Donnerstag, 2. Februar 2012

Traum einer werdenden Mutter



"Ich weiß noch nicht, ob ich kommen soll, Mama - im Himmel waren so viele, viele graue Soldaten, - die haben mir alle dringend abgeraten ..."

(Zeichnung von Friedrich Heubner aus der satirischen Zeitschrift Simplicissimus, Heft 44 vom 29.01.1933)

Anmerkung: Nur einen Tag später, am 30.01.1933, wurde Hitler von Hindenburg als Reichskanzler vereidigt und der bittere Weg in die Finsternis begann.

Auf derselben Seite der Heftausgabe befindet sich bezeichnender Weise noch dieses Spottgedicht über Hitler:



Es ist ein beredtes Zeugnis für die Unterschätzung einer katastrophalen, lebensbedrohlichen Gefahr. Derlei Zeichnungen und Texte konnten danach in Deutschland natürlich nicht mehr publiziert werden.

Sämtliche Ausgaben des Simplicissimus kann man im Übrigen hier ansehen. Die Lektüre dieser Zeitschrift, insbesondere der Ausgaben aus den 30er Jahren, ist sehr spannend und erhellend - die erschreckenden Parallelen zur heutigen Zeit sind an vielen Stellen unverkennbar. Beispielhaft sei nur auf diese Karikatur vom 15.09.1930 verwiesen, die den folgenden Begleittext trägt: "Jewiß, sparen ist heutzutage 'ne vitale Notwendigkeit für alle. Aber ob unsereiner 'n Auto mehr oder weniger anschafft, spielt doch gar keine Rolle im Vergleich zu den Riesensummen, die sich durch Lohnkürzungen einsparen lassen!"

Es ist alles beim Alten.

Unser täglich Brot - eine Müllgeschichte

Die Hälfte der produzierten Lebensmittel wird weggeworfen. Wie immer ist Geldgier eine Ursache des Skandals. Aber auch mangelnde Achtung vor Nahrung und eine zu geschmäcklerische Einstellung der Verbraucher.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Dazu passt vorzüglich der Film “Unser täglich Brot”:





Diese Dokumentation kommt gänzlich ohne Kommentar aus und zeigt lediglich die industrialisierte Massenproduktion von Nahrungsmitteln. Exakt dies essen wir jeden Tag. Und exakt dies landet massenhaft im Müll. Man muss kein Apokalyptiker sein, um hier das Endstadium eines Degenerationsprozesses zu erkennen, wie er widerwärtiger kaum sein könnte.

Dennoch werden die Menschen in diesem System dazu genötigt, diesen Dreck zu konsumieren – zum Einen, weil es kaum (und erst recht keine flächendeckenden) Alternativen dazu gibt, und zum Anderen, weil die systemische Zwangsverarmung der Bevölkerung bereits so weit fortgeschritten ist, dass ein Großteil der Menschen sich gar nichts anderes mehr leisten kann. In anderen Regionen der Welt ist dies noch weitaus dramatischer als hierzulande – da ist es schon lange keine Frage mehr, welche Nahrungsmittel man auswählt, sondern ob man überhaupt irgendwelche zur Verfügung hat.

Wenn man sich diesen Film ansieht, das Gesehene in Bezug setzt zur festgestellten ständigen Vernichtung von Nahrungsmitteln in der westlichen Welt und die Millionen hungernden und an Hunger sterbenden Menschen weltweit bedenkt, muss man irre werden. Noch deutlicher kann es nicht werden, dass dieses System, dem wir ausgesetzt sind, so ziemlich das Katastrophalste ist, was diesem Planeten überhaupt widerfahren kann. Die Menschheit bzw. deren selbsternannte "Elite" braucht keine Kometeneinschläge oder andere Naturkatastrophen – sie produziert die größtmögliche Katastrophe ganz allein in Eigenregie. Und das absolut konsequent – ohne ein Innehalten, ohne Zögern, ohne nennenswerten Widerstand.

"Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich." (George Orwell: “1984″)



Nachtrag 24.02.12: Recht informativ in diesem Zusammenhang ist auch dieser Bericht des WDR: "Antibiotika im Gemüse".

Kluft bei Einkommen wächst rasant

Die Kluft zwischen Geringverdienern und Besserverdienenden hat sich in den Industrieländern rasant vergrößert. Die Einkommens-Unterschiede sind inzwischen so gewaltig, dass selbst die konservative Industrieländer-Organisation OECD beunruhigt ist. (...)

In Deutschland seien die unteren Einkommen besonders stark gesunken (...). Der Lohn eines Geringverdieners ist demnach heute nur noch halb so hoch wie der Lohn eines Beschäftigten mit mittlerem Einkommen. Eine größere Lohnkluft haben die Forscher nur noch in Südkorea und den USA entdeckt.

(Weiterlesen)

Anmerkung: In diesem für die Mainstreampresse typischen Propagandabericht wird wieder einmal versucht, die OECD allzu positiv erscheinen zu lassen. Dazu werden einige (tatsächlich besorgniserregende) Zahlen genannt und gleichzeitig wird einmal mehr das Mantra des ewigen Wachstums als heilsbringender Ausweg aus allen Krisen beschworen. Auch Frauen und Migranten sollten nach Meinung der Autorin gefälligst mehr arbeiten "dürfen".

Unter dem FR-Text hat ein Kommentator das bereits trefflich formuliert: "Die Vorschläge, deren politische Umsetzung die wachsende Kluft zwischen arm und reich in den letzten 2 Jahrzehnten erst ermöglicht hat, stammen nämlich auch von der OECD, weniger eine konservative Organisation als eine, die sich dem marktliberalen Umbau der westlichen Demokratien verschrieben hat." Der ganze Kommentar von "hofrat" ist lesenswerter als der eigentliche Artikel.

Wie die neoliberale Bande gedenkt, die Kluft zwischen den Einkommen wieder etwas zu verkleinern, führt sie ja gerade u.a. in Italien vor: Niedrige Einkommen sollen nicht etwa wieder erhöht, sondern mittlere Einkommen sollen auch gesenkt werden. Es ist einmal mehr ein sowohl journalistisches, als auch politisches Trauerspiel.

Dienstag, 31. Januar 2012

2012 - ein Jahresvorblick

Januar

Ende Januar wird die Berliner S-Bahn dann doch noch von einem plötzlichen, nicht vorhersehbaren Winter überrascht. Jede Menge Wetter lässt den Betrieb wieder völlig zusammenbrechen. (...) / Von überall her reisen Wartetouristen nach Berlin, um sich mit den Berlinerinnen und Berlinern unvergessliche Warteerlebnisse zu bescheren. Längst überlegen auch andere Städte ihre S-Bahnen kaputt zu machen, und fordern hierfür Berliner Know-how an.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Da ich nun bereits mehrfach angemahnt worden bin, dem Humor einen etwas breiteren Raum im Blog einzuräumen, verlinke ich heute auf diesen äußerst vergnüglichen Beitrag von Horst Evers, der uns ein zunächst etwas schwieriges, im weiteren Verlauf aber sehr hoffnungsfroh stimmendes Jahr 2012 vorhersagt. Viel Spaß beim Vorblicken! :-)

Die einzige Frage, die für mich offen bleibt, ist diese: Wie um alles in der Welt bekommen wir es hin, das besagte Raumschiff Ende 2014 an der Landung auf der Erde zu hindern und uns diese Brut nicht erneut aufzuhalsen? Irgendwie liegt da doch ein Elite-Trojaner nahe, der den Navigationscomputer des Raumschiffs in der Weise manipuliert, dass das edle Schiff mit seiner noch edleren Fracht 2014 in eine Umlaufbahn um Alpha Centauri einschwenkt, anstatt das elitäre Gesindel wieder auf der nur allmählich genesenden Erde abzuladen.

Oder?

Lafontaine: "Banken führen Krieg gegen die Völker Europas"


Montag, 30. Januar 2012

Song des Tages: Kein Geld, kein Money





(Zoff: "Kein Geld, kein Money", aus dem Album "Zoff", 1980)

Ärger mit der Knete, ich hab' nie genug,
Alle wollen Geld von mir, das ist kein feiner Zug.
Ich hab' malocht wie'n Ochse - bringt nix ein, ist alles Wichse.
Jetzt mach' ich nix und komm' nicht mehr auf die Beine.
Der Fall liegt klar: Ich bin total pleite.

Kein Geld, kein Money - ich bin abgebrannt!
Nix auf der Tasche - nix auf der Hand!
Kein Geld, kein Money - keiner leiht mir was!
Take it easy, man, kann nicht bezahlen - auf Wiederseh'n.

Zahle pünktlich Alimente und ich träum' von der Rente,
Hab' kein Auto, noch nicht mal 'n Mofa, hab' 'ne Bude ohne Sofa.
Finanziell bin ich am Ende, warte auf die positive Wende.
Ich hab' 'ne Woche gespart auf Kartoffelsalat
Und gestern ging der Gasmann mit der letzten Mark ...

Kein Geld, kein Money - ich bin abgebrannt!
Nix auf der Tasche - nix auf der Hand!
Kein Geld, kein Money - keiner leiht mir was!
Take it easy, man, kann nicht bezahlen - auf Wiederseh'n.

Seit gestern weiß ich nicht mehr, wer ich bin, mein Pass ist abgelaufen, alle Räder stehen still.
Bin meinen Job schon lange los - alle fragen mich, Mensch, wie machst du das bloß?
Ganz ohne Kohle, und nix zu knabbern! Macht euch keine Sorgen, lass sie weiter labern.
Einer gibt mir 5 Mark, um mich am Kacken zu halten - ich werd' mir davon 'n netten Abend gestalten ...

Kein Geld, kein Money - ich bin abgebrannt!
Nix auf der Tasche - nix auf der Hand!
Kein Geld, kein Money - keiner leiht mir was!
Take it easy, man, kann nicht bezahlen - auf Wiederseh'n.



Anmerkung: Was hier in der Rückschau ins Jahr 1980 so humorvoll erscheint, ist heute für eine stetig wachsende Zahl von Menschen auch in unserer "Wohlstandsgesellschaft" alltägliche, bittere Realität. Damals war es kaum vorstellbar, dass existenzbedrohende Armut in Deutschland jemals wieder ein breites Thema sein könnte - heute wissen wir es dank SPD, Grünen, Union und FDP besser. Es gibt wieder millionenfache Armut in Deutschland - und sie breitet sich jeden Tag weiter aus.

Italien: Und jetzt soll die Mittelschicht bluten

"Deregulierung" lautet der neue Slogan der Regierung Monti, Taxifahrer, Ärzte und Rechtsanwälte protestieren

(Weiterlesen)

Anmerkung: Lest Euch den verlinkten Artikel genau durch und achtet darauf, wie gezielt dort die "Interessen der Konsumenten" gegen die "Interessen der Mittelschicht" ausgespielt werden. Beispielhaft sind im Text die Taxiunternehmer (nicht die Taxifahrer, wie der Subtitel suggeriert), Ärzte, Notare und Rechtsanwälte genannt bzw. gemeint.

Es ist nur noch perfide, wie hier einzelne Bevölkerungs- und Berufsgruppen - offensichtlich ganz gezielt - gegeneinander aufgehetzt werden. Natürlich haben "Konsumenten" im Kapitalismus - insbesondere dann, wenn sie zunehmend verarmt werden - ein Interesse an niedrigen Preisen. Was bleibt ihnen auch anderes übrig, wenn sie nicht am Wohlstandswachstum beteiligt werden? Ebenso haben Selbstständige und Kleinunternehmen ein Interesse daran, dass die bisherigen Preise zumindest halbwegs stabil bleiben, denn auch sie müssen irgendwie überleben. Die Zeiten, in denen eine Arztpraxis, eine Rechtsanwaltskanzlei oder ein kleines Taxiunternehmen per definitionem schon für einen gewissen Wohlstand standen, sind nicht nur in Italien längst vorbei. Von den Angestellten dieser Kleinstunternehmen will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden - es versteht sich von selbst, dass diese natürlich zu den Niedriglöhnern zählen, die noch dazu kaum arbeitsrechtlich geschützt sind.

Wir sehen hier ein mustergültiges Beispiel für eine beginnende Deflation, die geradezu bewusst vom neuen, demokratisch nicht legitimierten Regime in Italien in Gang zu setzen versucht wird. Und der Standard begleitet das mit einem solchen unkritischen, geradezu verschleiernden Text, der die "Deregulierung" ins Zentrum stellt.

Es ist gut, dass es diesbezüglich zunehmenden Protest in Italien gibt - allerdings sollte der sich eher gegen das gesamte - durch das undemokratische Regime noch verstärkte - kapitalistische System und die neoliberale Strategie richten, da er ansonsten wirkungslos verpuffen wird. Ich kann nur hoffen, dass sich endlich einmal flächendeckend herumspricht, dass es keinen "Kampf" zwischen Unter- und Mittelschicht oder zwischen "Konsumenten" und "Selbstständigen" gibt, denn die sitzen alle im selben Boot. Die Trennlinie verläuft klar erkennbar zwischen der Bevölkerung auf der einen und den schamlosen Superreichen auf der anderen Seite - das ist die "Front", an der es zu kämpfen gilt.

Es ist extrem fatal, dass weite Teile der Mittelschicht das nach wie vor nicht erkennen (möchten) und von den Medien darauf auch nicht aufmerksam gemacht werden. Ich finde es einfach nur bizarr, wenn noch Wohlhabende ihre Pfründe schwinden sehen und auf nicht Wohlhabende und Arme blind eindreschen, während einige Superreiche vollkommen unbehelligt in ihren aus allen Nähten platzenden und täglich weiter wachsenden Geldspeichern lächelnd in einem Geldmeer baden, das völlkommen aus dem Ruder läuft.


(Bild: Wikipedia - Vermögensverteilung in Deutschland 2007 - in Italien sieht's nicht wesentlich anders aus. Wo müsste man das fehlende Geld wohl abschöpfen? Ist das wirklich so schwierig zu erkennen?)