Freitag, 25. Mai 2012

Irrsinn 3.0: Die "Konkurrenz" der Krankenkassen, nächstes Level

Norbert Klusen will eine radikale Reform: Der Vorsitzende der Techniker Krankenkasse fordert das Ende des Zwei-Klassen-Systems. Dafür sollen die gesetzlichen Versicherungen zum Beispiel in Aktiengesellschaften umgewandelt werden.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Der Irrsinn nimmt unaufhaltsam seinen Lauf. Was dieser fürstlich bezahlte, bestens abgesicherte Vorsitzende der gesetzlichen [sic!] Techniker Krankenkasse da fordert, ist in letzter Konsequenz nichts anderes als die völlige Privatisierung des gesamten Systems - und das mit nicht weniger als dem hochalbernen, scheinheiligen Argument, dass die Zwei-Klassen-Medizin "aufgehoben" werden müsse. Aha. Wir schaffen die Mehr-Klassen-Medizin also ab, indem wir einfach alles privatisieren und so einen "Markt" schaffen, auf dem alle, die es sich leisten können, dieselbe schöne Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen können ... und alle, die es sich nicht leisten können, bekommen dann eben nichts oder nur noch die "Grundversorgung".

Es ist sonnenklar, dass für solche Schlips-Borg nur "Konkurrenz" und "Wettbewerb" eine Lösung aus dem selbstproduzierten "Dilemma" der Mehr-Klassen-Medizin sein können - und nicht etwa eine gute Krankenversicherung für alle Menschen, ganz egal, wieviel sie verdienen oder besitzen. Das elitäre Gesindel wünscht sich statt dessen eine Einteilung in Menschen mit und in Menschen ohne Krankenversicherung - und schon gibt es im neoliberalen Irrenhaus kein Mehr-Klassen-System mehr. Sehr logisch. Spock stirbt qualvolle, multiple Tode. Welche Drogen nehmen diese Typen, um so etwas nicht nur zu denken, sondern es auch öffentlich in die Welt zu posaunen?

Auch die "Idee" von den Aktiengesellschaften ist gerade in Zeiten der Finanz- und Bankenkrise eine wahrlich seriöse und sichere Angelegenheit, die ganz bestimmt nur dem Wohl der Menschen dienen soll. Ganz ehrlich: Diesem Herrn Klusen möchte ich seine "radikale Reform" in den gierigen, neoliberalen Schlund stopfen und ihn in irgendeinen ekelhaften Slum schicken, wo er die Auswirkungen seiner "Ideen" mal am eigenen Leib ausgiebig austesten kann.

Gesetzliche Krankenkassen als Aktiengesellschaften, vorgeschlagen vom Chef einer der größten gesetzlichen Krankenkassen inmitten der größten Finanzkrise seit 100 Jahren ... manchmal ist der reale Irrsinn weitaus größer als alles, was sich das Hirn in schlimmen Albträumen vorzustellen getraut.

---


"Vom streng wissenschaftlichen Standpunkte aus muss der Historiker konstatieren: In einer Blüteperiode zu leben ist genussreicher, in einer Verfallsperiode zu leben lehrreicher."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 8 vom 24.05.1922)

Donnerstag, 24. Mai 2012

Song des Tages: The Last Judgement




(The Enid: "The Last Judgement", aus dem Album "In The Region Of The Summer Stars", 1976)

Anmerkung: Nach dem Borchert-Text im letzten Posting konnte nur ein apokalyptisches Lied zum "Song des Tages" werden, so dass meine Wahl fast zwangsläufig auf diesen epischen Klassiker der Progressivrock-Szene fallen musste. Im Clip ist eine Live-Version des Songs aus dem Jahr 1979 zu sehen. Bemerkenswert ist daran vor allem die Virtuosität, mit der das mittelalterliche musikalische Thema des "Dies Irae" (des "Tags des Zorns", also des "Jüngsten Gerichts") in die Rockmusik eingebunden wird. The Enid folgt damit einer sehr, sehr alten musikalischen Tradition dieser Melodie aus dem 13. Jahrhundert:



Es ist müßig zu erwähnen, dass ich als Atheist an kein solches "Gericht" glaube - die Endzeit aber, die nehme ich durchaus sehr deutlich wahr. Allerdings ist sie - wie schon immer - menschengemacht. Aus der Historie lernen wir also wieder einmal: Es gab schon viele Endzeiten, und sie werden wohl auch immer wiederkehren, solange die Menschheit immer und immer wieder dieselben fatalen Fehler macht. Bis irgendwann kein Neubeginn mehr möglich ist ...

Mittwoch, 23. Mai 2012

Spanien: Francos Rückkehr, oder: Es ist Zeit, Nein zu sagen

Aufruf zu Protesten im Internet soll als Bildung einer kriminellen Vereinigung bestraft werden / Spaniens rechte Regierung rüstet gegen Proteste auf und will mit drastischen Verschärfungen des Strafgesetzes für Ruhe sorgen, selbst passiver Widerstand soll als Angriff auf die Staatsgewalt geahndet werden

In der spanischen Regierung scheint die Angst umzugehen. Die rechte PP, die ihre Verbindung zur Franco-Zeit noch nicht aufgelöst hat, setzt harte Sparmaßnahmen um, die wie so oft besonders die Mittelschicht und die sozial Schwächeren belasten. Der Unmut mit der Regierung, die erst ein paar Monate im Amt ist, wächst, was auch die letzten Wahlen in Andalusien und Asturien gezeigt haben ("Vereinte Linke verhindert rechten Durchmarsch in Spanien"). (...)

In Kommentaren wird die Regierung bezichtigt, damit in die Zeiten der Franco-Diktatur zurückzugehen oder eine neue Diktatur, einen Polizeistaat einzurichten. Die Aufregung ist hoch. Man fragt sich, was die Regierung machen will, wenn wieder Zehntausende auf die Straßen gehen.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Quod erat demonstrandum - was zu beweisen war. Ich bin es so leid, immer und immer wieder denselben Sermon abzusondern ... es ist doch offensichtlich, dass der neoliberale Irrsinn auf exakt diese Entwicklung hinauslaufen muss und damit dem eigentlichen Konzept - der altbekannten Agenda des zusammenbrechenden Kapitalismus - folgt, wie schon unzählige Male zuvor. Es ist heute wie schon zur Weimarer Zeit völlig unerheblich, in welche Region der kapitalistischen Welt wir blicken: Die Entwicklungen und Tendenzen sind wieder überall dieselben - lediglich in der Dosierung der einzelnen Zutaten unterscheiden sie sich noch.

Während in Deutschland weiterhin versucht wird, die ständig verschärfte staatliche Überwachung und Repression hinter Schimären wie dem "Schutz der Urheberrechte", dem "Kampf gegen Kinderpornografie" oder einer Bekämpfung der herbeifantasierten "sozialen Hängematte" mehr schlecht als recht zu verstecken, werden in Ungarn, Griechenland, Portugal oder Spanien die erwarteten und dort bereits real stattfindenden Bürgerproteste direkt zum Anlass genommen, die Bürgerrechte massiv einzuschränken und die Bürger zu kriminalisieren.

Wie offensichtlich muss dieser furchtbare Rechtsruck denn noch werden, bis die Menschen mehrheitlich auf die Barrikaden gehen und endlich ihre Rechte beim elitären Gesindel einfordern, das derweil weiter in ihren überquellenden Geldspeichern rauschende Feste feiert und immer reicher wird? Müssen wirklich erst wieder Lager und andere staatliche Terrorinstitutionen entstehen, bis auch der letzte Depp seine BLÖD-"Zeitung" in die Gosse wirft und laut Nein sagt? Dann ist es nämlich schon wieder zu spät und das "Nein" hätte sofortigen Staatsterror zur Folge.

In Deutschland ist es noch nicht wieder ganz so weit - noch kann ich hier laut Nein sagen, ohne dass morgen die Gestapo vor meiner Tür steht. In Ungarn ist das nicht mehr der Fall, in Spanien wohl bald auch nicht mehr, in Griechenland nützt das Nein-Sagen schon gar nichts mehr, weil das Land längst unter externer Elite-Kontrolle steht. Ich schrieb das schon öfter: Die Zeit drängt, und zwar sehr stark. Merkel hat es doch öffentlich angedroht: "Deutschland hat keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft für alle Ewigkeit ...“, sagte sie in einer Rede am 16.06.2005 zur 60-Jahr-Feier der CDU [sic!]. Das ist zwar Unsinn, denn das Grundgesetz garantiert etwas anderes - aber die Drohung sollte man durchaus ernst nehmen. Es ist europaweit zu besichtigen, wie der Endzeitkapitalismus die Demokratie und sämtliche soziale Errungenschaften seit 1945 konsequent und nachhaltig zerstört.

Es ist an der Zeit, Nein zu sagen - und es muss ein donnerndes, ein knallhartes Nein sein. Und es muss rechtzeitig kommen - und nicht zehn oder mehr Jahre zu spät wie Wolfgang Borcherts aufrüttelnder, wohlbekannter Text "Dann gibt es nur eins":

---

Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen - sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst statt Puder und Kakao Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst die Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keinen Weizen mehr fahren - sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Bomben und Phosphor über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Schneider auf deinem Brett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Uniformen zuschneiden, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst das Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den Truppentransporter, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!

Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du, am Hoangho und am Mississippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo - Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!

Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann ...

Dann:

In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest, den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben - die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen -

Eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig, unaufhaltsam -

Der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken -

In den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln -

In den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen - das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln - zerbröckeln - zerbröckeln -

Dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend - und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter Tierschrei des letzten Tieres Mensch -

All dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht heute nacht schon, vielleicht heute nacht, wenn -- wenn -- wenn ihr nicht NEIN sagt.

(Wolfgang Borchert [1921-1947]: "Dann gibt es nur eins!", 1947)

Da schlottert der Peter: Karl-Kraus-Preis 2012 für Sloterdijk

Den Karl-Kraus-Preis 2012 erhält Peter Sloterdijk. Damit würdigt die Redaktion Werk und Wirken des Philosophen, Kulturwissenschaftlers, Essayisten und Fernsehmoderators. (...)

Mit seinem Vorschlag, Steuern durch eine freiwillige Gabe zu ersetzen, hat Sloterdijk einen Angriff auf die Grundfesten unseres Sozialstaates unternommen und eine Geisteshaltung offenbart, die eher dem Denken der herrschenden Klasse einer antiken Sklavenhalter-Gesellschaft entspricht als dem Grundkonsens einer demokratischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert.

Bei seinem Aufruf zum "Steuerstreik" übersieht Sloterdijk, dass er selbst jahrzehntelang auf seinen diversen Professorenposten von unseren Steuermitteln großzügig alimentiert worden ist. Seine Honorare als Fernsehmoderator stammen aus Gebührengeldern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der Seichtschwätzer Precht, der unlängst einen Zwangsarbeitsdienst für Rentner gefordert hat, wird ein würdiger Nachfolger seiner TV-Sendung sein. (...)

Als Philosoph eines verrohten Bürgertums und einer heruntergekommenen Bourgeoisie ist Sloterdijk ein würdiger Träger des Karl-Kraus-Preises 2012. (...)

Mit der Annahme des Karl-Kraus-Preises verpflichtet sich der Preisträger, nie wieder eine Zeile zu schreiben.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Wir erinnern uns: Sloterdijk vertritt - wie Sarrazin - offen sozialdarwinistische, faschistoide "Thesen", die an Menschenverachtung kaum mehr zu überbieten sind. Er ist wahrlich ein würdiger Preisträger - der große Karl Kraus hätte seine diebische Freude an dieser Preisverleihung gehabt. Leider hat Sloterdijk den Preis nicht angenommen, so dass wir auch weiterhin mit rechtspopulistischem, gefährlichem Unsinn aus seiner Feder rechnen müssen. Da greifen wir doch lieber auf Kraus selbst zurück:

"Es gibt eine Idee, die einst den wahren Weltkrieg in Bewegung setzen wird: Dass Gott den Menschen nicht als Konsumenten und Produzenten erschaffen hat. Dass das Lebensmittel nicht Lebenszweck sei. Dass der Magen dem Kopf nicht über den Kopf wachse. Dass das Leben nicht in der Ausschließlichkeit der Erwerbsinteressen begründet sei. Dass der Mensch in die Zeit gesetzt sei, um Zeit zu haben und nicht mit den Beinen irgendwo eher anzulangen als mit dem Herzen." (Karl Kraus: "Aphorismen", 1915)

Online sind eine ganze Reihe der Schriften von Karl Kraus im Rahmen des "Projektes Gutenberg" verfügbar - die Lektüre lohnt sich sehr.


(Karl Kraus, gezeichnet von Oskar Kokoschka, 1909)

Montag, 21. Mai 2012

Volksverdummung: Kapitalismus

Die Energiesparlampe: Eigentlich heißt sie Kompaktleuchtstofflampe, aber Energie und Sparen klingt besser. Leider hält sie keines ihrer Versprechen. Nicht nur, dass Energiesparlampen Experten zufolge keine Energie sparen, sondern das Gesundheitsrisiko der von EU, Industrie und Greenpeace als Energie-Revolution angekündigten Leuchte ist wesentlich höher als gedacht. Zerbricht eine Lampe, tritt hochgiftiger Dampf aus. Die wenigsten Verbraucher wissen um die Gefahr. Ein trauriges Beispiel dafür, wie erfolgreiche Lobbyarbeit und politische Blindheit zum Risiko für den Einzelnen werden.

(Weiterlesen)

Anmerkung: Ach ja, das Thema hatten wir ja schon öfter, und die Glühbirne ist nur ein kleines Nischenprodukt unter so vielen anderen. Es ist doch heute fast vollkommen egal, welches “Produkt” wir uns ansehen – sie sind nahezu alle so konstruiert, dass sie nach einer gewissen Zeit den Geist aufgeben, zu Müll werden und durch neue – natürlich “bessere” – ersetzt werden sollen. Wer den Kapitalismus kurz durchdenkt, kommt eigentlich sofort zu dem Schluss, dass dies im Rahmen dieses Systems (und nur dort) auch vollkommen logisch sein muss.

Welches “Produkt”, das wir heute benutzen, ist denn eigentlich noch “nachhaltig”? Mir fällt keines ein – auch wenn ich vielleicht ein schlechtes kapitalistisches Beispiel bin, weil ich schon seit 20 Jahren dieselben Möbel benutze und diese auch noch mag, weil sie noch viel, viel älter sind als ich. Aber sonst? Was bleibt da? Die kapitalistische Zerstörung hat ganze Arbeit geleistet – es wundert heutzutage doch kaum jemanden mehr, wenn ein Drucker, ein Fernseher, eine Lampe, eine Uhr, ein Telefon, ein Toaster oder was auch immer nach ein paar wenigen Jahren den Geist aufgibt und – oh Wunder – “wirtschaftlich” nicht mehr repariert werden kann.

Die “geplante Obsoleszenz” war ja auch hier im Blog und anderswo schon mal Thema – verändert hat das aber natürlich nichts. Die große Mehrheit der Menschen weiß nach wie vor nichts davon (oder will es nicht wissen), und daher kann das einfach immer so weitergehen. Solange die Menschen auch in Deutschland diesem Irrsinn noch folgen (und das auch finanziell können, was ja für immer mehr Menschen unmöglich wird), wird sich daran nichts ändern. Es ist doch auch ein kapitalistisches Paradies, was da real geworden ist: Da gehen die “Produkte” einfach nach einer recht kurzen Zeit auf wundersame Weise kaputt oder sind plötzlich “veraltet” – und die ehemaligen Kunden werden schnurstracks wieder zu neuen Kunden.

Ich weiß langsam nicht mehr, ob ich die Käufer dieser neuen “Produkte” perverser finden soll oder die Hersteller, die sich doch Tag für Tag angesichts der massiven Blödheit der Menschen vor Wonne ins Hemd machen müssen. Und beide Seiten bemerken noch immer nicht, dass sie am selben Ast sägen, auf dem sie scheinbar sicher sitzen. Ein Tollhaus, beleuchtet von Millionen von Glühbirnen und “Energiesparlampen” – vergleichbar nur noch mit der Musikkapelle auf der Titanic, die auch im Moment der allergrößten Not nicht die Reißleine gezogen hat.

Wir sind umgeben von Irren - und wir sind irre.

Nachtrag 22.05.12: Ich möchte noch auf diese Website ("Murks? Nein, danke") hinweisen sowie auf dieses Interview mit dem Betreiber. Außerdem ist die Dokumentation "Kaufen für die Müllhalde" sehr erhellend - auch wenn dort ebenfalls kein zwingender, direkter Bezug zwischen Kapitalismus und dem irrsinnigen Verfallswahn bei Industrieprodukten hergestellt wird:

Song des Tages: A Portage To The Unknown




(Turisas: "A Portage To The Unknown", aus dem Album "The Varangian Way", 2007)

We've sailed across the sea
Rowed for miles and miles upstream
Passed by Aldeigjuborg
Seen Lake Ilmen gleam
Ingvar took the lead
After Holmgard as agreed
What the end of Lovat meant
Was soon to be seen

Dripping with sweat a new day dawn on
The ropes cut flesh, as they've done in times foregone
I see my breath, my hands are going numb
Far from home we have come

An endless trail in front my eyes
A swift take off, had no time for goodbyes
What will we find and what was left behind
There's no return, get it off your mind

The water's changed to sand
Lakes and rivers turned to land
Plough up the rocky seas
Ride felled down trees
Foot by foot we edge
Once a ship, now a sled

Six regular edges and six vertices
Six equilateral triangles
Six square faces in another direction
Plato's earth transparent

Give me all you have!
Pull as hard as you can
Plough up the rocky seas
Ride felled down trees
The water's changed to sand
Lakes and rivers turned to land

The rug has been pulled from under my feet
All my life made of lies and deceit
All I have left is a symbol on my chest
My only lead on my desperate quest

Branded at birth with the sign of Perun
East of the sun and West of the moon
The road now continues, Northwind be my guide
Wherever I'm going, the Gods are on my side.



Anmerkung: Und schon wieder ein "Seemannslied", ein ambivalentes zumal, dem ich meine Empfehlung beifügen möchte, zum Anhören den Verstärker an die Schmerzgrenze zu bringen, sich mit geschlossenen Augen im Dunklen zwischen die hämmernden Boxen zu legen (oder - bei empfindlichen Nachbarn oder Mitbewohnern - Kopfhörer zu benutzen), den tiefen Griff in die finnische Mythologie samt Gottheiten zu ignorieren und sich einfach hinwegspülen zu lassen ... ;-)

Für mich ist "A Portage To The Unknown" keine Beschreibung der Fahrt irgendwelcher längst verwester Wikinger, sondern eine mögliche Art der Hörbarmachung unserer heutigen verfahrenen Situation - nicht nur in Finnland, sondern selbstredend auch im biederen, erzkonservativen und neoliberal verseuchten Deutschland (und anderswo). Lasst Euch auf das Experiment ein und spürt den Sog. - "Wer es fassen kann, der fasse es", so lautet ja das altbekannte Credo der Katholiken, und es gilt natürlich hier in diesem Höllenpfuhl erst recht. ;-)