Freitag, 19. November 2010

Zitat des Tages: Das ist nur eine Zeitfrage

Die Geschäfte des Kapitalismus sind nun in verschiedenen Ländern (ihre Zahl wächst) ohne Rohheit nicht mehr zu machen. Manche glauben noch, es ginge doch; aber ein Blick in ihre Kontobücher wird sie früher oder später vom Gegenteil überzeugen. Das ist nur eine Zeitfrage.

(Bertolt Brecht [1898-1956]: Faschismus und Kapitalismus. Berlin/Frankfurt 1935)


Lasst die Armen leiden! oder: Kognitive Dissonanzen eines Libertären

  1. Der "Thilo-Sarrazin-Preis für Menschlichkeit und Nächstenliebe" wird diese Woche verliehen an Gerd Habermann für seinen Kommentar "Hartz IV: Ein seltsames Recht, auf Kosten anderer zu leben!" in der Welt. Habermanns Ausführungen, dass Arme eben keiner Hilfe bedürften, dass sie auch kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hätten, sondern [dass] diese Arbeitsunwilligen und Sozialschmarotzer vielmehr schmerzliche Strafe verdient hätten, seien wegweisende Gedanken, so die Begründung der Jury.

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  2. Sehr geehrter Herr Habermann,

    was für ein Menschenbild muss man eigentlich haben, um einen Artikel wie "Ein seltsames Recht, auf Kosten anderer zu leben!" zu schreiben? Sie bezeichnen sich selbst als "Wirtschaftsphilosoph" – welche Philosophie und welche Ideologie liegt Ihnen eigentlich am Herzen? (...)

    Gerd Habermann ist Mitglied der FDP, Geschäftsführer der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und Mitglied der elitären Mont Pelérin Society. Habermann lehrt als Honorarprofessor an der Uni Potsdam die "Philosophie des Wohlfahrtsstaates".

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Anmerkung: Und schon wagt sich nach Sarrazin der nächste Wegbereiter des Faschismus aus der Deckung und verbreitet übelriechende Worte, für die er noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts medial geschlachtet worden wäre. Nicht so heute: Jetzt nennt man das "Debatte" und den verbreiteten faschistoiden Schmutz "Thesen". - Ich empfehle nicht nur zarten Gemütern, zuerst den offenen Brief des Spiegelfechters (siehe 2. oben) zu lesen, bevor man sich den Originaltext aus Springers Welt antut. Die Zeiten scheinen nicht mehr so fern, in denen erneut fiese faschistische Karikaturen in feinster Stürmer-Manier zu solchen widerwärtigen, menschenverachtenden Texten wie dem von Habermann abgedruckt werden.

Die Armen sind unser Unglück - nicht wahr, Herr Habermann? - Nur mit Grausen mag man sich vorstellen, wie irgendwelche Seminare oder Vorlesungen dieses Gesellen zum Thema der "Philosophie des Wohlfahrtsstaates" an der Uni Potsdam wohl aussehen mögen.

USA: Und die Propaganda wird zur Realität



Anmerkung: "Und wenn alle die verbreitete Lüge glaubten - wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit." Diese fundamentale Feststellung aus George Orwells Roman "1984" haben sich die Neoliberalen besonders gut gemerkt und sie wenden sie immer und immer wieder an - mit zunehmender Perfektion. Bei weitem nicht nur in den USA.

Ordnungsgeld im Bundestag: Wie CDU, SPD, FDP und Grüne die Linkspartei gängeln wollen

(...) Die [Linke] hatte in der Vergangenheit ab und an Plakate im Bundestag hochgehalten oder T-Shirts getragen, auf denen eine Botschaft gegen den milliardenschweren Stuttgart-21-Unsinn zu lesen war. Lammert hatte das mitunter als "gröbliche Verletzung der Ordnung" betrachtet und Abgeordnete des Saals verwiesen, gar für mehrere Sitzungen ausschließen wollen. Weshalb die Sache nun sogar vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

(...) "Wir werden Ordnungsgelder einführen", hat der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Bernhard Kaster von der CDU, klargestellt. Und sein SPD-Kollege Christian Lange bekannte frei, dass es sich um eine Lex Linksfraktion handeln soll: Deren Abgeordnete nämlich seien nicht nur der Grund, sondern auch "nicht resozialisierbare Wiederholungstäter".

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Anmerkung: Wieder einmal zeigt die großkoalitionäre neoliberale Bande ihr perfides Demokratie(miss)verständnis. Und die CDU in Gestalt von Peter Altmaier setzt noch einen drauf, indem sie das absurde Affentheater, das da so oft im Bundestag veranstaltet wird, als "seriöse Beratungen in diesem Hohen Hause" bezeichnet - eine Realsatire, wie sie in diesen Theaterzeiten so oft zu beobachten ist. Dass der Mann beim Aussprechen des Begriffs "seriöse Beratungen" im Zusammenhang mit Bundestagsdebatten nicht in hysterisches Glucksen verfallen ist und um Atem gerungen hat, zeugt entweder von einer meisterlichen Selbstbeherrschung - oder aber von einer bornierten Dummheit, wie sie gefährlicher kaum sein könnte.

Im Bundestag passiert sicherlich alles mögliche, das will ich hier im einzelnen gar nicht aufführen, aber "seriöse Beratungen" haben in diesem verkommenen Gremium mindestens in den letzten 20 Jahren gewiss niemals stattgefunden.

Der "Spiegel" erreicht den Bodensatz der neoliberalen Kloake

Normalerweise verlinke ich keine Texte des Spiegel und zitiere erst recht nicht daraus - aber diesen Text hier sollte sich jeder zu Gemüte führen, der noch einen Beweis für den Untergang des einstigen Nachrichtenmagazines und heutigen Hofberichtsblattes des Neoliberalismus sucht.

Auch eine Anmerkung schenke ich mir - wer sich angesichts des Spiegel-Textes nicht ohnehin laut ächzend und wild mit den Augen rollend die Haare rauft, sollte die Zeilen lesen, die Fefe dazu geschrieben hat. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ruhe in Frieden, Zerrspiegel.

Mittwoch, 17. November 2010

Zitat des Tages: Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke [1875-1926]: Das Buch der Bilder. Berlin 1906)



(Gelesen von Otto Sander)

Da war doch mal was - wo bleibt die Finanztransaktionssteuer?

Die Bundesfinanzheuchler

Die Finanztransaktionssteuer sollte die belasten, die mit milliardenfachem Handel riskanter Wertpapiere wesentlich zur Unsicherheit des Systems beitragen. Die EU-Finanzminister haben das Projekt aber auf Eis gelegt - und Merkel und Schäuble halten still.
(...)

Über all das verlieren die Kanzlerin und ihr Finanzminister jedoch kein Wort und verweigern die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegner. Stattdessen verrät Schäuble wie etwa jüngst beim CDU-Wirtschaftsrat mal so ganz nebenbei, dass er eigentlich "kein Freund" der [Finanztransaktionssteuer] sei und signalisiert so den Lobbyisten der Finanzbranche, dass sie auf die im Bundestag gegebenen Versprechen nichts geben müssen. Genau wegen solcher Doppelzüngigkeit und offenkundiger Heuchelei aber verlieren immer mehr Bürger das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen. Darum wäre es die dringende Aufgabe der Abgeordneten des Bundestages und dort insbesondere jener aus den Unionsfraktionen, nun bei der Regierung die Taten einzuklagen, die den großen Worten hätten folgen müssen. Tun sie das nicht, dürfen sie sich über zunehmende Wahlenthaltung und den Zulauf für Populisten aller Couleur nicht beklagen.

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Anmerkung: Auf den ersten Blick ist dies ein begrüßenswerter Kommentar des Tagesspiegels, weil er viele Wahrheiten benennt und aufzeigt, dass das wortreiche Blabla der neoliberalen Bande nicht nur in Bezug auf eine niemals geplante und erst recht niemals kommende Finanztransaktionssteuer nicht das Papier wert ist, auf dem es gedruckt wurde. Auf den zweiten Blick muss man aber vehement schlucken, wenn man liest, dass der Kommentator allen Ernstes von den Abgeordneten der Unionsfraktion erwartet, diese sollten Taten einklagen, die den "großen Worten" hätten folgen müssen. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, angesichts einer solchen Naivität. Geht der Kommentator tatsächlich davon aus, dass die "lieben Abgeordneten" nicht wissen, welches perfide, korrupte Spiel ihre Parteioberen spielen? Oder soll hier lediglich wieder einmal das absurde Theater einer "funktionierenden Demokratie" aufgeführt werden?

Man weiß es nicht. Ich versteige mich zu der Mutmaßung, dass dieser Kommentar hinter den verschlossenen Türen der neoliberalen Bande zu wildem, hysterischem Gelächter angeregt hat, wie es Laurel & Hardy kaum hätten vormachen können. Man stelle sich das nur einmal (entsprechend viel Fantasie vorausgesetzt) vor: Abgeordnete der Union verlangen öffentlich und nachhaltig die Einlösung der gegebenen Versprechen von Merkel und Schäuble, um die Finanzkapitalisten zur Herausgabe eines geringen Teils ihrer Beute zu veranlassen. Nein, da fehlt selbst dem größten Utopisten wohl die nötige Hirnkapazität, um sich ein solch absurdes Szenarium vorstellen zu können.

Und wie geht's weiter? - Na klar - das fehlende Geld holt man sich bei den Ärmsten der Armen. Wo denn auch sonst. Und der Zulauf zu den Populisten bzw. der erstarkende Faschismus - der ist Teil der Agenda.

Berlin: Internet-Pranger für Freier?

In Berlin schlägt der Ärger über Auswüchse der Prostitution rund um den U-Bahnhof Kurfürstenstraße unweit der Potsdamer Straße im Zentrum der Hauptstadt hohe Wellen. So hat die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg nun das zuständige Bezirksamt beauftragt, die Legalität eines Online-Prangers für dort aktive Freier zu prüfen. Geplant ist, Autokennzeichnen beziehungsweise Bilder der Freier auf einer Internetplattform zu veröffentlichen. Der Beschluss wurde mit den Stimmen von CDU und SPD am Mittwochabend angenommen.

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Anmerkung: Wie wär's statt dessen mit einem Internetpranger für staatliche Abzocker aus der Wirtschaft und insbesondere dem Bankenwesen und natürlich für korrupte Politiker? Irgendwie erscheint das weitaus dringlicher - und wenn schon das Grundgesetz gebrochen werden soll, dann doch bitte diesmal auf Kosten der Nutznießer des neoliberalen Irrsinns. Die suchen ihre Opfer schließlich in der Regel nicht an irgendwelchen U-Bahnhöfen, sondern gezielt in den schwächsten Bevölkerungsgruppen.

Davon abgesehen ist es eine logische Folge des kapitalistischen Systems, dass die Prostitution (gezwungener Maßen) aufblüht. Hier Krokodilstränen zu vergießen, ist genauso perfide wie das sinnentleerte Lamentieren von Teilen der SPD und Grünen über eine sich "verschärfende soziale Ungleichheit" von Menschen. Da könnte man genauso herumlamentieren, dass es eben spritzt, wenn man einen Felsbrocken in den See wirft.

Es ist aber interessant zu sehen, dass die SPD und natürlich die CDU in Berlin den Pranger für ein adäquates rechtliches Instrument im 21. Jahrhundert halten, um unliebsame Zeitgenossen aus dem Volk unschädlich zu machen. Überrascht ist wohl niemand. Entsetzt sollten umso mehr Menschen sein.

Deutschland nach dem Super-GAU - Bilder aus der Todeszone

Im AKW Biblis hätte es letzte Woche zu einem Atomunfall kommen können – nur wegen der Auswechslung von Brennelementen stand er gerade still. Das Land Hessen wiegelt ab.

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Statt einer Anmerkung: