Samstag, 17. Oktober 2009

Friedensnobelpreis-Feierlichkeiten

CDU/FDP zur Gesundheitspolitik: Arbeitnehmer, bitte zahlen

Das Defizit der Krankenkassen ist gigantisch - doch Union und FDP wollen die Arbeitgeber verschonen. Die Beschäftigten sollen bluten.

Die Arbeitnehmer werden den absehbaren Anstieg der Krankenkassenbeiträge wohl alleine schultern müssen. Das wurde am Montag bei den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP deutlich. Die zuständigen Chefunterhändler Ursula von der Leyen (CDU) und Philipp Rösler (FDP) sagten, den Arbeitgebern, die sonst etwa die Hälfte der Beiträge zahlen, dürften keine höheren Lohnnebenkosten aufgebürdet werden. "Dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht belastet wird, das ist absolut Konsens", betonte von der Leyen.

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Anmerkung: Wer sich eine Kritik an diesem neuerlichen Anschlag auf die Bürger oder gar weitergehende Informationen dazu in der Süddeutschen Zeitung erhofft, wird - wie fast immer - bitter enttäuscht. Arbeitgebern dürfen also keine weiteren Kosten "aufgebürdet" werden, den Arbeitnehmern aber schon. Wer um Himmels Willen hat diese Parteien gewählt???

Die Demokratie-Diktatur und der Wandel

Einmal in vier Jahren dürfen wir zwei Kreuze machen. Das war's. Mehr Demokratie ist nicht drin. Trotzdem heißt es im Grundgesetz: "Alle Macht geht vom Volke aus" - nur wo? Oder ist Herr Volke vielleicht heimlicher Bundestags-Chefdiktator? Dann könnte alle Macht tatsächlich von ihm ausgehen - wir sind jedoch ganz sicher nicht gemeint.

Und was wir wählen, ist mittlerweile auch fast egal. Wir wählen eine Friedens-Partei und die beschließen den ersten deutschen Angriffs-Krieg, wir wählen Sozialdemokraten, sie geben uns Hartz 4, wir wählen Politiker, die schwören, die Steuern nicht zu erhöhen, und sie tun hinterher genau das. Sie lügen, betrügen, brechen Wahlversprechen und wir können sie weder dafür zur Rechenschaft ziehen noch vorzeitig abwählen. Ist das Demokratie?

Und für wen? Die Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verschlechtern sich zunehmend, der Einfluss von Lobbys auf die Politiker wird immer größer, die wirtschaftlichen Verbindungen der Abgeordneten undurchschaubar. Ist das wirklich der "Wille des Volkes"?

In seinem hervorragenden Aufsatz "Die deutsche Status-quo-Diktatur" in der Zeitung "Die Welt" analysiert Reginald Grünenberg die deutsche Politik und kommt zu dem Ergebnis: Wir leben in einer Diktatur - und zwar in einer historisch recht neuen. Im Gegensatz zu den Diktaturen der Vergangenheit will sie keine revolutionäre Veränderung zugunsten einer neuen Ideologie - im Gegenteil. Sie will das Alte mit aller Macht gegen das Neue verteidigen: eine Status-quo-Diktatur.

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Hartz 4: Zurichten für den Sklavenmarkt

[Ex-]SPD-Politiker Wolfgang Clement nennt sie "Parasiten", Guido Westerwelle will härter durchgreifen: "Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit" - die Propaganda gegen Hartz-4-Empfänger prasselt von allen Seiten auf uns ein. In der Bild-Zeitung lesen wir "Noch schlimmer als Florida-Rolf: So frech zockt uns Mallorca-Karin ab" und am Stammtisch wird aufgeregt über die "Schmarotzer" gelästert.

Wie haben die das geschafft? Wie haben sie es geschafft, dass in diesem völlig wahnsinnigen Wirtschaftssystem auch noch diejenigen als soziales Übel gelten, die am Meisten darunter leiden? Und dass wir das auch noch glauben?

Die Wahrheit sieht anders aus. Um überhaupt weiter existieren zu können, braucht unser System einen Niedriglohn-Sektor, einen Bereich, in dem Menschen für Sklaven-Gehälter arbeiten, die kaum zum Überleben reichen. Denn irgendjemand muss die Wertschöpfung für diejenigen betreiben, die sich an der Börse und anderswo mit heißer Luft die Taschen vollmachen. Man sieht es an den Zahlen:

"Seit 2005 hat sich in Deutschland die Armut, die Kinderarmut und die Anzahl der Tafeln verdoppelt. Der Niedriglohnsektor hat sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre gleichfalls verdoppelt. Während Einkommen aus Gewinnen und Vermögen um 36 Prozent zugenommen haben, bleibt die Lohnquote mit 66,2 Prozent auf einem historischen Tiefstand: Neun Prozentpunkte unter dem Spitzenniveau von 1974", fasst Reinhard Jellen die Entwicklung auf Telepolis zusammen.

2005 - ja genau, das ist das Jahr der Hartz-4-Reformen. Lustiger Zufall, dass sich die Armut seitdem verdoppelt hat.

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Die EU wird gefährlich

Die irische Zustimmung zum Lissabon-Vertrag hat den Weg frei gemacht für eine neue EU. Aber kann das Projekt gelingen?

Nun haben sich die Iren und Irinnen also doch besonnen – und halb Europa atmet auf. Ein entschiedenes Ja sei das gewesen, lobten die Regierungen der anderen EU-Staaten, immerhin hatten am letzten Freitag 67 Prozent der Stimmenden für die Annahme des Lissabon-Vertrags votiert. Mit dem einzigen demokratischen Votum – in allen anderen EU-Staaten wurden Referenden entweder abgesetzt oder gar nicht erst erwogen – ist die Ratifizierung des Vertrags sehr viel wahrscheinlicher geworden. Dem wachsenden Druck dürfte auch der tschechische Staatschef Vaclav Klaus nicht lange standhalten.

Aber haben die IrInnen tatsächlich über den Lissaboner Vertrag abgestimmt? Die BefürworterInnen, die mit viel EU-Prominenz und noch mehr Geld hantieren konnten, sprachen die Inhalte des Vertrags vorsichtshalber gar nicht erst an. So entschied die irische Bevölkerung eher über ihre Mitgliedschaft in der EU und über das Versprechen von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsaufschwung. Die IrInnen, deren Volkswirtschaft durch die Finanzmarktkrise in den Keller gefallen ist, «stimmten mit der Pistole an der Schläfe ab», wie die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» kommentierte. Selbst die Neutralität des Staates, ein für die meisten IrInnen zentraler Punkt, spielte im Wahlkampf kaum eine Rolle. Und wenn, dann wurde mit unhaltbaren Behauptungen argumentiert. Die Neutralität würde durch den Vertrag nicht berührt, hieß es. Dabei ist die Zusammenarbeit der EU mit der Nato ein wesentliches Element des Vertragswerks.

Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht Ende Juni zwar das deutsche Begleitgesetz zum EU-Vertrag kassierte (mit ihm hatte die deutsche Regierung die Entscheidungsbefugnis des Bundestags über Kriegseinsätze deutscher SoldatInnen auszuhebeln versucht), den Vertrag selber aber nicht für verfassungswidrig erklärte, scheint der Weg frei für die Etablierung der Militärmacht EU. Denn der Vertrag verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten nicht nur zur Aufrüstung (Artikel 42), sondern im Konfliktfall auch zum gegenseitigen Beistand. Die militärische Solidaritätsklausel (Artikel 222) ist noch strikter formuliert als die Bündnisverpflichtung der Nato. Sie ermöglicht auch einen Einsatz des Militärs im Innern der EU – eine Maßnahme, die etwa das deutsche Grundgesetz ausdrücklich untersagt.

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Was wir von Bolivien lernen können

Es mag für manche Leser erstaunlich sein, an dieser Stelle (wo sonst oft eher Staatskritisches zu lesen ist) die Verlautbarungen einer Regierung zu finden. Doch was die seit 2006 amtierende bolivianische Regierungspartei MAS unter dem indigenen Kokabauern Evo Morales auf den Weg gebracht hat, scheint dermaßen fortschrittlich, dass es unbedingt in diese Zeitschrift gehört. – Wie fortschrittlich, das wird deutlich, wenn man sich bei der Lektüre der folgenden Beiträge einmal vorzustellen versucht, dass die verfassungsmäßigen Weichenstellungen in ähnlicher Form von der neuen deutschen Bundesregierung vorgenommen werden würden …

Noch vor 50 Jahren war es der indigenen Bevölkerungsmehrheit verboten, die Plaza Murillo, den allseits beliebten Platz zwischen Regierungssitz, Parlament und Kathedrale, zu betreten. Jetzt feierte ein unterdrücktes Volk hier die Wiedergeburt seiner Würde. In der Präambel des neuen Verfassungstextes heißt es:

"In uralten Zeiten türmten sich Berge auf, bahnten sich Flüsse ihre Wege, entstanden Seen. Unser Amazonas, Chaco, Altiplano und Täler bedeckten sich mit Grün und Blumen. Wir bevölkerten diese Heilige Mutter Erde mit unterschiedlichen Gesichtern, von da an verstanden wir die bestehende Vielfalt aller Dinge und unsere Verschiedenartigkeit als Menschen und Kulturen. So bildeten wir unsere Völker, und erst mit der unheilvollen Kolonialzeit verstanden wir, was Rassismus bedeutet.
Wir sind das heterogen zusammengesetzte bolivianische Volk; aus der Tiefe der Geschichte kommend, inspiriert von den Kämpfen der Vergangenheit […] und in Gedenken an unsere Märtyrer, erschaffen wir heute einen neuen, auf Respekt und Gleichheit gründenden Staat, mit den Prinzipien Selbstbestimmung, Würde, Vervollkommnung, Solidarität, Harmonie und Gerechtigkeit in der Verteilung und Umverteilung des Sozialprodukts. Wir erschaffen einen Staat, in dem das Streben nach dem guten Leben vorherrscht, mit Respekt vor der wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen, politischen und kulturellen Vielfalt der Bewohner dieses Landes. Im gemeinsamen Zusammenleben soll jeder Mensch Zugang zu Wasser, Arbeit, Bildung, Gesundheit und Heim haben. Wir überlassen den kolonialen, republikanischen und neoliberalen Staat der Vergangenheit. Wir nehmen uns der historischen Aufgabe an, gemeinsam einen einheitlichen kommunitär-plurinationalen Rechts- und Sozialstaat aufzubauen, der die Absicht beinhaltet und ausdrückt, voranzuschreiten zu einem demokratischen, produktiven Bolivien, Träger und Förderer des Friedens sowie der ganzheitlichen Entwicklung, der freien Selbstbestimmung der Völker verpflichtet. Wir erklären unsere Verpflichtung zur Einheit und Integrität des Landes. Das Mandat unserer Völker erfüllend, mit der Kraft unserer Pachamama und dank Gott, gründen wir Bolivien neu."

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10 Gebote, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten
Von Evo Morales Ayma, Präsident der Republik Bolivien

1. Mit dem Kapitalismus aufhören
Um den Planeten, das Leben und die menschliche Spezies zu erhalten, müssen wir mit dem Kapitalismus aufhören. Es ist Zeit, die finanziellen Schulden des Südens gegen die ökologischen Schulden des Nordens aufzurechnen.

2. Auf Kriege verzichten
Nichts und niemand kann sich aus einem Krieg ausschließen. Die Kriege sind die größte Verschwendung und Plünderung von Leben und der natürlichen Ressourcen. Wir, die indigenen Völker des Planeten, müssen der Welt sagen, dass wir glauben, dass die Millionen und Millionen von Dollar, die heute in die Industrie des Todes investiert werden, in einen großen gemeinsamen Fonds gehen sollten, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten.

3. Eine Welt ohne Imperialismus und Kolonialismus
Das kapitalistische System trägt in seinen Eingeweiden den Imperialismus und den Kolonialismus. Den anderen zu beherrschen, den anderen zu unterwerfen, den anderen zu kontrollieren und den anderen unterzuordnen, sind die Formen des „Lebens“ dieses Modells der „Entwicklung“, die auf der Konkurrenz basiert und nicht auf der Ergänzung/Vollständigkeit.

4. Das Wasser als Recht aller Lebewesen
Ohne Wasser gibt es kein Leben. Der Grundwasservorrat geht weltweit zurück. Um uns mit dieser Weltkrise des Wassers auseinanderzusetzen, müssen wir damit anfangen, den Zugang zu Wasser als Menschenrecht zu erklären und folglich als eine öffentliche Dienstleistung, die nicht privatisiert werden kann. Wenn das Wasser privatisiert und vermarktet wird, können wir kein Wasser für alle garantieren. Es ist fundamental, den Zugang zu Wasser zum Menschenrecht zu erklären.

5. Saubere und umweltfreundliche Energiearten
Einige Daten ermöglichen uns zu verstehen, was in der Welt im Hinblick auf die Anwendung von Energie und ihre Beziehung zur Natur vor sich geht. Die Entwicklung sauberer und umweltfreundlicher Energien ist eine weitere grundlegende Aufgabe zur Rettung des Planeten, der Menschheit und des Lebens.

6. Achtung vor der Mutter Erde
Der Schändung unserer Mutter Erde und aller ihrer Lebewesen werden wir mit der Kraft der Erkenntnis und der Liebe zur Schöpfung entgegenwirken. Die Erde kann nicht nur als eine natürliche Ressource angesehen werden. Wir respektieren die Natur, ehren unsere Mutter Erde und erkennen die Naturgesetze als höchstes Gesetz an.

7. Die Grunddienstleistungen als Menschenrecht
Der Zugang zu Wasser, Energie, Bildung, Kommunikation, Gesundheit und Transport ist ein Grundrecht, das jeder Staat seiner Bevölkerung als grundlegendes Menschenrecht garantieren muss. Diese Dienstleistungen können nicht zu privaten Geschäften gemacht werden. Sie müssen zur Grundlage der öffentlichen Dienste werden.

8. Verbrauchen, was notwendig ist, und Konsum des lokal Produzierten
Wir müssen Schluss machen mit dem Konsumismus, der Verschwendung und dem Luxus. Im ärmeren Teil des Planeten verhungern jedes Jahr Millionen Menschen; gleichzeitig werden im reicheren Teil des Planeten Millionen Dollar ausgegeben, um die Fettleibigkeit zu bekämpfen. Wir verbrauchen im Exzess, wir vergeuden Naturressourcen und produzieren Müll, der die Mutter Erde vergiftet. Verbrauchen, was notwendig ist, und dem Verbrauch dessen, was wir lokal produzieren, den Vorrang geben, das ist von erstrangiger Bedeutung, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten.

9. Respekt vor kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt
Der Kapitalismus reduziert die Menschen auf ein Leben als Konsumenten. Wir – die indigenen Völker dieses Planeten – glauben nicht an Einheitslösungen für alle. Menschen sind verschieden. Wir leben in Gemeinschaften mit Identitäten, mit eigenen Kulturen. Eine Kultur zu zerstören, die Identität eines Volkes anzugreifen – das ist der größte Schaden, den man der Menschheit zufügen kann.

10. „Vivir Bien“ – das gute Leben
Wir – die indigenen Völker dieses Planeten – wollen einen Beitrag leisten für eine gerechte, vielfältige und ausgeglichene Welt, die einschließt und nicht ausgrenzt. Wir sagen „Vivir Bien“ – das gute Leben.

Ich denke, dass wir Menschen unsere Wurzeln wiederentdecken können – und sollten. Ich glaube daran, dass die Menschheit eine gerechtere Welt aufbauen kann. Eine vielfältige Welt, eine Welt, die integriert und ausgeglichen ist, eine Welt im Einklang mit der Natur, mit der Mutter Erde.

Für radikalen Kurswechsel: Das NRW-Landtagswahlprogramm der Linken

Für die CDU ist das Programm der Linkspartei zu den Landtagswahlen in NRW ein »Anschlag auf die freiheitliche Gesellschaft«. Der CDU-Chef im bevölkerungsreichsten Bundesland, Jürgen Rüttgers, kritisiert: »Wer ein solches Programm beschließt, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.« Auch Bodo Ramelow, Spitzenpolitiker in Thüringen, stößt ins selbe Horn: »Religion gegen Ethik zu stellen, geht nach dem Grundgesetz überhaupt nicht.« Doch diese Unterstützung scheint noch nicht zu reichen, damit die Union gegen die »bunt-radikalen Grüppchen von politischen Sektierern, Kommunisten und Sozialrevolutionären« (Rheinische Post) ankommen kann. Der CDU-Generalsekretär in NRW, Hendrik Wüst, ruft die SPD zu Hilfe. Es sei höchste Zeit für die so oft angekündigte klare Kante bei den Sozialdemokraten des Bundeslandes. Schon zu lange lasse die sich von den »Spaltern, Extremisten und Demagogen« der NRW-Linken vorführen. Auch FDP-Fraktionschef Gerhard Papke ist erschüttert: Die Linke wolle den »Marsch in die totale Staatswirtschaft und stellt Prinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates radikal in Frage«.

Was steht nun wirklich im 54seitigen Landtagswahlprogramm? jW dokumentiert daraus die Präambel, in der die Positionen der NRW-Linken zusammengefasst sind.

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Das Kapital, der Faschismus und das Böse

(...) Nach 1989 glaubte die Bourgeoisie, den gefährlichen linken Feind endgültig besiegt zu haben. Die Parole hieß jetzt „bereichert euch", hemmungslos. Dazu gehörten und gehören auch Kriege: Die Eroberung von Absatzmärkten, Rohstoffreserven, Transportwegen oder auch "nur" der Absatz von Kriegsgerät. Das "einige" Deutschland war dabei. Und Auschwitz erwies sich nun als ungeheuer nützlich: Der Nationalsozialismus entstammte ja dem "Bösen", so das entschuldigende Märchen, nicht etwa dem Kapitalismus. Und jetzt wurde überall in den Kriegsgebieten ein neues drohendes "Auschwitz", ein neuer "Hitler" oder zumindest die bedrohte Zivilisation des "Guten" entdeckt.

Deutschland kann wieder Kriege führen, Tapferkeitskreuze verleihen, sogar mit dem alten bekannten Eichenlaub – aber jetzt wird gegen das "Böse" gekämpft. Eine merkwürdige Wiederholung. Auch die Nazis hatten behauptet, das "Böse" zu bekämpfen, das sie in ihrem rassistischen Wahn im "Juden" sahen. Jetzt bleibt immer noch das "Böse", das zu bekämpfen ist – die "Islamisten", manchmal auch gleich die noch nicht "westlichen" Araber, auf jeden Fall der "unzivilisierte Osten" - das liegt nun wieder sehr nah am NS-Feindbild.

Dieses Drohbild begründet dann auch, warum Asylsuchende doch lieber im Mittelmeer ertrinken sollten, statt uns "Gute" hier zu bedrohen. Der alltägliche Rassismus verkleidet sich auf diese Weise als "Zivilisation", die zu retten sei. Dieser Rassimus wird von den staatlichen Institutionen praktiziert. Da gibt es allerdings noch die "Rechtsextremisten", nennen wir sie lieber richtig Neonazis. Einerseits stören sie, sie sind nicht gerade exportfördernd. Aber sie erfüllen doch verschiedene Aufgaben. Geradezu ideal verkörpern sie bis in ihr Auftreten das Bild des "Bösen". Auch die beamteten Rassisten, die gerade befohlen haben, Asylsuchende abzuschieben, oder die Juristen, die gegen "Ausländer" Folteraussagen aus ihren Heimatländern benutzen oder die Kapitalisten, die am Rüstungsexport verdienen, sie alle sind sich einig im Bündnis gegen diese "Rechtsextremisten", zumindest offiziell.

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Vertrag von Lissabon: Todesurteil für die friedliche Demokratie

Die Taktik hat geklappt: Nachdem die Iren den Vertrag von Lissabon zunächst abgelehnt hatten, hat die Regierung beschlossen, sie einfach so oft abstimmen zu lassen, bis sie mit "Ja" stimmen. Das haben sie jetzt getan. Sozusagen zumindest. Denn eigentlich haben sie nicht wirklich dem Vertrag zugestimmt - was darin geregelt wird, dürfte kaum ein Ire wissen. Stattdessen wurden sie mit Slogans wie "Mehr Jobs" oder "Wirtschaftsaufschwung" geködert - das zieht immer gut in einer Volkswirtschaft, die kurz vor dem Kollaps steht. Mit mehr Jobs hat der Vertrag aber inhaltlich nicht das Geringste zu tun. Und der tatsächliche Inhalt des Vertrags wurde von niemandem erwähnt.

Es fehlt noch die Zustimmung von Polen und Tschechien, dann kann der Vertrag in Kraft treten. Worum es sich dabei handelt, das weiß noch immer kaum jemand. Die Regierungen haben es tunlichst vermieden, darüber aufzuklären, in den Massenmedien wurde das Thema totgeschwiegen, eine öffentliche Diskussion fand nicht statt. (...)

Was steht also drin, wofür steht der Vertrag?

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Wie unser Abgabensystem privaten Reichtum fördert und das Gemeinwesen verarmen lässt

Bei einem Thema haben sich CDU/CSU und FDP im Bundestagswahlkampf besonders weit aus dem Fenster gehängt: Man werde, wenn es für Schwarz-Gelb reiche, die Steuern senken. Die Verhandlungen über die bevorstehende schwarz-gelbe Koalition in Deutschland hatten noch nicht angefangen, da erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schon, dass an diesem Ziel in jedem Fall festgehalten werde - ungeachtet des wegen der Finanzkrise ausufernden Haushaltsdefizits. Ebenfalls pünktlich zur Wahl forderten führende deutsche Ökonomen eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das zeitliche Zusammentreffen dieser Meldungen ist kein Zufall, sondern Beleg für einen besorgniserregenden steuerpolitischen Trend.

Steuersenkungen, da kommt Freude auf! Doch die könnte uns bald vergehen, denn weniger Steuern bedeutet weniger Geld für den Staat. Und dieses Geld wird an vielen Stellen schmerzhaft fehlen. Wenn der Staat sein Tafelsilber verscherbeln muss, um überhaupt noch etwas einzunehmen; wenn Nachwuchswissenschaftler mangels Stellen ins Ausland gehen und junge Theatermacher sehen können, wo sie bleiben; wenn man Monate oder gar Jahre auf ein Gerichtsurteil warten muss und die Entwicklungshilfe weit unter den eigenen Selbstverpflichtungen liegt; wenn Kitaplätze weder ausreichend noch kostenlos verfügbar sind und die Universitäten Gebühren verlangen; und wenn die Staatsschulden bald schon die Grenze von 20 000 Euro pro Kopf übersteigen - dann stellt sich die Frage, ob der Staat wirklich nichts Besseres zu tun hat, als die Steuern zu senken und so freiwillig auf Einnahmen zu verzichten.

Aber totalen Verzicht üben will er ja auch gar nicht. Denn wenn die Politiker von Steuersenkungen sprechen, meinen sie damit (ohne es offen zu sagen) durchaus nicht dasselbe wie die Mehrzahl der Wähler. Kürzen wollen sie nämlich in aller Regel die Steuern auf Unternehmensgewinne und Vermögen, die Steuern auf Kapitalerträge und die Spitzensätze bei der Einkommensteuer, und zwar mit dem beruhigenden Argument, niedrige Steuern für die Reichen und die Unternehmer würden deren Leistungsbereitschaft fördern, was wiederum gut für die Wirtschaft und damit für uns alle sei. Dass dieses neoliberale Dogma inzwischen widerlegt ist, stört diese Politiker nicht. Sie halten daran fest: Die wohlhabendsten Kreise - die gefeierten Leistungsträger - müssen zur Finanzierung des Gemeinwesens immer weniger beisteuern.

Dagegen werden die normalen Arbeitnehmer und Verbraucher vor allem durch die Mehrwertsteuer, aber auch durch Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben immer stärker belastet.

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Anmerkung: Die wirklichen Leistungsträger unserer Gesellschaft, nämlich all die ungezählten Krankenschwestern, Altenpfleger, Lehrerinnen, Sozialarbeiter etc., kommen in der neoliberalen Ideologie natürlich nicht als solche vor. Dabei liegt es doch so offensichtlich greifbar auf der Hand: Ohne die Riege der Ackermänner und anderer selbsternannter "Eliten" könnten wir alle wunderbar (besser?) leben - ohne Krankenschwestern und Lehrer jedoch gewiss nicht.

Die Grünen bekennen sich endgültig als Öko-FDP

"Die mit absoluter Mehrheit regierende CDU ist verbraucht, sie bedrückt die Menschen durch rücksichtslose Machtausübung, missachtet Bürgervoten und verhält sich obrigkeitsstaatlich (…)."

"Die Politik der Konservativen während der vergangenen zehn Jahre hat die soziale Spaltung des Landes vertieft (…)."

"Wir Grüne wollen dem Saarland eine bessere Zukunft bieten. Dazu ist es erforderlich, die CDU-Regierung abzulösen."


So hieß es noch im Landtagswahlprogramm der Saar-Grünen.

Obwohl es sowohl in den Programmen als auch in den Sondierungsgesprächen mit der Saar-SPD und der dortigen Linken weitgehende Übereinstimmung gab, folgten 117 der 150 Delegierten des Parteitages dem Vorschlag des Grünen-Landesvorsitzenden Hubert Ulrich und stimmten für die erste Jamaika-Koalition. Mit 5,9% der Stimmen und gerade 3 Abgeordneten im Landtag wollen die Grünen den bei der Landtagswahl am 30. August 2009 mit einem Minus von 13% abgewählten Peter Müller (CDU) als Ministerpräsidenten des Saarlandes auf seinem Amtssessel halten.

Vergessen ist die Hauptbotschaft im Wahlkampf: "Zeit für Veränderung" und das Wahlversprechen: "Nach zehn Jahren konservativer Regierung brauche das Saarland dringend den Wechsel."

"Die CDU hatte ihre Chance", hieß es vor der Wahl, und sie wird sie Dank der Grünen auch nach der Wahl wieder bekommen. (...)

Man wird jetzt zwar von ganz neuen "Bewegungen in den politischen Lagern" reden, doch in Wahrheit bewegt sich politisch gar nichts oder es gibt allenfalls kosmetische Korrekturen. Diese Methode wird so lange funktionieren, so lange man den Wählerinnen und Wählern immer noch einreden kann, es handle sich bei CDU, FDP, SPD und den Grünen um Parteien, die wirklich unterschiedliche Konzepte vertreten.

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Freitag, 16. Oktober 2009

Sturm ist immer

Ausweglos. Hoffnungslos verfahren. Bedenklich genug, dass uns nach und nach bewusst wird, dass die Einheitsfront etablierter Parteien keine Regierung zulässt, in der auch nur ein Hauch von Links vorhanden ist. Droht ein solches Lüftchen, verbarrikadieren sich die Damen und Herren, die sich nurmehr in der Farbwahl ihrer Krawatten wie Blusen unterscheiden, hinter geheimnisvollen Abmachungen, chargieren, heucheln ein wenig Besonnenheit und versprechen, ernsthaft über jede denkbare Alternative nachzudenken, lassen aber letztlich nur Modelle zu, die sich im Milieu der biblisch überlieferten Parteien beleben lassen. Verstellte Demokratie! (...)

Ruhe vor dem Sturm, diese vielgebrauchte Metapher. Hier gibt es keine Ruhe, irgendwas ist immer. Nur immer das Falsche, immer Lautstärke am falschen Ende. Dort, wo wie am Spieß gebrüllt werden soll[te], da wird die Schnauze gehalten, da wird stramm gestanden, Hände an die Hosennaht! Sturm ist immer, jeden Tag, immer wieder, stündlich eingeimpft. Sturm gegen Arbeitslose, Sturm gegen Ausländer, Sturm gegen Kleinkriminelle, Sturm gegen aufsässige Jugendliche, Sturm gegen Senioren. Ruhe vor dem Sturm? Doch nicht in Deutschland, im Land der Stürmer, der Sturmtrupps. (...)

Verändert euer Sturmverhalten, will man ihnen nachrufen. Nutzlos nachrufen. Wenn sie es heute wirklich ändern und nicht mehr dem Türken nachstürmen, dann rennen sie eben dem Arbeitslosen nach. Irgendwer findet sich immer, irgendwem darf man immer in die Fresse hämmern. Nur dorthin, wo der Sturm lohnenswert wäre, wo er Sinn hätte, wo er fällig wäre, da stürmt niemand, da wird saumselig gedöst, lächelnd hinaufgeschielt. Die Inszenierung der Gegenwart ist keine Sturmesruhe, sie ist nur Ruhe an der wirklichen Front und Scheingefecht an Scheinfronten. Neue Fronten treten sicherlich bald in Erscheinung, womöglich das faule Pack, das dieses Land mehr Geld kostet, als es ausgeben will. Der Sturm steht ins Haus. Ein Sturm auf Wehrlose, in bester soldatischer Manier, mit aller Härte gegen Unbewaffnete.

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Donnerstag, 15. Oktober 2009

Zitat des Tages (13)

"Vor seiner Verurteilung hatte Rissen selbst gesagt: "Ich weiß, dass der Weg irgendwo hinführen wird." Ich weiß nicht genau, wie er das gemeint hatte. Aber es gelingt mir manchmal, wenn ich mit geschlossenen Augen auf meiner Pritsche sitze, die Sterne funkeln zu sehen und den Wind wie in jener Nacht säuseln zu hören. Ich kann nicht, ich kann die Illusion aus meiner Seele nicht ausmerzen, dass ich immer noch, trotz allem, helfe, eine neue Welt zu schaffen."

(Karin Boye [1900-1941]: "Kallocain. Roman aus dem 21. Jahrhundert", 1940)

Jürgen Elsässers kleiner Blick in die Geschichte: Vom Heiligen Römischen Reich zur "schönen neuen Weltordnung"

(...) Diese Entwicklung hat ganz gut dargestellt, schon vor siebzig oder achtzig Jahren, glaube ich, Aldous Huxley in dem Buch «Schöne neue Welt». Und das habe ich wiederum in meinem eigenen Buch «Nationalstaat und Globalisierung» verwendet und eingeordnet. Darin schrieb ich über Huxleys «Schöne neue Welt»:

«Die neue Ordnung brachte den Frieden. Abschaffung des Parlamentarismus und der Demokratie, Einführung der genetischen Menschenzucht, Triebnormierung durch Schlafhypnose, Luxus und Wohlstand für die herrschenden Alphas und Betas, Vollbeschäftigung und Zufriedenheit für die schuftenden Deltas und Epsilons, freie Sexualität, gefühlsechte Filme und tröstendes Soma-Ecstasy für alle. Wer alt wird, stirbt den sanften Tod durch Euthanasie.»

Huxley wörtlich: «Die Welt ist jetzt im Gleichgewicht. Die Menschen sind glücklich. Sie kriegen, was sie begehren, und begehren nichts, was sie nicht kriegen können. Es geht ihnen gut. Sie sind geborgen, immer gesund, haben keine Angst vor dem Tod. Leidenschaft und Alter sind diesen Glücklichen unbekannt. Sie sind nicht mehr mit Müttern und Vätern behaftet, haben weder Weib noch Kind noch Geliebte, für die sie die heftigen Gefühle hegen könnten. Und ihre ganze Normung ist so, dass sie sich kaum anders benehmen können, als sie sollen.»

Soweit die «Schöne neue Welt» in der Vorausschau von Aldous Huxley. Wie es dazu kam, zu dieser «Schönen neuen Welt»? Die Welt wurde vorher durch eine heftige Weltwirtschaftskrise erschüttert, mit Terroranschlägen durch Milzbranderreger und einem nachfolgenden neunjährigen Krieg. Huxley schreibt: «Der Neunjährige Krieg, der große Wirtschaftszusammenbruch, es gab nur die Wahl zwischen Weltaufsicht und Vernichtung. Der Liberalismus war durch Milzbrandterror umgebracht.» Das heißt: In Huxleys Anti-Utopie ist die Weltaufsicht, also die Weltregierung, die Vorstufe zu dieser allgemeinen Menschennormierung.

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Rassismus im "Spiegel": Das Recht aufs Ressentiment

(...) Einmal mehr geht die aufrechte Medienmischpoke einem Kämpfer für die antilinke Wahrheit zur Hand, einmal mehr betätigt sich der „Spiegel“ als Blendgranate der Gegenaufklärung, indem er seinen untalentiertesten Schmierfinken an die Front schickt. Reinhard Mohr hat sich persönlich der Causa Sarrazin angenommen, womit gesichert ist, dass kein zerebraler Stein mehr auf dem anderen bleibt. (...)

Seine Waschlappentaktik ist preiswürdig: Er verklausuliert seinen biederen Beifall für Rassismus als Meinung zu Meinungen über eine Meinung. Anstatt sich mit den inkriminierten Äußerungen eines losgelassenen Menschenhassers im Wortlaut zu befassen, hält er sich an das Talkshow-Gequatsche von Leuten, die ihrerseits zu Sarrazins Stellungnahme Stellung nehmen. War der „Spiegel“ früher dafür bekannt, Zusammenhänge herzustellen und zu erläutern, Kontext zu rekonstruieren, so zerfaseln seine Verweser heute jede relevante Debatte zum Einheitsbrei.

Mohr verfälscht darum auch konsequent Zitate Sarrazins und lässt das Braunste einfach weg. Sarrazins unverhohlen rassistische Äußerungen wurden auch kaum von den Medien diskutiert, die heikelsten Stellen gar nicht erwähnt. Er hätte gern Juden, die seien intelligenter. Bei Türken und Arabern sieht er hingegen ein auch „erblich bedingt[es]“ Problem, das sie als Leistungsträger ausschließt. Was Sarrazin da abgelassen hat, ist reinste faschistische Hetze. Als „68er“ und „Gutmensch“ gilt inzwischen offenbar jeder, der in solchem Dreck die Verletzung eines Tabus sieht, das zurecht besteht. Allein die Perfidie, Juden höhere Intelligenz zu unterstellen, ist unfassbar.

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Die Ziele der FDP und CDU: Atomaufsicht in die Hände der Energiekonzerne

Für Energiefragen sind im Bund derzeit zwei Ministerien zuständig: Das Wirtschaftsministerium (BMWI) und das Umweltministerium (BMU). Noch. Denn geht es nach dem Wunsch vieler Unions- und FDP-Politiker, werden bald sämtliche Zuständigkeiten in Sachen Energie in einer Behörde gebündelt. Schlimmes stand zunächst zu befürchten, als die FDP vorschlug, ein Energieministerium einzurichten. Genauso beunruhigend ist nun der Vorstoß, alle Kompetenzen auf das Wirtschaftsministerium zu übertragen.

Erarbeitet wurde diese Idee von der AG “Wirtschaft, Energie, Aufbau Ost, Bürokratieabbau”, die von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und FDP-Vize Rainer Brüderle geleitet wird. Vater des Gedanken, künftig Energiepolitik „aus einem Guss“ zu betreiben, ist ein profaner Wunsch: Auf diese Weise ließen sich diejenigen Kräfte ausschalten, die eine von den Interessen der großen Stromkonzerne diktierte Energiepolitik stören. Besonders heikel ist dies im Fall der Atomaufsicht, derzeit noch in Händen des Bundesumweltministeriums. Atomexperte Tobias Münchmeyer von Greenpeace kommentiert:

"Eine Übertragung der Reaktorsicherheit vom Umweltministerium an das Wirtschaftsministerium wäre das Ende einer unabhängigen Atomaufsicht in Deutschland. Es widerspricht außerdem den international beachteten Mindest-Standards für eine unabhängige Atomaufsicht. Es wäre so, als erlaube man jedem Autofahrer, sich selbst seine TÜV-Plakette für sein Auto auszustellen."

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"Westerwelle ist die Bauchrednerpuppe der Konzerne"

Scharlatane geben Ratschläge - und ebnen den schwarz-gelben Kahlschlägen den Weg

Wirtschaftsexperten bereiten den angekündigten „Reformen“ der schwarz-gelben Regierungskoalition schon jetzt öffentlich den Weg, um den neuen Kurs hoffähig zu machen

Die Koalitionsverhandlungen von Union und FDP hatten noch nicht begonnen, da setzte in den Medien ein alt bekanntes Rauschen ein. „Wirtschaftsexperten“ ließen ihre Ratschläge in die öffentliche Debatte tröpfeln.

Da forderte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, die Rücknahme der Rentengarantie. Da plädierte Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für eine Agenda 2015, warnte vor Korrekturen an der rot-grünen Umbaupolitik und erklärte die Rente mit 67 zur verteidigungswürdigen „Vernunft“. Da wünschte sich Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut eine Mindestsicherung statt Mindestlohn und die „Grundsanierung der Sozialsysteme“. Da verlangte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, „in drei Jahren muss der Staat wieder raus sein aus dem privaten Bankensektor“.

Im Mittelalter tingelten Scharlatane von Hof zu Hof, sagten die Zukunft aus Tierinnereien voraus. Heute tingeln „Wirtschaftsexperten“ durch die veröffentliche Meinung, prognostizieren konjunkturelle Entwicklungen und geben Ratschläge, wie die Wirtschaft anzukurbeln sei. Dabei verfolgen sie meist das Interesse der Unternehmer.

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Anmerkung: Der "neue Kurs" ist indes nicht neu, sondern lediglich eine konsequente, leicht verschärfte Weiterverfolgung des bisherigen Weges von Rot/Grün/Schwarz/Gelb. In so mancher Redaktion scheint man in diesen Tagen äußerst vergesslich zu sein.

Wie die "tagesschau" Informationen manipuliert



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Folgen der Privatisierung (13): Staat auf Geisterfahrt

Gutachten belegt: Durch Privatisierung von Bundesfernstraßen profitieren einmal mehr nur die Investoren. Der Steuerzahler bleibt auf der Strecke

(...) Bei den seit 2005 in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) auf den Weg gebrachten Pilotprojekten zum Autobahnausbau (sogenannte A-Modelle) werden absehbar Gelder in Milliardenhöhe verschenkt. Den beteiligten Investoren steht dagegen ein fetter Reibach ins Haus – mit freundlicher Unterstützung durch den bisherigen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD).

Den neuesten Beleg dafür lieferte Anfang Oktober ein ddp-Bericht. Die von der Nachrichtenagentur recherchierten Kernzahlen zu einem der Modellvorhaben weisen demnach Mehrkosten von mindestens 50 Prozent für die ÖPP-Variante verglichen mit einem konventionellen staatlichen Engagement nach. Konkret geht es um den Autobahnabschnitt auf der A8 zwischen Augsburg und München. Für dessen Ausbau, Betrieb und Erhalt bekam 2007 ein internationales Konsortium die Konzession, die diesem im Gegenzug für die nächsten 30 Jahre den weitaus größten Teil der auf dieser Passage anfallenden Lkw-Mautgebühren garantiert. Nach den von ddp aufgedeckten Berechnungen des Verkehrsministeriums wären dies inflationsbereinigt 537 Millionen Euro. Demgegenüber veranschlagt das Ministerium Kosten von lediglich 364 Millionen Euro, würde der Staat auf eigene Faust bauen und betreiben. (...)

Für (...) Dorothée Menzner, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist die Rechnung denkbar einfach: »Die Privaten sind immer teurer, das haben sämtliche ÖPP-Projekte der Vergangenheit bewiesen«, bekräftigte sie gegenüber jW. »Anders als der Staat muss der Investor eine Rendite erwirtschaften, und das bleibt eben am Steuerzahler hängen.«

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Horst Köhler und die Ausbeuter

Vor kurzem lobte Bundespräsident Horst Köhler ausdrücklich die Mitbestimmung von Arbeitnehmern. Nun besuchte er eine sächsische Firma, die ihre Mitarbeiter ausbeutet und einen Betriebsrat verhindert.

(...) Anfang September hatte sich Ulrike Dettmer auf eine Vollzeitstelle als kaufmännische Mitarbeiterin bei [dem Bass- und Gitarrenhersteller] Warwick beworben. Gefragt nach ihren Gehaltsvorstellungen, gab die Diplom-Betriebswirtin 2100 Euro an - das ist bereits deutlich weniger, als für ihre Qualifikation üblich. Doch die Firma, die verschiedene Rock-, Pop-, und Jazzmusiker beliefert, darunter auch den U2-Bassisten Adam Clayton, hat für ihre Mitarbeiter andere Konditionen im Sinn: Für eine 47,5-Stunden-Woche - tägliche Arbeitszeit von 8.30 Uhr bis 19 Uhr plus zwei Samstage im Monat - sollte Dettmer 1100 Euro verdienen. Brutto. "Dies stellt für Sie sicherlich kein Problem dar", schrieb die Personalerin. (...)

Dass Horst Köhler gerade solch ein Unternehmen besucht, steht im merkwürdigen Kontrast zu seinen jüngsten Lobeshymnen auf die Gewerkschaften: "Sie werden gebraucht", sagte Köhler beim DGB-Geburtstag. "Bleiben Sie stark, bleiben Sie streitbar."

Ulrike Dettmer blieb stark. Nun steht sie ohne Job da.

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Vorsorglicher Terrorverdacht

Sicherheit geht über alles: Zwei Muslime kamen mehrere Tage vorsorglich hinter Gitter, um das Oktoberfest zu schützen. Wirkliche Hinweise auf eine Terrorgefahr durch sie gab es jedoch nicht.

Als Marouane S. am 26. September, dem Tag vor der Bundestagswahl, aus dem Fenster seiner Münchner Wohnung schaut, fallen ihm ein weißer BMW und einige Männer auf, die ihm irgendwie verdächtig vorkommen. Der Student fühlt sich seit Tagen verfolgt, nimmt sein Handy, wählt die 110 und bittet die Polizei um Hilfe. Wenig später wird der verdutzte 26-Jährige in seiner Wohnung festgenommen. Auch der Münchner Hatem M. wird in Polizeigewahrsam gebracht. Der Vorwurf wiegt schwer: Die beiden Muslime könnten beabsichtigen, einen Anschlag auf das Oktoberfest zu verüben. (...)

Marouane S., der inzwischen wieder auf freiem Fuß ist, bestreitet jede terroristische Neigung und erst recht jeden Kontakt zu mutmaßlichen Terroristen. Tatsächlich liest sich die Vita des Mannes eher unspektakulär: Er reist im Januar 2002 mit einem Studentenvisum in Deutschland ein, um an der Technischen Uni in Ilmenau Maschinenbau zu studieren. Nach einem Semester in Würzburg wechselt er schließlich in den Studiengang Informatik an der TU München. Im März 2007 heiratet er eine gebürtige Irakerin. Noch im selben Monat wird der gemeinsame Sohn geboren. Marouane S. erhält eine Aufenthaltserlaubnis bis 2010. Er studiert zielstrebig und erfolgreich. Besucht regelmäßig die Moschee, hält die Fastenzeiten ein und die Gebetsvorschriften des Islam. Doch macht ihn das zum Terroristen? (...)

[Im] Beschluss [der Staatsschützer] zur vorsorglichen Ingewahrsamnahme heißt es: "An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist." Dass man im Fall eines befürchteten Terroranschlags ganz und gar auf Beweise verzichten kann, wäre für [die Rechtsanwältin] Ricarda Lang eine Interpretation des Rechts, die einem Freibrief gleichkäme. "Wenn man so argumentiert, und das Ganze noch mit haltlosen Behauptungen begründet, dann darf sich in Deutschland niemand mehr sicher fühlen."

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Anmerkung: Es ist unfassbar. Wieder werden in Deutschland Unschuldige eingesperrt - und die schwarz-gelbe Bande will die Kompetenzen der Geheimdienste noch weiter ausbauen, sie gar zur Polizei umfunktionieren. Noch oft werden wir in den kommenden Jahren entsetzt die Worte Heinrich Heines zitieren müssen: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht."

Katja Kipping (Die Linke): "Unser Modell ist das Gegenteil von Hartz IV"

(...) Während die FDP davon ausgeht, dass man nur durch Erwerbsarbeit eine Daseinsberechtigung hat, bin ich wie die Philosophin Frigga Haug der Meinung, dass es vier Tätigkeitsbereiche gibt, die zu einem erfüllten Leben gehören und gleichberechtigt nebeneinanderstehen: Erstens Erwerbs-, zweitens Reproduktionsarbeit. Drittens Tätigkeit in der Gesellschaft, z.B. politisches Engagement. Und letztens die Arbeit an sich selbst, vorstellbar als Weiterbildung und Muße. Ein idealer Arbeitstag schließt alle vier Bereiche ein.

Die FDP hingegen erkennt nur die Arbeit an, die Profit schafft, aber das ist nicht zwangsläufig eine gesellschaftlich sinnvolle Leistung. Auf die politische Arbeit bezogen ist das bedingungslose Grundeinkommen übrigens auch eine Art Demokratiepauschale. Als Abgeordnete bekommen wir dafür saftige Diäten. Politik darf aber nicht nur von Abgeordneten gemacht werden. Jeder und jede muss sich einen Internetanschluss und die Fahrkarte zu einer Demonstration leisten können.

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Sonntag, 11. Oktober 2009

Zitat des Tages (12)

Sonnenuntergang

Die letzten weißen Wolkenflotten fliehen.
Der Tag hat ausgekämpft
über dem Meer.
Wie eine rote Blutlache liegt es,
in der das Land wie Leichen schwimmt.
Vom Himmel tropft ein Eiter, Mond.
Es wacht kein Gott.

In Höhlen ausgestochner Sternenaugen
hockt dunkler Tod.
Und ist kein Licht.
Und alles Tier schreit wie am Jüngsten Tag.
Und Menschen brechen um
am Ufer.

(Oskar Kanehl in der "Aktion", 1914)

Die Ziele der FDP: Fordern ohne Fördern

Die Idee des Bürgergeldes bedeutet keinen Linksruck in der FDP - die Partei verwechselt nur Sozial- und Finanzpolitik. Die Arbeitslosigkeit lässt sich nicht auf einem Bierdeckel bekämpfen. (...)

Es geht kein Linksruck durch die FDP, es geistert auch nicht der Gedanke eines sozialromantischen Grundeinkommens durch die Partei. Denn ein Grundeinkommen, wie es zum Beispiel Götz Werner fordert, Inhaber einer Drogeriekette und eines "Lehrstuhls für Entrepreneurship" in Karlsruhe, ist an keinerlei Bedingungen gebunden. Stattdessen setzt es auf die Abschaffung des Arbeitszwangs. Dadurch, so Werner, würden überflüssige Arbeiten durch Maschinen ersetzt, die verbleibenden lukrativen Stellen dafür angemessen bezahlt.1

Das Bürgergeld [der FDP] hingegen setzt gerade auf Arbeitszwang und auf "konsequente und bewehrte Verpflichtung mit Sanktionen", wie der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff betont. Es setzt also ausschließlich auf materielle Anreize, um Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist symptomatisch für die FDP, denn es zeigt, wie leicht sie Sozialpolitik mit Finanzpolitik verwechselt; und wie leichtfertig sie mit Konzepten jongliert, die wie soziale Wohltaten daherkommen, es aber nicht sind.

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1. Anmerkung: Das Bürgergeld, das Götz Werner propagiert, soll einzig durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (auf bis zu 50% bei gleichzeitigem Wegfall anderer Steuern wie z.B. der Einkommenssteuer) finanziert werden, wodurch wiederum die ärmeren Bevölkerungsteile extrem höher belastet würden. Es wundert nicht, dass ein reicher Unternehmer mit einem hohen Einkommen auf solche absurden Ideen kommt.

Einstieg in die Kürzungen der Sozialleistungen

Nach Angaben der Financial Times Deutschland stehen schon vor dem Regierungswechsel Veränderungen bei den Sozialausgaben an. Der Zeitung liegt ein Vorschlag von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) vor, wonach der Bund seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft (KdU) für die Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld verringern will. Der Vorstoß, den Bundesanteil an den Kosten nun von 26% auf 23,6% zu senken, solle noch auf der letzten Sitzung in dieser Wahlperiode heute beschlossen werden. Warum gerade die SPD dies noch vor dem Regierungswechsel durchziehen will, ist eines ihrer vielen Geheimnisse. (...)

Man muss, angesichts der von der FDP losgetretenen Debatte um das sogenannte Bürgergeld, kein Weissager sein, um kommende Leistungskürzungen vorherzusagen. Deren Spitzenkandidat Guido Westerwelle hatte schon vor dem Wahlkampf offen eine Kürzung der Hartz-IV-Leistungen um 30% gefordert. Da die geplante Kürzung des Regelsatzes, also des Existenzminimums, kaum umsetzbar sein wird, ohne die Verfassung zu ändern, wird man sich auf die Unterbringungskosten stürzen, um die ausufernde Verschuldung zu begrenzen.

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Anmerkung: Der Grund für die "ausufernde Verschuldung" des Staates ist allerdings nicht in den Sozialsystemen zu suchen, sondern aktuell in den milliardenschweren "Rettungspaketen für notleidende Banken" sowie generell im Geldsystem, das auf "Krediten" (Schulden) basiert.

Festung Europa: Wie die EU Flüchtlinge mit allen Mitteln fernhält

Europa, das ist nicht nur eine Frage von Finanzkrisen oder Milchquoten, manchmal ist Europa auch eine Frage von Leben oder Tod. Etwa, wenn es darum geht, dass Flüchtlinge unmittelbar vor den Toren Europas ertrinken. Viele dieser Menschen sterben, weil sie nach tagelanger Reise zur Umkehr gezwungen wurden.

Dabei ist die Rechtslage klar. So untersagt unter anderem die Europäische Menschenrechtskonvention die Zurückweisung von Flüchtlingen.

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Lobbyismus in Deutschland: Die dunkle Seite der Macht

"In der Lobby-Szene herrscht Hochbetrieb", sagt Dietmar Jazbinsek, der die Lobby-Tour durch das Regierungsviertel moderiert. Jetzt nach der Bundestagswahl sind ihnen einige Kontakte weggebrochen und sie haben es teilweise mit neuen Politikern zu tun, deren Lebensläufe noch nicht so bekannt sind.

Er führt uns durch Berlin-Mitte und erzählt, wer hinter den Mauern im Regierungsviertel residiert: die Lobbys natürlich, die Abgesandten von Konzernen und Verbänden. Diese, so stellen wir das eine ums andere Mal wieder fest, haben mehr zu sagen, als die Öffentlichkeit gemeinhin ahnt.

Die Führung hält an jedem zweiten Hauseingang. Vom Deutschen Brauer-Bund e.V. über den Verband der Chemischen Industrie bis zur Rüstungslobby. An jeder unserer 15 Stationen weiß Dietmar Jazbinsek spannende und zugleich erschreckende Geschichten zu erzählen.

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In der Lobby ist noch Licht

Versteht sich, Herr Direktor,
umgehend und diskret,
in einer Woche ha'm wir die soweit
Das Parlament pariert,
der Ausschuss funktioniert,
bloß die Experten kosten eine Kleinigkeit

Die Akten sind bei X,
und X wird nächste Woche
von allen seinen Ämtern suspendiert
Danach gibt die Fraktion
den Terroristen einen Tipp
wenn die das regeln, läuft das wie ... geschmiert

Mitten in der Nacht,
in der Lobby ist noch Licht
die Dunkelmänner machen Politik
Realos tragen Rolex,
Realos schlafen nicht,
die Lobby ist der Führerbunker im Kontenkrieg

Versteht sich, Herr Direktor,
wo kämen wir da hin,
wir sichern schließlich auch die Arbeitsplätze
Die Marktwirtschaft ist frei!
Der Wettbewerb ist hart!
Was brauchen wir da härtere Gesetze?

Unsre Kinder werden uns noch dankbar sein.
Wir taten mit Bedauern, was wir mussten.
Sie hocken vor dem Bildschirm, Taschenrechner in der Hand
und kichern vor Vergnügen bei Verlusten

Mitten in der Nacht,
in der Lobby ist noch Licht
die Dunkelmänner machen Politik
Realos tragen Rolex,
Realos schlafen nicht,
die Landschaftspfleger waschen Kohle vor jedem Sieg

Mitten in der Nacht,
in der Lobby ist noch Licht
die Dunkelmänner machen Politik
Realos tragen Rolex,
Realos schlafen nicht,
die Lobby ist der Führerbunker im Kontenkrieg

(Heinz Rudolf Kunze, 1986)

Leiharbeit bedeutet: weniger Lohn für die gleiche Arbeit

»Bisher konnten diese Menschenmakler ihrem anrüchigen und lukrativen Gewerbe in aller Ruhe nachgehen, weil keine Behörde, kein Unternehmerverband und kein Betriebsrat es wagte, gegen die als harmlose Einzelfirmen getarnten Vermittlungsbüros einzuschreiten.« So beschrieb der Spiegel 1957 das System der Leiharbeit. Es sei ein »zwielichtiges Vermittlergeschäft« zur Ausbeutung von »beschäftigungslosen Flüchtlingen, Urlaubern, entlassenen Strafgefangenen« und Arbeitslosen. Mittlerweile ist die Leiharbeit als Teil der »Agenda 2010« ein staatlich geförderter, immer größer werdender Sektor des Arbeitsmarktes. Im vergangenen Jahr waren 800.000 Menschen darin beschäftigt, seit Beginn der Krise wurden allerdings 300.000 von ihnen entlassen. (...)

Die Leiharbeit bietet den beteiligten Unternehmen große Vorteile. So erwirtschafteten Adecco, Randstad und Manpower, die drei größten Verleiher, 2007 einen Gewinn von zusammen 1,43 Milliarden Euro, wie aus dem »Schwarz-Weiß-Buch Leiharbeit« der IG Metall hervorgeht. Die Entleiherfirmen wiederum verfügen über flexible Arbeitskräfte, die sich wegen ihres prekären Status und den wechselnden Orten, an denen sie arbeiten, kaum gewerkschaftlich organisieren und häufig stillschweigend akzeptieren, wenn geringe Löhne gezahlt werden oder das Urlaubsgeld und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausbleiben. »Es ist noch schlimmer als normale Lohnarbeit, es ist eine Arbeit zweiter Klasse«, so Cohrs.

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Ohne Worte

Die Ziele der FDP: Nur noch gesundheitliche Minimalversorgung für Arme

Für viele Wähler überraschend, reiht sich die FDP ein in die Anti-Hartz-IV-Front. Bei den gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU heißt es: "Wir wollen Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen", so der Finanzexperte der Liberalen, Hermann Otto Solms. Und in der Tat ist die Ersetzung des Arbeitslosengeldes II durch ein sogenanntes "Liberales Bürgergeld" Teil des Wahlprogramms der FDP und seine Details sind in dem Kommissionsbericht Das Liberale Bürgergeld von April 2005 nachzulesen. Die Kommission leitete Prof. Andreas Pinkwart, haushaltspolitischer Sprecher der FDP. Doch was sich zunächst als Abschaffung von ungeliebten Reformen liest, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Fahrplan hin zu einer erneut verschärften Variante von Minimalversorgung auf dem Sockel von Niedriglohnarbeit. (...)

Die Höhe des Bürgergeldes soll pauschal 662 Euro betragen, ausgezahlt vom Finanzamt. Voraussetzung sind die Bedürftigkeit und die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit. Bei Ablehnung einer zumutbaren angeboten Arbeit wird das Bürgergeld gekürzt.

Das scheint zunächst Hartz IV sehr ähnlich zu sein: Pauschalierung der Leistungen, Bedürftigkeit als Voraussetzung, Arbeitszwang und Sanktionen – alles wie gehabt. Nur, dass die Pauschalierungen de facto eine erneute Absenkung der Leistungen bedeuten. (...)

Vor allem aber ist mit diesem Bürgergeld der Weg in die medizinische Versorgung von Langzeitarbeitslosen und bedürftigen Rentnern nur noch auf Minimalniveau vorgegeben. Denn die FDP geht unbeirrbar den neoliberalen Weg der Privatisierung weiter und setzt bei den Krankenkassen auf die Privatversicherung.

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