Samstag, 26. November 2016

Musik des Tages: Sinfonie Nr. 11 - "Der Winter"




  1. Der erste Schnee (Allegro)
  2. Allegretto
  3. Am Kamin (Larghetto)
  4. Karneval (Allegro)

(Joseph Joachim Raff [1822-1882]: "Sinfonie Nr. 11" in a-moll, "Der Winter", Op. 214 aus dem Jahr 1876; Bamberg Symphonic Orchestra, Leitung: Hans Stadlmair)

Anmerkung: Die Kunst- und Musikgeschichte ist prall gefüllt mit den Vergessenen ihrer Zeit. Joachim Raff ist einer von ihnen - es gibt keinen musikwissenschaftlichen Grund, weshalb sein Werk in der Versenkung verschwunden ist, während zumindest manche Werke seiner Zeitgenossen Liszt oder Brahms auch heute noch wohlbekannt sind. Dieses Los teilt der Komponist mit einer ganzen Heerschar von Leidensgefährten, deren Namen und Werke heute niemand mehr kennt, obwohl sie den populären Stars der sinfonischen Musik durchaus das Wasser reichen können.

Es ist mir ein Rätsel, weshalb von wenigen Ausnahmen abgesehen stets nur dieselben Werke der bekannten Komponisten gespielt werden - wenn doch allein die Epoche der Romantik schon so viele vergessene Meisterwerke zu bieten hat. Es lohnt sich, bei youtube den Suchbegriff "Unsung Masterworks" einzugeben, um einen ersten Eindruck der vergessenen Vielfalt dieser Epoche zu erhalten - doch auch dort findet sich lediglich ein kleiner Ausschnitt, auch wenn die schiere Fülle der unbekannten Komponisten, die dort auftauchen, etwas anderes suggeriert.

Wenn ich eine Formulierung wie die folgende lese, wie sie im Wikipedia-Eintrag zu Joachim Raff zu finden ist: "Sicher war nicht alles, was Raff schrieb, von gleichem Rang. Seine besten Kompositionen zeichnen sich aber durch eine reiche künstlerische Anlage und Ausdruckskraft aus", dann muss ich erst lachen und mich danach echauffieren, denn dasselbe trifft auf jeden mir bekannten "Superstar" der ernsthaften Musik zu. Es wäre eine leichte Übung, völlig belanglose Stücke von Brahms, Liszt oder Wagner zu sammeln und sie entsprechend konträr ausgewählten Werken Raffs und anderer Komponistenzombies gegenüberzustellen. Auf diesem Niveau bewegt sich die heutige Konzertlandschaft, die immer und immer wieder dieselben sinfonischen Werke aufführt - in der irrigen Annahme, das sei vom Publikum so gewünscht. Ernsthafte Musik verkommt so zur "Pop"-Musik.

Die überbordende Fülle der menschlichen Kultur wird hier einmal mehr rabiat beschnitten - und es gehört nicht viel Fantasie dazu, die kapitalistischen Gründe dafür auszumachen: "Den Raff kennt keiner - wir spielen doch lieber Brahms, dann kommen mehr zahlende ZuhörerInnen!" - Und so lernen wir: Es bedarf gar keiner digitalen Vergessenskultur - der Kapitalismus reicht völlig aus, um das Vergessen zur pervertierten Vollendung zu treiben.

Freitag, 25. November 2016

Prioritäten setzen: Ein noch schlechteres Leben für die Mehrheit


Wir wissen ja alle, dass im armen Deutschland, dem es dennoch "gut" gehe, eine auskömmliche Rente für alle sowie ein tatsächlich "angemessenes" Existenzminimum für Kranke, Behinderte, Erwerbslose und Flüchtlinge keinesfalls finanzierbar ist - so wird es den Menschen hierzulande seit Jahr und Tag von irgendwelchen politischen und medialen Schlips-Borg in trauter Eintracht vorgebetet. Man muss eben Prioritäten setzen, wenn man als Vasall für eine superreiche, pervertierte Minderheit Politik macht und Propaganda verbreitet. So war kürzlich bei n-tv zu lesen:

Die Koalition rüstet im Wahljahr bei der inneren Sicherheit auf. Der Bundestags-Haushaltsausschuss bewilligte weitere 4300 Stellen bei den Sicherheitsbehörden bis 2020. Als Antwort auf terroristische Bedrohungen werden außerdem die Geheimdienste gestärkt. / (...) Der Hauptgewinner im regierungsinternen Tauziehen um die Steuermilliarden ist Innenminister Thomas de Maizière. Ihm stehen 2017 insgesamt 8,98 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind rund 53 Prozent mehr [sic!] als zur Beginn der Wahlperiode 2014.

Vom "Verteidigungshaushalt" der Stahlhelm-Uschi, der eigentlich korrekt "Kriegskasse" heißen müsste, ist in diesem Zusammenhang noch gar nicht die Rede. Wichtig allein ist nur, dass es eben kein Geld für Menschen in diesem Land mehr geben soll, die dem Ausbeutungsterror der "Unternehmen" aus irgendwelchen Gründen nicht oder nicht mehr voll umfänglich zur Verfügung stehen. Polizei, Militär, Geheimdienste - also eine massive Aufrüstung in Sachen Überwachung, Kontrolle, Kriegen und begleitender Propaganda - besitzen absolute Priorität - und wenn das Steuergeld in den Kassen der Konzerne, also auf den Konten der Superreichen, versickert ist, bleibt nichts mehr für Menschen übrig. So argumentiert diese Bande allen Ernstes, auch wenn sie es etwas anders formuliert - und dennoch jagt sie niemand geteert und gefedert aus dem Land.

Was ließe sich allein mit dieser Aufstockung für das Ressort der widerlichen Bürstenfresse de Maizière nicht alles an sinnvollen, humanen, erfreulichen Dingen anstellen: Mit knapp 3.000 Millionen (3 Milliarden) Euro allein in einem einzigen Jahr fielen mir jedenfalls auf Anhieb tausende von Möglichkeiten ein, wie man dieses verkommene Land insbesondere für benachteiligte oder zwangsverarmte Menschen wieder ein kleines bisschen besser machen könnte.

In der Erzählung stimmt jedoch ein kleines Detail nicht - und das ist die "schwarze Null" der schwarzen Null Wolfgang Schäuble. Dem Text ist der kleine Hinweis zu entnehmen, dass der Bund "bereits seit 2014 auf neue Kredite verzichten" könne (was im Übrigen auch auf den Seiten der statistischen Bundespropaganda nachgelesen werden kann). Falls diese Angabe stimmen sollte, hat der deutsche Staat seit 2014 also tatsächlich keine neuen Kredite zur Finanzierung des Haushaltes mehr aufgenommen (zahlt aber natürlich weiterhin die horrenden Zinsen auf die "alten" Kredite seit 1945, ohne diese zu "tilgen" - bis in alle Ewigkeit). Das indes verblüfft mich arg - denn schließlich ist die Vergabe von immer neuen Krediten - insbesondere an Staaten - bekanntermaßen die Haupteinnahmequelle der privaten Bankenmafia, und sie dürfte nicht sonderlich amüsiert sein, wenn dieses Füllhorn nun plötzlich versiegte. Ich stelle die steile These auf: Entweder stimmt diese "schwarze Null" nicht - oder die Bande hat in irgendwelchen Hinterzimmern längst ein alternatives, ebenso kriminelles Modell ausgekungelt, das den Banken auch weiterhin sprudelnde und stetig steigende Profite aus der Staatskasse garantiert, ohne dass irgendeine "Leistung" geliefert werden muss. Ich bin da aber, ehrlich gesagt, ratlos.

In jedem Falle gilt aber: Die korrupte Bande (quer durch alle Blöcke der kapitalistischen Einheitspartei) denkt nicht im Traum daran, Armen, Kranken, Alten, Behinderten, Flüchtlingen oder auch Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen - ganz im Gegenteil. Das noch schlechtere Leben für die Mehrheit ist ihr klar erkennbares Ziel, das sie mit aller Vehemenz seit Jahrzehnten verfolgt. Leider bemerkt das kaum jemand, während die selbsternannte "Elite" ihre Geldspeicher Jahr für Jahr vergrößern muss, damit die absurden Geldmengen überhaupt noch hineinpassen, ohne die Mauern zu sprengen.

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Der Herr der Welt


"Der rüstet nicht ab!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 26 vom 22.09.1924)

Mittwoch, 23. November 2016

Choral des Tages: Mit leerem Hirn gen Untergang






Ich habe für meinen Lieblingsspinner ein kleines Musikstückchen für vierstimmigen Chor geschrieben. Vielleicht hat der Gute ja die Gelegenheit, es sich bei Gelegenheit von kompetenten Interpreten vorsingen zu lassen. Der expressionistische, unheimlich künstlerische Text - in trauter religiöser Tradition - lautet:

Oh Faulfuß, wir folgen deinen wirren Wegen.
Oh Faulfuß, mit leerem Hirn gen Untergang.
Oh Plattfuß, du kannst so herrlich sinnlos reden.
Oh Plattfuß, mit leerem Hirn gen Untergang.

Ob der Mann dieses musikalische Juwel zur Kenntnis nimmt und es vielleicht sogar in sein tägliches Brabbel-Ritual aufnehmen wird, damit sein Gehirn endlich einmal wächst, werde ich aber wohl nie erfahren. Schade eigentlich.

Dienstag, 22. November 2016

Die korrupte Demokratie: Überwachung in Freiheit


Der Marsch in den Überwachungsstaat geht unaufhaltsam weiter. Es gibt kein Innehalten, keine Bedenken, keine Frage nach einer sinnvollen Begründung jenseits des Terrorwahns. Die korrupte Bande - in diesem Falle mal wieder ein unschönes Gemisch aus SPD und Grünen - macht Überwachungsnägel mit Kameraköpfen:

Videobeobachtung in NRW wird ausgeweitet / Im Supermarkt oder an der Tankstelle gehören sie bereits zum gewohnten Bild, jetzt erobern sie langsam auch den öffentlichen Raum: Videokameras. In Essen etwa müssen Passanten in der nördlichen Innenstadt demnächst damit rechnen, beim Straßenbummel beobachtet zu werden - allerdings nicht von privaten Ladenbesitzern, sondern von Polizeibeamten. Dort haben am Montag (21.11.2016) die Installationsarbeiten für eine neue Video-Beobachtungsanlage begonnen.

Im verlinkten WDR-Bericht wird sogleich zurückgerudert und fast flehentlich versichert, dass es keine "anlasslose" Totalüberwachung geben werde und dass selbstverständlich nur an Orten überwacht werde, "an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt". Sicher. Diese Argumentation ist dem autofahrenden Bürger schon lange bekannt, wenn es um mobile Geschwindigkeitskontrollen geht, die selbstverständlich auch nur an signifikanten "Unfallschwerpunkten" stattfinden. Wer glaubt diesen infantilen Mist eigentlich? Wenn diese Kameras einmal installiert sind und jederzeit in Betrieb genommen werden können - unabhängig davon, ob jemand die "Monitore beobachtet", was ohnehin ein Argument auf Sandkastenniveau darstellt -, dann werden sie auch genutzt - im Zweifel auch illegal. Da kennen deutsche Behörden traditionell keinerlei Skrupel.

Der WDR-Bericht ist schon hirnzerfressend genug - allerdings gibt es dazu ausnahmsweise auch einen Kommentarbereich (den der WDR ansonsten abgeschaltet hat). Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass sich dort überwiegend (wenn nicht gar ausschließlich) Gruselkommentare finden, die dem Herrn de Maizière einen tollen Orgasmus bescherten. - Gewiss ist das nicht repräsentativ. Ob hier "echte" LeserInnen oder doch nur Sockenpuppen oder Trolle kommentiert haben, ist unbekannt. Es lässt sich lediglich feststellen, dass hier der Gang in den totalitären Überwachungsstaat mehrheitlich freundlich begrüßt wird. Die menschenfeindliche Strategie der neoliberalen Einheitspartei wird also bestätigt.

Wieso kommt eigentlich niemand in der Politik, in den Medien und in den dort freigeschalteten Kommentaren auf den naheliegenden Gedanken, dass eine solche furchtbare Überwachungstechnologie jederzeit aufs Übelste missbraucht werden kann, ohne dass es eine sinnvolle Möglichkeit zur individuellen Gegenwehr gibt? Welche furchtbaren Terroranschläge und Verbrechen müssen in den zum Einkaufszwang pervertierten, überall gleichen Innenstädten abgewehrt werden, die ein solches Überwachungsszenario rechtfertigen? Die Gestapo der Nazis hätte sich ekstatisch die braunen Finger nach solchen Instrumenten geleckt - aber heute existiert diese Gefahr nicht mehr? Sind die Leute, die so etwas beschließen, medial begleiten, bejubeln und unkritisch zur Kenntnis nehmen, noch ganz bei Trost?

Diese Frage kann ich beantworten: Sie sind zwar ganz sicher nicht bei Trost, dafür aber vehement bei ihrem persönlichen Bankkonto. So funktioniert marktkonforme - also durch und durch korrupte - Demokratie. Nicht erst im 21. Jahrhundert.

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Schiffbruch



(Gemälde von Aleksander Orłowski [1777-1832] aus dem Jahr 1809, Öl auf Leinwand, Russisches Museum, Sankt Petersburg, Russland)

Montag, 21. November 2016

Der Auschwitz-Prozess in Frankfurt 1963-65


Eine Dokumentation von Rolf Bickel und Dietrich Wagner aus dem Jahr 1993.

1. Die Ermittlung


2. Der Prozess


3. Das Urteil


Siehe dazu auch: "Zeitzeugen sprechen über Auschwitz - Schnipsel des alltäglichen Horrors" - Teil 1 (Mauritius Berner), Teil 2 (Otto Wolken), Teil 3 (Hermann Langbein), Teil 4 (Emil de Martini), Teil 5 (Hermann Reineck), Teil 6 (Imrich Gönczi), Teil 7 (Friedrich Skrein), Teil 8 (Peter Budan), Teil 9 (Hermann Holtgreve), Teil 10 (Georg Severa und Paula Rosenberg).