgesehen von der Randnotiz, dass er seinerzeit versehentlich in Bonn geboren wurde – in diesem satirisch-dystopischen Machwerk, das in Orwells Welt einen Ruhmesplatz einnehmen könnte, verloren hat, wissen wohl nur die Bonner Staatsschergen oder die durchgeknallten Irren der Werbe- bzw. Propagandaagentur, die diesen Stumpfsinn, natürlich für ein fürstliches Honorar, erbrochen hat.

Demnächst wird der Bevölkerung durch entsprechende Tafeln oder Aufschriften sicherlich auch noch versichert, dass beispielsweise Gerichte "völlig unabhängig" seien, dass Konzerne "an unserem Wohlergehen interessiert" seien oder dass der kapitalistische Staat "selbstredend gemeinwohlorientiert" handele. Spätestens wenn auf diese schauderhafte Weise explizit auf solche, in einer fiktiven, gesunden Welt selbstverständlichen Dinge hingewiesen wird, weiß man sicher, dass sie böse gelogen sind.

Montag, 12. Juni 2017

Der Rechtsruck und die Linke


Wie in "linksintellektuellen" Kreisen die Realität umgedeutet bzw. negiert wird

Ein Kommentar

Ich kann mich immer wieder nicht entscheiden, ob ich gelangweilt, belustigt oder schier entsetzt sein soll, wenn ich politische Texte sogenannter Linksintellektueller lese, die in den Massenmedien – jenseits der Satire – publiziert werden. Aus den vergangenen Jahren erinnere ich mich ehrlich gesagt an keinen einzigen Fall, der nicht in erster Linie durch Halbwahrheiten, Ignoranz, stramme Systymkonformität und/oder Verschleierung bzw. Verschweigen von "Fakten" aufgefallen ist.

Trump ist schuld

Bei Zeit Online gab es vor kurzem wieder einmal ein solches Stück, das mich vollkommen ratlos zurücklässt, nämlich diesen Beitrag von Michael Ebmeyer. Der Mann lässt sich da über den "Rechtsruck" aus, den er – wie sollte es im Rahmen dieses Systems auch anders sein – ausschließlich in den Wahlerfolgen der rechtsextremen Parteien ausmacht. Allein diese alberne Grundthese ist angesichts des generell weit nach rechts außen gerückten "politischen Parteienspektrums", das ausnahmslos nichts anderes mehr kennt als Kapitalismus, Kapitalismus und Kapitalismus, sowie der überall in der Gesellschaft deutlich wahrnehmbaren rassistischen, nationalistischen und völkischen Radikalisierung schon so hanebüchen, dass ich die Lektüre eigentlich sofort hätte abbrechen müssen. Dennoch habe ich diesmal weitergelesen und bin auf einige Denkschemata gestoßen, die meines Erachtens symptomatisch für den desolaten, geradezu denkfeindlichen Zustand dieser intellektuellen Knallchargen sind. Nachfolgend einige (nicht vollständige) Beispiele dazu.

Zunächst muss in einem seriösen Text selbstverständlich Trump gegeißelt werden, denn das ist inzwischen ungeschriebenes Gesetz in deutschen "Leidmedien". Ebmeyer schreibt allen Ernstes:

Seit in den USA tatsächlich Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde und erst recht seit er im Amt ist, also das tut, was er unter Regieren versteht, lässt in Europa die Lust am eigenen Rechtsdrall nach.

Ich bin zwar ebenfalls der Ansicht, dass Trump ein gefährlicher Irrer ist – anders als der Autor halte ich mich mit entsprechenden Äußerungen aber solange zurück, bis ich zumindest ein paar illustrierende Beispiele nennen kann. Die braucht Ebmeyer aber gar nicht, auch nicht für die sogleich implizierte Schlussfolgerung, dass die "nachlassenden Wahlerfolge" der Rechtsextremen in Europa vornehmlich Trump geschuldet seien. Welch eine steile These. Auf die Idee, dass es möglicherweise vielen EuropäerInnen völlig schnurz ist, was der gelbhaarige Hampelmann da in Washington veranstaltet, kommt der Mann gar nicht. Amerika ist ja so wichtig! Er setzt sogar noch einen drauf:

Die Performance des Polit-Dilettanten mit dem narzisstischen Superhau jenseits des Atlantiks treibt bei uns die eben noch entfesselten Salon- und Stammtischrassisten scharenweise zurück zu Mutti. Die Amerikaner opfern ihre Demokratie dem Donald – dem Rest der westlichen Welt zur Mahnung.

Rassisten, Nationalisten und sonstige Faschisten sind bloß irregeleitete Schäfchen

Hier können wir gleich in mehrfacher Hinsicht eine intellektuelle Dürre bestaunen, die wohl vergeblich ihresgleichen sucht: Einerseits verharmlost Ebmeyer die rassistischen, nationalistischen und völkischen Tendenzen in nicht gerade kleinen Teilen der hiesigen Bevölkerung schamlos, indem er sie "Salon- und Stammtischrassisten" nennt. Andererseits suggeriert er, dass eine "Rückkehr" der "verirrten Schafe" zur CDU/CSU diese offenkundig menschenfeindlichen Haltungen in irgendeiner Form verbesserte. Liest der Mann keine Zeitungen und weiß wirklich nicht, welche braunen Geister sich in diesen Parteien breit gemacht bzw. schon langfristig eingenistet haben? Ihm kommen dann doch selbst Zweifel und er merkt an:

Natürlich kann man diesen Befund verwässern, indem man darauf hinweist, dass Teile der Unionsparteien oder auch der FDP sich immer schon oder phasenweise rechtspopulistisch gebärdet haben. Oder indem man an all die Nazis erinnert, die im politischen Apparat der frühen Bundesrepublik Karriere machen konnten. Aber es bleibt doch ein Unterschied: Die heute im Bundestag vertretenen Parteien sind zumindest von ihren verbrieften ideologischen Grundlagen her zweifellos demokratisch. Die AfD ist das nicht.

Aha. Dieser große, "verbriefte" Unterschied ist also die Grundlage des ganzen Sermons, den Ebmeyer da absondert. Na, das ist mal ein semigöttliches Fundament, auf dem man sogar den Turm zu Babel errichten könnte, so felsenfest ist es! Noch demokratischer, freiheitlicher und rechtsstaatlicher geht es nicht – die schwarz-rot-grün-gelbe kapitalistische Bande der Korrupten besitzt [sic!] diesen unverrücklichen, göttlichen Status einfach und wird ihn auch nie verlieren können, und das sogar trotz der ganzen Altnazis nach 1945 sowie der unablässig verfassungsfeindlichen Gesetzgebungsversuche heute! Salve Democratia! – Bin ich der einzige, dem der Kopf sehr übel schmerzt, wenn er so etwas in einem angeblichen Qualitätsmedium – ausgerechnet zum Thema "Rechtsruck" – lesen muss?

Die [hihi] Lösung: CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne – die guten "Demokraten"

Schnell kommt Ebmeyer dann zum Schluss und betoniert sein wortreiches und inhaltsarmes Geschwafel noch einmal:

Zumal jetzt nicht einmal mehr die Erklärung verfängt, [die AfD] ziehe Politikverdrossene und bisherige Nichtwähler auf sich, solche, die glauben, bei den "Altparteien" hätten doch eh alle Dreck am Stecken. Wer heute die AfD wählt, gibt Politikern seine Stimme, die nicht mutmaßlich fies sind, sondern offenkundig.

Und dasselbe trifft nicht auf die CDU, CSU, SPD, FDP und die Grünen zu? Wieviele Beispiele müssen diese schmierigen Figuren, die in diesen Parteien Ämter ausüben oder anderweitig an politischen Entscheidungen beteiligt sind, noch bringen, bis auch ein Herr Ebmeyer erkennt, dass es sich gewiss nicht um Menschenfreunde, nicht um Demokraten, Pazifisten, Humanisten oder sonstwie gemeinwohlorientiert Denkende handelt? 100? 1.000? 10.000? – Ich befürchte, Hopfen und Malz sind hier verloren. Menschen wie dieser Autor werden wohl auch dann noch das lächerliche Lied von der Heiligen Fassadendemokratie anstimmen, wenn der Ausbau der flächendeckenden Totalüberwachung der Bevölkerung vollendet, der Staat vollprivatisiert und die längst gängige Sklaverei zugunsten des Kapitals von jeder letzten sozial- und rechtsstaatlichen Hürde befreit ist. Auf diesem fatalen Weg befinden wir uns nämlich – und das wissentlich und völlig ohne das Zutun von AfD, NPD, Front National & Co.

Der Schlaf der Vernunft

Der Kapitalismus braucht die Rechtsradikalen erst dann wieder, wenn es wieder Zeit für einen neuen Weltkrieg ist, um alles in Schutt und Asche zu legen – und wenn begleitend wieder massenhaft ausgegrenztes "Menschenmaterial" für militärische Zwecke, für Zwangsarbeit und – wie immer unter den habgierigen Augen und mit der Zustimmung der zuvor staatlich zwangsverarmten Restbevölkerung – natürlich auch zur Ausplünderung gebraucht wird. Dieser Tag ist heute noch nicht gekommen – in weiter Ferne liegt er allerdings ebenfalls nicht mehr.

Es geht alles seinen gewohnten, kapitalistischen Gang. Solange auch nur ein einziger Depp heute wieder allen Ernstes meint, mit Rassisten, Nationalisten, Völkischen und sonstigen Faschisten – egal ob sie sich nun CDU, AfD, NPD, CSU, Grüne, SPD, FDP oder wie auch immer nennen – gebe es einen Ausweg aus diesem kapitalistischen Kreislauf des Niedergangs, hat das System schon gewonnen und bei Springers, Mohns, Quandts & Co. knallen die Champagnerkorken.

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Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer



(Radierung von Francisco José de Goya [1746-1828] aus dem Jahr 1796; Museo de Calcografía Nacional, Madrid, Spanien)