Donnerstag, 19. Juli 2012

Der "Durchschnittsmilliardär" und seine Sorgen


(...) In Deutschland gibt es 800.000 Millionäre, das sind ziemlich genau 1 Prozent der Bevölkerung. Diese 800.000 Millionäre haben ein Vermögen von 2,2 Billionen Euro. Bei den Milliardären wird es übersichtlicher; 100 soll es in Deutschland geben, die ein Vermögen von 307 Milliarden Euro besitzen. (...)

Wenn man einmal einen deutschen Durchschnittsmilliardär (DSM) kreieren will, dann hat dieser ein Vermögen von 3 Milliarden Euro. Oder anders ausgedrückt: 3.000 Millionen Euro. (...) Wenn man mal ganz konservativ von einer Rendite von 5 Prozent pro Jahr ausgeht, dann "erwirtschaftet" unser DSM 150 Millionen Euro. Jedes Jahr. Ohne jeden Tag acht Stunden irgendwo hinzurennen. Um das täglich Brot, den Erhalt des Arbeitsplatzes, Kosten für den Sportverein oder all die anderen Probleme Otto Normalverbrauchers, die irgendwie mit Geld zusammenhängen, muss sich der DSM defintiv nicht kümmern. Geld ist für ihn immer ausreichend vorhanden.

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Anmerkung: Ein schönes Gedankenexperiment, das sicher Wasser auf die Mühlen so manchen Verschwörungstheoretikers sein dürfte. Dennoch bleibt die Frage interessant: Was täte ich, wenn ich zu diesem "erlauchten Kreis" der Milliardäre gehörte? Fiele ich ebenfalls der Gier nach immer mehr und dem Verfestigen der eigenen Privilegien auf Kosten der übrigen Menschheit zum Opfer? Oder bliebe ich meinen Überzeugungen treu und setzte das viele Geld und die Macht zum Wohle der Menschen ein - und gäbe letztlich sowohl den Superreichtum, als auch die damit verbundene Macht auf?

Ich wage es nicht, diese Frage schlussendlich zu beantworten, denn ich weiß, dass Geld und Macht - auch schon dann, wenn sie in weitaus geringerem Umfang vorliegen - korrumpieren. Daraus folgt aber auch, dass wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag darauf warten könnten, dass Impulse zur nachhaltigen Veränderung von der "Elite" ausgehen. Veränderungen müssten von außen kommen.

Darauf können wir allerdings ebenfalls bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten, fürchte ich. Die Menschheit ist wie blind in die Falle des Zinsgeldes und des Kapitalismus gelaufen und irrt seit Jahrhunderten ebenso blind in ihr herum.

Der großartige Erich Kästner schrieb dazu im Jahre 1930:

Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner?

Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,
in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:
"Herr Kästner, wo bleibt das Positive?"
Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.

(...)

Ihr streut euch Zucker über die Schmerzen
und denkt, unter Zucker verschwänden sie.
Ihr baut schon wieder Balkons vor die Herzen
und nehmt die strampelnde Seele aufs Knie.

Die Spezies Mensch ging aus dem Leime
und mit ihr Haus und Staat und Welt.
Ihr wünscht, dass ich's hübsch zusammenreime,
und denkt, dass es dann zusammenhält?

Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln.
Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis.
Es gibt genug Lieferanten von Windeln.
Und manche liefern zum Selbstkostenpreis.

Habt Sonne in sämtlichen Körperteilen
und wickelt die Sorgen in Seidenpapier!
Doch tut es rasch. Ihr müsst euch beeilen.
Sonst werden die Sorgen größer als ihr.

Die Zeit liegt im Sterben. Bald wird sie begraben.
Im Osten zimmern sie schon den Sarg.
Ihr möchtet gern euren Spaß daran haben ...?
Ein Friedhof ist kein Lunapark.

(Erich Kästner [1899-1974]: "Das letzte Kapitel", Berlin 1930)

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Rationalisierung


"Seht ihr, Kinder, früher hat mein Vater noch tausend deutsche Arbeiter gebraucht, um sich ein Kapital zu schaffen, und heute braucht er nur noch eine einzige Schweizer Bank, um keine Arbeiter mehr zu brauchen."

(Zeichnung von Eduard Thöny [1866-1955], in "Simplicissimus", Heft 19 vom 04.08.1930)

In eigener Sache: Verschwundene Kommentare


Aus bislang unbekannten Gründen sind sämtliche Kommentare, die zwischen dem 02. und 16. Juli in diesem Blog geschrieben wurden, verschwunden. Meine Nachfrage bei blogger.com ist bislang unbeantwortet geblieben. Ich weise aber explizit darauf hin, dass - mit Ausnahme von Spam und einigen wenigen rassistischen Einträgen - von mir keine Kommentare gelöscht wurden. Es handelt sich offenbar um ein technisches Problem, das inzwischen offenbar wieder behoben ist.

Dennoch ist die Sache extrem ärgerlich, da gerade in diesen zwei Wochen viele Beiträge dabei waren, die ich persönlich als sinnvoll und erklärend empfunden habe. Falls Ihr die Mühe nicht scheut, würde ich mich über den einen oder anderen Rekonstruktionsbeitrag sehr freuen.

Ein großes Sorry und vielen Dank an alle Beitragenden!

Montag, 16. Juli 2012

Song des Tages: When The Tigers Broke Free




(Roger Waters: "When The Tigers Broke Free", aus dem Film "Pink Floyd - The Wall" (1982) von Alan Parker)

It was just before dawn
One miserable morning in black '44
When the forward commander
Was told to sit tight
When he asked that his men be withdrawn.
And the Generals gave thanks
As the other ranks held back
The enemy tanks for a while.
And the Anzio bridgehead
Was held for the price
Of a few hundred ordinary lives.

And kind old King George
Sent mother a note
When he heard that father was gone.
It was, I recall,
In the form of a scroll,
With gold leaf and all.
And I found it one day
In a drawer of old photographs, hidden away.
And my eyes still grow damp to remember
His Majesty signed
With his own rubber stamp.

It was dark all around
There was frost in the ground
When the tigers broke free.
And no-one survived
From the Royal Fusiliers Company C.
They were all left behind,
Most of them dead,
The rest of them dying.
And that's how the High Command
Took my daddy from me.



Anmerkung: Es ist müßig zu erwähnen, dass dieser Song von Roger Waters autobiografische Züge trägt und seinem Vater Eric Fletcher Waters (1913-1944) gewidmet ist. Halten wir uns einfach vor Augen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg bis einschließlich heute und auch weiterhin in vielen weiteren furchtbaren Kriegen weltweit massenhaft Kinder zu Halb- oder Vollwaisen oder zu Krüppeln gemacht oder sie gleich mit ermordet wurden.

Krieg ist eine systemimmanente Konstante des Kapitalismus. Solange der Kapitalismus uns beherrscht und ausbeutet, solange wird es Kriege geben.

Ach, wie überraschend: Militär schadet der Charakterentwicklung


Unreife Rekruten / Schon neun Monate Bundeswehr schaden der Charakterentwicklung, sagen Forscher.

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Anmerkung: Dazu passt wunderbar Obamas neue "Kriegsstrategie": "To avoid counting civilian deaths, Obama re-defined 'militant' to mean 'all military-age males in a strike zone'" (via Fefe). Da hat die charakterliche Fehlentwicklung schon das Endstadium erreicht, will mir scheinen.

Im Artikel steht sinngemäß, dass Obama, um die zivilen Opfer der amerikanischen Angriffe nicht mehr zählen bzw. veröffentlichen lassen zu müssen, einfach verfügt hat, dass ab sofort alle männlichen Toten, die im passenden Soldaten-Alter im Angriffsgebiet aufgefunden werden, automatisch als "Militante" (also als nicht-zivile Opfer) gezählt werden.

Fefes Fazit habe ich nichts weiter hinzuzufügen: "Jetzt brauchen wir nur Streumunition, damit man am Ende Frauen und Männer nicht mehr gut auseinanderhalten kann. Und wir brauchen noch eine Idee, was wir mit den Kinderleichen tun sollen. Ich bin mir sicher, dass Obama auch dafür eine Lösung finden wird. Guter Mann, dieser Obama!"