Samstag, 9. März 2013

Ein Stimmungsbild der Verdammnis


(...) Jede Plastiktüte, die was auf sich hält, versucht den in den Häuserschluchten pfeifenden Wind zu nutzen, um von hier fort zu kommen.

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Anmerkung: Heute möchte ich Euch diesen wundervollen Text des Kiezneurotikers ans Herz legen, der in einer sprachlich brillanten, von Fotos anschaulich untermalten Art und Weise den "Netto-Markt der Verdammnis" in Berlin-Friedrichshain beschreibt. Dieses Stimmungsbild ist gewiss nicht auf diesen Berliner Bezirk beschränkt - mir fielen beim Lesen gleich reihenweise ähnliche Orte aus ganz Deutschland ein, die er in nicht weniger trefflicher Form exakt illustriert.

Hier wird die zunehmende Verarmung ganzer Bevölkerungsteile in diesem im Reichtum erstickenden Land spür- und nachvollziehbar - ein kleines literarisch-fotografisches Kleinod, das eigentlich nur noch den passenden Soundtrack vermissen lässt, der meines Erachtens nur von Element of Crime oder ähnlichen Musikern kommen könnte.

(Element of Crime: "Wenn der Morgen graut", aus dem Album "Die schönen Rosen, 1996)


Freitag, 8. März 2013

Song des Tages: Storm




(Theatre of Tragedy: "Storm", aus dem gleichnamigen Album, 2006)

Can you see the storm getting closer now?
Tell me how it feels being out there

A moment's glimpse of his vignette
As he shone a light on the falling wall
Instant pictures form shattered persons
Whenever he leaves there's a tainted mark
Flashbacks of his stark sleep filter out through smoke
Revoking from the past things less provoked
Any which day, there is no relief
Adhesive words, spoken silently
The shattered man

Can you see the storm getting closer now?
Tell me how it feels being out there
I want to stay with you, and I see it clear now
You are giving me no choice
Let the rain pour down

He's holding for the moment of the fall
Stolen knowledge by minds unformed
Regulate the demolition of annexe for the differing thoughts
Discarded sparks left years ago
Evoked a language much more austere
Reverberating with figments
He left a trace of translucence

Shattered man
There's a shattered man in a shattered land

Habgier reloaded: Der Wahnsinn der "Privatisierungen"


Der Zwang zur Privatisierung der Daseinsvorsorge in Europa als Konsequenz der marktkonformen Demokratie - oder wie der Markt mit seinem Quartalsdenken die in Jahrzehnten aufgebaute Infrastruktur gefährdet

Der "Zugang zu Wasser sollte kein öffentliches Recht sein", verkündete Peter Brabeck-Letmathe, der Präsident des Verwaltungsrats der Nestlé S.A. im schweizerischen Vevey. Damit löste er in der sonst so beschaulichen Schweiz einige Unruhe aus. Dabei hat er mit seinem Statement nur eine Entwicklung zusammengefasst, die gerade wieder als Heilslehre verkündet wird.

Was die Bevölkerung in den mit der Euro-Krise geschlagenen EU-Mitgliedsstaaten schon schmerzhaft erlebt, spielt sich seit vielen Jahren mehr oder weniger im Hintergrund ab. Auch in Deutschland. Wobei man hierzulande noch mehrheitlich das Zuckerbrot wahrnimmt und nicht die Peitsche. Mit der Schaffung des Mobilfunkmarktes hatte es begonnen. Dann kamen Strom, Post und Festnetztelefon. Mehr oder weniger öffentlich verlässt die öffentliche Hand derzeit den Bereich der Kliniken und Krankenhäuser. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wird derzeit auch die Privatisierung des Fernstraßennetzes vorbereitet. Aus den Bürgern sollen kostenpflichtige Nutzer werden. Mit der Freigabe der Fernbuslinie und deren Befreiung von der Mautpflicht beginnt der Angriff auf den Personentransport der DB.

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Anmerkung: Über dieses unsägliche Thema habe ich mich in den vergangenen Jahren schon oft ausgelassen - meist verbunden mit der unterschwelligen Hoffnung, dass die neoliberale Bande mit ihren schamlosen "Privatisierungen" nicht mehr länger weitermachen kann, da inzwischen ja sogar in der Propagandapresse immer öfter kritische Berichte darüber zu finden sind. Aber weit gefehlt - der jüngste Anschlag der Habgierigen auf den freien Zugang zum Wasser illustriert das deutlich - auch wenn er vorerst abgewendet werden konnte. Im Text finden sich viele Beispiele für den ungebrochen anhaltenden Wahn von "Privatisierungen" aller möglicher Bereiche der Daseinsvorsorge - es wird immer offensichtlicher, dass es dieser Bande schlichtweg egal ist, ob es sich dabei um sinnvolle Projekte im Sinne des Gemeinwohls handelt oder nicht.

Allein der Begriff "Privatisierung" ist schon vernebelnd - schließlich sind mit jenen "Privaten" einzig Superreiche gemeint, wiederum verschleiert durch Konzerne, die sie besitzen. Die Worte "Elitisierung" oder "Feudalisierung" treffen den Sachverhalt weitaus deutlicher. Außerdem reicht auch leichtes, logisches Denken aus, um zu begreifen, dass durch eine solche "Feudalisierung" nichts Sinnvolles oder Wünschenswertes für die Allgemeinheit entstehen kann: Ein Konzern - und überhaupt jedes kapitalistisch agierende Unternehmen - wird nur dann tätig, wenn der zu erwartende Profit stimmt. Das ist der Daseinszweck solcher Unternehmungen im Kapitalismus. All die Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge gibt es allerdings aus ganz anderen Gründen - sie waren nicht zufällig ursprünglich Volkseigentum und nicht auf Profit ausgerichtet. Krankenhäuser, Wasserwerke, Energieproduzenten oder Altenheime haben andere Aufgaben - die Erwirtschaftung von Profit für private Superreiche - stets zu Lasten der "Kunden" und der dort Beschäftigten - gehört gewiss nicht dazu.

Das sehen unsere VertreterInnen der neoliberalen Einheitspartei allerdings ganz anders - schließlich prostituieren sie sich wie gewohnt für die selbsternannte "Elite". Und so wird ein Popanz nach dem anderen aufgebaut, um auch die letzten Reste der noch im öffentlichen Besitz stehenden Strukturen zu "privatisieren" - ungeachtet aller Meldungen, die in wirklich jedem bereits privatisiertem Bereich nur noch Katastrophenberichten gleichen. Hauptsache, die Geldspeicher der Superreichen füllen sich weiter - ganz egal, wieviele Milliarden sich bereits darin befinden. Man muss schon sehr naiv sein, um in diesem Zusammenhang auf die Frage zu kommen, wieso diese PolitikerInnen, die zumindest in Deutschland noch nicht größtenteils zu den Superreichen gehören, das denn wohl tun. Die heutigen "Gehaltsabrechnungen" und Kontostände der Herren Schröder, Fischer, Clement und Co. beantworten diese Frage ebenso schlüssig wie dieselben Dokumente von Merkel, Westerwelle, Rösler, Friedrich und Co. aus den kommenden Jahren das tun werden.

Und so refeudalisieren sie dieses Land und die ganze Welt munter weiter und der Alptraum findet kein Ende.

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Das Defizit der Eisenbahnen


"Es wird beabsichtigt, die Eisenbahnen der Privatwirtschaft zu überlassen. Wir sind überzeugt, dass dadurch nicht bloß die Finanznot behoben wird, sondern auch die Wohnungsnot."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 26.10.1921)

Donnerstag, 7. März 2013

Lachnummer des Tages: Er ist, wie er heißt


EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg macht den Griechen einen simplen Sparvorschlag: Sie sollen einfach mit dem Rauchen aufhören. Laut dem Malteser senke das Gequalme die Produktivität - "und das schadet der Volkswirtschaft".

(Weiterlesen - Vorsicht, der Link geht zum neoliberalen Kampfblatt)

Statt einer Anmerkung:


(Borg-Drohne 78-of-184 alias "Tonio" beim morgendlichen Appell)

Dienstag, 5. März 2013

Zitat des Tages: Mein Lächeln bröckelt ab


Ich weiß nicht mehr wo meinen Kopf hinlegen
Ach mög er auf die Erde rollen
Ein abgenutzter Gummiball

Mein Lächeln bröckelt ab
Wie die antike Tünche
Auf den Mauern des Mondes

Der Nordwind trocknet in mir
Alle Tränen
Die eine Morgenröte weinen sollte

Im Käfig meines Skeletts
Hat sich mein Herz erhängt
Zwischen der siebten und achten Rippe

(Yvan Goll [1891-1951], in: Claire und Yvan Goll: "Die Antirose". Gedichte. Geschrieben 1925-1927)

Kapitalismus und Faschismus, damals und heute


Seltsam genug oder auch nicht: nach meinem Eindruck wird an Gedenktagen viel über den Faschismus gesprochen, über dessen Folgen und Erscheinungsformen; selten aber über die Ursachen des Faschismus und dessen Entstehungsbedingungen. Dabei sollte doch für jeden auf der Hand liegen: gegen die Symptome des Faschismus kämpfen zu wollen, heißt, gegen die Ursachen des Faschismus kämpfen zu müssen. Welches waren also die Ursachen des Faschismus? Welches die Bedingungen für seinen Aufstieg und Sieg? Oder ein wenig anders gefragt: Wer oder was brachte Adolf Hitler an die Macht?

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Anmerkung: Hier will ich einmal mehr meine unbedingte Leseempfehlung aussprechen, denn dieser Text fasst die wesentlichsten Punkte für den Aufstieg und politischen Triumph des Faschismus zum Ende der Weimarer Republik gut lesbar und in nicht allzu komplexer Form zusammen und führt die von der Politik und den Medien bis heute kolportierte "Machtergreifung Hitlers" - die nichts weiter als eine Propagandafloskel der Nazis selbst ist - ad absurdum.

Nach der Lektüre fällt es nicht mehr sonderlich schwer, die augenscheinlichen Parallelen zwischen der heutigen und der damaligen Zeit deutlich zu erkennen und zu verstehen, weshalb das Märchen von der "Machtergreifung" von jenen Kreisen bis heute immer und immer wieder erzählt wird. Einzig den Schlussfolgerungen des Autors kann ich nicht folgen, da er als Ausweg lediglich eine "neue SPD", die "zu ihren Wurzeln" zurückkehren müsse, anbietet und gleichzeitig feststellt: "Zugegeben: ich sehe diese SPD nicht." - um sodann in einer Art religiöser Hoffnung auf Erlösung zu enden. Vielleicht ist das sein persönlicher Versuch, der totalen Resignation zu entkommen, vielleicht hegt er diese paradoxe Hoffnung, obwohl er sie in seinem Text zuvor bereits schlüssig demontiert hat, tatsächlich - ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: Nicht einmal in meinen rosigsten Träumen kann ich mir ein Szenario ausdenken, in dem die SPD zu einer solchen - quasi revolutionären - Partei mutiert, die im Verbund mit anderen linken Gruppierungen ein antikapitalistisches, menschenfreundliches und gemeinwohlorientiertes System etablieren könnte, das die jetzige selbsternannte "Elite" endlich entmachtet und enteignet. Dieser Gedanke ist utopischer als jede existierende Science-Fiction-Geschichte, und sei sie noch so exotisch.

Dies hat aber vor allem nichts mit einer herbeifabulierten "Spaltung der Linken" zu tun - die SPD ist schlicht nicht links und war es seit mindestens 1998 auch nie. Gerade diese hochalberne Behauptung, die SPD sei eine "linke Partei", ist ja ein wesentlicher Teil der kapitalistischen Dauerpropaganda, um das Theater der "verschiedenen Parteien", die alle "völlig unterschiedliche Ziele verfolgen", aufrecht zu erhalten. In den USA ist dieses Propagandatheater bis zur Perfektion gereift - dort "streiten" regelmäßig zwei identische Parteien um die Macht. In Deutschland sind es vier bzw. fünf, wenn man die bayerischen Rechtsradikalen namens CSU mit berücksichtigt.

Ich weiß, dass es unbefriedigend ist, zu diesem existenziellen Thema überhaupt keine Lösung anbieten zu können - da ist sogar eine nebulöse Hoffnung auf ein weltfremdes Utopia, das es mit höchster Wahrscheinlichkeit niemals - jedenfalls nicht in den nächsten Jahrzehnten - geben wird, besser und leichter anzunehmen. Sinnvoller oder zielführender wird es dadurch jedoch nicht. Für den heutigen Zeitpunkt in der Geschichte muss ich feststellen: Der Faschismus ist auf dem besten Wege, erneut die Macht zu übernehmen bzw. hat dies teilweise bereits getan, und es existieren keine relevanten größeren gesellschaftlichen oder politischen Gruppierungen oder Strukturen, die seinem erneuten Triumph etwas entgegenzusetzen hätten. Diese gilt es erst zu schaffen und zu organisieren - und die SPD kann dabei gewiss keine Rolle spielen, wenn Geschichte sich nicht einfach wiederholen soll.

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Not bricht Grundsätze
[oder: Die SPD einst und jetzt]


"SPD einst: 'Nieder mit Kapital, Thron und Altar!'"
"SPD jetzt: 'Hilfe, unser Kapital und die Kirche sind in Gefahr!'"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 07.09.1931)

Montag, 4. März 2013

Song des Tages: Waves Become Wings




(This Mortal Coil feat. Lisa Gerrard: "Waves Become Wings", aus dem Album "It'll End In Tears", 1984)

Please stay, stay
Please stay, stay
Stay a while
Mystery lights keep the dark inside
Evading glances when the light's applied
Stay and run unto me
Sail to me
Come to me

Anmerkung: Auch nach all den Jahren ist dieser Song, der aus Gerrards eigener Feder stammt, ein wundervoller Gegenpart zu dem bekannteren, ebenfalls auf diesem Album befindlichen "Song To The Siren". Jetzt allerdings hören wir keine Klage oder Hommage an die Sirenen, sondern die Antwort einer der Sirenen höchstpersönlich ... - Hat man jemals wundervollere Klänge, die die Hörenden in den "süßen Tod" rufen, vernommen?

Leider fehlt in diesem Clip das eigentliche Ende des Stücks - nach dem Verklingen der letzten musikalischen Töne ist auf dem Album noch eine ganze Weile das monotone Rollen der Wellen zu hören, das wiederum einen wichtigen Part in dieser Komposition ausfüllt - man lauscht immer wieder in die Pausen nach den einzelnen Wellen hinein auf eine Wiederkehr der "Sirene" oder zumindest einen Widerhall, bevor sich dann nahtlos das nächste Lied anschließt.

Selbstverständlich ist dies kein "Aufruf zum Suizid" - auch kein indirekter. Das Lied ist, wie alle Veröffentlichungen dieses außergewöhnlichen Musikprojektes, im Kontext des zugrunde liegenden Konzeptalbums zu betrachten. Das schmälert den musikalischen Genuss aus meiner Sicht nicht, sondern steigert ihn noch einmal gewaltig. Ich empfehle für dieses Werk totale Finsternis mit maximal einer weiter entfernt aufgestellten Kerze sowie einen gefestigten Gemütszustand, der Reisen in die Fantasie und die Dunkelheit erlaubt, ohne dass negative Folgen zu befürchten sind.