Freitag, 2. September 2011

Per Sippenhaft in die Obdachlosigkeit: Die feine englische Art

Denken wir einen Augenblick über das zweitungleichste Land in Europa nach. Sein Premierminister, dem es nicht gelungen ist, eine klare Mehrheit zu gewinnen, steht einer Regierung vor, in deren Kabinett mehrere Millionäre sitzen und die eine ideologisch motivierte Wirtschaftspolitik verfolgt. (...) Das Land hat soeben die größten Streiks seit Jahrzehnten erlebt. Seine Abgeordneten sind beim massenhaften Hypothekenbetrug erwischt worden – seine Presse beim Abhören der Telefone Hunderter Privatleute und Politiker. Diese Täter handelten, ohne dabei von der Polizei groß behindert zu werden. (...)

In Manchester erhielt eine Mutter zweier Kinder fünf Monate Haft, weil sie von einem Freund Shorts aus einem geplünderten Laden angenommen hatte. Ein junger Mann kassierte sechs Monate, weil er eine Flasche Wasser geklaut hatte. Schließlich erhielten die Familien dieser jungen Leute Räumungsbefehle von der Verwaltung ihrer Sozialsiedlungen – eine Wohnform, die besagte konservative Regierung auflösen will. Premier Cameron behauptet, diese Maßnahme würde helfen, kriminelle Banden zu zerschlagen.

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Anmerkung: Wenn Cameron tatsächlich kriminelle Banden zerschlagen wollte, müsste er weite Teile seiner eigenen Regierung, der Konzernmedien und natürlich der Wirtschaft einsperren lassen.

Es ist doch unfassbar, was die neoliberale Bande da in England vor unser aller Augen vollzogen hat - ganz offensichtlich haben die "Schnellgerichte", die "Tag und Nacht arbeiteten", doch Weisungen aus der Politik befolgt. Eine Gewaltenteilung ist in Britannien offenbar nicht mehr gegeben - anders sind solche Strafmaße nicht erklärbar. Gleichzeitig wird medienwirksam die Sippenhaft wieder eingeführt: Ein Familienmitglied "klaut" eine Flasche Wasser, wird dafür sechs Monate eingesperrt - und der Rest der Familie wird aus der Wohnung geworfen und kann sehen, wo er bleibt. Das schlägt dem Fass doch den Boden aus! So sieht nach meinem Empfinden das Verhalten einer kriminellen Bande aus, die verarmte Bürger terrorisiert!

Schimpft sich das "Vereinigte Königreich" eigentlich offiziell noch "demokratisch" oder gar "Rechtsstaat"? Das sind doch Verhältnisse, wie sie in übelsten Diktaturen kaum schlimmer ausfallen könnten.

Die Briten sind wahrlich nicht zu beneiden - und doch sind sie uns in der Verfolgung der neoliberalen Drangsalierungs-, Ausbeutungs- und Entrechtungsstrategien nur ein paar Jährchen voraus ...

Antisemitismus in Deutschland 2011

[Im] letzten Beitrag [des Böss-Blogs] ging es um einen antisemitischen Vorfall in Berlin. Es folgen einige der Kommentare, die daraufhin von Usern, die sich gerne auch "Gasmann" nennen, verfasst wurden (...).

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Anmerkung: Es ist kaum zu glauben, was dort an antisemitischen Kommentaren gesammelt wurde - mir sind beim Lesen teilweise die Zeilen vor den Augen verschwommen, weil ich es einfach nicht fassen konnte, wieviel Hass, Dummheit und auch Gewaltfantasien in so manchen Köpfen offenbar vorherrschen.

Wer starke Nerven hat, sollte sich das wirklich durchlesen - sich jedoch vorher auf ein extrem niedriges geistiges (und entsprechend auch sprachliches) Niveau einstellen. Diese Kommentarzitate (sowie die dann folgenden Kommentare zum Beitrag selbst) legen den unmittelbaren, hoffentlich aber falschen Schluss nahe, dass sich ganze Horden von braunen Affen an die Tastaturen dieses Landes geschwungen haben, um dort ihr Grunzen ins Internet zu pullern - 66 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors.

Man kann eigentlich nur hoffen, dass eine solche Konzentration von Dummheit, Ignoranz, Arroganz, Unwissen, Menschenverachtung und Gewalt in keiner Weise repräsentativ für die Menschen dieses Landes ist - noch nicht einmal im Umfeld der Springer-Presse, auf deren Servern jenes Blog ja gehostet ist.

Dienstag, 30. August 2011

Klare Worte über Steinbrück: Ein Zombie kehrt zurück

Wenn er nicht gerade seinen Sommerurlaub in Cornwall verbringt, ist Peer Steinbrück ein vielbeschäftigter Mann. Der Sozialdemokrat [sic!] reist umtriebig durch die Republik. Von der Bausparkasse Schwäbisch-Hall bis zur Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein – in der laufenden Legislaturperiode bringt es kein anderer Bundestagsabgeordneter auf so viele gutdotierte Auftritte wie der frühere Finanzminister. Längst liegen seine Nebeneinkünfte als Vortragsreisender weit über den Einkünften Angela Merkels als Bundeskanzlerin. Für seine Partei wäre es besser, er würde sich damit begnügen. Doch den Gefallen dürfte Steinbrück der SPD nicht tun.

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Anmerkung: Ein sehr lesenswerter Text, der uns noch einmal vor Augen führt, dass die Reste der zerbröckelnden SPD-Fassade sich längst im selben Quarantänebecken mit der CDU, der FDP und natürlich auch den Grünen (was im Text jedoch leider nicht erwähnt wird) befinden.

Abgesehen davon, dass bis zur nächsten Bundestagswahl noch viel Zeit ins Land gehen wird, wäre eine Kanzlerkandidatur von Steinbrück für die SPD ungefähr genauso hilfreich wie ein Genickbruch. Der Mann ist so sehr Sozialdemokrat wie Herr Westerwelle seriös oder Frau Merkel kompetent ist. Wenn der SPD tatsächlich keine Alternativen zu Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel einfallen sollten, ist sowohl das Scheitern der SPD, als auch das weitergehende Fehlen jedweden Hauchs einer auch nur ansatzweise sozialdemokratischen Politik auf Jahre vorprogrammiert. Die CDU und der Rest der "Elite" freuen sich darüber sehr.

Steinbrück ist bislang lediglich durch seine völlige Inkompetenz (Sichwort "Finanzkrise"), durch wiederholte Wahlniederlagen (er hat keine einzige Wahl "gewonnen") und durch sein unhaltbares neoliberales Geplapper, das jeder sozialdemokratischen Position diametral gegenübersteht, aufgefallen. Das ist also die Zukunft der SPD - ein schwankender Zombie, der krächzend neoliberale Phrasen wie "Der Sozialstaat ist unser Unglück" plärrt und sich damit privat eine goldene Nase verdient.

Wir wissen also, woran wir sind - mit dieser SPD.

Schwarz-Gelb plant private Profite in Armutsregionen - natürlich mit staatlicher Hilfe

Mit einer breiten Debatte um sein neues "entwicklungspolitisches Konzept" intensiviert der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel (FDP), die Einbindung privater Unternehmen in die Netzwerke der sogenannten Entwicklungspolitik. Das neue Konzept, das der Minister Anfang August der Öffentlichkeit vorgestellt hat, beinhaltet Niebels Forderung, die Entwicklungshilfe künftig erheblich enger mit der Wirtschaft zu koordinieren. Dazu hat Niebels Ministerium schon zuvor ein ausführliches "Eckpunkte-Papier" erstellt. Darin enthalten sind Vorgaben, wie die Berliner Entwicklungspolitik zukünftig zugunsten expandierender deutscher Firmen zu gestalten sei. (...) Zu den ökonomischen Zielen des Entwicklungsministeriums gehören die gewinnbringende Erschließung von Armutsmärkten sowie ein direkter Zugriff auf die Rohstoffe vor allem afrikanischer Länder. Niebel zufolge lässt sich der Ertrag der sogenannten Entwicklungshilfe für deutsche Firmen präzise in Euro beziffern.

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Anmerkung: Es ist schon an Dreistigkeit kaum mehr zu überbieten, wie hier der "Entwicklungshilfeminister" Niebel von der FDP, der noch vor der letzten Wahl laut herumposaunt hatte, das Entwicklungshilfeministerium solle abgeschafft werden, neuen Profiten für Unternehmen den Weg ebnet, die den Allerärmsten der Armen dieser Welt abgepresst werden sollen.

Die Ausbeutungsabsichten dieser Bande werden inzwischen noch nicht einmal mehr verschleiert, sondern ganz offen benannt - es ist vollkommen unfassbar, mit welcher Selbstverständlichkeit da über die Resourcen afrikanischer Länder und die Profite "deutscher Firmen" schwadroniert wird. Was um alles in der Welt haben im Entwicklungshilfeministerium die Profitinteressen irgendwelcher Unternehmen zu suchen, die noch dazu größtenteils multinational (oder eher staatenlos) sind? In welchem Alptraum leben wir?

Wenn es nach der neoliberalen Bande geht, wird demnächst wohl auch das Sterben an sich neoliberalisiert, frei nach dem Motto: "Sie können heute hier nicht sterben - tun Sie das doch bitte in drei Wochen an einem anderen Ort, damit Ihr Ableben noch genug Profit abwirft. Vielen Dank!"

Eines hat die FDP in der Zeit der schwarz-gelben Plage allerdings geschafft: Ein Entwicklungshilfeministerium, das zu einem weiteren devoten Erfüllungsgehilfen der Ausplünderer aus der Wirtschaft degeneriert ist und sich damit in sein grausames Gegenteil verkehrt hat, gehört tatsächlich abgeschafft. Gehen Sie, Herr Niebel, und kommen Sie bitte nie wieder. Ihre ganze neoliberale Bande ist nicht nur überflüssig, sondern eine handfeste Bedrohung für den ganzen Planeten.

Sonntag, 28. August 2011

Jobcenter Bonn streicht einer Hochschwangeren alle Leistungen

Das Jobcenter Bonn hat einer im 7. Monat schwangeren Frau alle Hartz IV-Leistungen gestrichen, weil sie trotz ärztlich verordneter Bettruhe einen Termin bei ihrer Fallmanagerin nicht wahrgenommen hatte. Sie [sei] "trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Aufforderung zur Mitwirkung" nicht nachgekommen, hieß es in dem Schreiben an die junge muslimische Frau. (...)

Von rund 14.000 Fällen, in denen im ersten Quartal 2010 bedürftige schwangere Frauen Kontakte mit den ARGEN hatten, mussten in knapp 5.600 Fällen Beratungsstellen intervenieren, damit die Frauen die ihnen rechtlich zustehenden Hilfen erhielten – oder überhaupt davon erfuhren. "Diese hohe Zahl an Falschberatung und Rechtsverweigerung ist erschreckend. Wenn hilfsbedürftige werdende Mütter beinahe zwingend rechtliche Hilfe der Schwangerschaftsberatungsstellen benötigen, wirft dies ein beschämendes Licht auf die Jobcenter", so Behrsing.

(Weiterlesen - und weiterführend hier)

Anmerkung: Erst vor kurzem habe ich hier auf den Fall einer krebskranken Frau hingewiesen, der mich ebenso fassungslos gemacht hat. Einzelfälle sind das alles nicht, wie man auch den oben genannten Zahlen entnehmen kann - auch mir ist persönlich ein Fall bekannt, in dem ein Herzinfarktpatient massiv vom "Jobcenter" unter Druck gesetzt, schikaniert und mit dem Entzug der materiellen Lebensgrundlage bedroht wird.

Es ist nicht länger hinnehmbar, wie diese Behörden agieren und sämtliche sozialstaatlichen Gedanken samt der Menschenrechte (von der Menschenwürde gar nicht zu sprechen) konsequent mit Füßen treten. Hier ist dringender Handlungsbedarf nötig - diesen zu einem großen Teil völlig inkompetenten und offenbar gewissenlosen Sesselpupsern muss endlich die Macht genommen werden, über das Schicksal und das Wohlergehen von Menschen entscheiden zu dürfen. Es ist doch ein blanker Hohn, wenn das Bundesverfassungsgericht einerseits befindet, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedem (!) Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichere, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sei und weiter feststellt, dass dieses Grundrecht dem Grunde nach unverfügbar sei und eingelöst werden müsse (vgl. hier) - während die Praxis der "Jobcenter" vollkommen diametral ausfällt und den Menschen am laufenden Band das "Existenzminimum" verweigert wird.

Die Beispiele von Schwangeren oder Kranken heben dabei nur grell hervor, was eigentlich für alle Menschen in diesem Land zu gelten hat.

Die Entrechtung, Einschüchterung und Drangsalierung der Menschen steht weit oben auf der neoliberalen Agenda - es ist an uns, diesen unmenschlichen, rückwärtsgewandten, grausamen Plänen der "Elite" kontra zu bieten. Wer Schwangeren oder Kranken ohne mit der Wimper zu zucken das Leben zur Hölle macht und ihnen die Existenzgrundlage entzieht, wird noch viel weniger Skrupel haben, wenn es auch um DEIN "normales" Leben geht ...