Mittwoch, 7. Oktober 2009

Ein verlorener Krieg

Seit dem Luftangriff auf die beiden Tanklastwagen, die in der Furt des Kundus-Flusses stecken geblieben waren, ist bis in den letzten Winkel Deutschlands klar geworden, was Verteidigungsminister Jung bislang nicht zugeben wollte. »Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Krieg … Weiterhin von einem ›robusten Stabilisierungseinsatz‹ zu schwurbeln, verhöhnt Opfer und Soldaten«, erkannte die Badische Zeitung in Freiburg. Auch über die Summe dieses Krieges gibt es keine Illusionen mehr. »Nach acht Jahren Krieg ist die Bilanz vernichtend: Afghanistan ist ein Armenhaus, in dem jeder Zweite unter der Armutsgrenze lebt. Es ist ein Geisterhaus, in dem Korruption, Opiumhandel und Verrohung gedeihen. Und es ist ein Totenhaus, in dem nach UN-Angaben allein im ersten Halbjahr 2009 mehr als 1000 Unbeteiligte bei Anschlägen und Kämpfen ums Leben kamen. Afghanistan ist ein gescheiterter Staat«, fasste die Ostsee-Zeitung in Rostock zusammen. Und das kann man mit den Zahlen der Weltgesundheitsorganisation präzisieren: 54 Prozent der Familien haben weniger als 100 Dollar pro Monat, nur 37 Prozent können sich Lebensmittel leisten, 25 Prozent haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, und 54 Prozent der Kinder sind unterernährt. Nur 31 Prozent der Familien können sich Heizöl leisten, weswegen in den langen und harten Wintern viele Menschen erfrieren.

In diesem Krieg haben die US-Verbündeten bereits viele Niederlagen erlitten. Die jeweils gemeldete Anzahl der getöteten Taliban ließ die Niederlagen als kleine Erfolge erscheinen und täuschte über die hohe Anzahl der getöteten Zivilisten hinweg. Über sie gab es immer Streit und Unklarheit. Sicher ist nur, dass ihre Gesamtzahl die der Toten von ISAF und OEF um ein Vielfaches übertrifft.

Das Massaker von Kundus liegt in der Konsequenz der furchtbaren Logik dieses Krieges. Es bezeichnet keinen Wendepunkt im Krieg, denn vergleichbare Massaker sind schon mehrmals im Osten, Süden und Westen des Landes geschehen; nun ist der Norden hinzugekommen. Aber die Wahrnehmung an der deutschen »Heimatfront« hat sich dadurch zutiefst verändert. Die unglaubwürdigen Rechtfertigungsversuche des Verteidigungsministers haben dazu ihren Teil beigetragen.

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