Samstag, 5. September 2009

Zitat des Tages (5)

Das Gebäude

Die blaue Sonne war unter den Horizont gesunken, die rote Sonne stieg siegreich empor. Ein ungeheuer violetter Bogen wölbte sich dazwischen wie ein Dach. Fontain marschierte unten in der Kolonne. Von allen Seiten kamen sie, flexible graue Rechtecke, die sich gegen einen Punkt nach Westen bewegten: zur Brücke, die die Stadt mit der Insel verband. Polizeiroboter regelten den Verkehr. Fontain war ein Maurer. Das heißt, er durfte die Steine übereinander schichten, die ihm die Träger aus den Feldern herbei schleppten. Mit einer Kelle schlug er den Plastikmörtel auf die offen liegenden Flächen, dann setzte er den nächsten Stein darauf. Sie sprachen nicht während der Arbeit. Inspektionsroboter strichen unablässig hinter den Reihen der Schaffenden vorbei. Erst in ihrer Freizeit, in den wenigen Stunden der blauen Nacht, die ihnen vor dem Schlafen blieben, unterhielten sie sich darüber – über das Gebäude, das sie errichteten, wie sie darin leben würden, wenn es erst fertig wäre, wie angenehm sie es dann hätten. Jetzt reichte der Wohnraum gerade, jeder besaß eine Einheitswohnfläche – ihre Arbeit verhieß ihnen Platz im Überfluss. Das Gebäude erstreckte sich weit nach allen Richtungen; noch keiner hatte die ganze Insel gesehen, und, obwohl jeder täglich einen anderen Arbeitsplatz zugewiesen bekam, ahnte keiner, wie auch nur der Grundriss des Gebäudes aussah. Dazu waren ja die Roboter da. Generationen hatten an dem Gebäude gearbeitet, und nun würde es bald fertig sein. In zehn Jahren? In zwanzig Jahren? Fontain hatte einmal einen Inspektionsroboter gefragt. Das hatte ihm drei Nächte Kältearrest eingebracht. Er stand auf dem Gerüst und schichtete Stein auf Stein. Er hatte einen weiten Ausblick, doch sah er nur graue Mauern, bald höher, bald niedriger. Überall auf den Gerüsten waren Arbeiter am Werk. Und unten eilten die Träger mit ihren großen Körben hin und her. Seit er sich erinnern konnte, war er täglich hier gewesen. Nie hatte er viel darüber nachgedacht. Aber jetzt, als er sich insgeheim umdrehte und über die endlosen Mauern blickte, kam ihm das Gebäude plötzlich wie etwas Übles vor, und einen Moment schoss ihm ein frevlerischer Gedanke durch den Kopf: Diese Fundamente einreißen, diese Mauern der Erde gleichmachen – und ein sorgloses Leben in der alten Stadt führen! Das ging aber rasch vorüber. Schuldbewusst wandte sich Fontain wieder seinen Steinen zu und arbeitete mit doppeltem Eifer weiter.

Das violette Leuchten über der Stadt zeigte den Morgen an – die letzten roten Strahlen verblassten, das Blau des Tages breitete sich aus. Die Einwohner befanden sich auf ihrem Marsch nach Osten – zur Brücke, zur Insel, zur Stätte ihrer Arbeit. Was jenseits der Insel lag, wussten sie nicht. Dafür interessierte sich niemand. Sie hatten auch keine Zeit dafür. Wenn sie abends von der Arbeit heimkamen, waren sie todmüde. Sie nahmen die Speisen aus den Robotküchen zu sich und fielen in ihre Betten. Hassan war Arbeiter. Das heißt, er meißelte Steine von den Mauern herunter. Das war ein mühsames Geschäft, denn sie waren mit einer glasharten Substanz verklebt. Es war immer noch besser als das der Träger, die das schwere Material tagaus, tagein hinaus auf die Schuttplätze transportieren mussten. Hassan hatte das angenehme Gefühl, eine wichtige Arbeit zu leisten. Er hätte die Robotpolizei nicht nötig gehabt, die alle Arbeiter ständig kontrollierte. Wo sie ihn auch eingesetzt hatten, er hatte seine Arbeit getan, er hatte sein Soll erfüllt. Er hockte auf seinem Gerüst und schlug mit dem Hammer auf den Meißel ein, dass es hell aufklang. In seinem Kopf war ein dumpfes Träumen, ein Hoffen auf schöne Zeiten, in denen der Platz freigelegt sein würde und sie die hydroponischen Gärten anlegen würden. Jetzt reichte die Nahrung genau für die genormten Rationen – später würden sie essen und trinken, ohne Einschränkung, aus dem Überfluss heraus. Mit einem Aufbäumen seines ganzen Körpers hatte Hassan wieder einen Stein weggebrochen. Der baumelte nun im Auffangnetz. Schon packte ihn ein Träger in seinen Korb. Hassan strich sich den Schweiß aus der Stirn und sah über seine Mauer hinweg auf die ausgezackten Ränder der anderen, an denen seine Kameraden tätig waren. Wie hoch war das Gebäude einst gewesen? Ein Impuls zuckte durch sein Hirn, eine absurde Idee, eine Vision, aber erschreckend deutlich: Diese Mauern weiterbauen, immer höher, zu einem riesenhaften, mächtigen, alles beherrschenden Bauwerk vereinigen, von dessen Zinnen man die ganze Insel überblicken könnte! Doch schon wurde ihm das Unsinnige dieses Einfalls klar, und Hassan setzte wieder den Meißel an, noch ein wenig verwirrt, aber ohne Zögern – mit der Sicherheit dessen, für den andere denken.

[Herbert W. Franke: Der grüne Komet. München 1964]

Arbeitet die SPD-Spitze im Auftrag anderer Interessen?

Sie mögen dies für eine sehr gewagte Vermutung halten. Dann bleibt Ihnen als Lösung des Rätsels alternativ nur die Vermutung, dass in der SPD-Spitze nur noch Dummköpfe sitzen. Andere Erklärungen gibt es für den Niedergang dieser großen und wichtigen Partei aus meiner Sicht nicht.

Vorweg: Dies ist eine dramatische und für unser Volk unerfreuliche Entwicklung. Denn wir bräuchten eine wirkliche politische Alternative zum neoliberal bestimmten Kurs von Union und FDP. Dies kann man ohne Parteilichkeit feststellen. Eine Alternative zu haben, ist eine ur-demokratische Regel. Ohne die SPD wird es unter heutigen Bedingungen aber keine Alternative zum rechtskonservativen Lager geben. Deshalb ist die Erkenntnis, dass die SPD-Spitze im Auftrag anderer Interessen arbeitet, so bedrückend.

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Anmerkung: Man kann es auch anders sehen und den Niedergang der SPD begrüßen - um eine neue sozialdemokratische Partei, die diese Bezeichnung auch verdient, weiter zu stärken. Dass die Linke den sozialdemokratischen Werten um ein Vielfaches näher steht als die heutige SPD (und das betrifft nicht, wie Herr Müller meint, nur die Parteispitze), ist ja nun offensichtlich. - Trotzdem ist es wichtig, das interessengeleitete Verhalten der maßgeblichen SPD-Figuren in Berlin zu thematisieren. - Und weil es so schön ist und so gut passt, hier noch einmal die grafische Aufbereitung dieser absurden Situation - auch wenn es eine Wiederholung ist:

Europäischer Gerichtshof kippt Unschuldsvermutung

Unschuldsvermutung gilt nicht für Terrorliste

Wer vom EU-Ministerrat auf die sogenannte Terrorliste der Europäischen Union gesetzt wird, muss nicht zuvor rechtskräftig verurteilt worden sein. So darf die EU die Konten von Verdächtigten auch vorsorglich einfrieren lassen, urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.

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Anmerkung: Wo leben wir? - Der EU-Ministerrat entscheidet, welcher Bürger auf einer "Terrorliste" landet und darf dessen Konten einfrieren - ohne dass ein Gericht den Fall zuvor geprüft hat? Und das höchste europäische Gericht befindet das für rechtens? Man fasst es einfach nicht ... allmählich müsste auch dem letzten ein Licht aufgehen, wohin der Weg von Lissabon führt ...

So sicher ist die private Rente

Volkssolidarität-Pleite: Anlegern droht Totalverlust

Nach der Pleite zweier Immobilienfonds der Volkssolidarität in Mecklenburg-Vorpommern droht 1.017 Anlegern der Totalverlust. (...) Zu den betroffenen Anlegern gehören vornehmlich ältere Menschen, bei denen die Volkssolidarität mit üppigen Renditezahlungen um Einlagen geworben hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager der Fonds.

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Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung

Eine sozialpolitische Bilanz der großen Koalition

Als die zweite große Koalition der bundesdeutschen Geschichte am 18. November 2005 ihren Dienst antrat, wurde sie von gutmeinender Seite als das rechte Bündnis zur rechten Zeit für die anstehenden großen Aufgaben bezeichnet. Doch obwohl ein Bündnis der „Volksparteien“ – seiner ganzen Konstruktion wie der unterschiedlichen programmatischen Tradition der Beteiligten nach – stets den Eindruck vermittelt, dass sämtliche Bevölkerungsschichten mit ihren spezifischen Interessen angemessen repräsentiert seien, folgte die Regierungspolitik von CDU, CSU und SPD zumeist dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht viel hat, dem wird teilweise auch das noch genommen. Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung – so lautete das heimliche Regierungsprogramm der großen Koalition, bei dessen Durchsetzung sich die CSU (aus der Opposition durch die FDP angefeuert) besonders hervortat, während die SPD zögerte und zauderte, aber letztlich stets zustimmte, wenn es um den Machterhalt ging. (...)

Die nächste Bundesregierung wird – unabhängig davon, welche Parteien sie bilden – wahrscheinlich der Versuchung erliegen, weitere Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen, und zwar vorzugsweise dort, wo die „Lobbymacht“ der Betroffenen gering ist. Wenn nicht alles täuscht, stehen wir am Vorabend einer „Agenda 2020“, die den Bismarckschen Sozial(versicherungs)staat zunehmend in einen bloßen Fürsorge-, Almosen- und Suppenküchenstaat verwandelt. Die staatliche Unterstützung wird sich noch stärker auf die „wirklich Bedürftigen“ konzentrieren, auf die Gewährleistung des Existenzminimums beschränken und auf eine „Gegenleistung“ ihrer Nutznießer dringen. Dass sich der Sozialstaat zunehmend darauf beschränkt, das bloße Überleben seiner Bürgerinnen und Bürger zu sichern, dürfte allerdings weder im Sinne des soeben noch gefeierten Grundgesetzes noch in einer so wohlhabenden Gesellschaft wie unserer ethisch verantwortbar sein.

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Millionen-Prämie für Arcandor-Chef: Die scheinheilige Kanzlerin

Angela Merkel spielt falsch. Kurz vor der Wahl geißelt sie die Millionen-Abfindung für den Arcandor-Chef. Dabei hat sie die letzten Jahre fast nichts getan, um solche Exzesse zu unterbinden.

Deutschland ist um zwei Skandale reicher. Der erste ist offensichtlich: Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick verlässt das Unternehmen nach nur sechs Monaten im Amt mit 15 Millionen Euro Abfindung. Fünf Millionen davon will er zwar spenden. Doch die einfache Verkäuferin an der Kasse muss laut Konzernbetriebsrat dennoch mit Lohnkürzungen um zwölf Prozent rechnen.

Der zweite Skandal fällt auf den ersten Blick nicht auf. Für ihn ist Kanzlerin Angela Merkel verantwortlich. Sie zeigt für den goldenen Handschlag für Eick zum einen "absolut kein Verständnis". Das ist gut. Zum anderen aber verspricht die CDU-Chefin zu "überlegen, was man da machen kann". Das ist skandalös. Merkel ist seit vier Jahren an der Macht. Vier Wochen vor der Bundestagswahl - und nach durchwachsenen Landtagswahlergebnissen für ihre Partei - will sie nun "überlegen, was man da machen kann"?!

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Das Gesundheitswesen gehört mittlerweile zu den korruptesten Wirtschaftssektoren in Deutschland

Bei der Zementindustrie mag es noch ein bisscher härter zugehen, doch das Gesundheitswesen gehört mittlerweile zu den korruptesten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Mit dieser Einschätzung steht Transparency International sicherlich nicht alleine; die aktuellen Meldungen über ein weitverbreitetes »Kopfgeldsystem« bei der Überweisung von Patienten in die stationäre Klinikversorgung sind ein weiterer Mosaikstein. (...)

Anzumerken bliebe allerdings, dass das gesamte System Betrug in großem Stil nicht nur ermöglicht, sondern ausdrücklich dazu ermuntert. Wer »marktwirtschaftliche« Konkurrenz bei niedergelassenen Ärzten, Kliniken und Krankenkassen zum Grundpfeiler der medizinischen Versorgung erklärt und wirksame Kontrollen der Geldflüsse nicht nur unterlässt, sondern durch gesetzliche Regeln zur »Selbstverwaltung« sogar verhindert, macht sich zumindest der Beihilfe zur Korruption schuldig. Dass der Staat im Gesundheitswesen manchmal sogar noch einen Schritt weitergeht, hat die SPD/Grünen-Regierung im Herbst 2001 bewiesen. Damals ließ sie sich ein Gesetzesvorhaben über eine Positivliste verschreibungsfähiger Medikamente von der Pharmaindustrie für 400 Millionen Euro abkaufen.

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"Pluralismus" in Deutschland - viele Fraktionen, aber nur eine Meinung

Mit den Landtagswahlen des Wochenendes scheint der Pluralismus nun endgültig die Sitzordnung in Landtagen und Senaten vorzugeben. Kaum ein Landesparlament, in dem nicht mindestens vier Fraktionen lungern - oft sind es gar fünf oder sechs, die dort ihrem Geschäft und den Geschäften ihrer Finanzgeber nachgehen. (...)

Es muss ja förmlich schlaflose Nächte und Magenkrämpfe stiften, wenn man mit einer Legion von Parteien konfrontiert wird, die den Pluralismus dieses Landes abzeichnen. Da spricht sich zum Beispiel die Union für militärische Auslandseinsätze aus, während die SPD strikt dafür, die Grünen wiederum mit Abstrichen bereit sind - und die FDP andererseits sieht ein solches Vorgehen für dringend geboten an. Unübersichtlich geht es auch in der Sozialpolitik zu. Die SPD, seit nunmehr elf Jahren Regierungspartei, befürwortet eine repressive Erwerbslosenverwaltung, gleichzeitig die Christdemokraten einer solchen Verwaltung nicht im Wege stehen. Die Grünen indes hadern mit der Ungerechtigkeit der Welt, wären gerne dagegen, müssen aber, als Väter und Mütter des Konzepts, dringlich dafür sein. Ganz anders die FDP: sie steht hinter diesem Verwaltungsungetüm, vor allem aber hinter den Repressionsmechanismen. Bei der Umgehung des Grundgesetzes, Umweg nehmend über Lissabon, zeigt sich ebenso deutlich, wie intakt der pluralistische Geist hierzulande arbeitet. Die Union hat dem EU-Vertrag zugestimmt, während die Sozialdemokraten zugestimmt und die FDP zugestimmt hat. Lediglich die Grünen haben quergeschlagen und haben zugestimmt.

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Dazu Gregor Gysi: "Alle vier Fraktionen - Union, SPD, FDP und Grüne - haben den Vertrag von Lissabon natürlich so angenommen, wie er war...

Die Konsenssoße der vier erwähnten Fraktionen ist eines der Probleme, mit denen wir es jetzt zu tun haben. Das gilt nicht nur für den Vertrag von Lissabon. Denken Sie an den Krieg in Afghanistan: Hier stimmen alle vier Fraktionen überein. Nur wir sagen: Mittels Krieg kann man niemals wirksam Terror bekämpfen. Denken Sie an die Rente ab 67: Alle vier Fraktionen sagen, dass müsse wegen der Demografie so sein. Wir sagen, dass ganz andere Reformen denkbar sind. Ich kann auch über die Agenda 2010 und über Hartz IV reden. Hartz IV ist demütigend und gleichmachend.

Ich will Ihnen etwas sagen: Was für Lissabon gilt, das gilt auch hier. Alle vier Fraktionen sind sich auch darüber einig, dass sie keine Vermögensteuer wollen ...

Das ist ein Problem für unsere Gesellschaft. Ich glaube, wir brauchen mehr Auseinandersetzung ..."

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Protest gegen den Überwachungswahn

Eine geschützte Privatsphäre ist nicht nur angenehm für uns selbst, sie ist auch wichtige Voraussetzung einer freien Gesellschaft. Nur wer sicher ist, dass seine privaten Äußerungen nicht erfasst oder kontrolliert werden, wird seine Meinungsfreiheit wahrnehmen.

Die immer weitergehende Beobachtung und Aufzeichnung unserer Kommunikation und unseres Verhaltens gefährden den offenen, demokratischen Charakter unserer Gesellschaft. Deshalb ruft die Humanistische Union gemeinsam mit zahlreichen anderen Bürger- und Menschenrechtsgruppen, mit Gewerkschaften, Parteien und Verbänden für den 12. September 2009 zu einer zentralen Großdemonstration "Freiheit statt Angst" in Berlin auf.

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Steueroase Deutschland

Finanzminister Steinbrück kämpft wegen der Krise mit wachsenden Staatsdefiziten. Und Konzerne wie Superreiche zahlen weiterhin zu wenig Steuern, oft völlig legal, denn die Schlupflöcher sind riesig. (...)

Während deutsche Angestellte dem Fiskus wehrlos ausgeliefert sind, rechnen sich Millionäre und Unternehmen mit Hilfe aggressiver Steuermodelle künstlich arm - und das alles ganz legal. Seminare zur "Internationalen Steuergestaltung" lassen sich sogar steuerlich als Fortbildung absetzen.

Es sind keine Peanuts, die dem Land verlorengehen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass zwischen den nachgewiesenen Profiten der Kapital- und Personengesellschaften und den steuerlich erfassten Gewinnen eine Lücke von 100 Milliarden Euro klafft.

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Die neoliberale Propaganda geht unbeirrbar weiter

„Die Krise der SPD ist die Krise des Sozialstaats. Warum die Volkspartei ihren Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat.“

Unter diesem und einem ähnlichen Titel („SPD - Ohne Sozialstaatsreform stirbt die Partei“) erschien am 29.8. im Berliner Tagesspiegel und bei Zeit online ein Artikel von Klaus Hartung. Er ist vermutlich als Meinungsmache-Leitfaden für Berliner Journalisten und für das Bildungsbürgertum gedacht. Sie sollen erstens lernen, dass die SPD nicht wegen der Agenda 2010 und Hartz IV an Zustimmung verliert, sondern weil sie nicht weitermacht mit dieser Art von Reformen. Sie sollen zweitens lernen, dass die Sozialstaatlichkeit schuld an der allgemeinen Misere ist und deshalb der Sozialstaat der permanenten Reform bedarf. Der Artikel ist eingängig und einschleichend geschrieben, aber voller Widersprüche, unbelegter und falscher Behauptungen - gewissermaßen typisch für die so genannten Intellektuellen vom Schlage Hartung.

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Folgen der Privatisierung (5): Unikliniken Marburg und Gießen: 250.000 Überstunden

Bis Juni diesen Jahres haben sich in den privatisierten Universitätskliniken Gießen und Marburg 250.000 Überstunden angehäuft. "Wir halten das für einen Spitzenwert", kritisiert Gesamtbetriebsratsvorsitzender Dirk Gehrke. Besonders viel Mehrarbeit gab es am Standort Gießen sowie bei den Ärzten und den Pflegekräften, die jeweils 94.000 Überstunden ableisteten. "Das Personal ist psychisch und physisch am Ende", sagt die Marburger Betriebsratsvorsitzende Bettina Böttcher. Um die Überstundenzahl abzubauen, müssten mehr als 100 neue Mitarbeiter eingestellt werden.

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Dienstag, 1. September 2009

Zitat des Tages (4)

„Schlechte Kandidaten werden gewählt von guten Bürgern, die nicht zur Wahl gehen.“

(Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA)

Wahlergebnisse 2009







Sonntag, 30. August 2009

Albrecht Müller über Meinungsmache und den Niedergang der Sozialdemokraten

Albrecht Müller: Wer über viel Geld und publizistische Macht verfügt, kann die Meinungsbildung und damit auch die politische Entscheidungsfindung weitgehend bestimmen. So erzählen uns die maßgeblichen Meinungsführer in Wirtschaft, Politik und Medien, wir lebten in einem „Verteilungsstaat“ – was bedeuten soll, dass den „Kleinen“ zu viel gegeben wird. Wir lachen sie nicht dafür aus, obschon der Anteil der hohen Einkommen und Vermögen in den letzten Jahren immer weiter gewachsen ist. Die Meinungsmache mit dem Begriff „Verteilungsstaat“ hat Konsequenzen: Die Mehrwertsteuer wurde um drei Punkte erhöht und wird vermutlich nach der Wahl noch einmal erhöht, die Unternehmenssteuern wurden gesenkt. Tatsächlich müssten wir immer noch das Ziel verfolgen, die Einkommen zugunsten der Schwächeren umzuverteilen. Stattdessen führt man zum Beispiel ein Elterngeld ein, das für Besserverdienende 1.800 Euro pro Monat und Kind und für Niedriglöhner nur 300 Euro bringt. Als die SPD 1975 die Kindersteuerfreibeträge zugunsten eines gleichen Kindergelds für alle abgeschafft hat, galt noch: Jedes Kind muss dem Staat gleichviel wert sein.

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Anmerkung: Armen Eltern wurde von der SPD und CDU das Erziehungsgeld um 50% gekürzt, damit reiche Eltern im Gegenzug bis zu 1800 € Elterngeld monatlich geschenkt bekommen können.

Erziehungsgeld (alt):
- erwerbslose oder geringverdienende Eltern: 300 € pro Monat, 2 Jahre lang
- gutverdiendende Eltern: nichts

Elterngeld (neu):
- erwerbslose oder geringverdienende Eltern: 300 € pro Monat, 1 Jahr lang
- gutverdiendende Eltern: 60% des Gehaltes, Höchstgrenze: 1800 € pro Monat, 1 Jahr lang

Rote Karte für Lobbyist Raffelhüschen

Karl Peter S. aus Delmenhorst (62) ist Handwerker, bodenständiger Maurerpolier. Ein Mann der Tat, ein Macher mit kräftiger Statur, einer angenehmen Stimme. Seine Stärke ist zupacken. Das konnte er in seinem langen Arbeitsleben auf dem Bau reichlich: Wohnungen, Häuser, Altenheime, Krankenhäuser, Reihenhäuser hat er gebaut. Er kann sie nicht mehr zählen, es sind zu viele. Ein ehrlicher, geradliniger Mann, der stolz ist auf seiner Hände Arbeit. Der die Arbeit anderer respektiert, der weiß was er kann, und der sich so seine Gedanken macht.

Bernd Raffelhüschen (52) ist Professor für Finanzwissenschaften und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Uni Freiburg – mit besten Verbindungen zu Finanzdienstleistern und der Versicherungswirtschaft. Ein smarter Herr, dem das Lächeln im Gesicht zu kleben scheint. Seine Stärke ist das Wort - geschrieben und gesprochen. Seine Homepage bei der Uni Freiburg zeigt auf einer halben Seite die übersichtliche Aufzählung seiner Lehrveranstaltungen. Penibel aufgelistet über sechseinhalb Seiten: seine Medienpräsenz in Fernsehen, Hörfunk, bei Zeitungen und Zeitschriften. (...)

IG BAU-Mitglied Karl Peter S. liest viel, seit er 2002 mit 56 Jahren arbeitslos wurde und keine Stelle mehr gefunden hat. Er informiert sich, hakt nach und bildet sich dann eine Meinung. Die vertritt er dann entschieden. Egal bei wem – er bleibt sich treu. Er hat Herrn Professor Raffelhüschen per E-Mail gefragt, wie das denn so sei, mit der Rente, der Generationengerechtigkeit. Daran erinnert, wie das ist, wenn man mit 14 Jahren anfängt, 45 bis 50 Jahre arbeitet. Und wollte wissen, ob auch der Professor nach einem 48jährigen Arbeitsleben mit 1000 Euro Rente im Monat auskommen muss.

Der Professor hat ihm höchst persönlich geantwortet: „Hallo Herr S., mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch (hoch drei). Ihr Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen.“ Harte akademische Worte – und dann noch schwarz auf weiß. Das böse A-Wort: nicht am Stammtisch, nicht am Telefon, sondern per E-Mail.

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Agenda 2020: Was wir nach der Wahl an Krisenlasten zu erwarten haben

Zunächst dürfte an allen Sozialleistungen der Rotstift angesetzt werden:

  • Kürzung der Arbeitsmarktprogramme der Bundesagentur für Arbeit, um die Defizite der BA niedrig zu halten

  • Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung: Die Rentenversicherung hat noch Rücklagen in Höhe von knapp 15 Milliarden Euro. Diese werden wegen steigender Arbeitslosenzahlen in den nächsten Jahren erheblich abschmelzen – allein für 2010 wird ein Defizit von vier Milliarden Euro erwartet. Die gesetzlich festgelegte „Rentengarantie“, wonach bei sinkenden Löhnen die Renten nicht gekürzt werden dürfen, dürfte nochmals auf den Prüfstand kommen. Steinbrücks Gerede von den „Gekniffenen“ im Alter zwischen 25 und 35 und den jetzigen Rentnern, denen es so gut gehe wie niemals einer Rentnergeneration davor, soll künftigen Belastungen der Rentner den Boden bereiten. Der Arbeitgeberverband BDA fordert kategorisch: „Der Fehler der Rentengarantie muss korrigiert werden“. Eine Variante könnte auch sein, dass die Rentner den vollen Krankenkassenbeitrag zu zahlen haben. Zu beachten ist, dass die Realrente, also die Kaufkraft der Rente in den Aufschwungjahren 2004 bis 2008 um 9,9 Prozent sank. Mehr als eine Monatsrente ging damit verloren (vgl. iswwirtschaftsinfo 42 „Bilanz der Großen Koalition, S. 60).

  • Gesetzliche Krankenversicherung: Auch die Krankenkassen sind auf Geldsuche. Wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr ein Fehlbetrag von 2,9 Milliarden Euro erwartet, 2010 wird das Loch mindestens 4,2 Milliarden Euro betragen. Der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds müsste eigentlich steigen. Die neue Bundesregierung aber wird hier vor allem kürzen wollen. Der vorgesehene Zusatzbeitrag von maximal ein Prozent des Bruttoverdienstes, den nur die Arbeitnehmer bezahlen, dürfte 2010 bereits voll zu Wirkung kommen. Zudem dürften die Leistungen der Kassen weiter reduziert werden. All diese Kürzungen und Korrekturen werden nicht ausreichen, um die Sozialsysteme weiter zu finanzieren.
Eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, bei der die Arbeitgeber zumindest paritätisch an der Finanzierung beteiligt würden, wird die neue Regierung aus eben diesem Grund ablehnen. Sie will den Unternehmen ihren Kostenvorteil im internationalen Konkurrenzkampf erhalten. Begründen wird sie es konjunkturpolitisch: Beitragserhöhungen wirken krisenverschärfend bzw. gefährden den Aufschwung.

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Wunderwelten Nordkorea oder: Die perfekte Diktatur

Man glaubt das einfach nicht, wenn man es nicht gesehen hat. Das ist keine Dystopie, keine finstere Science Fiction, sondern seit über 50 Jahren (!) bittere Realität. Man mag sich nicht ausmalen, was ein Filmteam entdecken würde, wenn es ohne staatliche Aufpasser durch das Land reisen dürfte ...

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China: Zwei von drei Spenderorganen stammen von Hingerichteten

Die meisten der in China transplantierten Organe stammen einer staatlichen Zeitung zufolge von hingerichteten Gefangenen. Rund 65 Prozent der Spenderorgane kämen aus dem Todestrakt, schrieb die Zeitung "China Daily" am Mittwoch. Das Blatt zitierte den stellvertretenden Gesundheitsminister Huang Jiefu, der in seltener Offenheit die Zahlen präsentierte. Seinen Worten nach müssten die Häftlinge zwar ihr schriftliches Einverständnis für die Organspende geben. Sie seien jedoch keine angemessene Quelle für Organtransplantationen, so Jiefu.

Den zum Tode Verurteilten werden nach der Exekution Nieren, Leber, Hornhäute und andere Organe entnommen. Chinesische Transplantations-Spezialisten gehen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sogar davon aus, dass nicht nur 65 Prozent der transplantierten Organe von Hingerichteten stammen, sondern sogar 90 Prozent.

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Politisch gewollte Steuerflucht in Deutschland

taz: Herr Adamek, jährlich verliert der Staat Milliarden Euro, weil die Reichen kaum Steuern zahlen. Warum spielt dieser Skandal im Wahlkampf keine Rolle?

Sascha Adamek: Die Steuerflucht ist ein struktureller Skandal, der sich täglich wiederholt. Solche Themen haben es in den Medien immer schwerer als so eine Sommeraffäre wie Ulla Schmidts Dienstwagen. (...)

Die Steuerverwaltung ist leider Ländersache. Und viele Landesregierungen sehen es als Standortvorteil, reiche Bürger ungeschoren zu lassen. Uns sind interne Anweisungen zugespielt worden, dass die Finanzämter Firmen am besten nicht kontrollieren sollen. Die Länder konkurrieren untereinander, wer die Millionäre und Unternehmen am schonendsten behandelt. (...)

Momentan fehlen [den Finanzämtern] 3.000 Betriebsprüfer und 1.000 Steuerfahnder. Dabei würde jeder Prüfer im Jahr etwa 1,5 Millionen Euro bringen. Die Finanzämter sind so überlastet, dass sie immer wieder "Durchwinkwochen" einlegen müssen. Von der Amtsleitung heißt es dann: "Jetzt setzt euch mal die Sonnenbrille auf!" Das heißt, dass dann die Steuererklärungen ungeprüft abgesegnet werden. Davon profitieren dann vor allem wieder die Vermögenden und Selbständigen, denn bei den Arbeitnehmern wird die Lohnsteuer ja schon vorab vom Arbeitgeber abgezogen.

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