Freitag, 2. März 2012

Die Radikale: Merkels Triumphzug in die Katastrophe

  1. Die deutsche Politik hat ein bedrohliches Erfolgsrezept. Der Bundesregierung ist es gelungen, von der eigenen bedrohlichen Lage abzulenken, indem man sich mit anderen Ländern vergleicht, denen es noch schlechter geht. Merkel, die SPD, die Grünen und nahezu die gesamte veröffentlichte Meinung fahren wie in einem Paternoster nach unten und sie feiern sich, dass sie sich noch [in] einer der oberen Kabinen befinden. Keiner aus den herrschenden Eliten will die Fahrt nach unten wahrnehmen und es ist niemand erkennbar, der aus dem Paternoster springt und auf den Notalarmknopf drücken könnte, um die Talfahrt zu stoppen.

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  2. Die Kanzlerin ist keine Konservative. Sie ist eine Radikale, die alles auf eine Karte setzt. In der Eurokrise riskiert sie zu viel

    (...) Aber Merkels Einsatz ist dennoch kein Pappenstiel: In der Eurokrise geht es um nicht weniger als das Kapital, das alle Kanzler vor ihr in langen Jahren der Nachkriegszeit mühsam angesammelt haben: Es geht um die deutsch-französische Freundschaft, und es geht darum, dass Deutschland nur noch von Freunden umgeben ist. Das ist mehr wert, als den Deutschen jetzt bewusst ist. Alle reden von der "Schuldenkrise". Aber wenn Merkels Spiel scheitert, dann können die politischen Lasten, die sie dem Land auflädt, noch in Jahren schwerer wiegen als jedes Haushaltsdefizit.

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  3. Die wahren Gründe für die Sparpolitik

    In den Krisenstaaten sollen die Einkommen sinken und das Arbeitsrecht gelockert werden.

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Anmerkung: Auch wenn die Kritik an Merkel, die in den Massenmedien überwiegend sehr rar gesät ist, allmählich etwas zunimmt, ist mir das alles doch deutlich zu harmlos. Merkel ist nicht nur eine Radikale, sie ist vielmehr eine gnadenlose und völlig lernresistente Anhängerin und Verfechterin der Interessen des Großkapitals. Die Belange der Bevölkerung einschließlich der Mittelschicht - ganz egal in welchem Land - kommen in ihrem Denken und Handeln gar nicht vor, denn das ist die (allein aufgrund ihrer Masse) fette Kuh, die weiter gemolken werden soll. Da wird unverhohlen und ohne Unterlass gekürzt, "gespart", abgezockt und ausgepresst, was das Zeug hält.

Wann hat diese Kanzlerin oder irgendein anderes Mitglied dieses Regimes, seit sie im Amt sind, auch nur ein einziges Mal irgendetwas getan, das im Interesse der Menschen in diesem Land (und nicht nur einer kleinen Gruppe) gelegen hätte? Niemals. Auf Europa - insbesondere Griechenland - bezogen, sieht das Fazit sogar noch katastrophaler aus, wie man den oben verlinkten Beiträgen entnehmen kann.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass es dennoch eine Mehrheit von über 60 Prozent geben soll, die "mit der Arbeit Merkels zufrieden" sein sollen, wie die Tagesthemen gestern vermeldeten. Entweder diese Umfragen sind längst gefälscht, oder aber die Unkenntnis und Dummheit sind im Lande extrem weit verbreitet. Beide Möglichkeiten machen Angst.

Noch mehr Angst macht allerdings der erkennbare Kurs Merkels. Was auf ihren Druck hin gerade in Griechenland geschieht, wird sie ohne mit der Wimper zu zucken selbstverständlich auch anderen Bevölkerungen - einschließlich der Deutschlands - zumuten. Wenn man sie gewähren lässt. Dass Merkel dabei nur eine austauschbare Marionette ist, sollte inzwischen jedem klar sein - denselben Kurs wird auch jeder andere Kanzler aus der Union oder der SPD fortführen. Auch zwischen Schröder und Merkel gab es keine inhaltlichen, kursbezogenen Unterschiede.

So können wir dieser Tage also unter Grausen nach Griechenland blicken und dort erfahren, was auch für uns in der nächsten Zeit auf der neoliberalen Agenda steht. Mehr als 12 Millionen Menschen in Deutschland, die bereits vom Hartz-Terror betroffen sind, wissen das ja schon zur Genüge und dürfen sich auf weitere Einschnitte freuen - auch wenn die eigentlich unmöglich sind. "Eigentlich unmöglich" - das dachte bis vor kurzem auch die griechische Mittelschicht, die es in Kürze jedoch nicht mehr geben wird.

Das Bild der "Abwärtsfahrt im Paternoster", das Wolfgang Lieb auf den Nachdenkseiten benutzt, ist zwar durchaus zutreffend - grotesk wird seine Meinung aber, wenn er allen Ernstes zum Besten gibt, das elitäre Gesindel nähme diese soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Talfahrt gar nicht wahr - so als sei das alles nur eine fehlgeleitete Politik von Menschen, die "eigentlich" unser Bestes wollen, "versehentlich" aber alles zerstören. Die jubelnden Medienmeldungen sind ja nun nichts weiter als dümmliche Propaganda - und Propaganda setzt voraus, dass diejenigen, die diese Jubelmeldungen in die Welt setzen, sehr genau wissen, dass sie die Unwahrheit verkünden und die Realität verzerren. Schließlich ist genau das ihr Ziel.

Die neoliberale Bande mit momentan Merkel an der Spitze weiß verdammt genau, was sie da tut - und sie tut es bewusst und zielgerichtet. Das ist kein "Versehen". Diese Bande will uns auspressen, ausbeuten, entrechten, überwachen und verarmen. Wie deutlich muss das denn noch werden, bis es sich auch wirklich herumgesprochen hat?

Mittwoch, 29. Februar 2012

Armut macht sich breit in Europa

(...) Insgesamt waren 2010 laut Eurostat mehr als 115 Millionen Personen in der EU oder 23,4 Prozent der EU-27 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das bedeutet, dass sie von mindestens einer der folgenden drei Lebensbedingungen betroffen waren: von Armut bedroht, unter erheblicher materieller Entbehrung leiden oder in einem Haushalt mit sehr [niedrig entlohnter] Erwerbstätigkeit leben. (...)

Am meisten armutsgefährdet sind Kinder. 2010 waren 27 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen.

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Anmerkung: Im europäischen Durchschnitt ist nun fast ein Viertel aller Menschen von Armut bedroht oder betroffen - das sind wirklich grandiose Erfolgswerte für dieses System und die zugrunde liegende Politik. Man kann getrost von einigen statistischen Tricksereien ausgehen, mit denen die wirkliche Quote schöngerechnet wurde (im Artikel ist dafür sogar ein Beispiel zu finden, denn die Headline spricht von "16 Prozent der EU-Bevölkerung", während im Text eine andere Zahl - nämlich "23,4 Prozent der EU-27" - genannt wird). Das kennen wir ja zur Genüge aus den Statistiken zur Arbeitslosigkeit oder zur Konjunktur.

Die Zahlen beziehen sich auf 2010. Dass es inzwischen noch weitaus dramatischer aussieht, kann man beispielsweise an den aktuellen Ereignissen in Griechenland ablesen, das 2010 mit 20,1 Prozent eine noch wesentlich geringere Armutsquote aufwies als heute.

Dennoch ist in der ganzen EU nirgends ein Anzeichen für eine politische Umkehr erkennbar - ganz im Gegenteil: Die Dosis der Zwangsverarmung der Menschen wird unaufhaltsam weiter verstärkt und mit Gewalt vorangetrieben. Dass zeitgleich der ohnehin absurde Superreichtum einiger Weniger überproportional wächst, findet in den Medien keine Erwähnung oder wird allenfalls in albernen Meldungen völlig irreführend versteckt.

Dieses elitäre Gesindel richtet ganz Europa zugrunde - wie es schon einmal geschehen ist.

Sparsamkeit tut not!


"Die Margarine haben wir uns schon lange gespart - wenn wir jetzt auch noch das Brot sparen lernen, werden wir die Krise bestimmt bald überwunden haben!"

(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 43 vom 25.01.1932)

Dienstag, 28. Februar 2012

Not und Elend in Griechenland - das zweite Versailles

Wenn die Arbeitslosigkeit den Rekordwert von 19,2 Prozent erreicht hat; wenn staatliche Spitäler Operationssäle sperren, weil sie kein neues Personal einstellen dürfen; wenn die Selbstmordrate sprunghaft ansteigt; wenn das Bildungsministerium Lebensmittelgutscheine an Schüler verteilen muss, weil immer mehr Kinder und Jugendliche an Mangelernährung leiden; und wenn gleichzeitig die nationale Wirtschaft im internationalen Ranking der Wettbewerbsfähigkeit um sieben Plätze auf den 90. Rang abgestürzt ist: Dann ist eigentlich alles so weit okay.

So funktioniert die Griechenland-Hilfe. Die griechische Bevölkerung hat dabei einen bedeutenden Part zu spielen, und sie erfüllt ihn ohne Tadel: Sie muss der Armut anheimfallen, und zwar möglichst anschaulich. Das übrige Europa verfolgt mit wohligem Grusel die Meldungen von Not und Elend und von Eltern, die ihre Kinder aussetzen, weil sie sich außerstande sehen, die Kleinen ordentlich zu versorgen.

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Anmerkung: So oder so ähnlich lauteten unzählige Meldungen der letzten Zeit, die die erzwungene Verarmung eines ganzen Volkes zum Inhalt hatten (siehe unter anderem in der Süddeutschen und in der taz). Es ist unerträglich, was in Griechenland auf Geheiß der Banken und der Regime der reichen europäischen Staaten - allen voran Deutschland - geschieht. Dabei ist als Randnotiz noch festzuhalten, dass das "Sparen" selbstverständlich nicht das griechische Militär betrifft, denn das wird für den nicht unwahrscheinlichen Fall eines Volksaufstandes schließlich noch gebraucht - außerdem verdienen deutsche und andere Rüstungskonzerne vortrefflich an den laufenden Geschäften mit dem griechischen Staat.

In seiner Rede zum politischen Aschermittwoch hat Gregor Gysi für diese Ausplünderung und Zerstörung Griechenlands einen treffenden Vergleich gewählt - er nannte den Vorgang "ein zweites Versailles". Der Versailler Vertrag hatte nach dem Ersten Weltkrieg dafür gesorgt, dass Deutschland bis in die 30er Jahre und die Weltwirtschaftskrise hinein erhebliche Reparationszahlungen zu leisten hatte, die damals zusammen mit der neoliberalen Austeritätspolitik Heinrich Brünings einen ähnlich desaströsen Effekt auf die Wirtschaft und eine immense Verarmung der Bevölkerung zur Folge hatten. Im Querschüsse-Blog findet sich ein lesenswerter ausführlicherer Text zu diesem Thema.

Es ist geradezu grotesk, dass ausgerechnet das deutsche Regime heute an vorderster Front dabei ist, wenn dieselbe Katastrophenstrategie nun an Griechenland durchexerziert wird - mit denselben furchtbaren sozialen Folgen, die durchaus auch wieder dramatische politische Konsequenzen haben können. Es ist kein Zufall, dass Schäuble gerade jetzt darüber sinniert, die regulär anstehenden Wahlen in Griechenland "auszusetzen" und damit die Demokratie auch hochoffiziell abzuschaffen.


"Meine Herren, dass Deutschland nicht bezahlen kann, steht fest. Aber dass Deutschland bezahlen muss, steht noch fester."

(Zeichnung von Erich Schilling, in "Simplicissimus", Heft 46 vom 16.02.1932)

Dennoch werden zu diesem Thema von der Politik und den Mainstreammedien ständig Nebelkerzen geworfen, wenn von einer "Griechenlandhilfe" oder einem "Rettungspaket für Griechenland" die Rede ist - es geht hier nicht um Griechenland bzw. die Menschen dort, sondern um private Banken. Nicht ein einziger Cent dieser "Hilfen", die gar keine Hilfen, sondern Kredite sind, kommt bei der griechischen Bevölkerung an - die Gelder fließen direkt an die "Gläubiger"-Banken. In diesem Zusammenhang ist auch dieses Ranking der sieben Staaten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung sehr aufschlussreich:


(Quelle: The Weekly Standard)


Aus welchem Grund steht Griechenland doch gleich unter Dauerbeschuss? - Es gilt, Solidarität mit der griechischen Bevölkerung zu bekunden und dafür einzustehen. Diese Menschen sind die aktuellen Opfer der neoliberalen Ideologie und des Superreichtums - und sie sind uns nur einen Schritt voraus.

Nachtrag 02.03.12: In der taz gibt es einen interessanten Artikel zum Thema - zum besseren Verständnis der Diskussion um "historische Vergleiche" sollte man den auch gelesen haben. Ich rede in diesem Zusammenhang nach wie vor von "historischen Parallelen" und sehe sie auch hinreichend belegt.

Sonntag, 26. Februar 2012

Zitat des Tages: Schlechte Zeiten

Wir leben schlecht und stürben ja ganz gern,
Doch möchten wir aus Neugier vorher wissen
Von irgendeinem der gelehrten Herrn,
Warum wir eigentlich krepieren müssen.

In frühern Zeiten hat man das gewusst.
Man starb für Gott, fürs Vaterland, aus Ehre,
Da war das Sterben schön und eine Lust,
Wir wünschen, dass es so geblieben wäre.

Denn heut ist's weder süß noch ehrenvoll,
Ganz ohne Ideale zu verenden,
Schlecht stirbt es sich für Ziffern, Zins und Zoll,
Für Bankbilanzen oder Dividenden.

Vielleicht ist's immer nur derselbe Quark,
Die Guten starben stets für die Halunken,
Die Zeit war immer faul, nicht nur in Dänemark,
Nur hat sie, scheint's, noch nie so stark gestunken.

(Bruno Wolfgang alias Bruno Prochaska [1879-?], in "Simplicissimus", Heft 45 vom 08.02.1932)

Kinderarmut in Deutschland: Perspektive Hoffnungslosigkeit

  1. Neue Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit und eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegen angeblich eine positive Entwicklung bei der Kinderarmut. In Wahrheit unterstreichen sie einen ganz anderen Trend. (...)

    Unabhängig von allen statistischen Interpretationen enthüllen beide Untersuchungen bei genauerem Hinsehen vor allem drei Phänomene, die für die Entwicklung unserer Gesellschaft charakteristisch sind: Die Verfestigung sozialer Ungleichheit, eine wachsende gesellschaftliche Polarisierung und eine immer größere Hoffnungslosigkeit am unteren Ende der sozialen Leiter. (...)

    Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos beschworen Wissenschaftler angesichts der Gefahren durch die Weltwirtschaftskrise die Vision von einer Welt der "Dystopie" (Gegenteil von "Utopie", zu Deutsch: das Zerplatzen aller Hoffnungen) herauf. Allen noch so beschönigenden Worten und Statistiken zum Trotz ist diese Vision für arme Kinder im kapitalistischen Deutschland des Jahres 2012 bereits bittere Realität.

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  2. Kinder und Jugendliche leiden besonders, wenn ihre Eltern arm sind. Sie spüren den Druck ihrer Klassen- und Spielkameraden, weil sie nicht mithalten können. Darauf weist Christoph Butterwegge hin. Armut löst soziale Ausgrenzung aus und stellt eine Gefahr für die Demokratie dar.

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Anmerkung: Die gezielte Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten durch den Hartz-Terror, Lohndumping und den immer weiter ausfasernden Niedriglohnsektor schreitet unaufhörlich voran. Es ist nur noch zynisch, dass von der Leyen, wie im ersten verlinkten Artikel berichtet, die Zahlen dennoch umdeutet und eine "positive Entwicklung" sehen will. Deutlicher könnte es diese Bande nicht machen, dass ihr das Schicksal der zwangsverarmten Menschen - einschließlich der betroffenen Kinder - nicht nur am Allerwertesten vorbei geht, sondern dass auch nicht im Ansatz darüber nachgedacht wird, dies rückgängig zu machen.

Mit anderen Worten: Das neoliberale Credo findet es super, dass es immer mehr verarmte Menschen auf der einen und immer weniger Reiche auf der anderen Seite gibt und dass sich diese Polarisierung weiter verstärkt und verfestigt. Es bestehe kein Handlungsbedarf - "Deutschland geht es gut" (Angela Merkel).

Angesichts eines solchen Zynismus und einer solchen unverhohlenen Dreistigkeit packt mich der blanke Zorn. Wieviel wollen sich die Superreichen denn noch in die eigenen überquellenden Taschen stopfen, bis ihre blinde, geifernde Gier nach immer mehr endlich gestillt ist? Ich fürchte die Antwort zu kennen - diese schamlose Gier ist wohl unstillbar.

Wer hier gelegentlich mitliest, wird nicht überrascht sein, dass dieses "Konzept" der Verarmung der Bevölkerung selbstverständlich eine lange Tradition in Deutschland hat. Werfen wir also einen Blick in das Jahr 1932 - wohl wissend, wohin die neoliberale Katastrophenstrategie seinerzeit geführt hat:

Trost in Tränen


"Zu arbeiten gibt's schon lange nichts mehr - das letzte Hemd haben wir auch schon hergeben müssen - wenn jetzt noch die Preise so weit gesenkt werden, dass man alles umsonst haben kann, dann ist Deutschland das reinste Paradies!"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine, in "Simplicissimus", Heft 46 vom 16.02.1932)