Mittwoch, 7. Oktober 2009

Bundesinnenministerium plant hochgerüsteten Sicherheitstaat

Wenige Tage vor der Bundestagswahl wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium eine Wunschliste (pdf) erweiterter Überwachungs- und Kontrollbefugnisse ausgearbeitet hat – fertig formuliert, um als Textbaustein in den nächsten Koalitionsvertrag übernommen zu werden. Einige Überwachungspläne waren schon aus dem CDU-Wahlprogramm oder aus öffentlichen Äußerungen bekannt. Die jetzt veröffentlichten Bestrebungen sprengen aber alles bisher Bekannte:

  1. Das verdeckte Durchsuchen und Überwachen von Computern (Online-Durchsuchung, Quellen-Telekommunikationsüberwachung) soll künftig nicht mehr nur zur Verhinderung terroristischer Anschläge, sondern bereits zur Ermittlung wegen vergangener Straftaten zugelassen werden.

  2. Das Abhören von Wohnungen zur Strafverfolgung soll künftig kein Mithören mehr voraussetzen, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt hatte, um die Stasi-artige Erfassung intimer Vorgänge (z.B. Sex) zu verhindern.

  3. Zur Strafverfolgung soll künftig das verdeckte Anbringen von Videokameras in und vor Privatwohnungen zugelassen werden.

  4. Künftig soll von jeder Person, die – schuldig oder nicht – von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt wird, eine DNA-Probe genommen und aufbewahrt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine vergleichbare Praxis in Großbritannien im vergangenen Jahr für unzulässig erklärt.

  5. Das Bundeskriminalamt soll das Recht erhalten, Wohnungen ohne Kenntnis des Inhabers zu betreten, um vorhandene Computer zu infiltrieren.

  6. Das Bundeskriminalamt soll das Recht erhalten, Personen zum Tragen eines Peilsenders zu verpflichten („elektronische Fußfessel“).

  7. Die Polizei soll Zugriff auf Informationen über die Nutzung des Internet (Surfprotokolle) und von Straßen (Mautdaten) erhalten. In diesem Jahr wurde eine Regelung zur Surfprotokollierung durch das BSI mit der Zusicherung beschlossen, eine Nutzung zu Zwecken der Strafverfolgung werde es im Grundsatz nicht geben.

  8. In den Knoten der Telekommunikationsnetze sollen – wie in den USA – Filter installiert werden, um unsere Kommunikation nach bestimmten Merkmalen zu durchsuchen. Allgemein soll das Abhören unserer Telekommunikation ausgeweitet werden, obwohl es schon jetzt von Jahr zu Jahr dramatisch zunimmt.

  9. Die nationalen Geheimdienste (Verfassungsschutzämter) sollen künftig nicht mehr nur gegen unsere Grundordnung gerichtete Personen, sondern auch Straftäter im Bereich der „organisierten Kriminalität“ beobachten. Der sächsische Verfassungsgerichtshof hat dies für Sachsen bereits als verfassungswidrig verworfen.

  10. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll künftig für die „Terrorismus-Vorfeldaufklärung“ in ganz Deutschland zuständig werden.

  11. Die nationalen Geheimdienste (Verfassungsschutzämter) sollen Zugriff auf die Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung) und auf das elektronische Verzeichnis aller Bankkonten und Depots erhalten. Dagegen will die FDP nach ihrem Wahlprogramm Vorratsdatenspeicherung und Bankregister insgesamt abschaffen.

  12. Die nationalen Geheimdienste (Verfassungsschutzämter) sollen künftig Computer verdeckt überwachen (Online-Durchsuchung) und Wohnungen abhören dürfen – ohne richterliche Genehmigung.

  13. Die nationalen Geheimdienste (Verfassungsschutzämter) sollen künftig die Telekommunikation von Einzelpersonen gezielt abhören dürfen und Erkenntnisse für andere Zwecke verwenden dürfen.

  14. Mitarbeiter und Zuträger von Geheimdiensten sollen straflos Straftaten begehen dürfen, wenn dies typischem Verhalten in der Szene, in der sie eingeschleust sind, entspricht.

  15. Das europäische Polizeiamt Europol, das vor allem Informationen über Bürger sammelt und weitergibt, soll weiterentwickelt werden.

  16. Der anonyme Erwerb von Prepaidkarten soll in ganz Europa verboten werden. Bisher ist er nur in Deutschland verboten, wobei es einfache Umgehungsmöglichkeiten gibt und eine Verfassungsbeschwerde dagegen zur Entscheidung ansteht.

  17. Aus der Haft entlassene Sexualstraftäter sollen polizeilich registriert werden. Hierzu muss man wissen, dass eine Entlassung aus der Haft schon heute nur bei ungefährlichen Personen erfolgt.

  18. Ein Seesicherheitsgesetz soll die Gefahrenabwehr auf See regeln.

  19. Soldaten der Bundeswehr sollen künftig in Deutschland eingesetzt werden dürfen (Bundeswehreinsatz im Landesinneren).

  20. Zur verstärkten Überwachung und Kontrolle der Bürger soll neue Technologie aus Steuergeldern entwickelt werden („Sicherheitsforschung“). Das Bundesinnenministerium will künftig die Kontrolle über diese Gelder erlangen, um „an den praktischen Bedürfnissen der Sicherheitsbehörden“ ausgerichtete Überwachungstechnik in Auftrag geben zu können.

  21. Straftäter sollen nach Verbüßung ihrer Strafe häufiger in Haft verbleiben (Sicherungsverwahrung).

  22. § 129a StGB (terroristische Vereinigung) soll ausgeweitet werden, so dass eine Gruppierung leichter als „terroristische Vereinigung“ eingestuft werden kann. Die Werbung für terroristische Vereinigungen soll unter Strafe gestellt werden.

  23. Das vorsätzliche Auslösen einer Wirtschaftskrise soll unter Strafe gestellt werden (sic!).


(Quelle)

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