Samstag, 11. September 2010

Zitat des Tages (61): Deutschland erwache!

Dass sie ein Grab dir graben,
dass sie mit Fürstengeld
das Land verwildert haben,
dass Stadt um Stadt verfällt ...
   Sie wollen den Bürgerkrieg entfachen –
   (das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi dir einen Totenkranz flicht –:
   Deutschland, siehst du das nicht –?

Dass sie im Dunkel nagen,
dass sie im Hellen schrein;
dass sie an allen Tagen
Faschismus prophezein ...
   Für die Richter haben sie nichts als Lachen –
   (das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi für die Ausbeuter ficht –:
   Deutschland, hörst du das nicht –?

Dass sie in Waffen starren,
dass sie landauf, landab
ihre Agenten karren
im nimmermüden Trab ...
   Die Übungsgranaten krachen ...
   (das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi dein Todesurteil spricht –:
   Deutschland, fühlst du das nicht –?

Und es braust aus den Betrieben ein Chor
von Millionen Arbeiterstimmen hervor:

Wir wissen alles. Uns sperren sie ein.
Wir wissen alles. Uns lässt man bespein.
Wir werden aufgelöst. Und verboten.
Wir zählen die Opfer; wir zählen die Toten.
   Kein Minister rührt sich, wenn Hitler spricht.
   Für jene die Straße. Gegen uns das Reichsgericht.
Wir sehen. Wir hören. Wir fühlen den kommenden Krach.
   Und wenn Deutschland schläft –:

Wir sind wach!

(Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky [1890-1935], in: Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1930, Nr. 15, S. 290)



(gesprochen von Jürgen Goslar - via)

Wie die Tagesschau das Grundgesetz zur Nostalgie erklärt

Die Bundeswehr steht vor einer Zeitenwende. Es geht nicht um eine Reform, sondern in Wirklichkeit um eine Revolution, die der Verteidigungsminister plant. / Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will aus der Heimatverteidigungs- eine Interventionsarmee machen. Die Diskussion um die Wehrpflicht ist da nur eine Diskussion um Symbole, eine, die von Nostalgikern geführt wird, die sich offenbar in die Zeit der Übersichtlichkeit des Kalten Krieges zurücksehnen. Bislang haben sich die Parteien beharrlich geweigert, anzuerkennen, dass sich die Welt verändert hat und endlich darüber nachzudenken, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll, für welche Art von Einsätzen sie ausgerüstet und ausgebildet sein muss?

(Weiterlesen und Gruseln)

Anmerkung: Für die Tagesschau (die man allmählich nur noch Tagesshow nennen dürfte) ist es also unstrittig, dass die Bundeswehr künftig eine "Interventionsarmee" zu sein hat - alles andere ist "Nostalgie". Da sei doch der Einfachheit halber das Grundgesetz zitiert, in dem in Artikel 115a der folgende Passus zu lesen ist:

(1) Die Feststellung, dass das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.

Es ist ja schon lange kein Geheimnis mehr, dass die Bundeswehr längst keine "Verteidigungsarmee" mehr - und damit grundgesetzwidrig - ist. Dass aber nun in einem öffentlich-rechtlichen Medium der Bezug auf dieses Grundgesetz mit dem Wort "Nostalgie" assoziiert wird, ist ein Skandal sondergleichen - und er lässt tief blicken! Allein schon die Unterstellung im Text, die Parteien hätten sich bislang "beharrlich geweigert", die Veränderungen in der Welt "anzuerkennen", spricht Bände. Das Gegenteil ist doch der Fall - nachzulesen in vielen Dokumenten des Kriegsministeriums, wie z.B. in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" aus dem Jahr 1992 (!). Es ist pure Kriegspropaganda, was da von der Tagesschau verbreitet wird, gepaart mit Verschleierung und Desinformation - also die alte, bekannte braune Mixtur.

Da werde ich gern zum Nostalgiker.

Von der Leyens Gängelung der Armen

  1. Ursula von der Leyens Plan, höhere Sozialleistungen für Kinder im Hartz-IV-Bezug nicht auszuzahlen, sondern ihnen Gutscheine, einen "Bildungspass" bzw. eine Chipkarte auszuhändigen, findet über die parteipolitischen Lagergrenzen hinweg zahlreiche Anhänger/innen. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte das in der Gesellschaft weit verbreitete Vorurteil sein, eine vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 angemahnte Erhöhung des Regelsatzes komme bei vielen Kindern aus sog. Hartz-IV-Familien gar nicht an, weil die Eltern das Geld eher zur Befriedigung ihrer eigenen Konsumbedürfnisse ausgeben würden. Zwar mag es tatsächlich den einen oder anderen Vater geben, der sich eher den beinahe schon sprichwörtlichen Flachbildschirm kaufen würde, als das zusätzliche Geld seinen Kindern zugute kommen zu lassen. Mit den seltenen Ausnahmen "vergnügungssüchtiger" Familienväter zu begründen, dass keine Erhöhung der Regelsätze stattfinden soll, womit alle übrigen Eltern und Kinder völlig schuldlos benachteiligt würden, wäre aber mehr als perfide. Dass auch Unternehmen staatliche Subventionen zweckentfremden, zeigt der jüngste Missbrauchsskandal beim Kurzarbeitergeld, hat bisher freilich bezeichnenderweise nie die Forderung nach sich gezogen, ihnen keine Subventionen mehr zu gewähren oder bloß noch Gutscheine auszuhändigen.

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  2. (...) Von der Leyens Konzept muss als gewaltige Gängelungsmaßnahme begriffen werden - in den Kommunen finden sich zweifelsfrei willfährige Helfer. Das moderne, fürsorgliche Sozialstaatskonzept, das von der Leyen persönlich wie anhand der Bürgerarbeit versinnbildlichen will, ist nichts weiter als die Enthemmung letzter Barrieren, als die Anfachung von Sanktionswut, als Spurt-er-oder-spurt-er-nicht?-Gesinnungsschnüffelei! All das wird der Öffentlichkeit, die naiverweise in der Bürgerarbeit eine Chance für eigentlich Chancenlose wittert, vorenthalten - sie darf nicht wissen, wie man Erwerbslosen die Bürgerarbeit "schmackhaft" macht. Sie darf auf keinen Fall erfahren, durch welche Mittel der hohe Krankenstand bei Arbeitslosen zustandekommt. Durch Verängstigung nämlich, durch das Verursachen kafkaesker Aussichtslosigkeit, wie jener, bald drei Jahre unter vollem Rechtfertigungsdruck zu stehen - selbst im "Berufsleben". Und durch die Verschärfung despektierlichen Benehmens natürlich! / Die Bürgerarbeit ist tatsächlich eine Chance: eine Chance, Arbeitslose weiter in die Enge zu treiben ...

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Anmerkung: Es geht munter weiter. Die neoliberale Bande macht trotz Krise, trotz der sichtbar gewordenen Unfähigkeit und gesellschaftlichen Gefährlichkeit ihrer Ideologie einfach weiter, als sei nichts geschehen, und wieder einmal sind die ärmsten Teile der Bevölkerung ihre bevorzugten Opfer. Da wird unterstellt, diffamiert, schikaniert, dass die Schwarte kracht - und die versammelten Systemmedien verbreiten das wieder einmal kritik- und haltungslos.

"Wie lange woll'n wir noch warten, wie weit sie wirklich geh'n?
Reden wir endlich in der einzigen Sprache mit ihnen, die sie versteh'n ..."

(Heinz Rudolf Kunze, aus dem Album "Wunderkinder", 1986)


Donnerstag, 9. September 2010

Jean Ziegler: Was in der Welt falsch läuft oder: Die Hoffnung auf den Aufstand

Der Schweizer Soziologe und Politiker Jean Ziegler gilt als einer der prominentesten Globalisierungskritiker. (...) Für sein neues Buch "Der Hass auf den Westen: Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren" [ausgerechnet erschienen bei Bertelsmann - welch eine Farce, Anm.d.Kapitäns] hat Jean Ziegler den "Internationalen Literaturpreis für Menschenrechte" erhalten. (...)

Ziegler: Die Goldberge steigen im Westen und die Leichenberge im Süden. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, 47.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und mehr als eine Milliarde Menschen, fast ein Sechstel der Menschheit, ist permanent schwerst unterernährt. Das Finanzkapital hat sich autonomisiert. Auf den Finanzplätzen der Welt zirkulieren täglich gemäß Weltbankstatistik ca. 1.000 Milliarden Dollar, die ihre monetäre oder juristische Identität wechseln. Davon sind nur 13 Prozent wertschöpfendes Kapital, z.B. eine Investition oder Bezahlung für eine Warenlieferung. 87 Prozent sind reines Spekulationskapital. Die Oligarchen dieses Spekulationskapitals, vollständig losgelöst von irgendeiner Realwirtschaft, beherrschen die Welt. Die haben eine Macht, wie sie in der Geschichte der Menschheit nie ein König, Kaiser oder Papst gehabt hat. Nach Weltbankstatistik haben die 500 größten transkontinentalen Privatkonzerne 2009 52 Prozent des Weltbruttosozialproduktes kontrolliert. Diese Konzerne funktionieren ausschließlich nach dem Prinzip der Profitmaximierung (...).

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Anmerkung: Ich bin so dankbar, dass es den Herrn Ziegler noch gibt. Kaum ein anderer versteht es so gut, das Absurde, Groteske und Faschistoide der heutigen bis zum Hals im Kapitalismus steckenden Welt in so kurze, prägnante Aussagen zu verpacken, dass auch dem Letzten klar wird, welch eine globale Katastrophe das ist.

Kritik muss allerdings auch sein: Herr Ziegler glaubt offenbar wirklich noch daran, dass es in der so genannten "westlichen Welt" eine Demokratie gebe. Wenn er sagt: "Wir sind nicht in China oder Nordkorea. Das Grundgesetz erlaubt alles. Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie. Gegen Wolfgang Schäuble (CDU) kann man mobilisieren und ihn abwählen (...)", muss man konstatieren, dass auch Herr Ziegler den desaströsen Zustand der Demokratie, die de facto nur noch in rudimentärer Ruinenform existiert, nicht realisiert hat. Wo genau unterscheiden sich China, Nordkorea, Deutschland oder Italien politisch? Ich kann da keine großen Differenzen mehr ausmachen.

Dennoch ist es wichtig, dass Ziegler immer wieder die blutigen Fakten auf den Tisch legt, von denen jeder einzelne uns bereits vor Augen führen sollte, in was für einer perversen Welt wir leben. Greift man einfach einen Punkt willkürlich heraus und fragt sich: Möchten wir in einer Welt leben, in der alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert - während wenige andere Menschen in Saus und Braus und unvorstellbarem Luxus schwelgen? - Unsere "Elite" möchte das offensichtlich. Daraus kann man nur folgern: Entweder ist sie strunzdumm - oder abgrundtief pervers.

Niedertracht 2.0: Arbeitslosengeld für Schwangere gestrichen

Arbeitslosen schwangeren Frauen im Norden droht von heute auf morgen der finanzielle Absturz. Wer aufgrund möglicher Fehl- oder Frühgeburten vom Arzt ein Beschäftigungsverbot erhält, dem streicht die Agentur für Arbeit in Schleswig-Holstein mit sofortiger Wirkung das Arbeitslosengeld I. (...)

Für die Behörden ist die Lage eindeutig. "Uns sind aufgrund von Dienstanweisungen der Bundesagentur die Hände gebunden, so dass wir bei Beschäftigungsverboten keine Zahlungen vornehmen können", sagt Olga Nommensen von der Arbeitsagentur Lübeck. "Ein Anspruch auf ALG I besteht bei einem Beschäftigungsverbot wegen Schwangerschaft nur, wenn die Schwangere trotzdem für den Arbeitsmarkt verfügbar ist – also nicht jegliche Beschäftigungen, sondern nur bestimmte Tätigkeiten untersagt worden sind", erklärt Monika Borso, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft (Arge) Lübeck.

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Anmerkung: Es wird mit jedem Tag infamer, mit welcher gleichgültigen Scheinnormalität die Menschenverachtung der "Arbeitsmarktgesetze" behördlicherseits durchgedrückt wird. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Eine schwangere Frau wird arbeitslos und bekommt sodann das Arbeitslosengeld komplett gestrichen, wenn sie dem "Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht". Da zittern mir die Hände beim Schreiben - teils vor Zorn, teils vor Entsetzen.

Und wie immer im Bürokratenstaat darf auch der Hinweis darauf nicht fehlen, dass der Behörde bzw. dem Sachbearbeiter ja "die Hände gebunden" seien - die Dienstanweisungen, Sie verstehen schon.

Erst vor kurzem habe ich mich über ein Urteil des Bundessozialgerichts aufgeregt, in dem festgestellt wurde, dass die Schwerbehinderung eines Kindes nicht als Härtefall im Hartz-IV-System gilt. Es ist dieselbe Leier, die da angekurbelt wird - Behörden und (Sozial!!!-) Gerichte verstehen das Arbeitslosengeld sowie Hartz IV nicht mehr als soziale Sicherungssysteme, sondern als Arbeitsmarktgesetze - dem hat sich alles, auch im Härtefall, unterzuordnen. Mit Verlaub - das ist schlichtweg grundgesetzwidrig und nebenbei moralischer Unrat und ethischer Zynismus.

Nun sind nach den Behinderten also die Schwangeren an der Reihe. Wer kommt als nächstes? - Himmel, es ist zum Davonlaufen.

Steinbrück und der Offenbarungseid der politischen Klasse

(...) Wessen Interessen hat Steinbrück vertreten? Die des Volkes, dem er als Staatsdiener verpflichtet ist? Oder doch die der Finanzinstitute, die er als Fachminister eigentlich überwachen sollte? Auf wessen Gehaltsliste der Minister steht, darüber gibt ein aktueller Blogbeitrag des Portals abgeordnetenwatch.de Auskunft. Kaum wurde Steinbrück vom Wähler aus dem Amt entfernt, ließ er sich fürstlich von den Profiteuren seiner großzügigen "Rettungspakete" und "Subventionen" honorieren. Heute ist Steinbrück Nebeneinkommensmillionär, sein Bundestagsmandat nimmt er jedoch nur stiefmütterlich wahr. Hätte die Infamie der politischen Klasse ein Gesicht, so wäre dies die Fratze Steinbrücks.

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Anmerkung: In anderen Zusammenhängen nennt man so etwas Korruption. Inzwischen sind wir schon so tief gesunken, dass diese Bande ihr korruptes Verhalten nicht einmal mehr verstecken muss - sie macht es vor aller Augen und kann sich darauf verlassen, dass die Systemmedien darüber kein zu kritisches Wort verlieren. - Wo wohl die Damen und Herren Merkel, Rösler, von der Leyen, Niebel und all die anderen Figuren nach dem Ende ihrer "Amtszeit" ihre auskömmlichen Posten und Honorare finden werden?

Der Asozialantidemokrat Steinbrück ist Nebeneinkommensmillionär ... was für ein monströses Wort im von Rot-Grün geschaffenen Hartz-IV-Land. Diese korrupte Bande reizt meine Gallenblase bis aufs Äußerste.

Sonntag, 5. September 2010

Zitat des Tages (60): Niemandsland

Manchmal sehe ich den Richter, der das Todesurteil des Pfarrers Dietrich Bonhoeffer noch im April 1945 vollstrecken ließ, auf einem Fahrrad über die zerbombte Landstraße nach Flossenbürg ins KZ fahren. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren schon nicht mehr in Betrieb. Aber das Todesurteil durfte ohne die Unterschrift des Richters nicht vollstreckt werden, deshalb mühte er sich auf dem Fahrrad ab, so dass Dietrich Bonhoeffer doch noch gehenkt werden konnte. Wenige Stunden später waren schon die Amerikaner da. Und ich würde gern wissen wollen, was aus diesem Richter geworden ist, dem seine Amtspflicht allem vorging. Wahrscheinlich hat auch er bald nach Kriegsende wieder irgendwo trocken und ohne Gewissensbisse in einem Amt gesessen.

(Wolfgang Bittner [*1941]: Niemandsland. Roman. Leipzig 1992)


(Bild: www.wolfgangbittner.de)

Wie wir leben und was wir sind

(...) Ich muss nicht hungern, ich habe ein Dach über dem Kopf, ich lebe nicht in einer kriegsgefährdeten Region, ich habe eine befriedigende Arbeit, mir geht es relativ gut. Dennoch spüre ich seit mehreren Jahren ein zunehmendes Unwohlsein, das mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in diesem Land, in dem ich lebe, und mit der Politik zu tun hat, die hier – aber auch anderswo in dieser globalisierten Welt – betrieben wird. Es ist ein Gefühl der Stagnation, der Ungewissheit, der Besorgnis, das Gefühl einer diffusen, schwer zu benennenden Beängstigung. SIE nehmen uns unsere Ruhe, SIE nehmen uns unsere Lebenssicherheit! SIE nehmen den Jüngeren ihre Arbeitsplätze, ihre Motivation und Lebensperspektive, den Älteren ihre Renten und Ersparnisse, uns allen unsere Lebensfreude.

Wer sind SIE? Ist das ein anonymes Wesen, das irgendwo im Hintergrund lauert und wie im Märchen hin und wieder durch Menschenopfer zufrieden zu stellen ist? Oder ist es vielleicht so ein mafiöser Krake, der Schutzgelder erpresst und ähnliche verbrecherische Dinge macht? Nein, wir wissen, wer SIE sind. SIE lassen sich benennen, wenn wir genauer hinschauen, sogar namentlich. Es sind in ihrer großen Mehrheit die Führungskräfte in Politik und Wirtschaft, eine Pseudo-Elite, die durch Geburt oder Opportunismus, durch Vetternwirtschaft oder Schleimerei in Positionen gelangt ist, die sie überfordern, in Verantwortung, der sie nicht gewachsen sind, intellektuell nicht oder charakterlich nicht, oft trifft beides zusammen.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Diese flammende Rede des Schriftstellers Wolfgang Bittner bitte unbedingt lesen und weiter verbreiten - es werden viele Details des katastrophalen Zustands dieses Landes und der "globalisierten Welt" in prägnanter und anschaulicher Form zusammengefasst.

Guido, Thilo - Maul halten!

Das wirklich Perverseste, was man in der sogenannten deutschen Debattenkultur in letzter Zeit hören konnte, hat der Bundesbank-Vorstand und ehemalige Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin vor Kurzem einem SZ-Reporter gesagt. (...)

Es ging um die Frage, woher Sarrazins viel zitierte, im Brustton der Faktizität vorgetragene Behauptung eigentlich kommt, dass siebzig Prozent der türkischen und neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung Berlins den Staat ablehnten und in großen Teilen weder integrationswillig noch integrationsfähig seien. Sarrazin gab zu, dass er keinerlei Statistiken dazu habe. Er gab zu, dass es solche Statistiken auch gar nicht gibt.

Bisher hat schlichtweg kein Meinungsforscher der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins diese Frage gestellt. Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss "man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch". Danke dafür. Hier zeigt das, was wir derzeit "Debatte" nennen, wenigstens einmal seine erschreckende Fratze.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Man hat es ja geahnt, aber dass Sarrazin tatsächlich selbst zugibt, dass seine "Zahlen" grober Unfug, also erstunken und erlogen sind, ist schon ein starkes Stück. Und dennoch ist dieser [Wort zensiert und ersetzt durch "Mensch", Anm. d. Kapitäns] (ebenso wie der Thilo-Versteher Westerwelle) noch immer auf allen Bildschirmen vertreten und man "diskutiert" ernsthaft mit den beiden. Das ist schlicht eine kafkaeske Posse, die mich nur noch an die Schlusszeile eines Gedichtes von Jakob van Hoddis denken lässt: "Ein Mann indes kroch mit gesträubten Haaren einen schräg an die Wand gelehnten Besenstiel hinauf." - Dieser Mann bin ich.

Nebenbei ist es erfreulich, dass im Magazin der Süddeutschen Zeitung endlich mal wieder ein wirklich erhellender Text zu finden ist. Man hat sich zwar die Headline gespart (Oder ist das bloß ein Versehen?) - aber dafür wiederhole ich die Worte gerne hier, sehr laut und deutlich:

"Guido, Thilo - Maul halten!"

Das neoliberale Umverteilen geht weiter

Vor anderthalb Jahren schrieb ich unter dem Titel "Das Scheitern geht weiter": "Doch die Neoliberalen sind nur abgetaucht. Sobald die Wirtschaftskrise einigermaßen überwunden ist, werden sie wieder mit den alten marktradikalen Botschaften auftauchen. Nach aller Erfahrung werden sie dann die krisenbedingt zunehmende Staatsverschuldung für ihre Profitinteressen instrumentalisieren und weitere, noch heftigere Angriffe gegen den Sozialstaat, die Gewerkschaften und die abhängig Beschäftigten führen. Um so notwendiger ist es, die Ursache der Finanzmarktkrise in Erinnerung zu behalten: den weltweit praktizierten Neoliberalismus, der für die Wirtschaftspolitik nur eine einzige Zielorientierung kennt: Umverteilung von unten nach oben." (...)

Hier wird die Täuschung des deutschen Volkes durch die herrschende Politik und ihre neoliberalen Helfer aus Wissenschaft und Medien in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar. Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Vermögensrechnung bleibt nichts mehr übrig von den volksverdummenden Sprüchen wie "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt" oder "Wir können nicht weiter unseren Kindern so hohe Schulden hinterlassen". Die Summe allen Vermögens (...) entspricht exakt der Summe aller Schulden (negative Werte). Der Saldo ist immer gleich Null. Was die einen gewinnen, müssen die anderen verlieren. (...)

Unverfroren fordern die neoliberalen Verursacher der Krise die Sozialisierung der Verluste durch Staatsverschuldung ein, ohne selbst einen Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten. Und jetzt stellen sie die Staatsverschuldung sogar als Krisenursache hin, die durch "Konsolidierung" oder auch "Sparprogramme" zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft reduziert werden müsse. Das ist blanker Zynismus und sollte deutlich machen, dass man einem argen Trugschluss erläge, wenn man glaubte, der Neoliberalismus sei mit der kurzen "Rückkehr des Staates" am Ende. Im Gegenteil: Mit der europäischen und der 2009 ins Grundgesetz geschriebenen deutschen "Schuldenbremse" besitzen die Neoliberalen ein Instrument zur Durchsetzung ihrer alten Umverteilungspolitik in Form rücksichtsloser Haushaltskonsolidierung bei (womöglich gleichzeitiger) Steuersenkung für Unternehmer und Vermögende.

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Anmerkung: Prof. Bontrup bringt es mal wieder auf den Punkt. Es müsste inzwischen doch einem Großteil der Bevölkerung endlich klar sein, was neoliberale Pseudo-Politik wirklich ist: Eine Verhöhnung der Begriffe Demokratie und Volksvertreter. Dieses dümmliche Gefasel, das noch immer von fast allen Systemmedien wiederholt und verbreitet wird, führt sich selbst doch immer wieder ad absurdum. Wie war das noch mit des Kaisers neuen Kleidern? In jenem Märchen genügte das Aufbegehren eines Kindes, das nüchtern feststellt, dass der Kerl nackt sei - aber in der heutigen Gesellschaft scheinen die Menschen trotz vieler Rufe mit vernähten Ohren und Augen durch die Welt zu taumeln.